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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wie verhält man sich richtig?


02.02.2003, 19:59
Hallo.
Im Leben hätte ich niemals daran gedacht, in so einem Forum wie diesem hier zu lesen oder zu schreiben. Aber das ging wohl jedem von uns am Anfang so!?

An Silverster sagt mein Vater: Unsere "Kleine" wird dieses Jahr 30. Ich schaue ihn an und mir wird plötzlich bewusst das wir alle älter werden. Seitdem habe ich meine Eltern mit noch anderen Augen gesehen, genieße es sie anzuschauen, ihnen zuzuhören usw.

Mitte Januar erfahre ich von meinem Vater das er so komische "Gnubbeln" am Hals hat. Er zeigt sie mir (hat sie schon länger) und mir wurde ganz schlecht. Sie befinden sich sichtbar in der Haut im Halsbereich. Es folgte ein Arztermin und eine OP im Krankenhaus.
Vor 2 Tagen bekommen wir dann den Befund des Knotens - Eine Metastase. Die 5 Tage die er im Krankenhaus lag wurde er komplett durchgecheckt, keine Spurt vom "Krebsherd".
Laut der Ärzte bindet sich alles noch im Anfangstadium und er kann froh sein, das sich bei ihm die Metastasen sichtbar gebildet haben. Ansonsten wurden keine Metastasen gefunden.
Morgen wird die Lunge geröntgt, das ganze erfolgt ambulant. Es wird sich nun auf die Suche nach dem "Ursprung" gemacht.
Man merkt meinem Dad nichts an, es geht im wunderbar, wie immer. Nur das wir jetzt wissen das er Krebs hat.

Ich weiß man darf ihn nicht in Watte packen, wollen wir auch nicht und er würde es auch nicht wollen. Wie gehe ich mit meiner Angst um, er soll davon schließlich nichts wissen.
Ich habe jetzt schon Stunden im Web verbracht um mich zu belesen, hier habe ich nun etwas gefunden wo man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann.
Wir stehen noch ganz am Anfang, vielleicht haben wir Glück und ihm wird es weiterhin gut gehen, aber was wenn nicht?
Wächst man in die Situation hinein? Ich will und werde meinen Eltern zur Seite stehen, sollte es meinem Vater mal nicht so gut gehen. Aber ich habe mächtig Angst dem nicht standhalten zu können.

Ich habe inzwischen hier gelesen, dem entnehme ich das hier Leute sind, denen es bzw. deren Angehörigen es sehr schlecht geht, wie habt Ihr gelernt damit umzugehen?

Meine Eltern und mich verbindet eine tiefe Freundschaft, wir sind nicht einfach nur Eltern und Kind. Wir reden offen über alles und wissen das wir füreinander da sind. Auch jetzt, wo auch wir Krebs in der Familie haben.....

Kommt hier evtl. jemand aus dem Hamburger Umland??

Gruß Sandra


sporthunde@arcor.de

02.02.2003, 20:31
Hallo Sandra!
Du schreibst, das ihr in der Familie sehr befreundet seit und immer offen miteinender umgeht. Warum sollte das jetzt anders sein?
Gerade in dieser Situation ist es doch das Beste, so wie bisher weiter zu machen. Ich denke Deine Eltern wären auch sicherlich erstaunt, wenn Du Dich auf einmal anders verhalten würdest. Leider gibt es kein Rezept über den Umgang mit der Angst. Ich glaube jede Familie reagiert da anders. Wir haben es von anfang an so gemacht, das wir ganz offen damit umgegangen sind. Wir haben es Jedem erzählt, der es hören wollte (oder vielleicht manchmal auch NICHT hören wollte). Ihr werdet schnell merken, auf welche Freunde man sich verlassen kann und auf welche nicht. Manchmal braucht man dringend Freunde einfach nur zum reden. Ja und manchmal muß man lange suchen, um den/die Richtige zu finden. Auch in meinem Job und im Job meines Mannes haben wir kein Blatt vor den Mund genommen. ( Bei uns ist mein Mann mit 30 Jahren zum 2.Mal an Lymphdrüsenkrebs erkrankt)
Auch das hat sich nur als positiv heraus gestellt.
Ich drücke Euch die Daumen!!!!!
Kerstin

02.02.2003, 20:53
Hi Sandra,
ich bin selber Krebsbetroffene, schreibe aber manchmal auch hier im Forum bei den Angehörigen was rein.
Deine Frage "Wie verhält man sich richtig?" ist eine gute und ehrliche Frage, aber leider auch ein bisschen schwer zu beantworten.
Ich als Krebsbetroffene bin immer froh, wenn meine Lieben einfach nur DA sind. Wenn sie mich "begleiten" auf meinem Weg. Wenn sie mir zuhören. Wenn sie Zeit haben, Gespräche mit mir zu führen (auch über den Krebs). Wenn sie mal Lachen mit mir. Oder wenn sie mich auch mal auf andere Gedanken bringen. Wenn sie die Geduld haben bei meinen öfteren Auf's und Ab's. Manchmal bin ich auch froh, wenn mich jemand zum Arzt begleitet, einfach so zur seelischen Unterstützung. Oder jemand, der helfen kann, nach Ärzten oder Behandlungsmethoden zu recherchieren. Vielleicht jemand, der mir helfen kann, Termine zu organisieren.
Einfach Menschen, die mir zeigen, dass sie da sind, wenn ich sie brauche.

Es braucht eigentlich nicht viel, Sandra. Nur das Dasein und Ehrlichkeit.
Mit "Ratschlägen", "Befehlen", "Kritiken" oder "unrealistische Mutzusprechungen" ... kann ich persönlich jetzt wieder weniger anfangen. Manche Leute glauben alles besser zu wissen, oder sie glauben mit absoluter Sicherheit zu wissen, was SIE an meiner Stelle tun würden, ... was manchmal ein bisschen heftig schief rüber kommen kann! Naja, ein Patient fühlt sich schnell mal gar nicht richtig ernst genommen, wenn man ihm dauernd sagt, was er doch um himmels willen endlich tun soll!
Es gibt alle Seiten, Sandra, und vielleicht wirst Du das als Angehörige von anderen Leuten vielleicht auch zu spüren bekommen. Aber ich denke, wenn Ihr in Eurer Familie schon immer füreinander da ward, wenn Ihr schon immer offen und ehrlich miteinander habt reden können, ... dann werdet Ihr diese Zeit bestimmt gut zusammen durchstehen können.

Wenn Du willst, kannst Du vielleicht auch mal ein bisschen hier im Forum die Einträge nachlesen. Ladina hat zum Beispiel in mehreren Einträgen ganz tolle Buchtipps aufgeführt, sogar mit genaueren Beschreibungen der Bücher. Vielleicht findest Du da was für Angehörige?

Ich wünsche jedenfalls Deinem Vater ganz viel Gesundheit, ja? Und Euch die Kraft, ihn zu begleiten. Und wenn Du Fragen hast, ... stelle sie einfach, ja? Ich gucke immer wieder mal hier rein.
Alles Liebe von
der "krassen" Brigitte

03.02.2003, 08:26
Hallo Kerstin.
Ja, meine Eltern und ich sind neben dem Kind/Elter-Verhältnis auch Freunde, sehr gute Freunde sogar. Wir reden über alles, Tabuthemen gibt es nicht.
So gesehen wird sich daran natürlich auch jetzt nichts ändern, aber ich kann meinem Vater doch schlecht sagen das ich Angst habe.
Ich habe ihm gestern gesagt, das ich Angst habe das er nicht spricht wenn ihn was bedrückt, meine Tränen konnte ich leider nicht zurückhalten. Keine Sorge sagte er, ich rede wenn ich reden will. (Mein Vater kann (konnte?) bis jetzt über Ängste usw. nicht wirklich reden. Ich bin halt auch wenn inzwischen erwachsen seine Tochter, meine Eltern haben als ich Kind war alles negative von mir fern gehalten. Ich habe Angst das sie es auch jetzt machen. Ich habe sie gebeten es mir so zu sagen wie es ist, mir das zu sagen was die Ärzte sagen, nichts zu umschreiben oder hinein zu interpretieren.
Mein Verhalten meinen Eltern werde ich auf keinen Fall ändern, ich werde weiterhin regelmäßig (fast täglich) dort zu Besuch sein, das war immer schon so, daran wird sich auch jetzt nichts ändern.

Wir gehen auch offen damit um, Leute im Sportverein wussten ja das Dad im Krankenhaus ist, sie fragten naklar was dabei herausgekommen ist. Das haben wir ihnen gesagt. Ich weiß wie man sich als Außenstehender fühlt wenn man die Nachricht vom Krebs erfährt, sie haben ähnlich reagiert wie ich vor einiger Zeit. - Befangen, sie wussten nicht was sie sagen sollen. Der eine hat total krass reagiert - Krebs? Wieso Krebs? Aber das ist eine übliche Reaktion habe ich mir sagen lassen.

Die Gewissheit ist jedenfalls für mich erträglicher, als die Ungewissheit vor der Diagnose.
Ich muss lernen damit umzugehen, es kann doch nicht sein das es jeden Gedanken prägt, ich muss doch auch mal an was anderes denken können.
Ich werde morgens wach und wünsche mir das alles nur ein böser Traum ist.
Aber die Zeit wird es wohl mit sich bringen, das ich wirklich damit klar komme, ich muss da wohl erst hineinwachsen.
Hauptsache der Krebsherd wird schnell gefunden, damit man was unternehmen kann.
Heute wird seine Lunge geröntgt und ich habe Angst das es Lungenkrebs ist. Da zeigt sich für mich, das ich es noch gar nicht realisiert habe. Krebs ist Krebs, es spielt keine Rolle wo er sitzt, hauptsache man weiß endlich wo er sitzt.

Ich hoffe ihm kommt seine gesunde Ernährung zugute und die Tatsache das er seit vielen Jahren keinen Alkohol mehr zu sich genommen hat und auch seit vielen Jahren Nichtraucher ist.

Noch nie war ich so froh Internetzugang zu haben wie jetzt. Es hilft sehr hier zu lesen, ich weiß ich bin mit meinen Ängsten nicht alleine.

Sandra

03.02.2003, 13:01
Hallo Sandra,

erstmal, ich bin noch eine andere Kerstin. Übrigens wohne ich in der Nähe von HH. Mein Vater hat Darmkrebs. Wir wissen es jetzt seit etwas über einem Jahr. Nach inzwischen 2 OP's und einer Chemo nach der ersten OP geht es ihm ganz gut, er arbeitet auch wieder. Ich bin auch durch meine Internet-Recherchen zum KK gekommen, im Forum und Chat kann man sich wirklich gut austauschen.
In welchem KH ist Dein Vater denn in Behandlung? Meiner war zur ersten OP im UKE, dann ist er aber in der MHH in Hannover gewesen, die haben eine sehr gute Leberabteilung. Bei mir hat es auch eine ganze Weile gedauert bis ich es realisiert habe. Mir haben die Recherchen und vor allem der Krebs-Kompass geholfen, indem ich mich intensiv damit auseinandergesetzt habe, ein paar Wochen habe ich fast nichts anderes gemacht.

Zu meinem Vater habe ich kein (jedenfalls nicht seit der Kindheit) enges Verhältnis. Seine Krankheit hat uns einander etwas näher gebracht.
Ich denke es ist ein Riesenvorteil dass Du zu deinen Eltern so ein gutes Verhältnis hast. Trotzdem mus man natürlich akzeptieren dass Eltern einem vielleicht nicht alles sagen, das kann auch an einer Scheu oder Schamgefühl liegen, meinem Vater war es z.B. sichtlich unangenehm dass ich ihn nach der OP so schwach und mit all den Schläuchen und Beuteln gesehen habe. Aber ich denke wenn Du deinen Eltern mit der gleichen Wärme und Zuneigung gegenübertritts wie bisher, aber auch respektierst dass Dein Vater seinen Weg finden muss mit der Krankheit umzugehen, dann ist es immer OK auch DEINE Ängste auszusprechen. Du bist zwar Angehörige, aber Angehörige leiden auch. Natürlich sollte man den Betroffenen nicht mit seinen Ängsten zusätzlich belasten, aber es ist doch nur natürlich dass du jetzt Angst hast. Also sprich es ruhig aus.
Lass von dir hören wie es bei Euch weitergeht.
Alles Gute
Kerstin63

03.02.2003, 14:10
Hallo Kerstin63.
Mein Vater war zur Knotenentnahme im St. Georg Krankenhaus, war dort von Montag bis Freitag letzter Woche in stationärer Behandlung. Der Knoten wurde heute vor einer Woche entnommen, bis Freitag wurden dann die verschiedensten Untersuchungen gemacht.
Freitag kam dann der Befund, das es sich bei dem Knoten um eine Metastase handelt. Heute war er wieder dort zum Lunge röntgen, die Ärzte haben heute nichts weiter gesagt. Mittwoch muss er wieder hin zum Fäden ziehen, dann folgt ein Gespräch.
Sollte mit der Lunge etwas sein kommt er nach Großhansdorf, mehr weiß ich jetzt auch nicht, denke das er ansonsten dort in Behandlung bleibt.
Ich denke schon das meine Eltern mir alles sagen, ich habe ausdrücklich darum gebeten, auch gegenüber dem Hausarzt, er bat darauf meinen Vater und mich zum gemeinsamen Gespräch, das war bevor er ins Krankenhaus kam.

Ich denke alle leiden gleich, wenn auch anders. Die Erkrankte Person hat Angst nicht mehr lange zu leben, Angst vor Schmerzen usw. Aber uns geht es ja nicht anders. Das ist halt so wenn man sich lieb hat. Zusammen halten werden wir auf jeden Fall, Tabuthemen gab es bei uns nie, ich denke das wird sich auch jetzt nicht ändern.
Und mit der Zeit werde ich sicher lernen damit umgehen zu können, andere haben es ja auch geschafft.
Wie gesagt, bei meinem Vater wissen wir noch nicht was für ein Krebs es ist, er weiß es auch noch nicht. Wenn er es weiß, so hat er es mir heute gerade wieder versichert, sagt er es uns.
Ich hoffe das wir schnell wissen womit wir es zu tun haben.
Erst dann kann ich gezielt nach Infos suchen. Jetzt liegt mein Hauptaugenmerk auf Themen wie Ernährung, wie man damit umgeht usw.

Ich danke auch Dir für Deine Zeilen! Euch hat die Krankheit ein Stück näher gebracht, wir schweißen derzeit immer mehr zusammen.
Einer für alle, alle für einen.

Ich komme übrigens aus Glinde.

Gruß Sandra