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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Offener Brief an den Krebs


franca64
17.11.2005, 11:26
Irgendwann hast du dich wohl in unsere Familie geschlichen. Wir haben dich nicht bemerkt, denn du kamst leise und hinterhältig. Du hast dir ein Familienmitglied geschnappt, ein junges Mädchen, in der Pupertät. Vielleicht hast du dir gedacht, dass du dich in einem jungen Körper besser ausbreiten könntest? Du hast dich in diesem Körper niedergelassen, hast dich breit gemacht und hast deine Wurzeln und Tintenfischarme nach allen Seiten gestreckt um möglichst viel einzunehmen von diesem Körper. Du hast nie gefragt ob du das darfst, du hast es einfach getan. Ich gebe zu, niemand hätte dich gewollt du hinterhältiger Zellklumpen du. Lange hat man dich nicht bemerkt. Was hast du dir dabei gedacht? So still und leise vor dich hin zu wüten? Deine Zellen zu verteilen und dich umzusehen in diesem Körper. Du hattest nie genug, wolltest möglichst viel davon für dich beanspruchen. Du wolltest es dir darin gemütlich machen, hast Nahrung von ihm genommen und kuschelige Wärme.
Dann kam der Tag an dem wir dich bemerkt haben. Du wolltest schnell sein....möglichst noch mehr Platz für dich gewinnen. Wolltest noch schnell deine Zellen verteilen um möglichst nie vergessen zu werden.
Du hast nicht gedacht dass sich das Mädchen so wehrt gegen dich? Du hast nicht gedacht dass dieser Körper noch genug Kraft besitzt um gegen dich anzukämpfen? Wir alle wollten dich loswerden...wir haben dir Gift gegeben. Jede Ratte wäre daran gestorben, doch du.....du hast auch gekämpft. Du wolltest auch überleben. Du hast dich zwar klein gemacht, doch ein harter Kern von dir wollte noch bleiben. Doch wir haben dir noch mehr Gift gegeben, solange bis man dich nicht mehr sah.
Du wolltest dich aber nicht geschlagen geben. Du hast dich in unsere Köpfe, in unsere Gedanken gedockt. Hast es geschafft, dass wir jeden Tag an dich denken. Du hast unsere Seelen manipuliert, hast erreicht dass Beziehungen zerbrechen, dass sich Freunde zurückziehen, dass in unserer Familie nichts mehr so ist wie vorher. Du hast erreicht dass wir jeden Morgen als erstes zuerst an dich denken und Abends der letzte Gedanke auch dir gilt.
Was willst du noch alles zerstören? Ich warne dich...solltest du noch irgendwo ein kleines Zellchen versteckt haben, halt es zurück. Denke daran.....wenn der Körper stirbt in dem du wohnst, dann stirbst auch du, denn du hättest niemand mehr der dich nährt und dir die kuschelige Wärme gibt. Wir wollen dich nicht, haben dich nie gewollt, kapier es endlich!!! Und am besten sagst du deinen vielen Kollegen in den anderen Körpern wie es dir ergangen ist, damit sie sich möglichst schnell eine andere Bleibe suchen. Es gäbe ja genug Massenmörder oder Kindesvergewaltiger wo ihr wohnen könnt!!!!!
Es grüsst dich eine traurige und wütende Angehörige und Mutter

Jutta F.
17.11.2005, 12:09
http://www.mainzelahr.de/smile/froehlich/klatsch01.gifhttp://www.mainzelahr.de/smile/froehlich/klatsch01.gifhttp://www.mainzelahr.de/smile/froehlich/klatsch01.gif Spitze liebe Franca64, einfach super !!!

Jedes Wort von Dir trifft den Kern und es wurde auch höchste Zeit, daß " dem Knubbel " mal so richtig die Leviten gelesen werden !!!!!
Ich überlege gerade, ob ich mir Deinen Brief ausdrucke und ihn ins KH zu meinem Mann mitnehme.
Auf jeden Fall danke ich Dir für diese tollen Zeilen. Ich wünsche Dir und Deiner Tochter alles, alles Gute und sende Euch
http://www.mainzelahr.de/smile/winkend/hand.gifliebe Grüße
Jutta F.

Brini58
17.11.2005, 17:26
:) Hallo liebe Franka,
Gückwunsch zu Deinem Text. Du hast mit Sicherheit das niedergeschrieben was viele von uns denken. Viele Grüße Sabrina

Lilly
17.11.2005, 18:56
Super Text liebe Franka... :remybussi
ich hab mir das "Kündigungsschreiben für Herrn Krebs" kopiert und gespeichert... werd ihn mir wohl öfters mal zu Gemüte ziehen...

Liz und Willy
17.11.2005, 20:37
Liebe Franca

Dein "Kündigungsbrief" wie es Lilly nannte ist einfach Klasse, du hast das zu Wort gebracht was wir alle denken, fühlen udn leider auch erleben.

Auch von uns alles, alles gute und liebe für dich und deine Tochter - Frage wie alt ist sie und was für einen widerlichen Zellhaufen hat sie, wenn man fragen darf?

Take care Liz und Willy im Doppelpack

franca64
17.11.2005, 22:08
Hallo alle zusammen,
vielen Dank für die Einträge. Diesen Brief zu schreiben kam spontan. Es geht mir jetzt auch viel besser seit ich es getan habe. Ich danke euch allen für die guten Wünsche!! :remybussi
Liz und Willy, ich hab eure Gotthardbesteigung mitverfolgt. Ich kann dazu nur sagen:Toll!!!!! Bewundernswert!!! Euch zweien alles nur erdenklich Gute und viel Kraft und Zuversicht!
Mein Mädchen ist 17 J., bei der Erkrankung 15J. Die Tumore wucherten an der Schulter mit Metas an Knochenmark und auf dem Hirn unter der Schädeldecke. Dort hat sich der Krebs schon "rausgefressen", also aussen am Schädel. Ich habe im Forum Thema Weichteiltumor/PNET mehr geschrieben. Doch wie du aus dem Brief entnehmen kannst, war das Bekämpfen erfolgreich. Seit bald zwei Jahren ist sie krebsfrei. Der Preis war und ist aber hoch. Sie macht zur Zeit eine Ausbildung als Fachangestellte Gesundheit und will später Pflegefachfrau machen. Es geht ihr also recht gut.
Noch immer habe ich aber eine Stinkwut auf diese Krankheit die soviel Leid mit sich bringt. Und ich frage mich, warum die Leute immer denken man sei himmelhochjauchzend glücklich wenn sie weg ist. Ist man auch im ersten Moment, doch dann kommt die Angst auf Rückfälle, man muss alles verarbeiten und wegstecken. Man muss Beziehungen kitten und die Gedanken ordnen. Es ist also nicht vorbei wenn es vorbei ist.
Liebe Grüsse an alle
daniela
Und wie du siehst sind wir auch aus der Schweiz ;)

Liz und Willy
17.11.2005, 22:54
Ja liebe Franca

Haben gesehn, dass auch du aus der Schweiz bist, nicht einmal so weit weg von uns .... Gotthard ist weiter entfernt, aber für uns beide auch weit schöner, *grinsnichttraurugundbösesein*. Mein grösster Wunsch wäre mal im Winter mit dem Heli hoch zugehen, darauf zu landen und dann bei Sonennschein ganz, ganz viele Fotos machen. Aber das wird ein Wunsch bleiben. Nächsten Frühling wird wieder eine neue Solidaritäts Bergwanderung stattfinden.

Dann ist deine Tochter ja nicht viel jünger wie unsere Cordula die nun 18 ist (Pascals Freundin seit 3 Jahren). Ist super, nach deinem Brief an den Feind Krebs zu erfahren, dass es ihr soweit gut geht. Ja, du hast recht diese Restangst ist einfahc die Hölle, die wird uns alle immer begleiten, denn dieser Teufel namens Krebs sitzt immer im Nacken. Und du hast es sehr treffend gesagt, er zerfrisst ein Körper unaufhaltsam, im stillen bis zur nächsten Explosion. Aber er frisst auch das Leben, das soziale, familiäre, berufliche und je nach dem auch finanzielle Leben auf. Auch Jahre nach dem er sogenannt weg ist!

Es freut mich sehr zu hören, dass sie in der Ausbildung ist udn später Pflegefachfrau (ich bin auch Krankenschwester resp. Pflegefachfrau wie es heute heisst!!!) werden will, für diesen Weg wünsche ich ihr alles, alles Gute und viel Glück, sie wird es schaffen, da bin ich ganz fest davon überzeugt.

Ich geh noch mal in dein Thread alles nachlesen....

Bis bald Liz und Willy im Doppelpack

P.S. Mich hat es jetzt auch def. erwischt. Gebärmutterschleimhautkrebs.

franca64
17.11.2005, 23:01
Ach Liz, das tut mir so leid, was du da unter Ps. geschrieben hast. Das Leben kann so grausam sein :knuddel:
Mir gefällt es auf dem Gotthard auch besser als hier. Ist meiner Geburtsstadt (Luzern) auch näher.
Meine Tochter will übrigens ihre Ausbildung am liebsten auf der Kinder Onkologie machen. Mal sehen...
Ich wünsche euch zweien viel Kraft!!!!! Und alles alles Gute. Sicher hören wir wieder mal voneinander.
Liebe Grüessli daniela

Liz und Willy
17.11.2005, 23:08
Liebe Daniela

Dass sie auf der Kinder Onko sein möchte ist nach dem was sie erlebt hat verständlich (habe soeben alles gelesen). Drücke ihr ganz doll die Daumen.

Liebi Griessli, viil Sunneschyn und bis bald Liz und Wlly im Doppelpäggli

Rubbelmaus
18.11.2005, 16:13
Hallo Franca64,

dein Brief an den Krebs, wunderbar und so wahr. Ich habe ihn auch gespeichert.
Wenn ich mich nicht irre, kennen wir uns vom Chat her. Ich wünsche deiner Tochter und euch weiterhin alles Gute und dass die Zukunft für euch immer krebsfrei bleiben wird und es euch gut geht!


Lieber Liz und Willy
wir kennen uns nocht nicht, aber ich habe einige Postings von euch gelesen.
Liz, es tut mir so leid, dass dich der Scheisskrebs auch noch befallen hat. Ich weiss, dass gerade ihr mit schlimmen Krankheiten zu kämpfen habt und jetzt das auch noch. Ich bewundere euch sehr! Ich hoffe, dass der Krebs gut behandelt werden kann und verschwindet. Ich weiss, dass ihr zusammen halten werdet und ich weiss selber aus Erfahrung, dass alles im Doppelpack besser zu ertragen ist. Ich wünsche euch weiterhin gute Besserung!

Viele liebe Grüsse und alles Gute wünscht euch
Rubbelmaus aus dem BK-Forum

KatrinR
18.11.2005, 19:01
liebe daniela,

ich habe dir ja schon auf unserer PNET seite gesagt,wie treffend du das für uns hier ausgedrückt hast.du hast diese wut,verzweiflung, hilflosigkeit u. unverschämtheit auf den punkt gebracht.
der parasit hat eine gestalt angenommen.ich möchte diesen type liebend gern an die wand stellen,anbrüllen und ihm die gurkel umdrehen.
zuvor würde ich mich bedanken,dass ich mich, bei dem ganzen mist, wenigstens mich selbser, besser kennengelernt habe.
habe immer wieder achtung, vor deiner tapferen tochter und dir starken mutter!!!!

:winke: katrin

Rudolf
19.11.2005, 12:37
Hallo Katrin,
Du würdest Deinen Lehrer, von dem Du wichtiges für Dein Leben gelernt hast,
an die Wand stellen und abknallen? In Dankbarkeit die Gurgel zudrücken?
Mir geht es da anders: Ich möchte meinen Lehrer und Freund lieber in Frieden
entlassen. Ich empfinde keinen Haß, denn irgendwie habe ich ihn ja selbst gerufen.
Nun meine ich aber, daß 5 Jahre seines strengen Besuches wirklich genug sind.
LG
Rudolf

Hallo Daniela,
Deiner Wut eine Gestalt zu geben, sie anzubrüllen und ihr Deine Meinung zu sagen,
finde ich sehr gut. Und die Reaktion zeigt, daß Du vielen Menschen aus der Seele sprichst.
Mit meinem eigenen Krebs habe ich anders kommuniziert. Ich habe ihn gefragt, was er
mir zu sagen hat. Und ich glaube, verstanden zu haben.
Wenn aber eines meiner Kinder in jungen Jahren Krebs bekommen hätte . . .
es ist eine theoretische Frage, wie ich wohl reagiert hätte. Und die Antwort wäre spekulativ,
deshalb versuche ich es gar nicht erst.
Ja, der Krebs ist oft genug ein Selbstmordattentäter. Aber dafür kommt er auch nicht "in den Himmel".
Ich wünsche Euch beiden, Mutter und Tochter, sehr viel Mut zum Leben und Freude am Leben.
Rudolf

gaertner
19.11.2005, 13:05
Hallo Daniela,hallo Katrin,


das ihr der krankheit eine gestalt gebt finde ich wirklich super. damit kämpft man nicht gegen ein "nichtfassbares etwas", sondern hat ein konkretes ziel.
dieses ziel als feind zu betrachten ist durchaus legitim und so stimme ich dem voll zu.
leider hat mein sohn robert den kampf gegen das monster in sich im frühjahr verloren. (schwerer knochenkrebs)
ich habe es schonmal in einem anderen thread geschrieben, unsere letzte rache war, das wir über eine erdbestattung garnicht nachgedacht haben.
(http://www.krebs-kompass.org/Forum/showthread.html?p=234567#post234567)

hallo rudolf,
das jeder mit sich und der krankheit seinen eigenen weg suchen muß um damit umzugehen ist klar. doch soweit zu gehen , die krankheit als freund zu bezeichnen, das kann ich nicht nachvollziehen.
an der stärke seines feindes kann man sich messen, wird gezwungen zu lernen, um mit ihm ebenbürtig zu werden und ihn dann am ende zu besiegen. dadurch mag ich ihn respektvoll als lehrer bezeichnen können, er bleibt trotzdem der feind ! indem er diese rolle einnimmt, werde ich nie vergessen , ständig auf der hut vor ihm zu sein. lass ich es zu, das er mein freund wird, werde ich vielleicht nachlässig ihm gegenüber und bin dann erschrocken, das er nicht meine gefühle als freund für ihn teilt und umso grausamer und unerwartet zurückschlägt. denn eines ist uns wohl allen klar , etwas so unberechenbares wie dieses monster gibt es nicht zweimal.


liebe grüße steffen

jasmin6
19.11.2005, 13:30
Liebe Franca64!
Dein Brief ist einfach ein Hammer!
Wie recht du hast - auch wenn die Krankheit besiegt ist.
Die Gedanken werden diesen Einschnitt im Leben nie frei geben!
Ich wünsche auf alle Fälle dir und deiner Tocher alles erdenklich gute!
Es ist nie zu spät zu KÄMPFEN!
Als ich meine Chemotherapien über mich ergehen ließ - hab ich immer ein kleines Zettelchen bei mir gehabt auf dem stand:

MIT HOFFNUNG IN DEN AUGEN
MIT MUT IM HERZEN
und EINEM LÄCHELN IM GESICHT

Es lohnt sich zu kämpfen auch wenn andere schon aufgegeben haben!
lg. Jasmin
:winke:

KatrinR
19.11.2005, 13:34
hallo rudolf,

ich habe für fast alles verständnis,aber der krebs ein freund? und ein lehrer ist der krebs mir schon gar nicht.er hat in meinen leben alles durcheinander gebracht,ich bin jetzt 1/2 jahr mit der theraphie fertig,die war alles andere als einfach,ich habe mich nie beklagt,aber für meine kinder(10/15),meinen mann u.meinen eltern war es die schlimmste zeit in ihren leben
ich möchte nichts von dem sch... krebs lernen,ich möchte lieber vom leben lernen,
dass auch ich nicht unverletzbar bin ,habe ich schon vorher gewußt

vielleicht verstehe ich dich auch falsch,diese wut werden aber die meisten in sich fühlen

vielleicht hat es dir geholfen,wenn du so nett mit ihm bist,ich werde weiter gegen ihn sein

katrin

Jutta
20.11.2005, 16:30
Ein offener Brief an alles was unser Leben bedroht, es einschränkt, kann für jeden eine unglaubliche Erleichterung bringen.

Ich schreibe und sage dem Krebs, der mir meine Familie und liebste Freundin nahm, meinen Mann und mich bedroht, täglich ein paar Worte. Als mein Mann seine Diagnose nach meiner Bestrahlungszeit und auf die OP wartend erhielt, hörte ich mich gewiss nicht wie eine feine Lady an. Ich hätte am liebsten jedem Buchstaben im Wort Krebs alleine tausend Tode gewünscht, obwohl ich ansonsten in solchen Dingen anders regiere und handele.

Der eine Betroffene geht damit in großer Wut und Rage um, und es bringt eine Ruhe. Der andere spricht ruhig mit dem Untermieter, der nächste wiederum sagt kein Wort. Je nachdem wie wir veranlagt sind, oder unsere Tagesstimmung ist.

Ich möchte nur sagen, daß es kein richtig oder falsch gibt. Was mir Erleichterung und besserer Umgang mit allem bringt, würde dem Nächsten vielleicht einen Herzinfarkt bringen.

Bitte akzeptiert und toleriert wie jeder von uns als Individuum seinen Weg damit geht.

franca64
21.11.2005, 11:02
Hallo an alle :remybussi
ich danke euch ganz herzlich für die lieben Worte. Es tut gut wenn man sieht, dass andere auch so denken und fühlen!
Rubbelmaus: Ja wir kennen uns vom Chat. Ich freu mich wenn wir uns wieder mal treffen.
Katrin und Jasmin:Ich wünsche euch viel Kraft und Zuversicht!!
Lieber Steffen: Es tut mir sehr leid, dass euer Sohn den Kampf verloren hat! :embarasse Ich habe nicht vergessen dass es auch Kinder/Menschen gibt die diesen Kampf verlieren. Gerade darum macht dieser Untermieter mich so wütend! Ich sende euch viel Kraft!!! :knuddel:
Es grüsst euch alle Daniela

franca64
21.11.2005, 11:10
Lieber Rudolf,
kann man denn "jemand" der einen so bestraft als Freund betrachten??
Ich erwarte von einem Freund Rücksicht, Anteilnahme, Hilfe, liebe Gesten und Vertrauen. Wie kann ich diesem "Freund" vertrauen wenn er mich vernichten will? Wie kann ich ihm vertrauen wenn er mich innerlich zerfrisst? Wie kann ich Anteilnahme von ihm erwarten wenn ER mich quält? Wie kann ich Rücksicht von ihm erwarten wenn er es selber ist der sich rücksichtslos breitmacht? Und wie kann ich Hilfe von ihm erwarten wenn er nur an SEIN überleben denkt?
Man kann ihn akzeptieren, doch ihn als Freund zu betrachten geht mir zuweit!!
Es grüsst dich Daniela

Rudolf
21.11.2005, 17:48
Hallo an alle,
meine Lebensphilosophie mit wenig Worten zu beschreiben, ist nicht leicht.
Ein wenig kann man meiner Signatur entnehmen. Und natürlich kann ich
für niemand anderen sprechen als für mich selbst.
Ein jeder hat andere Erfahrungen mit dem Krebs, wie Du, Jutta, mal wieder schön beschrieben hast.
Ein jeder hat aber auch seine eigene Einstellung zum Krebs wie zum Leben überhaupt. Und ich weiß
und akzeptiere, daß Wut die häufigste und eine ganz normale Reaktion ist. Einem Problem eine Gestalt,
Form, Farbe usw. zu geben, ist nach meiner Kenntnis auch die Basis der "Gestalttherapie".
Auch die Ärztin Elisabeth Kübler-Ross hat mit einer Therapieform gearbeitet, bei der der Klient
auf einem großen Kissen herumschlagen konnte, sollte, durfte, um Aggressionen und Ärger loszuwerden.
So hast Du, liebe Daniela, von Dir aus ein gutes Ventil gefunden.

Du, Katrin, hattest geschrieben:

. . . zuvor würde ich mich bedanken, dass ich mich, bei dem ganzen mist,
wenigstens mich selbst, besser kennengelernt habe . . .

Das hörte sich für mich wie Dankbarkeit für eine gewonnene Erkenntnis an. Gegenüber wem?
Logischerweise dem Krebs gegenüber. Von niemand anderem war die Rede. Also muss doch der Krebs
eine Art Lehrer oder Freund gewesen sein, von dem Du etwas gelernt hast, was Du ohne ihn nicht
gelernt hättest, oder vielleicht nicht so schnell.
Einem Feind kann man nicht dankbar sein. Oder doch?

Der Arzt Dr. Rüdiger Dahlke schreibt in seinem Buch "Krankheit als Weg": „Krebs braucht nicht besiegt,
er muss nur verstanden werden.“ So schwierig und unbequem das sein mag, diesen Weg wollte ich bewusst
gehen. Mit Mut statt Wut, mit Freude statt Angst. Nachdem ich angefangen hatte, meine Gedanken und
Erfahrungen aufzuschreiben und ein wenig zu sortieren, gab ich meinem Skript den Titel "Mein Freund, der Krebs".
Zugegeben, es ist eine harte und unbequeme Freundschaft. Und ich bin durchaus nicht lieb und nett gegen ihn.
Aber ich sage ihm immer wieder, dass ich verstanden habe und er nun gehen kann. Jetzt endlich, nach 5 Jahren,
scheint er verstanden zu haben.
Dass ich verstanden habe.

Vor fast 3 Jahren begegnete ich einem Kopatienten, der ebenfalls seinen Aufzeichnungen den Titel
"Mein Freund, der Krebs" gegeben hatte. Und schon vor Jahren entdeckte ich, dass es bereits ein Buch
(Kurt Becker) mit diesem Titel gibt, das aber vergriffen ist. Jetzt endlich fand ich es in einem
Antiquariat und bestellte es sofort. Ich bin sehr gespannt.
Ich bin mir sehr wohl bewusst, wo mein eigener (psychischer) Anteil an meinem Krebs liegt. Es klingt
schon seltsam, wenn ich sage: danke Krebs, dass du mich zu mir zurückgebracht hast.
Der Krebs ist andererseits kein Fremdkörper wie z.B. Bakterien und Viren.
Es sind Zellen meines eigenen Körpers, die sich selbständig gemacht haben und wild geworden sind.

So fällt es mir schwer, den Krebs zu hassen.
Ich müsste mich selbst hassen. Hass ist außerdem eine Geisteshaltung, die mir sowieso nicht liegt.
Man verschwendet viel Energie damit, die man besser für anderes brauchen kann.
Und wozu braucht man überhaupt Feinde? Ich erkläre niemanden zu meinem Feind.
Wenn sich jemand anderes zu meinem Feind erklären sollte, ist das sein Problem, nicht meines.
Jeder Schuss geht in zwei Richtungen, und am Rückstoß kann man sich gefährlich verletzten.
Ich erwarte von niemandem, dass er meine Gedanken und meinen Weg übernimmt. Für mich
ist er der einzig mögliche. Ich werde ihn weitergehen.
Ich wünsche jedem Erfolg auf dem Weg, den er für sich als richtig erkannt hat oder erkennen wird.
Deine Signatur, Daniela, finde ich sehr gut und wichtig. "Deine Gedanken sind Dein Werkzeug!"
Vor 2000 Jahren schrieb Marc Aurel: Mit unseren Gedanken erschaffen wir unsere Welt.
Liebe Grüße
Rudolf

KatrinR
22.11.2005, 09:53
lieber rudolf,
du kannst die sache viel klarer sehen, nach 5 ,einigermaßen normalen jahren.
ich habe manchmal soviele gedanken im kopf,und manchmal halt auch wut.
aber ich merke,je größer der abstand zur behandlung wird,je mehr komme ich davon los und damit klar.es waren einfach zuviele,einschneidende alles verändernde eindrücke.
ich bin froh,dass ich alles einigermaßen gut überstanden habe,ja und dass ich noch lebe.außerdem bleibe ich zu 90% ganz ruhig,der brief hat mich so berührt,weil daniela`s tochter den selber tumor hatte,wie ich.bei ihr habe ich aber gesehen,dass ich vergleichsweise noch glimpflich weggekommen bin,zumal ich doppelt so alt bin.

liebe grüße und eine schöne vorweihnachtszeit
katrin

Rudolf
22.11.2005, 11:02
Liebe Katrin,
und ich bin wahrscheinlich doppelt so alt wie Du. Und ich habe viele Dinge im Leben kennen
gelernt, die mir einen anderen Blick, eine andere Sichtweise auf Krankheit gegeben haben.
"Das Andere" hat mich immer interessiert. Ich glaube, ich hatte von vornherein die Chance,
meinen Krebs anders zu sehen.
Es sind nicht nur die letzten 5 Jahre, denn die waren rein äußerlich völlig normal, spürbar
körperlich krank war ich nie. Angst hatte ich eher vor einer Chemo, die ich aber nicht gemacht habe.
"Berührbar bleiben" halte ich für sehr wichtig. So heißt auch ein schönes Büchlein von Ulrich Schaffer.
Ich freue mich mit jedem, der seine Ruhe, Gelassenheit und Lebensfreude wiederfindet.
Liebe Grüße
Rudolf

Ein Aufruf an alle: Verschwendet eure Kraft nicht mit Wut und Hass!

KatrinR
23.11.2005, 11:20
Lieber rudolf,
ich bin froh,dass wir jetzt auch hier, in ruhe und gelassenheit weiter schreiben konnten.denn unsere erste begegnung hat mir nicht gefallen.
ja und meine lebensfreude hat sich vervielfacht.
trotzdem wäre ich froh,alles nie erlebt zu haben
vor der chemo hatte ich keine angst,die sorgen galten nur meiner familie,ich wollte als mutter genau an dem platz stehen,wie immer,wollte meine verantwortung nicht abgeben,nicht einmal an meinen mann
außerdem konnte ich das ding mit der hand anfassen,es war unerträglich,es war über nacht da,es mußte schnell weg.ich habe nie etwas anderes in betracht gezogen,als die schulmedizin,
die stelle,an der er an mir gefressen hat,sieht jeder im ersten moment
wieso hast du keine chemo gemacht?
mich beschäftigt nach wie vor die frage,warum er gerade jetzt angreifen konnte,wo die lücke im system war
zumal ich mich vorbildlich ernährt habe,nichts im übermaß genossen habe,mir es einfach gut ging.er ist nicht erblich u. für mein alter untypisch.ich werde nie eine antwort finden
und werde nicht mehr so viel in die vergangenheit schauen

liebe grüße katrin

Rudolf
26.11.2005, 00:20
Liebe Katrin,
wie ein Mensch auf die Diagnose Krebs reagiert, ist wohl extrem unterschiedlich. Frauen reagieren
oft anders als Männer (oft), junge Menschen anders als ältere usw. Auch die Ursachen können sehr
unterschiedlich sein. Onkopsychologen wissen, dass oft auch ein psychischer Zusammenhang besteht.
Für mich kann ich das akzeptieren, würde es aber nie bei anderen Menschen behaupten. Von zwei
Krebspatienten aus der weiteren Verwandschaft würde ich sagen, dass sie ihre "Lebensmitte" verloren
hatten, als der Krebs kam. Sie wurden auf unterschiedliche Weise nicht mehr gebraucht. Auch ich war
ja vor dem Krebs in ein tiefes Loch gefallen.

Du fragst, warum ich keine Chemo gemacht habe. Meine Diagnose vor 5 Jahren: Nierenkrebs mit
12 Lungenmetastasen. Auskunft meines Arztes: Heilungschancen ohne Metastasen 75%, mit
Metastasen 20%. Später hieß es: Erfolgsquote der Immunchemo 20 - 40%. Das war mir zu wenig!
Aber ich habe auch auf meine innere Stimme gehört, die mir sagte: du schaffst das ohne Chemo.
Erst nach Monaten begann ich eine Misteltherapie. Erfolgreich. Aber das ist ein anderes Thema.

Übrigens habe ich das Büchlein "Mein Freund der Krebs" von Kurt Becker schon erhalten und gelesen.
Der Autor beschreibt gar nicht seine Krankheit, nicht welchen Krebs er hatte und nichts über eine
Therapie, erwähnt nur die schwierige Operation, die am Anfang stand. Er beschränkt sich auf die
langsame Rekonvaleszenz, und wie sich allmählich seine Wertvorstellungen und sein Leben ändern.
Am Schluss erst schreibt er: wer mich so zu leben lehrt, kann nur ein Freund sein, auch wenn es eine
ungewöhnliche Freundschaft ist viele das nicht verstehen werden. Und: "Die Neigung wächst, alles,
was mir geschieht, als Baustein meines Lebens zu begreifen."

Du hast recht, grübeln hilft nichts, nach vorn schauen ist wichtig, die Zukunft liegt vor uns.
Das Glas des Lebens mag halb leer sein, was zählt ist, dass es noch halb voll ist.
Liebe Grüße
Rudolf

KatrinR
28.11.2005, 10:42
lieber rudolf,
ist schon erstaunlich,dass du das alles so hinbekommen hast,
ich verabschiede mich hier,weiterhin alles gute für dich!!!
irgendwann werde ich dir vielleicht berichten,ob zwischen dem krebs und mir doch noch eine freunschaft entstanden ist

liebe grüße katrin

Rudolf
28.11.2005, 17:24
Liebe Katrin,
niemand erwartet, dass Du eine Freundschaft schließt mit dem Krebs. Ich glaube, es ist schon viel,
wenn Du ihn nicht mehr als Feind sehen musst, und erst recht nicht als Strafe. Wofür denn? Und
wer sollte über eine Strafe urteilen und sie verhängen?
Du schriebst von ein wenig Dankbarkeit dafür, dass Du Dich selbst besser kennen gelernt hast.
Reicht das nicht?
Und wenn Du das Bedürfnis hast, ihn mal wieder zu beschimpfen, dann tu es!
Jedenfalls möchte ich meinen unbequemen Freund möglichst bald entlassen. Aufnimmerwiedersehen.
Dir alles Gute.
Rudolf

Rudolf
05.11.2023, 22:31
Liebe Leser,
Ihr, die Ihr es geschafft habt, 18 Jahre nach dem letzten Eintrag hier, diese Seite
noch einmal oder erstmals aufzurufen. Ja, ich lebe immer noch, 24 Jahre nach
meiner Krebsdiagnose, 24 Jahre nach dem Verlust meiner linken Niere inkl. Milz.
Die letzte Lungenmetastase spendete ich vor 5 Jahren einem Thoraxchirurgen,
nachdem alle anderen schon der Mistel im Mantel des Iscador geopfert wurden.

Ich bin gesund, wanderlustig, möchte bald wieder auf "meine Insel" Cabo Verde,
Santo Antao.
Und: inzwischen bin ich Urgroßvater, doppelter.
Wer von meinen damaligen Krebsgefährten liest oder schreibt hier noch?

AndreaS
07.02.2024, 11:24
Hallo Rudolf,
sehr oft denke ich an dich, der den Kampf gewonnen hat. Ich freue mich, dass es dir gut geht. Hin und wieder schaue ich noch hier rein. 20 Jahre werden es im Oktober, dass mein Mann seinen Kampf verloren hat. Auch die linke Niere und weil er noch so jung war, das volle Programm. Oft habe ich seither gedacht, dass nicht der Krebs, sondern die mörderische Therapie sein Leben gekostet hat. Wäre es mit der Mistel anders gelaufen? Müßig darüber nachzudenken.
Das Leben ist weitergegangen und es wurde auch wieder schön. Ich bin mittlerweile auch 2fache Oma und genieße es sehr.
Ganz lieben Gruß
Andrea

Rudolf
05.04.2024, 16:05
Hallo Andrea,
danke, danke für deinen lieben Gruß. Schön, dass dir die Lebensfreude
nicht verloren gegangen ist. Möge sie dir immer erhalten bleiben.
Ja, es ist wohl so: mit einer Chemo hätte ich wohl nicht überlebt.
Mit einer Chemo hätte ich wohl auch gar nicht dieses Krebs-Forum entdeckt.
Schade, dass die offizielle Medizin die Mistel so gering achtet.

Nun bin ich gespannt, wie lange wir hier noch Kontakt halten können.
Bleibe bei deiner Gesundheit! Und sie bleibe bei dir!
Rudolf