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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ich mag keine Menschen mehr


Soreya
04.06.2006, 00:06
Hallo,
vielleicht kann mich jemand einfach nur verstehen.
Am 6.03.06, nach einer Konisation habe ich erfahren, daß ich Gebärmutterhalskrebs im Frühstadium habe (carcinoma in situ),doch es hieß es sei nicht alles entfernt worden und ich bin von meiner Ärztin zu einer 2. Konisation gedrängt worden. Diese war völlig überflüssig, die haben mir ein gesundes Stück Organ entfernt. Ich stehe sehr kritisch zu Operationen und habe das mit mir machen lassen, ohne wirklich dazu zu stehen. Wahrscheinlch war der Druck zu groß. Auf jeden Fall habe ich es sehr bereut.
Seit diesen OP´s habe ich schwere Depressionen, Schmerzen und Angst, Angst, Angst. Ich arbeite ausschließlich mit Menschen. Muß freundich sein, viel lächeln usw. Komischerweise vertrage ich meine Arbeit gut, sie lenkt mich ab, ich bin ziemlich gefragt sogar.
Ich lebe ganz allein. Meine Angehörigen leben mehrere Tausende von km von hier entfernt. Ich zwinge mich richtig sie anzurufen. Meine Freundinnen will ich nicht sehen. Wenn ich in einer Gesellschaft bin, ist es für mich eine Last. Neulich habe ich gedacht, wie toll, daß ich keine Familie und keinen Mann habe, so wie viele andere Kranke.
Zur Nachsorge gehe ich nicht mehr. Ich will keine Ärzte mehr sehen.
Stimmt was mit mir nicht?

Jutta
04.06.2006, 04:58
Hallo Soreya,

Ich denke nicht, dass mit dir etwas nicht stimmt, aber ich bin kein Psychologe.

Da du generell gegen Operationen bist, und nun 2 Eingriffe hinter dir hast, mußt du diese erst einmal verdauen (verarbeiten). Nicht nur das, sondern es stand das Wort Krebs mit auf der Diagnose. Man kann diese Dinge nicht wie eine Erkältung wegstecken und sofort weitermachen wie seither. Jeder von uns reagiert auf diese Dinge anders, ich sage immer, da kommt oft irgendeine Schutzfunktion in uns auf, die wir zeitweise garnicht richtig verstehen und deuten können.
Ich war z.B. immer ein Mensch, der viel Umgang mit anderen pflegte und hegte, mit viel Enthusiasmus immer mitten in der Action drin. Über die Jahre hinweg zog ich mich innerlich mehr und mehr zurück, heute mag ich keine großen Menschenansammlungen mehr, habe meinen Bekanntenkreis drastisch reduziert (auf das was mir gut tut) und mich nur noch auf eine kleine Gruppe eingelassen. Dennoch geht es mir inzwischen damit sehr gut, und mir fehlt nichts.

Kann es sein, dass du momentan deine Kraft auf die Arbeit bündelst und wenn du zu hause, dann einfach nur ausgelaugt bist? Während der Arbeit hast du keine Zeit über alles nachzudenken, was dich die letzten Wochen beschäftigt, dort wirst du gefordert. Und deine Kraft reicht im Moment nur für das? Kann es sein, dass du Angst hast die Kontrolle über dich (durch OP's und Ca) und was mit deinem Körper geschieht zu verlieren?

Hast du schon mal darüber nachgedacht, zu einem Psychologen oder Psycho-Onkologen zu gehen? Dort kannst du den Verlauf mitbestimmen, inwieweit du dich auf ein Gespräch einläßt und wie tief es werden soll. Heutzutage gibt es für Depressionen und Ängste einige Dinge, die dir vielleicht gut tun werden.

Soreya
04.06.2006, 10:07
Liebe Jutta,
vielen Dank Dir für die Antwort. Ja, es wird wohl so sein, daß ich unter Schock stehe. Ich bin schon bei einer Psychologin gewesen. Mit der habe ich mich sogar gut versanden, aber die Psychotherapie muß erst mal genehmigt werden. Sie hat einen Antrag darauf gestellt. Ich versuche mich auch zurückzuziehen. Doch es kostet mich noch mehr Kraft, denn die Leute verstehen das nicht. Die denken, die müssen mich "aufmuntern" mit Gewalt. Gestern war z.B. bei mir meine Freundin aus Mannheim, sie ist gute 100 km gefahren, um mich zu besuchen, doch ich kann ihre Normalität nicht ausstehen: sie ist gesund, hat einen Mann, mit dem sie glücklich ist und hat ein gesundes Kind, und das Schlimmste: sie ist exakt so alt wie ich. Es ist kein Neid, denn früher hat mich das nicht gestört. Heute empfinde ich es...na ja, als würde man mir vor den Augen halten wollen, zu was alles ich nicht mehr fähig bin. Und dann hat mir der Mann meiner ersten Vermieterin gewünscht, daß ich meinem Prinzen endlich begegne. Usw. Ich hab dann nur gedacht, als ich noch gesund war und sogar selbst geliebt habe, da war ich es offenbar nicht wert, daß man mich anständig behandelt hat. Und jetzt, mit 35, nach dieser ganzen Geschichte und wo ich doch so verbittert bin männermäßig, da soll mein Prinz kommen. Entweder machen die Leute sich lustig über mich oder verstehe ich das Ganze nicht.
Lg. Soreya

Gloria-Beetle
04.06.2006, 10:54
Hallo Soreya,

zu erst möchte ich Dir sagen, wie leid es mir tut, daß es Dir so schlecht geht.

Dann möchte ich Dir aber von meiner Situation erzählen: Ich bin 57, hate vor noch 2 Jahre zu arbeiten und habe mich auf die Rente gefreut, ich bin alleinstehend und habe alte Eltern, wovon mein Vater ein Pflegefall Pflegestufe 2 ist und meine Mutter letzte Woche gefallen ist und einen Beckenringbruch hat. Ich selber habe seit ca. 3 Monaten Brustkrebs mit Metas in Magen, Speiseröhre und KNochenmark. Brust wurde zu 3/4 entfernt. Leider ist mein Krebs nicht mit Chemo zu behandeln, es erfolgt eine Anti-Hormon-Therapie. AUf die Frage nach meiner Prognose sagte der Prof. zwischen 1 und 20 Jahren ist alles möglich.

Ganz nebenbei habe ich eine Reha gemacht, die mir tief innerlich sehr geholfen hat.

Warum ich Dir das erzähle, ich will Dir sagen wie ich mit der Situation klarkomme: Glücklicherweise konnte ich meine Krankheit sehr schnell annehmen, vielleicht auch weil ich 20 Jahre älter bins als Du, dann habe ich mein bisheriges Leben rückschauend angesehen und festgestellt, auch wenn es nicht so "normal" war war es eigentlich gut. Sicher hätte ich auch wieder gerne einen Partener gehbat, aber mein Schicksal hat es so nicht bestimmt. Ich habe festgestellt, daß ich eigentlich auch noch die mir verbleibende Zeit -und ich hoffe inständig und bete auch dafür, daß es noch sehr lange ist- wie bisher leben möchte. Ich werde mir zwar eine oder zwei Reisen gönnen, die ich eigentlich erst in Rente machen wollte, aber ansonsten werde ich versuchen ganz normal zu leben.

Der Beweis dafür, daß Du nicht alleine bist, Deine Freundin fährt 100 km um Dir zu helfen, nimm die Hilfe an, wenns gar nicht geht komm mal in den Chat. Da bekommt man auch Zuspruch.

Aber nichts desto trotz mußt Du sehen entweder eine Kur oder wenigstens eine Therapie zu bekommen.

Freu Dich wenn jetzt die Sonne scheint, freu Dich an den grünen Wiesen und auch an dem gelben Löwenzahn, die kleinen Dinge machen und glücklich, die großen kommen automatisch, wenn wir mit uns zufrieden sind.

Ich wünsch Dir viel Stärke und drück Dir die Daumen, daß Du es schaffst

Glora:knuddel: :knuddel:

Soreya
04.06.2006, 22:25
Danke Dir, Glora.
Das Einzige, was mir noch hilft, ist meine Arbeit, sie bietet mir weder Rente in der Zukunft, noch ein sicheres Einkommen in der Gegenwart, denn ich bin freiberuflich, und doch ist es das Einzige, wo ich mich noch als Mensch fühle. Ich bin jedesmal danach kaputt, aber ich danke Gott, daß ich sie habe. Am 18.07.06 fahre ich nach Bad Wildungen zur Kur. Wer weiß, vielleich wird alles noch gut und wir werden mindestens 95. Die Tante einer Bekannten von mir hat seit 50 Jahren Krebs! Ja, das gibt es. Ich habe selbst mit ihr gesprochen, die Frau ist 84, der Tumor ist immer noch da und der ist riesengroß. Und sie macht nichts... weder dafür noch dagegen, sie lebt einfach und macht einen relativ munteren Eindruck.
Lg. Soreya

Heike 1963
05.06.2006, 10:00
Liebe Soraya,

mir geht es im Moment genau wie Dir. Allerdings fühle ich mich unter Gleichgesinnten (Betroffenen) wohl. Hier werde ich mit meinen Sorgen und Ängsten verstanden und brauche nicht lang erklären, jeder weiß, wovon er spricht.

Vielleicht hilft Dir ja auch der Austausch in einer Gruppe oder hier bei uns im Chat?

Würde mich freuen, wenn Du bald einen kleinen Sonnenstrahl entdeckst!

Heike

Soreya
06.06.2006, 22:38
Hallo, liebe Heike.
Mir geht es HEUTE ausnahmsweise einfach toll! Ich bin an einen richtig klugen Arzt geraten, der hat mr die Stimmung so gehoben, daß ich dann voller Energie bei der Arbeit war, und die Schmerzen kamen auch nicht. HEUTE habe ich die Menschen richtig gemocht. Das war ein schöner Tag in meinem Leben. Ich glaube sogar, daß ich gesund werden kann:-))))
Ich wünsche Dir alles, alles Liebe.