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  #1  
Alt 24.02.2010, 13:00
Lupzi Lupzi ist offline
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Standard Eine Kurzgeschichte

Immer wieder Donnerstags


Mittwoch 17.35 Uhr.

Morgen ist es wieder so weit. So langsam merke ich wie sich der wöchentlich wiederkehrende Schmerz in meinem Kopf anfängt breit zu machen.

Durch die geschlossene Schlafzimmertür höre ich meine Kinder.

Es dröhnt in meinem Kopf.

Morgen.

Die Angst nimmt zu.

Ich weiss ja, das es mir hilft doch noch meine Kinder erwachsen werden zu sehen.
Mir ist klar, das dies meine letzte Rettung ist.

Aber ich will nicht mehr.

Bücher über Krebs gibt es wie Sand am Meer. So viele hab ich die letzten 4 Jahre gelesen.

Leben will ich. Klar. Aber um welchen Preis?

Keine Haare auf dem Kopf. Der Körper unförmig geworden durch die vielen Medikamente.
Das bin doch nicht ich. So will ich nicht sein. Wer will schon so aussehen?

Stark muss ich sein. Aber wie, wenn das Leben einem nicht mehr lebenswert erscheint?

Selbstbewusst muss ich dieser Krankheit entgegentreten. Aber wie, wenn man im Spiegel sich selbst nicht mehr erkennt.

Ich halte es nicht mehr aus.

Ich schreie laut, doch keiner kann mich hören. Stumm weine ich.

Meine Stärke wird von anderen immer bewundert.

Mein Galgenhumor. Mein Wille zum Überleben. Stolz seien meine Freunde auf mich.

Immer wieder höre ich, sie wären immer für mich da, wenn ich sie bräuchte.

Mein Freund, seine Eltern, meine Freundinnen, selbst die Mütter der Freundinnen meiner Töchter.

Doch wollen sie wirklich hören wie es mir wirklich geht?

Wollen sie wirklich hören, das ich sie hasse dafür das sie gesund sind?

Das ich ihre Gesichter nicht ertragen kann in denen sie versuchen ihr Mitleid zu verstecken?

Das ich es ihnen nicht gönne unbeschwert zu sein?

Das ich Angst habe?

Das ich einsam bin?

Nein, das kann ich ihnen nicht sagen. Ich will nicht das auch ihre Seifenblase platzt. Das sie hart auf den Boden geschleudert werden, um dann auch noch weiterleben zu müssen. Mit dieser Angst. Mit all dem Hass.

Ich hasse meinen Körper und das was er mir angetan hat.

Ich will sterben, dann hab ich es hinter mir.
Doch ich bin Schwach und Feige.

Ich gebe dem Leben eine neue Chance, denn morgen ist Donnerstag.

Chemo-Tag.
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  #2  
Alt 24.02.2010, 14:06
mutzilein mutzilein ist offline
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Standard AW: Eine Kurzgeschichte

Hallo Lupzi,
ich kann dich so gut verstehen und so manches trifft auch immer noch auf mich zu - auch nach fast 4 Jahren nach der Diagnose und genau 3 Jahre nach der letzten Chemo.

Warum denken wir, daß wir stark sein müssen und geben uns nach außen hin auch so ? Nur so kommen Worte der Bewunderung von anderen zustande, in dem wir einfach nicht so sind, wie wir uns im Moment fühlen.

Ich glaube auch nicht, daß andere wirklich hören wollen, wie es wirklich in einem aussieht.

Meine Akutbehandlung ist schon eine Weile her, ich mache jetzt noch für ca. 2 Jahre die AHT und dann hoffe ich weiter...

Aber jeder denkt, es ist wieder alles in Ordnung und alles wie vorher und niemand kann verstehen, daß es nicht so ist und auch nie wieder so sein wird. Ich habe aufgehört, mich erklären zu wollen, weil es mir in den meisten Fällen nicht gelingt. Und das macht einsam !!! Auch wenn man viele Freunde und die Familie hat.

Ich drücke dir für morgen die Daumen, auch diese Chemo wirst du schaffen, ich bin in Gedanken bei dir, weil ich weiß wie du dich fühlst.

Sei herzlich umärmelt von der mutz
__________________
Wir sollten öfter etwas tun, das keine Eile hat, das kein Ziel verfolgt und sich nicht lohnen muss

(Jochen Mariss)
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  #3  
Alt 24.02.2010, 14:22
PetraK PetraK ist offline
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Standard AW: Eine Kurzgeschichte

Hallo Lupzi,

jedes deiner Worte hätte von mir sein können, genauso fühle ich auch....(o.K., Chemo muß ich diesmal nach meinem Rezidiv nicht machen, aber die Nebenwirkungen der AHT machen mir auch zu schaffen, ich bin diesmal dadurch auch depressiver, als vor 9 Jahren bei meiner Ersterkrankung). Und die seltsamen Gedanken in Bezug auf den fremden eigenen Körper und auf die Umwelt, die es ja so gut meint.........du hast es toll beschrieben..

Dir alles Gute

Petra
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  #4  
Alt 24.02.2010, 14:33
Lupzi Lupzi ist offline
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Standard AW: Eine Kurzgeschichte

Vielen Dank für Eure Kommentare.

Ich habe ganz vergessen zu schreiben, das dieser Text im letzten Jahr entstanden ist, wo ich noch wöchentlich zur Chemo musste und noch kein Ende in Sicht war.

Mittlerweile hab ich dieses Biest zum zweiten Male besiegt.

Heute morgen, als ich am Rechner saß, fiel mir auf das ja heute Mittwoch ist und ich immer noch "ruhig" bin. Hehe.. keine Drogen mehr..
und ich erinnerte mich an diesen Text den ich noch auf dem Rechner hatte.

Ich dachte das vielleicht der eine oder andere damit was anfangen kann und sich in solchen Momenten nicht ganz so alleine fühlt.

Ganz liebe Grüsse

Lupzi
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  #5  
Alt 24.02.2010, 14:49
Mai62 Mai62 ist offline
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Standard AW: Eine Kurzgeschichte

Hallo Lupzi,
ich hatte in den letzten 5 Monaten alle 14 Tage Chemo. Gestern wäre die nächste gewesen. Immer wieder Dienstags! Am Montag hatte ich ähnliche Gedanken, wie du sie nieder geschrieben hast und habe innerlich gejubelt, dass ich Dienstag nicht hin muss. Ich glaube, du hast mit deinen sehr bewegenden Worten genau das beschrieben, was die meisten Betroffenen gefühlt haben aber oft nicht in Worte ausdrücken konnten.

Danke un weiterhin alles Gute.
Gruß Birgit
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  #6  
Alt 24.02.2010, 15:04
MiaHH MiaHH ist offline
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Standard AW: Eine Kurzgeschichte

Hallo Ihr,

bin ich erleichtert, dass es nicht nur mir allein so geht und nicht nur ich den Eindruck habe die anderen verstehen mich nicht. Manchmal bin ich direkt wütend auf ihre Reaktion..

Wenn ich jetzt (kurz vor der beruflichen Wiedereingliederun, neue Haare auf dem Kopf) ehrlich auf die Frage "Wie gehts" mit "leider nicht so berauschend"
antworte, ist die Reaktion leider öfter ein fast empörtes"Wieso das denn nicht?"
Es wäre doch jetzt eigentlich alles geschafft und eigentlich wäre man doch wieder gesund und Frau muss positiv in die Zukunft blicken und ob ich denn auch genug Sport machen würde.

Ich habe manchmal den Eindruck, es wird als Zumutung empfunden, wenn es mir nicht gut geht. Das möchten sie gar nicht hören.
Manche Blicke scheinen zu sagen: Irgendetwas machst du falsch, denn sonst würde es dir ja nicht noch immer schlecht gehen, sondern du wärst wieder so fitt, strahlend und gesund wie manch andere."

Ich denke ich bin etwas dünnhäutig geworden und habe auch den Eindruck, dass es scheinbar so ist, dass lediglich andere Betroffene wirklich nachvollziehen können wie instabil man sich körperlich und seelisch mit dieser Krankheit fühlt.
Deswegen schreibe ich hier im KK zwar nicht oft, lese dafür aber vielleicht manchmal sogar zu viel.


Schöne Grüße
jutta
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  #7  
Alt 24.02.2010, 15:44
Brise Brise ist offline
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Standard AW: Eine Kurzgeschichte

@ Lupzi: so wie du diesen "Zustand" ge- und beschrieben hast, waren es vor 4 Jahren auch meine Worte und Gedanken ...

@ Jutta: deine Worte kann ich nur bestätigen - mir erging / ergeht es ebenso. Man wird gefragt: wie lange ist "denn das" schon her? Meine Antwort: Gott sei Dank schon 4 Jahre! Och, sooo lange ... und dann geht es ihnen noch nicht so gut? Alles Andere hast du ja geschildert. Das einem die AHT, Lymphödem, usw. noch genügend Probleme bereiten - auch nach 4 Jahren -, können sich diese Personen ja nicht vorstellen!

Liebe Grüße
Gabi
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  #8  
Alt 25.02.2010, 18:48
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ängel ängel ist offline
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Standard AW: Eine Kurzgeschichte

Ja, Jutta,
du beschreibst das was ich fühle. Ich höre die gleichen Reaktionen und das gleiche Unverständnis.
Auch ich bin ein bisschen dünnhäutig geworden und reagiere auch anders als früher. Ich sag jetzt öfter was ich denke und tue öfter das was mir gefällt. Ich lobe mehr, ich danke mehr und ich sage öfter meine Meinung auch wenn ich jemanden kritisieren sollte.
Ängel
__________________
Ängel
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  #9  
Alt 25.02.2010, 23:15
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hope2050 hope2050 ist offline
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Standard AW: Eine Kurzgeschichte

Hallo,
ich lese hier meine eigenen Gedanken. Also kennt ihr auch das fremde Wesen, dass ich sein soll. Ich weiß gar nicht was ich bin, haarlos, brustlos. Sowas passt nicht in die normale Welt. Aber ich bin eh ein Einzelgänger, daher ist das Augenmerk auf mich selber gerichtet. Obwohl, oft denke ich, dass ich mich anderen nicht antun kann. Sie nicht mit mir schocken will und ihnen durch meine Krankheit den Tag verderben möchte.
Aber es ist schon so, es gibt so einige Dinge, auf die man allergisch reagiert
Wie:
Wie geht es dir - gut mit Krebs, was sonst
oder
es wird schon so schlimm nicht werden - nee, bis zur Diagnose dachte ich das auch, war aber nicht
oder
positiv denken, das hilft - ja, wo soll man denn die ganze Kraft hernehmen zum immer positiven denken, vor allem wenn die Chemo einen so runter zieht.
Bin gespannt, was aus mir noch werden wird. Ahne da nichts gutes. Aber wollte ja schon eh immer eine schrullige Alte werden. Nun muss ich nur noch alt werden.
__________________


invasiv ductales Carcinom rechts
beidseitige Ablatio im Nov. 09
Chemo 6.4.2010 geschafft
Bestrahlung ab 27.4.2010 geschafft
Seit 2011 wieder voll im Job und Leben
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  #10  
Alt 26.02.2010, 18:48
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Hope09 Hope09 ist offline
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Standard AW: Eine Kurzgeschichte

Auch mal Hallo.....

als ich die Kurzgeschichte gelesen habe, fiel mir ein Brief ein, den ich einer Freundin geschrieben habe. Sie hat immer zu mir gesagt: "Vielleicht schaffst du es nicht. Damit muss man rechnen. Aber ich weiss, du wirst es mit allen Mitteln versuchen." Ich hoffe, ich enttäusche sie nicht....


Ich steh am Briefkasten und grabsche mit letzter Kraft nach einer kurzen Runde um den Block, die Post aus dem Kasten. Kommt eine Nachbarin und sagt „ach, da sind sie ja, geht es ihnen wieder gut? Das Schlimmste haben sie ja jetzt wohl überstanden“…woher will sie das wissen? Weil ich meine Post aus dem Briefkasten holen kann? Oder weil ich noch nicht tot bin? Sie „muntert“ mich mit den Worten auf: „ sooo schlimm sehen sie ja gar nicht aus! Na ja, Brustkrebs ist ja heutzutage gar nicht mehr so schlimm. Bei den tollen Medikamenten, die es gibt. Immer positiv denken…“

Ahhh, Frau Doctor Neunmalklug…gut, zu wissen….
Ich wollte was sagen, aber irgendwie hatte ich nicht die Kraft dazu. Und was hätte ich sagen sollen….
Dass es mir beschi..….geht
Ich nicht weiss, wie ich die drei Stockwerke hoch komme
Mich erstmal an die Glatze gewöhnen muss
Und ich bemerkt habe, dass einige Zähne wackeln
Mir übel ist und ich keinen Geschmack habe
Meine Schleimhäute sich langsam verabschieden
Die Nase läuft und die Augen tränen und brennen
Meine Fingernägel eigentlich keine mehr sind
Ach ja…und so ohne Wimpern und Augenbrauen fühlt man sich auch nicht besonders
Meine Füße rot und geschwollen sind, dass ich kaum laufen kann
Dass ich nachts kaum ein Auge zu bekomme vor Herzrasen und einfach Angst habe
Dass ich Angst vor der Zukunft habe
Angst, meinen Sohn alleine lassen zu müssen
Angst, die mein Begleiter geworden ist. Mal laut, mal leise….
Dass ich weiss, dass nichts mehr sein wird, wie es vorher war
Und ja….ich denke positiv…es gibt ja so tolle Medikamente
Gibt es auch welche für die Seele?
Meine weint nämlich……

Ob die nette Nachbarin das hätte hören wollen? Ich glaube nicht…..


Ich wünsche uns Allen, dass wir einen Weg finden, mit der Diagnose zu leben.
Lieben Gruss, Hope
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