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Alt 15.01.2009, 14:24
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Amba Amba ist offline
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Registriert seit: 08.11.2006
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Standard AW: Man kann sich wohl niemals sicher sein?

Liebe Kirsten, ihr Lieben alle,

ich bin Betroffene, wie ihr alle; hatte nach einem Jahr Chemo und OP ein Lokalrezidiv. Viele der hier beschriebenen Gedanken kenne ich. Aber etwas fehlt mir doch hier. Es wurde ein paarmal gesagt, daß diese Informiertheit (über Internet, etc.) auch dazu führt, die Unbefangenheit zu verlieren oder nicht mehr entwickeln zu können - oder so ähnlich. Jedenfalls wird die andauernde Konfrontation mit dem Krebs als negativ betrachtet.

Was mir fehlt, ist, daß für mich z.B. der Krebs eine intensivere Beschäftigung mit Tod und Sterben - und damit mit meinem Leben ausgelöst hat. Meine Erkenntnisse - die auch nicht weniger richtig sind, wenn ich immer wieder zwischendurch mal wieder Schiß habe - sind ganz einfach! Irgendwann Sterben mußte ich immer! Das war vor dem Krebs so, das ist nach dem Krebs so. Ich habe keine Ahnung, ob ich an Krebs sterbe, oder nicht!

Also - mein Satz dazu: Die Uhr tickt vom Tag der Geburt an; wenn man eine lebensbedrohliche Krankheit hat, tickt sie nicht schneller - sondern nur lauter! Das heißt: ich hab angefangen, dieses laute Ticken nicht mehr zu überhören, denn es macht ja Sinn sich mit der Tatsache zu beschäftigen, daß das Leben endlich ist, und was ich mit der mir zubemessenene Zeit anfange!

Mit anderen Worten: ich betrachte diese Intensivierung des Lebensgefühls positiv! Ich bedaure, daß jetzt - nach 3 Jahren - schon wieder soviel "Normalität" eingekehrt ist. Denn was bedeutet "Normalität"? Es bedeutet, daß es wieder weniger wichtig wird, ob ich Zeit verplempere! Ob ich mich mit Nebensächlichkeiten beschäftige etc.! Ob ich Lehren aus meinem Leben und aus Erfahrungen ziehe! Ob ich meinen Liebsten lieber heute als morgen küsse! Weiß ich denn, ob es morgen gibt?

Die Frage: man kann sich wohl niemals sicher sein? ist unbedingt mit JA zu beantworten! Aber das war schon immer so! Und das bedeutet nicht, seine Zeit mit Angst "davor" zu vergeuden! Denn die hätte ich auch immer haben können, diese Angst! Und vermutlich haben wir schon immer eine Menge Dinge aus dieser Angst (vor dem möglichen Sterben) heraus getan, die weniger Sinn machen und eher der "Betäubung" und dem "Nichtwissenwollen" dienen!

Aber es macht doch viel mehr Sinn, in diesem Bewußtsein mehr aus seinem Leben zu machen, statt eine vage Angst zu nähren! Und es macht Sinn, in Kontakt mit anderen "Betroffenen" zu bleiben! Nicht weil man da zuviel über mögliche Katastrophen erfährt, sondern weil die mit dem gleichen Dämon kämpfen! Nein, nicht mit dem Krebs, mit der Angst vorm Sterben! Das ist der Dämon!

Und die Angst vorm Kranksein? OK, krank sein ist Sch....., hab ich auch nicht anders sehen können! Chemo, OP, alles Mist! Und ich bin froh, daß ich da nicht bin. Ja, und ich weiß nicht, ob ich nicht doch irgendwann wieder dahin muß! Ich könnte einen Unfall haben und beide Beine verlieren! Ich könnte einen Schlaganfall kriegen und halbseitig gelähmt sein! Ich könnte Alzheimer kriegen und im Vergessen versinken! Ich könnte ..... Alles kriegen! Jederzeit! Daher macht es für mich nicht viel Sinn, Angst davor zu hegen, ob ich irgendwann wieder Krebs haben könnte! Wohlgemerkt: ich sagte "hegen"! Natürlich kann die Angst mich kriegen! Aber ich sollte sie nicht auch noch hegen und pflegen, denn dann bleibt sie bei mir....

Das Leben ist gefährlich und wir sind alle Überlebende - jeden Tag!
Laß euch durch die Erfahrung des Schmerzes milde werden gegenüber dem Schmerz Anderer - dann hatte sie einen Sinn!

Alles Liebe, Amba

Geändert von Amba (15.01.2009 um 14:28 Uhr)
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