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Orava 11.03.2018 17:29

Kontakt zu hinterbliebenen Angehörigen
 
Hallo,

ich hoffe, ich habe das richtige Unterforum gewählt.

Ein (sehr) guter Freund von mir starb im Dezember an Krebs, nachdem es eigentlich so aussah, als würde doch alles gut werden. Mit der Situation komme ich irgendwie nicht so recht klar, bin emotional und breche andauernd in Tränen aus und mir geht das alles doch näher, als es eigentlich objektiv sollte. Meine Familie und Freunde haben dafür eher wenig Verständnis. "Ja, ist natürlich total tragisch, wenn jemand so früh sterben muss, aber..." oder "bist du etwa immer noch traurig? Ist doch schon xx Wochen her!".

Beim Aufräumen fand ich nun ein Geschenk, das ich schon vor Monaten besorgt hatte und ihm eigentlich zu Weihnachten schenken wollte. Es hat einen geringen materiellen Wert und ist eher ein "Spaßgeschenk" von seinem Lieblingsverein, das ihn bestimmt zum Lachen gebracht hätte, da wir uns oftmals über kitschige Fanartikel lustig gemacht haben. Seine Begeisterung für den Verein war ein Running Gag und auch Bestandteil der Trauerreden.
Mir kam nun der Gedanke, dieses Geschenk der Familie zu seinem Geburtstag in ein paar Monaten zusammen mit einer Karte, mit kurzer Erklärung zur eigentlichen Intention und so etwas wie "an diesem Tag denke ich an euch. Mir fehlt er auch" zu schicken.
Wir sind beide Anfang 30 und seine Familie kenne ich nicht persönlich, bzw. ich traf seine Mutter nur einmal kurz bei ihm zu Hause, wo wir uns gut verstanden haben. Eine Freundin, mit der ich über die Idee sprach, findet es pietätlos die Familie zu kontaktieren, weil das an solchen besonderen Tagen bloß Wunden aufreißen würde.

Daher meine Fragen - die vermutlich auch ohne die lange Vorgeschichte hätten gestellt werden könnten, entschuldigt den langen Text.
  • Ist es für euch in Ordnung an Jahrestagen / Feiertagen von Freunden, Kollegen, Bekannten etc. eurer Verstorbenen Mitteilungen zu erhalten, dass sie auch an eure Verstorbenen denken / in Gedanken bei euch sind?
  • Würde euch das eher belasten, oder "freut" ihr euch über das Wissen, das auch noch andere um eure geliebten Menschen trauern und an sie denken?

Durch eine Karte möchte die Familie nicht emotional belasten oder mich aufdrängen und bin verunsichert, was das "richtige" Verhalten wäre.
Ich würde mich freuen, wenn ihr mir schreiben könntet, wie es für euch in solchen Situationen war.

Vielen Dank und einen schönen Sonntag.
Orava

Küstenkind 11.03.2018 20:54

AW: Kontakt zu hinterbliebenen Angehörigen
 
Hallo Orava,

ich habe meine Mutti ebenfalls im Dezember verloren.

Ich persönlich würde mich sehr darüber freuen, wenn ich wüsste, dass auch andere immer noch so sehr an meine Mutti denken wie ich und mich das wissen lassen würden.

Ich als Angehörige habe nämlich eher das Gefühl, es wird viel zu schnell zum Alltagsgeschehen übergegangen.

So wie du es vorhast, hätte ich als Angehörige das schöne Gefühl, dass ich nicht alleine mit meiner Trauer bin, denn die Trauer ist auf jeden Fall da. Ich hätte daher absolut nicht das Gefühl das Wunden aufgerissen werden, im Gegenteil, ich finde Mitgefühl, vor allem mir gegenüber geäußertes Mitgefühl sehr schön und wohltuend.

Meine persönliche Meinung: Ich würde es machen.

Ich habe mich auch sehr über jede einzelne Trauerkarte gefreut, da sie Ausdruck von Mitfühlen und Gehörtwerden ist. Besonders die persönlichen Karten sind eine wunderschöne Erinnerung, in denen Freunde und Wegbegleiter von Mutti noch einmal ihre persönliche Beziehung zu Mutti aufzeigten und nicht nur einen Standardspruch schrieben.

LG Küstenkind

Solonley 11.03.2018 20:57

AW: Kontakt zu hinterbliebenen Angehörigen
 
Hallo Orava!

Ich schreibe dir mal meine Meinung mit meinen Erfahrungen und Gefühlen...

Meine Mutter ist vor ein paar Jahren gestorben und ich finde es heute immer noch schön, wenn sich da jemand meldet. Die meisten tun es zu ihrem Geburts- oder Todestag. Aber für mich gibt es zwischen solchen Tagen und den normalen Tagen keinen Unterschied. Es tut immer gleich weh und fühlt sich immer gleich schei*e an.

Es belastet mich nicht, dass jemand um sie trauert oder immer noch gerne an sie denkt. Eigentlich ist es doch ein gutes Zeichen, wie sehr die verstorbene Person gemocht wurde oder wer sie geschätzt hat. Sei es als Familienmitglied, Freund/in, Bekannte/r, Kollege/in, Nachbar/in.
Bei mir ist es so, dass solche Meldungen meist von denen kommen, wo man es am wenigsten erwartet oder mit gerechnet hat. Das hat mich dann, so traurig der Anlass auch ist, sogar gefreut.Das ist ein kleiner Balsam für die Seele. Sie war nicht nur meine Mama, Frau, Oma und Tochter sondern auch Tante, Nichte, Cousine, Freundin, Ehrenamtliche, Nachbarin, ehemalige Kollegin und vieles mehr.

Mich trifft es, wenn jemand so tut als wäre alles wieder gut. Wenn so Sprüche kommen wie "Es ist doch schon so und so lange her". Bei mir haben sich viele abgewendet, weil sie meine Trauer nicht ertragen wollten bzw es nicht akzeptiert haben, dass ich nach Monaten immer noch nicht drüber hinweg war.
Mich macht es traurig, wenn jemand so tut als wäre nichts passiert oder alles wie immer. Das Leben geht weiter, nur ohne den Verstorbenen. Aber so ist das nicht. Klar, das Leben geht weiter. Aber ich lebe MIT den Verstorbenen weiter und die anderen auch, die noch an sie denken.

Er war nicht dein Freund, sondern er ist dein Freund, auch wenn er nicht mehr lebt. Du denkst an ihn und vermisst ihn. Das ist nicht verboten und dies zum Ausdruck zu bringen auch nicht.

Ich bin mittlerweile 30 Jahre alt und merke immer wieder, dass der Tod in diesem Alter nichts zu suchen hat und man deswegen auf Unverständnis oder Ignoranz trifft. Viele wollen sich in dem Alter nicht so einem Thema auseinersetze oder beschäftigen. Deswegen finde ich deinen Idee mit einer Karte gut. Vielleicht hilft es dir in deiner Trauer auch, dich mitzuteilen.

Falls sich auf deine Karte niemand zurückmeldet, dann sei nicht böse oder traurig. Manchmal fehlt einem einfach noch die Kraft oder die richtigen Worte.


Ich hoffe, ich konnte dir etwas behilflich sein.

LG Solonley

Ein kleiner Nachtrag von mir...
Meine Oma lebt noch und hat den Tod ihrer Kinder leider erleben müssen, und auch von ihr kenne ich in der Hinsicht nur positive Reaktionen. Da kamen Sätze von ihr, dass sie positiv überrascht war, wie viele Leute da draußen sind und auch an ihre Kinder und an sie denken. Es kamen auch Karten oder Briefe von Menschen, die meine Oma kaum kannte oder gar nicht mit gerechnet hätte, weil der Kontakt mit den Jahren etwas nachgelassen hat.
Bei meinem Vater ist es nicht anders. Besonders positiv war seine Reaktion, wenn es wirklich persönliche Zeilen waren. Auch er bekam Briefe von Menschen, wo er nicht damit gerechnet hatte, dass da solche Worte kommen und nicht einfach nur eine einfache Karte.

Jusy 11.03.2018 21:41

AW: Kontakt zu hinterbliebenen Angehörigen
 
Ich finde die Idee auch schön! Für mich ist es auch so, dass ich erst in solchen Momenten merke: meine Mutter ist nicht nur meine Mutter sondern eben auch Freundin, Tochter Schwester... Ich fühl mich nicht so alleine, wenn ich weiß, dass auch andere an die Mami denken.

Clea 12.03.2018 09:39

AW: Kontakt zu hinterbliebenen Angehörigen
 
Jetzt haben sich nur Hinterbliebene gemeldet, deren Mütter gestorben sind, und auch bei mir war es so. Ich glaube aber nicht, dass es bei denen, deren Kind gegangen ist, anders aussieht. Ich für meinen Teil schließe mich voll und ganz an. Ich würde den Fanartikel aufs Grab stellen. Ich hab meiner Ma aus meinem ersten Urlaub ohne sie auf ihrer Lieblingsinsel Mallorca etwas Sand mitgebracht. Der ist auch auf dem Grab. Wenn er aber von jemand anderem gekommen wäre, hätte ich ihn trotzdem dort hingestellt.
Ich finde es toll, was du vorhast.

Christin12 12.03.2018 20:28

AW: Kontakt zu hinterbliebenen Angehörigen
 
Ein sehr schöner Gedanke, liebe Orava.
Auch die Worte, die du schreiben möchtest, finde ich gut gewählt.

Ich persönlich bin tief berührt, wenn jemand an meinen Papa denkt
und das in irgendeiner Form zum Ausdruck bringt.

An seinem Geburtstag standen einige Blumensträuße an seinem Grab,
von denen wir heute noch nicht wissen, von wem sie waren. Das ist
auch nicht so wichtig. Wichtig ist: jemand hat an ihn gedacht.
Wir haben auch eine Kerze geschickt bekommen, die für ihn bestimmt war.

Es ist liebevoll und mitfühlend, wenn Zeichen für die Hinterbliebenen
kommen. Es verstärkt den Schmerz nicht und es belastet auch nicht zusätzlich.
Im Gegenteil: es tut gut, wärmt das Herz und berührt die Seele.

Orava 19.03.2018 08:05

AW: Kontakt zu hinterbliebenen Angehörigen
 
Guten Morgen,

vielen lieben Dank für eure ausführlichen Antworten und dafür, dass ihr eure persönlichen Gefühle und Erfahrungen hier geteilt habt. Leider konnte ich nicht früher antworten.

Küstenkind, mein aufrichtiges Beileid für den Verlust deiner Mama. Ich wünsche dir, das für dich bald wieder Momente, Stunden und Tage kommen, in denen du Freude empfindest und dass du aus der Erinnerung an deine Mama und an eure gemeinsame Zeit Kraft für die schwere Zeit der Trauer schöpfen kannst. Und auch euch anderen, die ihr geliebte Menschen verloren habt, wünsche ich weiterhin viel Kraft für die Trauerarbeit.

Er war nicht dein Freund, sondern er ist dein Freund, auch wenn er nicht mehr lebt. Du denkst an ihn und vermisst ihn. Das ist nicht verboten und dies zum Ausdruck zu bringen auch nicht.
Solonley, danke für deine Worte, die mich sehr berührt haben. Etwas ähnliches dachte ich mir bisher auch immer, wenn mir meine Trauer lächerlich oder übertrieben vorkam. Dabei sind Gefühle und Emotionen, die man für eine bestimmte Person hatte doch nicht auf Knopfdruck vorbei, wenn diese gestorben ist. Manchmal habe ich jedoch den Eindruck, als würden Außenstehende (insbesondere solche, die selbst noch nicht oft mit dem Tod konfrontiert wurden) genau dies erwarten und fühlten sich von Trauer und Traurigkeit fast schon belästigt. Eine Freundin konnte beispielsweise nicht verstehen, dass ich direkt nach seinem Tod lieber alleine sein wollte und die Zurschaustellung ihres Familienglücks mich beim ersten Geburtstag ihres Kindes bloß noch mehr deprimiert hätte. Irgendwie führt ein Tod wohl auch immer dazu, das eigene Leben und die Menschen darin genauer zu betrachten. Daher tat es gut, deine Worte zu lesen. Danke dafür.

Die Karte und das Geschenk werde ich der Familie zuschicken. Sollten sie nicht darauf antworten, wäre das für mich absolut in Ordnung und auch verständlich. Nach der Reaktion einer Freundin auf meine Idee, war ich verunsichert, ob ich der Familie damit nicht zu nahe treten könnte oder meine Trauer in den Mittelpunkt stellen würde. Eure Worte haben mich jedoch darin bestärkt, den Plan in die Tat umzusetzen.


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