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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Erkrankung meiner Mutter


Purzel66
19.06.2007, 12:13
Liebe Forum-Teilnehmer,
vor kurzer Zeit hat unsere Mutter eine schreckliche Diagnose erhalten. Nun brechen jeden Tag neue Informationen über uns herein und es stehen Entscheidungen an die so unendlich schwer sind. Vielleicht könnt ihr, als direkt betroffene oder ebenfalls als Angehörige mit mehr Erfahrung uns ein bisschen weiterhelfen ?

Unsere Mama ist 67 Jahre alt. Die Diagnosen lauten: Dickdarmileus bei stenosierendem metastasiertem Ovarialkarzinom, ausgeprägte Peritonealkarzinose, Leberfilialisierung, Stenose terinales Ileum.
Die Histologie besagt: Schlecht differenziertes bis entdifferenziertes und partiell sarkomatoid wachsendes Adenokarzinom im Omentum majus, der Tumor ist gut vereinbar mit der intraperitonealen Ausbreitung durch ein schlecht differenziertes Ovarialkarzinom.
Tumorklassifikation: G 3 bis G4

Es wurde ein künstlicher Darmausgang gelegt, weil der Darm durch den außen sitzenden (wie die Ärzte sagen: riesigen Tumor) eingeengt war.
Nach 3-wöchigem Krankenhausaufenthalt wurde sie nun nach Hause entlassen. Die Schmerzen halten sich absolut in Grenzen, sie bekommt Medikamente und Schmerzpflaster. In den Beinen ist viel Wasser, z.Zt. hat sie dadurch jedoch noch keine erheblichen Probleme.
Tatsächlich ist es z.Zt. so, dass sie nahezu topfit ist. Körperlich wie auch psychisch sehr stabil ! Sie lebt momentan ein fast normales Leben. Macht die Wäsche, kauft ein, fährt Auto, kümmert sich um den Haushalt usw. Abgesehen davon hat sie einen enorm großen Lebenswillen und stellt sich der Krankkeit, ohne jedoch zu verzweifeln. Auch die Ärzte bringen ihr Erstaunen zum Ausdruck, dass sie so stabil ist und überhaupt nicht krank wirkt.

Die onkologische Konferenz im Krankenhaus hat die palliative Weiterbehandlung ohne Chemotherapie empfohlen.
Der Onkologe des Krankenhauses hat ihr in einem 4 Augen Gespräch dennoch geraten, eine Chemo zu versuchen, um die Lebermetastasen ggf. ein bisschen aufzuhalten. Er empfiehlt die Carboplatin-Monotherapie
Der Onkologe, den wir auf Empfehlung des Krankenhaus-Onkologen ausfgesucht haben empfiehlt jedoch eine Kombi-Therapie mit Carboplatin und Paclitaxel. Hierbei schrecken wir vor den enormen Nebenwirkungen zurück, insbesondere die Muskelschmerzen, der enorme Haarausfall, die Erschöpfung und die Nervenschädigungen, die sehr lange anhalten sollen, machen unserer Mutter enorme Angst.
Wir fragen uns, wie kann die Lebensqualitiät gesteigert werden, wenn der Patient erstmal mindestens 6 Monate lang so extrem gequält wird ?
In welchem Verhältnis steht das zu dem vielleicht Erreichbaren ? Eine Heilung, da sind sich alle einig, ist absolut ausgeschlossen. Auch eine OP ist ausgeschlossen, es können keine Teile des Tumors entfernt werden.

Wäre es nicht ratsam, sich für die Monotherapie zu entscheiden damit zumindest der momentan wirklich hervorragende Zustand nicht völlig verschlechtert wird ?
Welches sind die Gefahren ? Was kann passieren und wie schnell ?

Kann uns jemand von Euch mit Informationen und Erfahrungen ein bisschen "helfen" ???

Mona66
19.06.2007, 13:19
Hallo Purzel66

die Therapie mit Carboplatin und Paclitaxel ist die Standardtherapie bei Eierstockkrebs. Ich hab diese Chemo gerade hinter mir und ich hab sie relativ gut vertragen. Wenn ich vorher gewusst hätte, wie gut ich sie vertrage, wäre es mir vorher deutlich besser gegangen. Ich weiss natürlich nicht, ob das immer so ist, aber das was ich sagen will, ist, dass zumindest die Möglichkeit besteht, dass man damit "klarkommt". Ich habe das nach einer OP gemacht und in der Hoffnung, die letzten verbleibenden Krebszellen damit zu erwischen... Was ich in Eurem Fall machen würde, weiss ich dennoch nicht, aber vielleicht helfen die Erfahrungen ja irgendwie weiter.
Ich hab die Chemo alle drei Wochen an einem Dienstag bekommen. Die Muskelschmerzen fingen bei mir Freitag nach der Giftspritze an und haben sich bis Sonntag gehalten. Am Anfang waren sie stärker, im Verlauf der Chemo hat es ein bisschen abgenommen. Eigentlich waren es bei mir keine richtigen Muskelschmerzen, sondern ein Kribbeln in den Beinen, also wohl eher die "Nervenschmerzen". Das was dagegen geholfen hat, war Gehen, dann war es immer für ein paar Stunden besser und während des Gehens hat sich das ganze auch entspannt. Ich habe während der ganzen Chemo versucht, jeden Tag einen Spaziergang von einer Stunde zu machen. Mir hat das geholfen. Ich habe keine anhaltenden Nervenschmerzen. Das Kribbeln war nach den paar Tagen wirklich immer völlig weg.

Haarausfall hat man natürlich. Ich hab mir die Haare direkt als der anfing (das war bei der zweiten Chemo) abrasieren lassen, weil mich die rumfliegenden Haare super genervt haben und mir "unsauber" vorkamen. Mit der Glatze hatte ich das Gefühl "sauber". Das war erstmal irgendwie okay. Klar nervt es, dass man damit quasi noch ein Jahr lang an alles erinnert wird. Mit der Perücke bin ich bis jetzt gut klargekommen. Und eines gebe ich noch zu bedenken: Haarausfall tut nicht weh!

Erschöpft war ich hauptsächlich am ersten Wochenende nach der Chemo, das habe ich dann fast immer im Bett verbracht und wenig getan.

An einigen Tagen hatte ich ein bisschen das Gefühl von metallischem Geschmack auf der Zunge. Das ist aber schnell wieder weggegangen, wenn ich essen konnte. Damit bin ich aber bei der unangenehmsten Nebenwirkung: Die Schädigung der Magenschleimhäute und Darmschleimhäute. Dagegen bekommt man gute Medikamente. Ich hab auch drei Tage lang Dexamethason bekommen (das ist ein Cortisonpräparat). Bei der ersten Chemo war es bei mir so: Dienstag Chemo, danach bis Freitag Dexa. Ich konnte während dieser Zeit ganz gut essen und hab das auch getan, am Samstag auch. In der Nacht von Samstag auf Sonntag hab ich mich dann übergeben und der Körper hat die Nahrungsaufnahme verweigert, auch die Flüssigkeitsaufnahme. Ich war ziemlich geschwächt und konnte nur noch Eiswürfel lutschen. Nach dem Horrorwochende (es war das einzige während der Chemo) bin ich dann zum Arzt und habe MCP-Tropfen bekommen, damit konnte ich dann wieder essen. In den drauffolgenden Chemos hab ich direkt mit Chemo auf Flüssig- und Püriertnahrung umgestellt (Joghurtdrinks, Kartoffelbrei, Joghurt mit Haferschmelzflocken...) und konnte dann ca 5-6 Tage später wieder feste Nahrung zu mir nehmen. Die MCP Tropfen hab ich dann jeweils 4-5 Tage lang genommen. In der Erholungswoche konnte ich dann ziemlich normal essen und hab eigentlich nur auf fast auf Zwiebeln und völlig auf Hülsenfrüchte verzichtet. Ich hab dann schon versucht, mich gut zu ernähren und dem Körper Gutes zu tun. Damit bin ich gut klargekommen. Ich glaube, bei der ersten Chemo hab ich die Schleimhäute durch das normale Essen nochmal extra malträtiert. Meine Vorstellung war so, als wenn man mit ner Stecknadel in betäubtes Zahnfleisch sticht und wenn die Betäubung (das Dexamethason) nachlässt, spürt man erst die Stichwunden... also hab ich das in den nachfolgenden Behandlungszyklen möglichst unterlassen, meine Schleimhäute mit irgendwas "scharfem" zu konfrontieren. Naja, vielleicht ist die Vorstellung auch Blödsinn, aber irgendwelche Vorstellungen muss man sich glaub ich machen...

Am Ende der Chemo fühlte ich mich schon geschwächt (es ist da auch warm geworden und ich glaube, die Wärme war nicht förderlich). Nach der sechsten Chemo hatte ich das Gefühl, dass es ein bisschen in der Brust sticht. Man sagt, das Zeug geht auf den Herzmuskel. Mein Blutdruck und mein Ruhepuls waren ein paar Wochen unregelmässig. An ein paar Stellen im Bauch piekst es manchmal etwas, was das ist, weiss ich nicht, könnte mir aber schon vorstellen, dass das mit der Chemo zusammenhängt. Meine Blutwerte sind immer im unteren Normalbereich geblieben. Je besser ich essen konnte, desto besser waren sie.

Man sagt, dass die Medikamente 10 Tage wirken. Gegen Ende der 10 Tage begann es bei mir im Rücken etwas zu ziehen. Das waren wohl die schlechter werdenden Blutwerte. Auch gibt es wohl Leute, die vergesslich werden aufgrund von Taxol. Bei mir war das nicht so.

Obwohl die Chemo für mich keine extreme Quälerei war und es mir außer an dem besagten ersten Wochenende eigentlich nie wirklich schlecht ging und ich auch keine echten Schmerzen hatte, zieht so eine Behandlung und die Einschränkungen die man in Bezug auf Essen und Rausgehen hat, doch einiges an Energie aus dem Körper. Ich fühlte mich die ganze Zeit ein bisschen gedämpft. Daher weiss ich nicht genau, ob ich mir das antun würde, wenn die Heilung absolut ausgeschlossen ist, wie du schreibst.

Bei mir war der Tumor zum Zeitpunkt der Chemo schon raus. Wenn der Tumor noch drin ist, gibt es durch die Chemo auch mehr abgestorbene Zellen, die vom Körper beseitigt werden müssen. Ich könnte mir vorstellen, dass dadurch die Belastung des Körpers auch höher ist und damit die Nebenwirkungen stärker sind. Ich weiss es aber nicht, ob es so ist. Auch wieder nur eine meiner unbewiesenen Vorstellungen. Es gibt sicher noch eine ganze Reihe anderer Unterschiede, z.B. Alter (ich bin 41)

Durch eine Chemo dürfte der Tumor zumindest kleiner werden. Was mich wundert ist, dass selbst in dem Fall eine OP ausgeschlossen wird.

Ich weiss daher auch nicht, was ich raten könnte. Tumore in der Leber tun glaub ich nicht so weh, weil in der Leber nicht viele Schmerznerven sind. Aber man kann wohl schnell dran sterben.

Ich glaube, wenn die Vorstellung, dass man vielleicht ein paar Monate weniger lebt und da nicht das "Maximum an Existenz" (hört sich jetzt vielleicht hart an) rausholen muss, für Euch okay ist, dann würde ich die Ärzte danach ausquetschen, welche Schmerzen zu erwarten sind und wie die zu minimieren sind. Aber das ist nur meine Meinung und muss auch wirklich nicht richtig sein.

Was die Chemo angeht: Man kann natürlich auch probieren, wie man die Chemo verträgt. Im Zweifel bricht man den Versuch wieder ab. Ich glaube auch sowas ist vorstellbar. Vielleicht diskutiert ihr das mal mit dem Arzt. Soweit ich weiss hat aber auch Carboplatin allein deutliche Nebenwirkungen.

Der Onkologe mit der Kombi-Therapie hat zur Standard-Therapie geraten. Ich weiss nicht genau warum, es könnte sein, dass der Rat ein bisschen "unmotiviert" ist. Mit dem Rat zur Standard-Therapie macht man halt nichts falsch. Irgendwie. Aber das ist nicht unbedingt die palliative Therapie? Die Onkologen im Krankenhaus haben sich die ganze Sache aber intensiver angesehen, oder?

Ich glaube, ich würde den Krankenhausonkologen und den Kombi-Therapie-Onkologen mit Fragen in Richtung Lebensqualität nochmal "löchern". Fragen, was man gegen die Nebenwirkungen machen kann. Fragen was passiert, wenn man die Chemo wieder abbricht. Fragen, ob der Tumor wieder so klein werden könnte, dass man doch operieren kann. Fragen, wie sich die adjuvante Chemo von der palliativen unterscheidet, z.B. in der Menge der verabreichten Zytostatika. Und dann würde ich mich "gefühlsmässig" für den entscheiden, mit dem ich die bessere "Wellenlänge" habe. Das ist nicht besonders befriedigend, aber Krebs scheint mir eben noch so unverstanden, dass es da nichts wirklich befriedigendes gibt.

Echte Hilfe war das jetzt vermutlich nicht. Nur ein paar Erfahrungen und Gedanken.

P.S: Es gibt hier einen ganz langen Thread zum Erfahrungsaustausch mit Eierstockkrebs. Vermutlich findest du dadrin auch noch einiges, aber das ist sicher länglich, dass alles durchzugehen.

Purzel66
20.06.2007, 12:38
Liebe Mona66,

ganz lieben Dank für Deine spontane Antwort und Deine Ehrlichkeit.
Den Hinweis auf den "Erfahrungsaustausch" habe ich gleich in die Tat umgesetzt und auch sehr interessiert gelesen.

Ich empfinde große Freude für Dich, dass es Dir so "gut" ergangen ist und wünsche Dir von ganzem Herzen, dass es immer so bleiben möge !

Lieben Gruß
Purzel66

Mosi-Bär
20.06.2007, 15:24
Hallo Purzel66,

was Mona66 erzählt über ihre Chemo, das trifft fast vollständig auch auf mich zu. Ich bin 45 Jahre alt. Mir ging es nach meiner ersten Chemo auch ziemlich schlecht, hatte starke Glieder- und Gelenkschmerzen, Fieber, Appetitlosigkeit, mußte mich öfter übergeben, habe am ersten Wochenende fast nichts essen oder trinken können und als es dann wieder ging, waren meine Mundschleimhäute kaputt und taten beim Essen und Trinken höllisch weh. Aber ich habe was dagegen bekommen und nach ca. 2 Tagen war alles wieder okay.
Alle Chemos, die danach kamen, haben immer weniger Nebenwirkungen gemacht und ich hatte auch kein Fieber mehr und konnte immer essen, wenn auch nicht so viel in den ersten Tagen.

Meine Geschmacksnerven waren eigentlich während der ganzen Zeit nicht in Ordnung, manche Dinge schmeckten mir überhaupt nicht mehr, den metallischen Geschmack bin ich eigentlich erst nach der letzten Chemo losgeworden, aber das war nicht schlimm.

Bei mir war der Tumor noch drin, als ich die ersten 4 Chemos bekam und es scheint nicht schlimmer zu sein, als wenn der Tumor schon draußen gewesen wäre. Ich habe beim "Erfahrungsaustausch" schon darüber berichtet in meiner Antwort an dich.

Auch wenn der EK deiner Mama jetzt inoperabel ist, so kann ich mir nicht vorstellen, daß es gar keine Chance mehr gibt, weil es bei mir doch so gut gelaufen ist. Ich hatte FIGO IV (weil einen malignen Pleuraerguß zwischen den Lugenlappen der rechten Lunge, was als Fernmetastasen gezählt wird) und der Grad war 3c !!! Ich drücke euch ganz feste die Daumen, daß es doch eine Chance gibt.

Liebe Grüße
Mosi-Bär:winke: