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Alt 28.06.2018, 20:55
Erzsi Erzsi ist offline
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Standard AW: Es wächst mir alles über den Kopf für Hilfe und >Tipps dankbar

Liebe Sabine,

Zuerst herzlich willkommen- auch wenn der Anlass einer ist, den wir uns alle nicht gewünscht haben. Ich kann gut nachvollziehen, wie Du Dich fühlst und überrannt fühlst. Ich habe nach meiner Diagnose tagelang nur geweint, alle Menschen in meiner Umgebung angebrüllt und vor den Kopf gestoßen. Mein erster Zugang war: 'Niemals mache ich eine Chemo. Ich laufe nicht als glatzköpfiger, fetter Zwerg durch die Gegend.' (Bin ich dann doch und die Glatze war sehr praktisch und hat echt gut ausgesehen )

Ich dachte damals, wenn mir ein Arzt sagt, dass meine Überlebenschance x % beträgt, ist alles ganz leicht. Dann hat mir eine Ärztin recht unsensibel gesagt, meine Chance in einem Jahr noch zu leben sei bei 50% und sie würde an meiner Stelle noch mal eine schöne Reise machen. (Damals dachte man noch, ich habe metastasen in der Leber und im hüftknochen. Das waren Gottseidank nur Zysten.) Und das hat mich damals aufgeweckt. Nach einem durchweinten Wochenende habe ich meinen Onkologen getroffen und mich mal ausführlich mit ihm unterhalten. Und dann hab ich gesagt: ich mache alles, was notwendig ist. Alles.
Da mein Tumor triple negativ ist, waren das 16 Zyklen Chemo, eine zweite Operation und 19 Bestrahlungen.


Was soll ich sagen? Die Chemo war kein Spaziergang, aber bei weitem nicht so schlimm wie ich gedacht habe. Die Bestrahlung hat mich fast durchdrehen lassen (ich hatte einen ganz schlimmen Ausschlag auf der Brust), aber alles geht irgendwann vorbei.
Ich habe meine Behandlung vor mehr als einem Jahr abgeschlossen. Und es geht mir gut. Richtig gut.

Aus meiner Situation kann ich dir nur raten, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ich hab mich lange gewehrt und erst nach Ende der Behandlung ein paar mal die Psychologin aufgesucht. Auf der Reha habe ich dann eine intensivere psychologische Betreuung in Anspruch genommen. So lange zu warten war ein Fehler.
Der Austausch in diesem Forum hat mir auch immer sehr gut getan. Und die guten Nachrichten über Forschungserfolge!

Ich habe mir damals gedacht, wenn ich irgendetwas nicht mache und dann ein Rezidiv oder Metastasen bekomme, werde ich mir immer Vorwürfe machen. Ich werde mich immer fragen, ob das nicht passiert wäre, wenn ich die empfohlene Behandlung gemacht hätte. (Ich habe aber in der Familie auch eine Geschichte einer verwandten, die auf die Chemo verzichtet hat und Jahre später an einer zweiten Krebserkrankung gestorben ist...)

Ich hab mir immer kleine Ziele gesetzt. Teilweise richtig dämliche Ziele. Mein erstes Ziel (Diagnose war im Juli) war, dass ich Oktober noch erleben muss, um zu sehen, wer in The Walking Dead von Negan erschlagen wird. Ein großartiges Ziel.
Dann war Oktober und ich hab mir als Ziel gesetzt, nochmal einen Heringsschmaus zu erleben. Dann war es die Sommerkollektion von Lena Hoschek. Und zu guter Letzt eine Reise nach New York. Und oft, wenn mich die Panik überkommen ist, hab ich mir schnell eine Liste von Frauen, die Brustkrebs überlebt haben, angesehen. Diese Liste hatte ich immer bei mir.

Also ich (und du fragt ja gerade, was wir machen würden) würde immer alles machen, wozu ein Arzt mir rät.

Alles Gute!
Erzsi
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