Einzelnen Beitrag anzeigen
  #9  
Alt 13.01.2007, 05:08
Neo Plasms Neo Plasms ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 18.08.2005
Beiträge: 47
Standard AW: Krankenkasse verweigert GEMZAR

Hallo Daniel,

am 06. Dezember 2005 hat das BVerfG unter dem Aktenzeichen
1 BvR 347/98 eine recht interessante Entscheidung getroffen.

Der Leitsatz des BVerfG:

Es ist mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

Sehr empfehlenswert wird es wohl sein, im vorliegenden Fall einen Fachanwalt für Sozialrecht aufzusuchen.

Sehr wahrscheinlich steht der sog. "einstweilige Rechtsschutz" vor den Sozialgerichten erfolgreich zur Verfügung (hierzu sogleich!).

Die gesamte Entscheidung des BVerfG ist hier nachzulesen:

http://www.bundesverfassungsgericht....bvr034798.html


Die Pressemitteilung vom 16.12.2005 findet sich hier:
http://www.bundesverfassungsgericht....bvg05-126.html


Die Behauptung der IKK, bei „GEMZAR“, so der Name des Medikaments (Pharmaunternehmen: Lilly Deutschland GmbH, Saalburgstraße 153, 61350 Bad Homburg, Tel.: 06172 273-2222, Telefax: 06172 273-2030), handelte es sich nicht um ein Standardmedikament beim Pankreaskarzinom, ist SACHLICH FALSCH!

Ich sage es nicht sehr gerne, aber die Damen und Herren der Krankenkassen sind leider oftmals nicht die Schlausten und treffen Entscheidungen, die so juristisch nicht haltbar sind!

Hier der Anwendungsbereich von „GEMZAR“, für die es eingesetzt wird und zugelassen ist:

Lokal fortgeschritt. od. metastasiertes Blasenkarzinom in Komb. m. and. Zytostatika. Lokal fortgeschritt. od. metastasiertes nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom in Komb. m. and. Zytostatika. Lokal fortgeschritt. od. metastasiertes Adenokarzinom d. Pankreas b. Pat. m. gutem Allg.-zustand u. ausreich. Knochenmarkreserve. Lokal fortgeschritt. od. metastasierter Brustkrebs, in Komb. m. Paclitaxel, b. Pat., bei denen es nach einer (neo-)
adjuvanten Chemother. zu einem Rezidiv kam. Die vorausgeg. Chemother. sollte ein Anthracyclin enth. haben, sofern dieses nicht klin. kontraindiz. war. Lokal fortgeschritt. od. metastasiertes epitheliales Ovarialkarzinom in Komb. m. Carboplatin b. Pat. m. einem Rezidiv nach einer rezidivfreien Zeit v. mind. 6 Mon. nach einer erstmaligen zytostat. Ther. auf Platinbasis.


"Einstweiliger Rechtsschutz" vor den Sozialgerichten:

Das Verfahren wäre vorliegend vor dem Sozialgericht zu führen und ist für einen gesetzlich Krankenversicherten gem. §§183 S.1, 2 iVm. S.3 SGG im Hinblick auf die Gerichtskosten KOSTENLOS!

Natürlich besteht die Möglichkeit der sog. „Prozesskostenhilfe“ (PKH), wenn man das Honorar für den Anwalt nicht selbst aufbringen kann!

Das von „Conny44“ angeführte und Angst einflößende Argument, dass die Beweisführung schriftlich und enorm sei, ist so nicht richtig!

Im Gegensatz zu einer einstweiligen Verfügung im zivilrechtlichen Verfahren im Falle der einstweiligen Anordnung des Sozialgerichts (so heißt es im öffentlichen Recht richtig, nicht wie im Zivilrecht „einstweilige Verfügung“) gilt der sog. „Amtsermittlungsgrundsatz“ und nicht wie im Zivilverfahren, der „Beibringungsgrundsatz“!

Fraglich ist, wann Euch die Krankenkasse mitgeteilt hat, dass sie die Chemotherapie nicht zahlen würde und ob Euch diese ablehnende Mitteilung schriftlich zugegangen ist. Sollte eine schriftliche Ablehnung vorliegen, so ist wiederum unbedingt darauf zu achten, ob eine sog. „Rechtsmittel- oder Rechtsbehelfsbelehrung“ vorhanden ist. Dies ist für die Beurteilung der Aussicht auf Erfolg der einstweiligen Anordnung bzw. eine Prozesses an sich sehr wichtig!

Zu beachten gilt nämlich u.a. § 84 SGG:
(1) Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate.
(2) Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gilt auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt eingegangen ist. Die Widerspruchsschrift ist unverzüglich der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Versicherungsträger zuzuleiten, der sie der für die Entscheidung zuständigen Stelle vorzulegen hat. Im übrigen gelten die §§ 66 und 67 entsprechend.


Wie gezeigt, sind zahlreiche wichtige juristische Probleme zu bedenken, so dass dringend dazu zu raten ist, einen sog. „Fachanwalt für Sozialrecht“ aufzusuchen. Und da es um das Leben Deiner Mutter geht, nicht auf das Anwaltshonorar ankommen darf und kann!

Um einen passenden Anwalt zu finden, solltet Ihr Euch an die für Euch in Dortmund zuständige Rechtsanwaltskammer in Hamm ( http://www.rechtsanwaltskammer-hamm.de) wenden. Insgesamt sind derzeit in Dortmund 16 Fachanwälte für Sozialrecht zugelassen, zu finden über http://www.rak-hamm.de/anwaltsuchdienst/suche.htm .

Sehr wichtig ist, dass es sich um einen Fachanwalt für Sozialrecht handelt!

Also, falls es bei einem anderen Onkologen nicht problemlos mit der Therapie mit „Gemzar“ klappt, würde ich zunächst ein Fax (wichtig wegen des Sendeprotokolls zur späteren Beweisführung) mit dem Vermerkt „EILT! BITTE SOFORT VORLEGEN“ an die Krankenkasse schicken mit der Bitte der Kostenübernahme und zugleich ankündigen, dass man im Falle der Ablehnung unverzüglich mittels eines Rechtsanwaltes beim zuständigen Sozialgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung einreichen werde und dass die Krankenkassen die sodann anfallenden Anwalts- und Gerichtskosten ebenfalls zu tragen habe!

Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung!

Mike
Mit Zitat antworten