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Ursi 19.05.2008 12:24

Immer Kur /Reha?
 
Hallo zusammen,
in der Schweiz wird viel über Kostenexplosion im Gesundheitssystem / Zweiklassenmedizin und so diskutiert und Anfang Juni ist die nächste Volksabstimmung zu diesem Thema geplant.

In diesem Zusammenhang ist mir aufgefallen, dass in Deutschland zu einer Krebstherapie scheinbar immer eine Kur / Reha gehört. Ist das so? Und falls ja, findet ihr dieses Angebot eher entscheidend für den Therapieerfolg oder wünschenswert und unterstützend?

Als ich vor zwei Jahren wegen eines NH Lymphoms eine Chemotherapie machen musste und nach dem sechsten Zyklus fragte, ob ich im Anschluss an die Behandlung zur Kur gehen könne, sagte mir der Onkologe, dass dies nicht nötig und sowieso nur eine mitteleuropäische Geschäftsidee sei. Meine Reha sei die volle Wiederaufnahme meiner Arbeit und Rückkehr in den Alltag. Das hat soweit gut geklappt, nur habe ich zwei Jahre nach Therapieabschluss noch oft Angst vor einer erneuten Krebserkrankung und bin überhaupt ziemlich hypochondrisch. Ich frage mich, ob eine Kur/Reha meine psychische Widerstandsfähigkeit hätte stärken können und wir in der Schweiz einfach schon längst ein Zweiklassensystem haben :confused:?

bergmädel 19.05.2008 13:11

AW: Immer Kur /Reha?
 
Grüezi Ursi

In Deutschland ist es so, dass die Versicherungsträger nach einer Krebsbehandlung auf jeden Fall eine sogenannte Anschlussheilbehandlung bewilligen und finanzieren.
Das Konzept der AHB schliesst dabei als wesentliche Punkte die Erholung von den meist belastenden Therapiemassnahmen wie OP, Chemotherapie, Strahlen ein, als auch Beratungsschwerpunkte hinsichtlich der weiteren Lebensgestaltung nach einer Krebsdiagnose.

Innerhalb von fünf Jahren kann man noch zwei weitere Folgerehas beantragen.
Die Versicherungsträger sind nicht verpflichtet, diese zu bewilligen, das heisst, ein Rechtanspruch des Patientin besteht nicht.

Wird ein Antrag auf einen Rehaaufenthalt gestellt, sind die Kriterien für eine Bewilligung die erforderlichen ärztlichen Gutachten, die den tatsächlichen Rehabedarf feststellen müssen,
und die Wahrscheinlichkeit, dass der Aufenthalt in einer Rehaklinik die befundeteten krebsbedingten Gesundheitsprobleme wie beispielsweise Depressionen, Lymphödeme, hohe Rückfallwahrscheinlichkeit o.ä. deutlich verbessert.
Gleichzeitig wird geprüft, ob diese Verbesserung nicht doch kostengünstiger durch ambulante Rehamassnahmen erzielt werden kann; in diesem Falle würde der Antrag abgelehnt werden.

Ein weiteres Kriterium ist Berufstätigkeit, da die Versicherungsträger natürlich Wert darauf legen, diese zu erhalten.

Ich hatte das Glück, nach der AHB noch zwei weitere Rehas genehmigt zu bekommen, und habe davon absolut für meine Krankheitsbewältigung und meine Arbeitsfähigkeit in einem anstrengenden Job profitiert.
Glück war auch, dafür eine gute Klinik gefunden zu haben, in die ich alle dreimal fahren durfte.

Es waren nicht nur die dort stattfindenden Therapieangebote, dazu kamen die wunderbare Umgebung und grossartige Menschen, die ich kennengelernt und von deren Impulsen ich auch profitiert habe.
Sicher muss man sich darauf einstellen, in einer Krebs-Rehaeinrichtung mit allen Krankheitsstadien konfrontiert zu werden,
oder auch mit Menschen, die einem aus verschiedenen Gründen nicht so liegen.

Natürlich ist es auch hier in Deutschland immer schwieriger geworden, kostenaufwendige Massnahmen verschrieben oder genehmigt zu bekommen.
Eine Zwei-Klassen-Medizin gibt es natürlich, bedingt dadurch, dass Privatpatienten natürlich oft bevorzugt oder umfassender behandelt werden als Kassenpatienten, weil deren Behandlungen mehr Geld bringen.
Arztpraxen und Kliniken haben zudem immer vehementer mit begrenzten Budgets zu kämpfen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man auch als Kassenpatient optimal und "überdurchschnitt" behandelt wird, allerdings war dazu manchmal Hartnäckigkeit und Druck notwendig.
Leider hat nicht jeder Patient, gerade nach einer Krebsdiagnose, die notwendige Energie und Chuzpe dazu.

Wenn Du Dich nochmal für einen Rehaantrag entscheidest, wünsche ich Dir viel Glück dazu.

Noch ein Wort zu Deinem Onkologen: Genau für solche braucht man Hartnäckigkeit, oder Ausdauer dazu, einen anderen zu finden. Was für ein blöder Spruch mit der mitteleuropäischen Geschaftsidee...



Liebe Grüsse in die schöne Schweiz.
Sandra

Ursi 19.05.2008 13:41

AW: Immer Kur /Reha?
 
Hallo Sandra,
ganz lieben Dank für die schnelle und umfassende Antwort. Nach Deiner Erklärung scheint mir die REHA eine logische Abschlussbehandlung und kein "nice to have".

Ich kann mir vorstellen, dass der wirkliche Grund, weshalb ich keine REHA bekam, meine in dieser Ausnahmesituation (!!!) fehlende Hartnäckigkeit war und nicht die schärferen Bedingungen der schweizer Versicherungen. Ich war aber während der Chemo völlig durch den Wind und habe wie ein hypnotisiertes Kaninchen einfach nur gewartet bis "es" vorbei wäre.

Liebe Grüsse
Ursi


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