Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Angehörige

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 20.11.2012, 22:41
Aquintos Aquintos ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 20.04.2012
Ort: Krefeld
Beiträge: 109
Standard AW: Wenn die Kranke leugnet

Hallo Katzensprung, liebe Nadi,

lass Deiner Mama doch die Illusion wieder im Chor zu singen. Sie fühlt sich wohl bei dem Gedanken.
Wahrscheinlich verdrängt sie ihre Situation nach dem Motto: "Mir geht es doch gut jetzt. Mir tut nichts weh, also bin ich geheilt."

Es bringt im Moment nichts, sie mit der Wahrheit zu konfrontieren. Alle sind geschockt, Du, Dein Vater und Dein Bruder. Jeder lenkt sich ab so gut es eben geht, sei es im Fitness-Studio oder sonstwie. Lass sie alle machen; jeder wie er damit umgehen möchte oder in der Lage dazu ist.

Denke an Dich dabei. Einer muss ja die Nerven behalten.
Sei für Deine Mutter da, albere mit ihr herum. Der Rest ergibt sich von selbst.

Wenn Dir nach Weinen ist, dann weine.
Ich drücke Dich.
Aqui
__________________
Man sieht die Sonne langsam untergehen; und erschrickt doch, wenn es plötzlich dunkel ist.

Papa: *31.01.1948 +19.05.2012
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 20.11.2012, 23:59
mucki53 mucki53 ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 15.11.2011
Ort: Hessen
Beiträge: 734
Standard AW: Wenn die Kranke leugnet

Liebe Nadi,
die Psychoonkologen in der Klinik sind auch für die Angehörigen da, vielleicht kannst Du da mal über das alles reden .
Als Betroffene (Darmkrebs mit Baufell-Metas, palliative Behandlung) kann ich Dir sagen, wir versuchen, mit uns selbst ins Reine zu kommen und die Angehörigen nicht zu sehr zu belasten. Und Pläne schmieden tu ich auch, ich will ja noch ein bissl leben und gebe mich nicht auf, denn dann wäre schon alles verloren.
Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles Gute und viel Kraft !
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 21.11.2012, 02:21
Benutzerbild von Katzensprung
Katzensprung Katzensprung ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 03.11.2012
Beiträge: 28
Standard AW: Wenn die Kranke leugnet

Vielen Dank, euch Lieben für eure Anteilnahme... überhaupt für jeden Kommentar.

Muss nun auch noch im Fernsehen Themenwoche sein "Umgang mit dem Tod"?!

Ich muss es ein wenig wegdrängen aus dem Alltag.

Heute war Mutti zur erstenmal wieder zur Chorprobe. Es hat ihr gut gefallen, sie aber danach war sie sehr erschöpft.

DIE KERZE

Meine Schwägerin, gläubige Katholikin, gab mir am Wochende eine gesegnete Kerze mit für Mutti, darauf gedruckt ein Spruch von Dietrich Bonhoeffer "Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag."

Nun muss ich dazu sagen, dass ich selbst keine Christin bin, aber jeden Glauben respektiere.
Meine Mutter ist evangelisch gläubige Christin und ich mochte die Geste meiner Schwägerin.
Hab mir nichts weiter dabei gedacht, Mutti die Kerze mit lieben Gruss zu geben.

Doch das war unüberlegt. Ihr kamen sogleich die Tränen, als sie den Spruch las. Und mein Vater riss ihr die Kerze wütend aus der Hand, schimpfte: So war blödes, die schmeiss ich weg! Die Mutti soll lachen, nicht weinen!
Ok, sooo hatte ich das nicht gesehen...
Er meinte noch: Mutti braucht keine Grabkerze!

Mutti sagte: Dabei steh ich doch so auf Kriegsfuss mit ihm...
Ich fragte dumm verwirrt: Wie, mit Bonhoeffer?!
Nein, mit Gott.


uff, da war ich wie vor den Kopf geschlagen.
Es tat mir leid, ihr die Kerze gegeben zu haben.
Aber ich wusste es nicht besser.

Und sie ist nicht nur enttäuscht von ihrem Gott an sich, der ihr Leiden zulässt - sondern auch von der evangelischen Kirche, für die sie in der Gemeinde 11 Jahre lang Besuchsdienst gemacht hat bei kranken Menschen.
Und nachdem sie ihr Ehrenamt aufgegeben hat vor Monaten, haben sich niemand mehr bei ihr gemeldet.
Nun, da sie selbst Zuspruch braucht...
Und die Ernsthaftigkeit ihrer Erkrankung IST bekannt! - niemand hat sich seit Monaten bei ihr gemeldet von der Gemeinde!

Ich denke, ihren Pfarrer anzurufen.
Das muss sie ja nicht wissen.

Aber was für eine Gemeinde!

lg Nadi

@ mucki Danke. Alles Gute dir, es ist schön, deine Bekanntschaft zu machen.
Mit Zitat antworten
  #4  
Alt 21.11.2012, 22:50
Benutzerbild von carlchen
carlchen carlchen ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 22.05.2012
Ort: Südwestfalen
Beiträge: 815
Standard AW: Wenn die Kranke leugnet

Liebe Nadi,
bin über deinen Beitrag "gestolpert".
Ich kann die Enttäuschung deiner Mutter gut verstehen.
Mein Papa war immer für andere da, meine Mutter musste da immer mitmachen. Als er starb, bzw. heute kümmert sich keiner mehr um meine Mutter.Sie waren über viele Jahre in einem Wanderverin, mein Papa war dort Wanderwart Das ist sehr traurig. Ich würde den Gemeindepfarrer ansprechen, ändern kann man die Menschen selten, aber sagen, daß man sich verletzt fühlt.
Zur Kerze, ich bin nicht katholisch auch hat mein Glauben dieses Jahr Schiffbruch erlitten. Aber Kerze anzünden hilft immer.
Lg. carlchen
Mit Zitat antworten
  #5  
Alt 23.11.2012, 01:18
Benutzerbild von Katzensprung
Katzensprung Katzensprung ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 03.11.2012
Beiträge: 28
Standard AW: Wenn die Kranke leugnet

Danke carlchen für die Resonanz

"Lach in die Welt und sie lacht zurück, weine und du weinst alleine."

Wie traurig, aber wahr. In den ernsten Situationen des Lebens zeigt sich, wer wirklich Interesse an dem Menschen hat.
Aber manchmal muss man auch nachhelfen und sorry, in den A**** treten!

Das tat ich. Nach einigen Telefonaten bekam ich die private Nummer vom Vorsitzenden des Presbyteriums, er zeigte sich betroffen, dass sich niemand gekümmert hat.
Dann habe ich lange mit der für die Gemeinde zuständigen Pfarrerin gesprochen, auch sie war recht betroffen

"vielleicht war uns die Ernsthaftigkeit ihrer Krankheit nicht bekannt... " Oh doch, es war bekannt.
Ich hoffe, die Pfarrerin hält ihr Versprechen und sucht nun den Kontakt zur Mutti.
Sie ist so enttäuscht von Gott und der Gemeinde. Dabei sollte sie Trost finden im Glauben.

Aber niemals soll sie erfahren, das ich das angeleiert habe...

Sie wird der Pfarrerin erzählen, wie gut es ihr geht und welche Pläne sie hat.
Ich verstehe langsam, was es bedeutet, zu leugnen.
Vermutlich ist es gut so.
Und ich muss ihren Umgang mit dem, was da kommt, respektieren.
Mit Zitat antworten
  #6  
Alt 23.11.2012, 11:25
Alpenveilchen Alpenveilchen ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 09.11.2010
Ort: Im hohen Norden
Beiträge: 388
Standard AW: Wenn die Kranke leugnet

Liebe Nadi,

um zu Deinem ursprünglichen Thema zurückzukommen, so kenne ich zwei Personen, die jeweils einen Blogg zum Verlauf ihrer Krankheit schreiben und dort also tagebuchähnlich jeden Tag beschreiben, welche Arztgespräche, Untersuchungen und Behandlungen ihnen bevorstehen oder was sie gerade hinter sich haben. Dazu beschreiben sie ihre Gefühle, Ängste und auch ihren Optimismus. Beide haben metastasierten Darmkrebs, also Stadium IV, und dennoch schreiben sie immer aus einer Erwartungshaltung heraus, dass sie bald gesund sind und die Krankheit hinter sich lassen können, nach dem Motto "jetzt ist es aber an der Zeit, dass die Metastasen verschwinden und wir wieder gesund werden". Ein Patient hat sich über Tage hinweg zutiefst darüber aufgeregt, dass ein Professor ihm gesagt hat, er lebe in dem Irrtum, dass seine Krankheit heilbar sei und das wäre nicht der Fall. So etwas dürfe ein Professor doch niemals sagen.

Wenn einem klar ist, wie es um die beiden Patienten bestellt ist und dass ein realistisches Ziel nur sein kann, noch so lange wie möglich gut zu leben, kann dieser enorme Optimismus als Ignoranz der Tatsachen manchmal nerven. Dennoch schreibt die eine Patientin an einer Stelle, dass sie optimistisch bleiben muss, dass sie immer irgendwelche Ziele braucht und dass sie auch immer das Ziel braucht, gesund zu werden. Sie meint, dass sie sich sonst völlig aufgeben würde und die Krankheit nicht mehr zum Aushalten sei...

Das zeigt für mich ganz deutlich, dass man als Betroffener ganz anders denkt, als als Angehöriger. Es geht nicht darum die Realität und die Wahrheit zu akzeptieren oder nicht, sondern es geht darum mit ihr zu überleben. Während für den Angehörigen oft die Akzeptanz der Krankheit der Ausgangspunkt für alle Behandlungen ist, würde diese Akzeptanz vielen Betroffenen den Boden unter den Füssen wegziehen und ihnen alle Kraft für eben diese Behandlungen nehmen.

Für viele Betroffene kann es also eine - vielleicht unterbewusste - Strategie sein, die Krankheit nicht so sehr an sich herankommen zu lassen und auf Abstand zu halten, eben um die notwendige Kraft für alle Behandlungen zu behalten und den Kampfgeist zu bewahren. Genau diese Kraft, hätte der oben genannte Professor dem einen Patienten beinahe genommen.

Deswegen sollte man jedem Betroffenen seinen eigenen Umgang mit der Krankheit lassen und nicht für eine Akzeptanz nach aussen hin kämpfen. Innerlich wissen die meisten, wenn nicht alle, sicherlich, wie es um sie bestellt ist. Schliesslich muss vor allem der Betroffene selbst die Kraft behalten, sowohl geistig als auch körperlich. Als Angehöriger braucht man ja nicht die "Verleugnung der Krankheit", wie Du sie nennst, mitzumachen, sondern man kann sich auf gemeinsame Interessen stützen, wie z.B. optimale Voraussetzungen für die Behandlung zu schaffen, neue Methoden suchen, gemeinsam auf die Wirkung hoffen, sich darüber freuen, wenn es dem Betroffenen gut geht, etc.

Liebe Grüsse
vom Alpenveilchen
Mit Zitat antworten
  #7  
Alt 24.11.2012, 00:34
Benutzerbild von Katzensprung
Katzensprung Katzensprung ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 03.11.2012
Beiträge: 28
Standard AW: Wenn die Kranke leugnet

Vielen Dank für deinen Beitrag und du hast ja so recht, Alpenveilchen.
Ich würde Mutti niemals mit der Wahrheit konfrontieren! Es ist gut so, wenn sie glaubt, in drei Jahren den goldenen Hochzeitstag zu feiern...

Meine Frage zielt auch mehr dahin, wie man als Anghöriger damit umgeht...
und vor allem, wie kommt man damit klar...
Das ist der Grund, warum ich hier Kontakt zu anderen Angehörigen suche.

Es sind so viele Kleinigkeiten, wenn sie von etwas spricht, was in ferner Zukunft liegt, dann muss man sich sehr zusammenreißen, um zuzustimmen, ja das wird sicher prima.

Wie kann man Zuspruch geben, wenn man weiss, es ist unvermeidlich?
Ich bin kein gläubiger Mensch, ich denke, wenn man stirbt ist es halt zu Ende, nur die Erinnerung lebt weiter - solange es Menschen gibt, die sich erinnern.

Wie kann man Hoffnung und Zuversicht geben? Wenn man selbst schreien möchte vor Verzweifelung?!
Ich beantworte es selbst: Man kann es und tut es. Alles wird gut.

Aber Wohin mit der eigenen Frustration und Hilflosigkeit?


Von der christlichen Gemeinde hat übrigens immer noch niemand Kontakt zu Mutti gesucht.
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 09:57 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55