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MMaria 13.12.2006 07:22

AW: Lieber Paps, liebe Mama
 
13.12.05

Morgens bin ich mit meinem Mann zur Ärztin gefahren. Sie meinte, das wäre etwas Böses, dass auf jeden Fall entfernt werden müsste. Dann besorgte sie mir einen Termin zur Biopsie im Krankenhaus.
Wir haben dann noch unsere Söhne, da 15 und 18 Jahre alt informiert. Die ware natürlich geschockt.
Ich habe mich gefragt, warum nach dir, Papa, der mit 57 an Speiseröhrenkrebs sterben musste und dir, Mama, die schon von dem 70.Geburtstag an Alzheimer erkrankte, nun auch noch ich betroffen sein sollte. In unserer Familie war es immer so nett und harmonisch gewesen, kaum gab es Streit, ihr habt mir eine wunderbare Kindheit und Jugend bereitet.
Aber da nach geht es nicht. Auf jeden Fall war ich ziemlich durcheinander, und habe mich erstmal krank gemeldet im Büro.
Eure Moni

MMaria 15.12.2006 08:28

AW: Lieber Paps, liebe Mama
 
15.12.2005

Der Tag meiner Biopsie. Es klingt sicher merkwürdig, aber das war das Schlimmste was mir passiert ist, schlimmer als die OP und die gesamte Chemotherapie. Ob es daran liegt, das ich drei Stunden warten musste und dabei viel aufgeschnappt habe, oder dass es ziemlich stümperhaft und schmerzhaft gemacht wurde, oder weil es genau über dem Herzen lag, oder einfach weil es das Erste war, weiß ich nicht. Nur danach war ich völlig verzweifelt und dachte nur, was kommt noch alles auf mich zu. Das Ergebnis sollte ich ausserdem erst Tage später erhalten.

Liebe Mama,

am Nachmittag war ich bei dir zu Besuch im Heim. Wir waren das letzte Mal zusammen im Cafe, und du warst richtig schlecht drauf. Hast nur vor dich hin geschimpft. Verstanden hatte ich dich schon monatelang nicht mehr, aber in so einer Stimmung hatte ich dich nie erlebt. Du hast wohl gespürt, dass mit mir etwas nicht stimmt und konntest dich nicht anders äussern. Ich habe das nur da nicht begriffen und war traurig darüber das du so böse warst.

Deine Moni

MMaria 19.12.2006 08:48

AW: Lieber Paps, liebe Mama
 
19.12.2005

Nachdem wir übers Wochenende an der Ostsee gewesen waren, wo ich versucht habe ein wenig zu entspannen, sollten wir am Abend in die Klinik kommen, um das Ergebnis der Biopsie zu erfahren. Der Arzt meinte der Tumor wäre sehr bösartig und sollte schnellstens entfernt werden. Schon am nächsten Morgen sollte ich aufgenommen werden für Voruntersuchungen und Wächter-Knoten-Bestimmung. Am übernächsten Tag sollte ich dann operiert werden.
Da war ich wirklich geschockt. Wir sind dann noch zu meiner Frauenärztin gefahren um ihre Meinung dazu zu hören. Sie meinte " Sie müssen Vertrauen haben, die leisten dort gute Arbeit". Also habe ich noch spätabends unsere Papiere geordnet, diverses für Weihnachten organisiert und schließlich eine Tasche gepackt. Geschlafen habe ich nicht.
Moni

MMaria 21.12.2006 07:48

AW: Lieber Paps, liebe Mama
 
Heute vor einem Jahr war meine Operation. Diese habe ich gut überstanden. Dass ich als Kassenpatientin vom Chef- und Oberarzt operiert wurde fand ich erstaunlich. Nur als die am Nachmittag zu mir kamen, um mir zu berichten, dass der Wächter-Lymphknoten befallen war und sie diverse weitere entfernt hätten, war mir die Bedeutung noch nicht klar. Ich hoffte immernoch ohne Chemo davon zu kommen. Am Abend bin ich schon wieder rumgelaufen.
Monika

MMaria 24.12.2006 09:33

AW: Lieber Paps, liebe Mama
 
Liebe Mama,
das ist das erste Weihnachten, das wir ohne dich verbringen müssen.
Gerne erinnere ich mich an meine Kinder- und Jugendzeit. Ihr habt mir wunderbare Weihnachten bereitet. Wir waren sicher nie reich, aber ihr habt mir immer das Gefühl gegeben es wäre so. Wir waren immer nur dritt und das war schön so. Ab 1978 waren wir dann zu viert. M. hat alles gerne mitgemacht. Dann das schlimme Jahr 1986, da haben wir nur geweint um Papa. Die nächsten Jahre waren dann wieder schön, weil meine Kinder dazu kamen. Mama, du warst immer dabei. Das war lange Zeit sehr schön, bis die Zeichen deiner Krankheit unübersehbar wurden. Das letzte Mal bei uns haben wir 2001 zusammen gefeiert. Danach haben wir dich im Heim besucht. Da haben wir es uns mit deiner Nachbarin und deren Tochter gemütlich gemacht.
Das letzte Jahr war nicht so schön. Du im Heim, ich im Krankenhaus. Meine drei Männer haben erst dich besucht und ein letztes Mal mit ins Cafe genommen, aber das hast du alles kaum wahrgenommen. Danach haben sie mich abgeholt. Ich durfte ein paar Stunden nach Hause. Sie haben mir einen sehr schönen Heiligabend bereitet. Alles war, als hätte ich es selbst vorbereitet. Der Tannenbaum, das Essen etc. Auch schöne Geschenke habe ich erhalten. Am späten Abend hat mein Mann mich dann wieder ins Krankenhaus gebracht.
Deine Moni

MMaria 26.12.2006 11:24

AW: Lieber Paps, liebe Mama
 
Liebe Mama,
heute vor einem Jahr habe ich mich von dir verabschiedet. Ich habe mich vom Krankenhaus zu dir fahren lassen. Dann habe ich versucht dir zu erklären, was mit mir los ist und dass ich dich erstmal nicht mehr besuchen würde. Das war natürlich sehr tränenreich. Was du begriffen hast, weiß ich nicht, aber du hast mir zum ersten Mal seit Monaten direkt in die Augen geschaut.
Danach habe ich noch ein paar Stunden zuhause mit meiner Familie verbracht.

Deine Moni

MMaria 28.12.2006 09:29

AW: Lieber Paps, liebe Mama
 
28.12.05

Ich war noch immer im Krankenhaus. Aber eigentlich fand ich es nicht so schlimm. Auf der Station war mehr Personal als Patienten und obwohl ich ausserhalb Hamburgs lag habe ich trotzdem ziemlich viel Besuch bekommen. Die übrige Zeit habe ich genutzt, mir zu überlegen wie es wohl weitergeht. Ich habe alle Broschüren und Hefte die da rumlagen gelesen. Die Zeit hat mir gut getan.

Monika

MMaria 02.01.2007 15:53

AW: Lieber Paps, liebe Mama
 
05/06

Am 30.12. wurde ein Knochensinthigramm gemacht, zum Glück alles in Ordnung. Silvester wurde ich endlich entlassen. Um Mitternacht habe ich ein paar Böller losgelassen, um dieses schlechte Jahr zu verabschieden.
Neujahr bekam ich Besuch von zwei Freundinnen. Meine Männer haben dich, Mama, besucht. Ich hatte nur immernoch keinen Befund, wusste nicht, wie es weitergeht.

Monika

MMaria 05.01.2007 08:21

AW: Lieber Paps, liebe Mama
 
5.1.06

Da habe ich endlich meinen Befund bekommen.
pT2, pN1a, M0, G3, L1, Hormonrezeptor positiv.
Weil G3, L1 nicht gut ist, wurde mir vom Arzt die Teilnahme an der Success-Studie empfohlen. Ich war erstmal geschockt, als ich hörte dass ich vier Monate Chemotherapie, dann 7 Wochen Strahlentherapie und dann noch 2 oder 5 Jahre lang Infusionen bekommen sollte. So langwierig hatte ich mir das Ganze da noch nicht vorgestellt. Aber ich habe mich ziemlich schnell wieder eingekriegt und gedacht sechsmal Chemo, das bekommst du schon rum.

5.1.07

Lieber Paps,
gestern habe ich einen Brief von deinem Patenkind, dem Sohn deines Lieblingsbruders, bekommen, den ersten in meinem Leben.
Es geht ihm wie mir. Er ist auch Einzelkind, hat seinen Vater relativ früh durch Krebs verloren und seine Mutter ist an Alzheimer erkrankt. Da sind wir doch Leidensgenossen. Ich werde versuchen mit ihm regelmäßig in Kontakt zu bleiben.

Moni

MMaria 09.01.2007 15:44

AW: Lieber Paps, liebe Mama
 
9.1.06

Da habe ich die Einwilligung zur Studie unterschrieben und es wurde Blut abgenommen etc. Vier Tage später sollte es losgehen.
Am Abend war ich zu einer Selbsthilfegruppe. Da habe ich schlimme Geschichten gehört, aber trotzdem beschlossen regelmäßig dorthin zu gehen.

Monika

MMaria 12.01.2007 08:17

AW: Lieber Paps, liebe Mama
 
12.1.06

An diesem Tag habe ich mir eine Perücke ausgesucht. Dann war ich noch beim Zahnarzt und habe ab da meine Ernährung umgestellt. Ich hatte beschlossen meinen Konsum an Zucker und tierischen Fetten extrem einzuschränken. Das habe ich bis heute durchgehalten und dabei einige Kilo Übergewicht abgebaut.

Monika

MMaria 13.01.2007 09:43

AW: Lieber Paps, liebe Mama
 
13.1.06

Liebe Mama,
wir waren auf dem Weg zu meiner ersten Chemo und schon in Sichtweite zur Klinik, als der Anruf aufs Handy vom Heim kam, du wärst soeben verstorben.
Was nun? Ich ging, ohne jemandem etwas zu sagen zu meiner Chemo und mein Mann fuhr zu dir. Nahm Abschied, und organisierte alles Weitere. Ich saß da, und versuchte zu trauern und zu weinen, aber es ging nicht, ich war einfach völlig durcheinander.
Am Nachmittag dann das Gespräch mit dem Bestatter. Ich musste doch deine Beerdigung planen. Da konnte ich mir gar keine Gedanken über die Chemo machen und hatte auch keine Beschwerden.

Mama, du bist geboren und aufgewachsen in einen kleinen Dorf in Schlesien. Bei Kriegsende bist du mit deinen Eltern in einen Ort in Brandenburg geflohen. Deine drei älteren Geschwister waren da schon außer Haus. Du bliebst einige Jahre dort und machtest eine Ausbildung zur Schneiderin. Mit 22 Jahren kamst du über Berlin nach Hamburg. Bald lerntest du Papa kennen und ein paar Jahre später war unsere Familie komplett. Du hast nicht gearbeitet bis ich 13 Jahre alt war, warst nur für mich da. Dann fingst du an als Verkäuferin im Kaufhaus. Die Arbeit machte dir Spaß, und half dir später auch über Papas Tod hinweg. Als meine Kinder kamen warst du die beste Oma. Hast dich viel um die Beiden gekümmert. Nachdem deine Schwester 1995 plötzlich in deinem Wohnzimmer verstorben war, warst du nicht mehr die Alte. Langsam begannst du dich zu verändern. Es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis ich begriff, dass du krank warst und schließlich die Diagnose Alzheimer gestellt wurde.
2002 ging es nicht mehr anders, du musstest ins Heim. Dort hattest du noch zwei schöne Jahre, bis du fast alles verlorst, was dich mal ausgemacht hatte.
Irgendwie bist du da schon für mich gestorben, obwohl ich mich natürlich weiterhin um dich kümmerte. Aber trotzdem konnte ich am Ende nicht trauern.

Deine Moni

MMaria 16.01.2007 13:36

AW: Lieber Paps, liebe Mama
 
Liebe Mama,
heute vor fünf Jahren habe ich dich ins Heim gebracht. Das ist mir unendlich schwer gefallen, aber du konntest nicht mehr in deiner Wohnung bleiben, das war für dich und deine Nachbarn zu gefährlich. Du wusstest ja nicht mehr , was du machtest.

Im letzten Jahr habe ich in diesen Tagen mit einigen Freunden telefoniert und an diverse Bekannte und Verwandte geschrieben, um sie über dein Ableben und den Beerdigungstermin zu informieren. Mit dem Pastor habe ich auch gesprochen und mit meiner Familie Trauerkleidung gekauft. Von der Chemo habe ich kaum was bemerkt.

Moni

MMaria 18.01.2007 11:29

AW: Lieber Paps, liebe Mama
 
Heute war meine erste Mammografie " danach ", und es ist alles in Ordnung. Ich bin froh und glücklich darüber.

Vor einem Jahr war ich weiter mit Beerdigungsvorbereitungen beschäftigt. Wir haben ein Lokal ausgesucht und mit diversen Leuten telefoniert.

Monika

MMaria 23.01.2007 09:01

AW: Lieber Paps, liebe Mama
 
Liebe Mama,
heute vor einem Jahr war deine Beerdigung. Leider war weder dein Bruder noch jemand von seinen Nachkommen dabei, nur eine entfernte Cousine von dir. Dafür aber Verwandte von Papa, deine Kolleginnen und einige Bekannte von uns.
Bei sehr kaltem aber schön sonnigen Wetter haben wir Abschied genommen. Es war eine schöne Trauerfeier. Der Pastor aus dem Heim hat gut gesprochen, und ich konnte endlich weinen.
Sonst war ich froh, dass mir noch nicht die Haare ausgingen und ich mich körperlich gut fühlte.

Deine Moni


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