Einzelnen Beitrag anzeigen
  #54  
Alt 09.07.2007, 10:49
Shakira Shakira ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 02.02.2007
Beiträge: 78
Standard AW: Mit 30 Jahren alleine

Hallo Kathrin,

ich hoffe sehr, dass du deinen ersten Arbeitstag einigermaßen gut überstehst. So wie auch bei Kathchen, hilft mir das Arbeiten doch - mal eine zeitlang sich auf ganz andere Dinge konzentrieren, das tut schon gut! Oder?

Wenn andere Leute mal sagen: Das Leben geht weiter. Du bist doch jung und attraktiv, du lernst leicht wieder jemanden kennen.... dann lächle ich nur leicht gequält und denke bei mir: ja,ja - theoretisch habt ihr ja recht, aber in der Praxis sieht das halt ganz anders aus!!
Es ist auch wirklich noch soo frisch - 3 oder 4 oder 5 Wochen, das ist GAR NICHTS! Mich hat es gleichzeitig beruhigt und erschreckt, wie Dr. Wolf in dem Buch schreibt, dass eine Trauerzeit von ca. 2 - 5 Jahren (!) völlig normal wäre.... erfahrungsgemäß, steht da drin, gibt es nach ca. 3, 12 und 18 Monaten nochmal ganz schwierige Zeiten.

Ich habe auch manchmal gedacht: vielleicht wird es mir jetzt erst so richtig bewußt, dass er nicht mehr wiederkommt, so nach 3-4 Wochen; denn zwischendurch waren wir immer mal so 2 Wochen getrennt, entweder wenn ich auf Reisen in Fernost war, oder er auf Messe war oder er dann so lange im Krankenhaus war - also immer mal wieder ein paar Tage/Wochen allein zu sein, war normal. Nur - dann kam er ja immer wieder und jetzt...... jetzt wird es langsam klar, er kommt tatsächlich nicht wieder.

Meine Kollegin hier im Büro, sie lernte meinen Andreas im letzten Jahr kennen, fragte mich heute danach, ob sie ein Foto von ihm von damals, als er noch gesund war, sehen dürfte. Ich habe so eines in meinem Portmonaie.
Ich zeigte es ihr, auch sein altes Foto von seinem Personalausweis, das Foto ist ca. 10 Jahre alt. Ich habe festgestellt, dass wir beide lächeln mussten, es hat nicht wehgetan, diese Fotos zu zeigen, ich habe gelächelt dabei.
Das war gut. Sie hat sich bei mir bedankt, dass sie die Fotos sehen durfte. Auch meine Kollegen trauern um ihn (er hat die letzten 1,5 Jahre bei uns im Büro Teilzeit gearbeitet)

Eines war auch irgendwie gut, das muss ich noch erzählen:
Mein Mann hatte sich ja eine zeitlang in einer Tumorklinik in Meschede behandeln lassen, Ende März und April. Das ist ca. 3,5 Stunden Autofahrt von uns entfernt. In der Klinik lernte er eine Frau kennen, die an Brustkrebs erkrankt war und sie kam aus unserer Gegend hier. Älter, Lehrerinnen-Typ, sehr nett. Ihr Mann und ich lernten uns auch kennen, da wir dann immer mal wieder Fahrgemeinschaften nach Meschede gebildet hatten. Ihr Mann und sie waren so um die 50 Jahre alt. Ich bewunderte die beiden, mit welcher Lebensfreude sie auch noch strahlten, als es ihr so schlecht ging. Dennoch wußte ich von ihrem Mann, mit ich einmal die Strecke nach Meschede allein gefahren bin, welche Angst er hatte.
Er rief mich gestern an. Seine Frau ist 24.06. verstorben.
Und was ich dabei irgendwie so toll und tröstlich fand, dass selbst dieser Mann nichts von seiner Kraft und seinem Lebensmut verloren hatte, er selbst, der gerade noch die Urne seiner Frau zu hause stehen hatte, sagte mir die gleichen Worte wie oben schon erwähnt - "sie sind noch jung, sie haben noch jede Chance, sie werden weiter machen, genauso wie ich!"
Er erzählte mir, dass er tatsächlich einen Tag nach dem Tode seiner Frau Besuch von ihr hatte. Er hat sich mit ihr unterhalten und er erzählte lachend, dass er doch tatsächlich mit ihr rumgewitzelt hatte, ob er sich jetzt eine Freundin nehmen könnte?
Er hat noch nie ein Buch von Dr. Moody oder Elisabeth Kübler-Ross gelesen, er ist Mathematiker und glaubt an sich nicht an "überirdische" Dinge.
Jetzt aber ist er durch seine persönliche Erfahrung ebenfalls überzeugt: Das Leben geht auch nach dem Tode weiter!
Frau Kübler-Ross beschreibt es ja so: Man könne sich das so vorstellen, als seien wir Menschen ein Schmetterling, der sich hier auf Erden einen Kokon sucht (unser Körper). Wenn dieser Kokon kaputt ist, nicht mehr funktionsfähig, dann verlassen wir ihn und fliegen weiter. Der Schmetterling ist frei und hat sich lediglich seines kaputten Kokons entledigt.

Also versuchen wir doch, uns mit unseren Schmetterlingen zu freuen, dass sie nun endlich frei sind und dieser kaputte Körper sie nicht mehr einengt und behindert!


Das Fass scheint heute immer noch recht gut geleert zu sein - schön, dann werde ich mich jetzt wieder auf meine Aufgaben konzentrieren und ich freue mich ebenfalls, nachher zum Grab zu gehen.

Viele liebe Grüße,
Shakira
Mit Zitat antworten