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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : schlimme gedanken


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11.03.2003, 21:09
darf ich eigentlich gar nicht schreiben oder denken, aber manchmal wünschte ich als angehörige, dass alles vorbei wäre...... weiss ja dass man nichts mehr machen kann, aber das lange warten, die ungwissheit, wie - wann - wo ? macht micht manchmal fast wahnsinnig!
kann das jemand verstehen?
eure traurige
no name

11.03.2003, 21:26
Hallo
Ich glaube das haben viele manchmal.
Erzähle einfach mal.
Bin manchmal auch verzweifelt
steffi

Warte auf antwort

12.03.2003, 05:43
hallo heute mal ohne,

Es ist doch ganz natürlich, solche Gedanken zu haben.

Man wünscht sich doch nicht das Ende des geliebten Menschen, sondern NUR das Ende der Qual, des Leidens, das Zusehen und nichts tun zu können. Das Ende der Hilflosigkeit.

ganz liebe Grüße,
Jutta

12.03.2003, 08:14
Hallo,

vor einigen Tagen hab ich einen interessanten Bericht über Spontanheilungen im TV gesehen.

In einem Fall ging es um einen Mann mit Leukämie im Endstadium. Die Ärzte waren mit ihrer Weisheit am Ende, und auch der Patient glaubte nicht mehr an eine Heilung. Er war im Krankenhaus, und hatte durch seine starke Gewichtsabnahme nichts mehr anzuziehen. So bat er seine Frau ihm 2 Hosen zu kaufen.

Als seine Frau dann im Geschäft stand, und die Hosen durchsah, kam ihr der Gedanke: " zahlt sich das überhaupt noch aus, soll ich nicht vielleicht die billigere nehmen, oder vielleicht nur eine statt beider?

Gleichzeitig erschrak sie heftig über ihre Gedanken - sie liebte doch ihren Mann. Auch zu Hause musste sie noch lange darüber nachdenken. Und da erkannte sie: " DAS MORGEN IST IMMER GLEICH WICHTIG; EGAL OB DANACH NOCH 40 JAHRE KOMMEN ODER NUR NOCH EIN TAG.

Sie sagt, dass wäre innerlich für sie eine Wende gewesen.

Der Mann kam nach Hause zum Sterben - er wartete darauf - aber es passierte nichts. Nach einiger Zeit merkte er, dass es ihm besser ging (hab leider vegessen, nach welcher Zeit das war). Schließlich verständigte er sein Krankenhaus, dass er noch lebte. Die konnten es gar nicht glauben. Heute ist er gesund.

Was diesem Mann noch wichtig war zu sagen ist: "dass für seine Spontanheilung nicht der eigene Wille, oder das positive Denken verantwortlich war. Er hatte sich schon aufgegeben." Und er glaubt, dass man dem Patienten viel Druck auferlegt, indem man sagt, er müsse nur mit aller Kraft wollen und positiv denken, dann könnte er gesund werden.

Tja, sowas passiert wohl selten - aber es passiert. Übrigens nicht irgendwo im fernen Amerika, sondern - in diesem Fall - in Österreich.

Wünsche euch alles Liebe und Gute
Afra

12.03.2003, 08:45
Als es vorbei war dachte ich nur: hat sie es endlich hinter sich und war ebenfalls erschrocken über diesen ersten Gedanken.

Es ist so, wie Jutta schon geschrieben hat. Das Ende der (eigenen)Qualen, und der ( eigenen ) Hilflosigkeit.....ist was man sich wünscht. Ist das wirklich natürlich oder egoistisch oder einfach nur menschlich ?

Sie selbst war nie eine Last für mich, aber die eigene seelische Belastung war extrem. Trotzdem war ich ie froh dass es jetzt ein Ende hat- Wisst ihr was ich meine?

Von Herzen viel Kraft für Euch alle

12.03.2003, 09:02
Wie gut ich euch verstehen kann und wie sehr ich auch bei diesem Gedanken jetzt erschrecke.Ich habe ein schlechtes Gewissen, dies jetzt zu schreiben, aber es ist nun mal so, ihr habt recht.
Die Situation in der wir stecken, kann nur derjenige verstehen ,der sie selbst einmal erlebt hat. Man steckt in derartigen seelischen Konflikten,die einfach unlösbar sind.
Es ist schön ,daß wir hier schreiben können.
Manchmal weiß ich nicht weiter,manchmal habe ich wieder Hoffnung,es ist alles ein einziges Auf und Ab und ein Ausrichten des eigenen Lebens auf der Erkrankung des Angehörigen,auch wenn man das gerne tut,man stößt oft an Grenzen
Alles Gute an euch alle.

12.03.2003, 09:14
hallo no name,

als ich die Nachricht vom plötzlichen Tod meines Vaters bekam war einer meiner ersten Gedanken: Warum er und nicht meine Mutter.
Warum ich so dachte?

keine Ahnung, ich liebe meine Mutter sehr und schäme mich noch heute dafür. Aber man hat seine Gedanken nicht unter Kontrolle denke ich, ich glaube es wäre leichter für mich gewesen, mich um meinen Dad zu kümmern, wenn meine Ma gestorben wäre.
Außerdem hatte ich Panikanfälle und wollte unbedingt so ein Gerät zur wiederbelebung für 40.000 DM kaufen (mein Dad starb an plötzlichem Herzversagen)
Ich war wütend und wollte mit 42 Jahren Halbwaisenrente beantragen, weil ich nicht einsehen wollte, daß erwachsene Töchter das nicht bekommen sollen.
Ich glaube in solchen Stressituationen denen Du ja auch ausgesetzt bist, kommen die Merkwürdigsten Gedanken.
Liebe Grüße

Marlies

12.03.2003, 09:17
auch ich ohne,

es sind die Qualen auf beiden Seiten, das Zusehen, ja die eigene Hilflosigkeit, die Unmacht etwas dagegen tun zu können, das Leiden zu stoppen.
Der Wunsch, bis zum letzten Atemzug die Kraft zu behalten, selbst fähig zu sein um sagen zu können - es ist okay loszulassen, du darfst gehen - ohne sich als schlechter Mensch zu fühlen.

Es ist menschlich, es ist natürlich, es ist "normal" und evtl. auch egoistisch, da man die Qual nicht mehr ertragen kann und am letzten Zipfel der eigenen Kraft angekommen ist. Doch man wird trotzdem weitergetragen, und es kommt immer noch ein Quentchen Kraft von irgendwo her.

Nachdem ich meiner Mutti die Augen schloß, sass ich lange an ihrem Bett und habe mit ihr "geredet", habe ihr u.a. gesagt, dass ich froh bin dass ihre Qual ein Ende hat, auch wenn ich ihren zähen Lebenswillen bewundert habe.

liebe Grüße,
Jutta

12.03.2003, 09:19
guten tag ihr lieben
bin ich froh, dass ich mich nicht alleine mit diesen düsteren gedanken befasse! vielen dank für die aufmunternden zeilen. ich dachte schon, ich sei allein mit diesen auf- und ab- gefühlen, zwischen hoffnung und verzweiflung. die patienten habens ja mal überstanden, aber wir - wir müssen weiter funktionieren!
bei uns ist gerade die frage nach einem neuen auto aufgetaucht. mein mann hätte da einen absoluten traumwagen im auge - aber er sagt, dass sich das gar nicht mehr lohnen würde... sowas macht mich halt traurig.
wünsche allen zweifler/innen einen schönen tag!
no name

12.03.2003, 10:35
Hallo Ihr "no names",
jetzt finde ich als Krebspatientin es also NICHT krass, weil Ihr so schlimme Gedanken habt, sondern weil Ihr deswegen Euren Namen hier nicht nennen wollt ...! Soooo ein schlechtes Gewissen?

Nee, guckt mal: Diese Gedanken sind nicht schlimm. Sie sind menschlich. Einem Leid zusehen zu müssen, oder es auch selber ertragen zu müssen, kann oftmals so unerträglich sein, dass man sich schon wünschen mag, dass alles doch endlich ein Ende finden soll.
Krebspatienten können solche Gedanken auch haben. Sie können sie haben für SICH, und sie können sie haben, weil sie nicht mehr mitansehen wollen, wie die Angehörigen leiden.

Tja, und das schlechte Gewissen dabei, kommt immer daher, weil man SELBER nicht mehr mag, ... aber wie soll man das zugeben? Wo doch alle Welt immer so viel Stärke von einem abverlangt?

Ich finde es jedenfalls okay, wenn Ihr sagt, Ihr mögt nicht mehr, dass Euch das Ganze fast wahnsinnig macht. Es ist okay, weil es uns Krebsbetroffene auch halber wahnsinnig macht, hm-hm!

Wir Betroffene brauchen Euch Angehörige, ja, aber das bedeutet nicht, dass Ihr nicht mehr Lachen sollt. Ihr braucht kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn Ihr Euch ein neues Auto kauft, wenn Ihr am überlegen seid, ob Ihr jetzt für den Patienten nur noch ein oder zwei paar Hosen kaufen sollt, ... diese Dinge sind nicht so wichtig. (Ein Krebspatient kann sich nämlich selber darüber Gedanken machen, ob es sich für ihn noch lohnt, sich ein Auto zu kaufen, oder ob nur EIN oder ZWEI paar Hosen vielleicht noch reichen ...)

Wichtig für Betroffene ist der Augenblick. Das Jetzt und Hier. Das Da-Sein. Nicht das Wie-Lange, sondern das WIE ist gefragt.

Hey, eine Hose reicht im Moment. Morgen kann man immernoch eine zweite kaufen, nicht wahr? :-)

Ich drück Euch alle ganz fest!
Liebe Grüsse
von der "krassen" Brigitte

12.03.2003, 10:43
Hallo no name
Alles lohnt sich immer,das steht fest.Diesen Gedanken mußt Du Deinem Mann ausreden.Wir leben bis zum letzten Atemzug und keiner weiß ,wann das sein wird. Lebensfreude durch ein neues Auto oder was auch immer kann mehr bewirken als Medikamente.Und zudem hilft es auch uns Angehörigen aus dem düsteren Loch wenn wir mitbekommen ,daß unsere Angehörigen noch Pläne und Ziele haben.
Ich kann all Deine Zweifel und Gefühle SEHR gut nachempfinden.Eigentlich wollen wir nur ,daß es unseren erkrankten Angehörigen gut geht ,aber dabei stoßen wir eben allzu oft auch an unsere eigenen seelischen Grenzen.
Schön,daß es dieses Forum gibt
Alles Gute

12.03.2003, 10:45
Ach ja, liebe "no name",
noch schnell was kleines:

Krebspatienten haben es ERST überstanden, wenn sie gestorben sind. BIS es jedoch so weit ist, ...
... müssen auch SIE funktionieren!

Wetten?

Dicke Umärmelung an Dich!
Die "krasse" Brigitte

12.03.2003, 12:55
Hi, noch ein paar Worte an Marlies,
Deine Gedanken "Warum er und nicht meine Mutter" waren bestimmt nicht wortwörtlich so gemeint. Eigentlich war es Dir DA schon zuviel, und Du dachtest Dir bloss, Du hättest es "einfacher" gehabt, wenn Deine Ma gestorben wäre. Stimmt's? Wahrscheinlich sagte Dir bloss Dein Herz, WAS für DICH einfacher wäre.
Aber muss man ein schlechtes Gewissen haben, wenn das Herz spricht?
Natürlich sind das egoistische Gründe, aber man sollte diese nicht einfach so beiseite schieben, denn irgendwo spricht das Herz ja immer die Wahrheit, und irgendwo wird es auch seine Gründe haben.

Ich mag mich erinnern, dass ich meine Mutter als Kind oft hasste, weil sie mich schlug. Nun denn, da kam hin und wieder mal der "schlimme Gedanke", dass ich mir wünschte, sie wäre tot!
Tja, dieser Gedanke hatte halt seine Gründe, auch wenn er noch so krass war! Trotzdem meinte ich dies ja nie WIRKLICH so, weil ich meine Mutter doch brauchte als Kind und trotzdem liebte.
Als sie dann an Leukämie erkrankte (damals war ich etwa fünfundzwanzig), war mein Hass noch immer da, aber inzwischen war ich erwachsen und schliesslich auch fähig, zu verzeihen.
Also schrieb ich ihr einen Brief und verzieh ihr. Das hat natürlich zwei Jahre gedauert, bis ich dazu fähig war. Aber indem ich IHR verziehen hatte, hatte ich komischerweise auch mir selber verziehen. Das ging wie von selbst. Mein Hass, meine Kindheitsgedanken, dass meine Ma doch sterben möge, ... waren verschwunden. Und es gab keinen Grund mehr, dass ich deswegen ein schlechtes Gewissen zu haben brauchte.

Natürlich hatte ich ihr diesen "Todeswunsch-Gedanken" nie gesagt. So etwas spricht man nicht aus. Man denkt es nur. Aber weil man das ja gar nicht wirklich ernst meint, weil man das in Wirklickeit gar nicht will, ... behält man den Gedanken für sich. Nicht wahr? Und weil es etwas ist, das man nicht aussprechen kann, fühlt man sich "schlecht" oder "schlimm" dabei. Also kommt ein schlechtes Gewissen.
Aber der Gedanke ist DA. Man sollte sich also fragen, warum dieser Gedanke da ist. Irgendwie und irgendwo hat er seine Berechtigung für seine Existenz.

Tja, meine Mutter starb sieben Tage später, nachdem ich ihr den Brief geschickt hatte. Ich wusste, sie hatte den Brief noch gelesen. Und ich bin heute noch überzeugt davon, dass ihr dieses Verzeihen gut getan hatte. Vielleicht - sogar - hatte sie nur darauf gewartet?
Nun, während der Beerdigung sass ich mit anderen Trauernden zusammen, und während dort eine Frau weinte und jammerte: "Ach hätt ich doch noch dies und jenes für sie getan ...", ... fühlte ich ... einen völligen Frieden in mir! Es war ein Frieden, den ich mit meiner Mutter abgeschlossen hatte, ganz persönlich, und welcher für beide Seiten okay war.
Es gab keinen Grund mehr, weder für meine Ma noch für mich, noch in den letzten Tagen ein schlechtes Gewissen zu haben. Und auch nach ihrem Tode hatte ich nie wieder ein schlechtes Gewissen.

Weisst Du, wie ich meine, Marlies?
Jeder Gedanke, den Du hast, hat seine Begründung, auch wenn er vielleicht noch so unsinnig erscheint.
Ein Gerät zur Wiederbelebung für 40'000 kaufen? Warum nicht? Es ist DEINE Reaktion, Marlies, in jenem Moment. Sooooo unsinnig ist dieser Gedanke schliesslich nicht. Und ich finde das sogar eine tolle Reaktion!
Mit 42 Jahren eine Halbwaisenrente beantragen? Wieso denn nicht? - Ja, warum GEHT das nicht, wenn man Erwachsen ist?
Deine Gedanken sind gut, Marlies, ich finde sie SEHR gut!

Manchmal sind wir in solchen Situationen natürlich auch selber wieder wie Kinder. Wir fühlen uns so hilflos, dass wir nach jedem Strohhalm greifen. Aber dieser Teil hat auch sein Positives. Denn wir reagieren dann vielleicht so "natürlich", wie Kinder reagieren. Wir hinterfragen die Dinge so, wie sie Kinder hinterfragen. - Wir meinen dann , dass das vielleicht "dumm" ist, aber ist es das wirklich?
Kinder können uns manchmal in vieler Hinsicht ein Vorbild sein. Finde ich jedenfalls. Und wenn wir unser eigenes Kind in uns entdecken, wenn wir es fühlen, ... warum nicht?

Ich habe immer so viele Gedanken, ich weiss, ich hoffe, ich verwirre Euch alle nicht zu sehr.
Bis dann, und alles Gute für Dich, Marlies, gell?

Liebe Grüsse
von der "krassen" Brigitte

12.03.2003, 13:08
Hallo Kängeruh,

ja....., sooooo ein schlechtes Gewissen. Immernoch und wohl auch immer wieder und für immer....

So viele Zweifel betr. der eigenen (schlimmen ) Gedanken, der eigenen Handlungen, Fragen - ob man es nicht doch alles anders hätte machen sollen, ob dieses oder jenes nicht besser gewesen wäre. Auf der einen Seite fehlt der Mensch ohne Ende, auf der anderen Seite hätte man nie gedacht, dass man doch so relativ gut damit lernt umzugehen...
Wie sooft beschrieben ein auf und ab.

Mein Verstand sagt, dass solch Gedanken normal sind. Mein Gefühl sagt: Wie kannst Du nur?!

"Auch ich ohne" deswegen, weil ich solche Gedanken nicht einzuordnen vermag. Ich weiß nicht wirklich ob sie OK sind. Eigentlich sind si doch krass- oder ?
Ich hab diesen ersten Gedanken den ich damals hatte, auch hier zum ersten Mal zu gegeben und ich schäme mich sehr für diesen Gedanken.

Es grüßt Euch alle ganz lieb
Li (ane)

12.03.2003, 13:13
Li, (Du "auch ich ohne"),
ich drück Dich ganz fest!
Nicht schämen, gell? ;-)

Ganz liebe Grüssli von der "Krassen"

12.03.2003, 16:45
Ich weiss, Fred,
lass Dich von mir auch drücken, feste, feste!

Diese "schlimmen" Gedanken SIND normal.

Moment, ich hab da noch ein anderes Beispiel, okay?

Ich bin 42 und hab Krebs, hm? (Hatte, Li, hatte!)
Und da ist die Jeanne, eine liebe Nachbarin, die wird jetzt 90. Die Jeanne hatte Zeit ihres Lebens nie eine schwere Krankheit, sie war immer putzmunter, hm? So, und jetzt sitzt sie da neben mir, und jammert über ihre Altersbeschwerden, weil sie nicht mehr so richtig gehen kann!
Ich kann sie zwar verstehen, aber trotzdem "nistelt" sich da ein "schlimmer" Gedanke in mein Hirn rein:
"Also wenn ICH jetzt VOR der Jeanne an meinem Krebs sterbe, dann macht mich das stinkewütend! Das wäre nicht fair! SIE ist 90, sie hat gefälligst zuerst zu sterben!"

Natürlich sage ich das nicht IHR, sondern es ist MEIN Gedanke. Jetzt kann ich natürlich für den Rest meines Lebens über meinen eigenen Gedanken nachgrübeln und den Kopf darüber schütteln, und mich selber fragen: WIE KANNST DU NUR?
Und ich kann mich darüber grämen, DASS ich sowas überhaupt denken mag.
Klar, ich steh' da genau so wenig "locker" drüber, wie Ihr alle. So ein Gedanke erschreckt mich auch.
Aber wie ich schon oben beschrieben habe:
Jeder Gedanke hat seinen Grund. - Hier in diesem Beispiel, muss ich dann einfach sagen:
Okay, Leute, ich bin NEIDISCH auf die Jeanne! Auf ihre lange Gesundheit und ihr hohes Alter! Ich weiss mit meinem Krebs ja selber nicht, OB ich überhaupt mein Pensionsalter jemals erreiche. Und die ganze Situation, in der ich bin, nervt mich. Dieses dämliche, unfaire Schicksal nervt mich. - Wenn ich könnte, so würde ich irgendwo einen Schalter suchen, um dem Ganzen ein Ende zu setzen. Damit ich mich nicht mehr mit dieser Situation abfinden muss. Damit ich dieses Neid-Gefühl auf die Jeanne nicht weiter ertragen muss.

Wisst Ihr, was ich meine? NATÜRLICH will ich nicht, dass Jeanne noch VOR mir stirbt, verflixt nochmal, warum denn auch, ich mag sie doch!
Nein, es ist mein Herz, welches mir meine EIGENE Unzufriedenheit über mein Schicksal aufzeigt. Es zeigt sich halt in solchen "schlimmen" Gedanken.

Sagt doch ehrlich, muss ich jetzt deswegen ein schlechtes Gewissen haben? - Kommt schon, bringt mir EURE Argumente, WESHALB ich kein schlechtes Gewissen darüber haben muss!
Hm? - Ich will mich jetzt von Euch ein bisschen trösten lassen, jaja! ;-)

Bis dann, Ihr Lieben!
Grüsse von der "krassen" Brigitte

12.03.2003, 16:59
hei brigitte
meine eltern sind 91/93, mein schwiegervater 83 mein mann war 52 bei der diagnose! wieso ER? würde meine beiden eltern und schwiegervater "opfern" wenn ich meinen mann behalten könnte......
susy

12.03.2003, 17:09
Hei Susy,
"opfern"? Ja klar, das ist die Liebe, die da aus Deinem Herzen spricht.
Aber Du meinst es nicht wirklich so.

Stimmt's?
Dicker Drücker an Dich!

Die "krasse" Brigitte

12.03.2003, 17:24
liebe krasse brigitte
doch leider ist es genau so wie ich es geschrieben habe! das ist ja das schlimme an diesen scheiss-gedanken, dass sie so brutal sind!
aber gegenwärtig sind das meine gedanken :-(
alles liebe für dich
susy

12.03.2003, 17:32
Hei Susy,
ja ich weiss, man meint es selbst in vollstem Ernst! Und sie sind auch brutal, diese Gedanken, aber ... sie haben ihre Gründe.
Hast Du mein Beispiel oben gelesen, wo ich mir wünschte, die 90jährige Jeanne würde noch vor mir sterben?
Wie würdest Du mich jetzt trösten? Sag doch mal!

Liebe Grüsse
von der "krassen" Brigitte

12.03.2003, 17:39
Hallo Brigitte, und alle Anderen hier,

WER zum Teufel bestimmt, welche Gefühle wir uns erlauben dürfen und welche nicht????? Es heisst immer die Gesellschaft?? Und wer bitte ist diese Gesellschaft?
WIR, jeder Einzelne von uns ist DIE Gesellschaft, die sich in Formen zwingen lässt, nur weil der Nachbar meint, es sei nicht in Ordnung?!!?
Alle Gefühle und Gedanken welche wir irgendwann vor UNS verantworten/zuordnen können, mit ihnen ohne schlechtes Gewissen umgehen, D A S ist es was erlaubt ist. Und auch D A S ist, wovor/worüber sich keiner von uns schämen sollte!!!!!!!!!
Wir sind wie wir sind, mit all den menschelnden Angewohnheiten. Wir sind keine Roboter, es gibt nirgends einen Schalter, der Gefühle und Gedanken aus- und anknipsen lässt.

Jeder Gedanke und jedes Gefühl hat einen Ursprung in der eigenen Lebensgeschichte. So hat jeder seine Lebensgeschichte, darauf reagieren wir, so handeln wir, so denken und fühlen wir.

Es hilft manches Mal einfach diese Lebensgeschichte zu hinterfragen, warum reagiere ich so, was regt mich so auf und warum? Dann kommt oft der AHA Moment und man kann damit eventuell besser umgehen, und sagen, JA, DAS BIN ICH und deshalb denke und fühle ich auch so. GROSSER PUNKT.

Trösten kann ich Dich Brigitte mit meinen Gedanken nicht, denn DU bist wie DU bist!!!! :-) :-) :-) Und wie DU weisst, ich drück Dich nur dafür und spanne mein Netz auf.

liebe Grüsse,
Jutta

12.03.2003, 17:43
liebe brigitte
was erwartest du von mir für trost? deine gedanken btr. jeanne sind für mich völlig legal! auch ich liebe meine eltern und meinen schwieva. aber wenn sie nur noch am jammern sind dann wäre doch der zeitpunkt gekommen wo sie diese erde verlassen dürfen?! mein mann möchte aber noch sooo viel, er möchte seine zukünftigen enkelchen kennenlernen, wir haben zusammen noch so viele pläne....
ich weiss, ich bin egoistisch, aber ich bin (noch)nicht bereit, ihne davonfliegen zu lassen!
liebe grüsse
susy

12.03.2003, 17:48
;-) hui, Jutta, da kommt Temperament!

Richtig, Du hast recht.
Genau dieses "Hinterfragen" machen wir hier ja.

Ein dicker Drücker zurück an Dich! (Danke, für Deine guten Worte.)

Die "krasse" Brigitte

12.03.2003, 17:56
Tja, SO BIN ICH HALT :-), man merkt ich habe den oberen Rand schon fast wieder erreicht!!

Können wir die Antwort geben? Haben wir die Antwort für jedes Schicksal? NEIN.

Wir können versuchen zu verstehen,
wir können versuchen beizustehen,
wir können versuchen unsere Erfahrung weiter zu geben,
wir können versuchen zu helfen,
aber:
hinterfragen muss JEDER für sich selbst
ob das der Nächste nun versteht oder nicht

Grüssle,
Jutta

12.03.2003, 18:10
Hallo Ihre Lieben

Trau mich jetzt auch noch meinen Senf dazuzugeben.
Dieselben Gedanken wie ihr hatte und habe ich auch. Als meine Tochter gestorben ist, hatte ich zum Beispiel den Gedanken: Mein Papa ist fast 80 Jahre alt! Warum meine Tochter mit 22 Jahren? Das ist doch unfair! Oder warum nicht ich? Ich hätte mein Leben gerne für ihres getauscht. Mein Papa ist dann fünf Jahre später gestorben. Da habe ich auch gedacht: Warum nicht seine Nachbarin? Die ist doch genauso alt und noch dazu allein!
Dann hat der Krebs letztes Jahr bei mir ein Zuhause gefunden. Und nun denke ich: Gottseidank nicht mein Sohn oder mein Mann!
Bei meinen Aufenthalten im Krankenhaus und bei den Bestrahlungsterminen habe ich viele "alte" Menschen getroffen mit dieser Krankheit und ich habe mir wieder gesagt: Die haben ihr Leben doch schon gelebt. Manche werden doch nicht mal so alt wie sie. Ich bin doch aber noch "jung" (46 Jahre) Dann habe ich die vielen Berichte hier im Krebskompass gelesen und mitgekriegt wie die Angehörigen von vielen alten Menschen leiden, weil sie sie verloren haben.
Du hast recht, Brigitte, solange wir das den Menschen gegenüber, bei denen uns der Gedanke kommt( Warum nicht du?), nicht aussprechen, tun wir doch niemand weh!
Ich denke , dass diese Gedanken wirklich eine natürliche Reaktion sind.Wir leiden (egal ob Angehöriger oder Betroffener) und hadern mit unserem Schicksal. Und wir haben auch das Recht zu jammern und zu klagen. Wenigstens für eine Zeit. Ist doch auch schwer.
Die Gedanken kommen uns so natürlich wie den anderen, die,wenn ein Unglück beim Nachbarn passiert, denken: Gottseidank nicht mein Kind,mein Mann, meine Frau, meine Mutter, mein Vater, mein Arbeitsplatz......
Manchmal sprechen diese Menschen uns gegenüber diesen Gedanken aus und tun uns weh damit. Sie sagen das dann natürlich anders. Das klingt dann so : Gottseidank ist meine Familie gesund oder gottseidank ist mein Arbeitsplatz sicher etc...
Wir sind doch Menschen und haben auch Gefühle. Da ist alles drin.
Mitgefühl und Neid, Angst und Mut, Freude und Trauer und auch Scham.Und das Leben ist nun mal nicht fair und wir lehnen uns dagegen auf. Menschlich nicht?

Liebe Grüsse
Hedi

12.03.2003, 18:13
Hei Susy,
wenn meine Gedanken für Dich legal sind,
dann sind die Deinen für mich ebenso legal. :-)
Siehst Du?

Aber es stimmt schon, das Alter hat natürlich schon auch noch seine Gründe.
Jüngere Menschen haben wohl immer mehr Mühe mit Krankheit und Sterben, als die älteren Menschen.
Aber wir dürfen uns von den alten Menschen auch nicht täuschen lassen. Je nach dem haben diese nämlich auch noch ihre "Pläne" oder "Träume". Und ihr Jammern - wie auch bei der 90jährigen Jeanne - ist ja auch irgendwie berechtigt.
Wenn ich mir jetzt nämlich die Frage stellen würde: "Würde ich mit der Jeanne tauschen wollen?"
Najaaaaa, da würde ich doch sagen müssen: Nein, eigentlich auch nicht gerade!
Dann komme ich auf ein Aha-Erlebnis, wie es die Jutta oben beschrieben hat.

Also, wie gesagt, diese "schlimmen" Gedanken sind immer sehr ernst gemeint, ... aber wenn wir uns diese wirklich wünschen könnten, und eine Zauberfee würde uns diese Wünsche erfüllen, ... naja, hm?
Dann hat's hier vielleicht eine schöne Seite, aber dort wiederum eine ganz schlimme Seite, die zur Realität geworden ist. Und JENES schlechte Gewissen, welches dann kommt, würde dann noch tausendmal schlimmer sein.

Liebe Susy, es ist okay, wenn Du kämpfst, wenn Du (noch) nicht bereit dazu bist, ihn davon fliegen zu lassen. DAS ist ganz sicher kein Grund, um ein schlechtes Gewissen zu haben. Du kämpfst nur mit dieser Ungerechtigkeit, so wie ER, so wie ich, so wie alle anderen.

Tja, mögen unsere "geheimen" Gedanken noch so krass sein, wenn wir sie verstehen können, dann sind wir einen Schritt weiter gekommen.
Und wenn nicht, ... naja, dann können wir immernoch wenigstens sagen:
Die Gedanken sind frei!

Alles Liebe und bis später, ich mach jetzt mal Pause hier ;-)!
Liebe Grüsse von
der "krassen" Brigitte

12.03.2003, 18:16
Huuups, Hedi!
Sei gegrüsst!
Ich mach gerade Pause hier, will Dir aber noch
eine dicke Umarmung senden, gell?

Bis dann!
Die "krasse" Brigitte

13.03.2003, 10:00
Hallo Brigitte, hallo ihr alle,

tja, wie man sieht, bin ich wohl nicht die einzige mit "komischen" Gedanken.

Scheint so eine Art Selbstschutz zu sein einerseits. Und andererseits eine Form von Selbstmitleid. Sogesehen ist es ja eigentlich ganz in Ordnung, man verletzt niemanden.

Interessant finde ich Deine Geschichte zum Thema "Vergebung" Brigitte.
Dazu steht eine menge in der bibel.
Ein thema, das mich lange beschäftigt hat.
Die Bibel sagt zusammengefasst, das Wichtigste im Leben ist, daß wir anderen Vergeben, denn Unvergebenheit macht einen Knoten in unseren eigenen Herzen, der uns quält weil er wut säht und Ärger. Wer vergeben kann, dem geht es gut, weil dieser Knoten sich lösen kann.
Eigentlich genau das, was Du erlebt hast gelle?
Ich habe diese Erfahrung übrigens in meinem leben auch gemacht. Vergebung ist ne tolle Sache, und kann richtig spaß machen. Und es bewirkt auch beim anderen unglaublich viel.
Mein schlechtes Gewissen rührt eigentlich daher, daß ich mich schäme, zu solchen Gedanken überhaupt fähig zu sein, ich will solche Gedanken nicht haben, kann mir auch nicht richtig vorstellen, das sie in irgendeiner form gesund sein sollen. Für wen? für mich?
ne, sicher nicht, dann würde ja die scham wieder verschwinden oder gar nicht erst auftauchen.
Ich glaube, dies sind auch panikartige Schockreaktionen und insoweit ist es auch für mich in Ordnung, aber mit meiner Scham geht es glaub ich eher um den anspruch an mich selbst. Meine Latte in Sachen "Liebe Deinen nächsten" hängt sehr hoch und ich kann noch so vorsichtig sein mit dem was ich sage, was ich denke habe ich nicht immer im griff.

Schönen Tag euch allen

Marlies

13.03.2003, 10:47
Mörgelchen Ihr alle,

Hedi, Du hast sehr schöne Worte dazu gefunden. Es scheint alles irgendwie zu erklären.

Marlies, frag mich nicht, wie ich damals dazu gekommen bin, meiner Mutter zu verzeihen. Ich bin nämlich weder streng gläubig noch habe ich damals an die Bibel gedacht.
Es kam einfach so, keine Ahnung. Ich wusste einfach, dass was nicht stimmt. Und dass es an mir lag, etwas zu tun. Es war ganz, ganz wichtig. Ich wusste aber lange nicht, WIE ich das machen sollte. Sollte ich mich bei meiner Mutter ans Krankenbett setzen, und ihr ins Gesicht sagen, dass ich ihr verzeihe?
Dazu hatte ich nicht so den Mut, weil wir in der Familie auch nie gelernt hatten, richtig miteinander zu sprechen. Da war irgendwie eine richtige Blockade in mir.
Ich weiss auch nicht, warum ich es damals dann doch noch "rechtzeitig" in Briefform getan hatte. Es war ganz sonderbar, ich TAT es einfach!

Damals besass ich ja noch keinen Computer, hm? Sondern nur eine Schreibmaschine. Also tippte ich diesen "Verzeih-Brief" auf der Schreibmaschine.
Ganz, ganz merkwürdig war dann, dass gerade exakt beim Wort "Verzeihen" ... die Schreibband-Kassette fertig war! Nix ging mehr, keinen einzigen Buchstaben! Und ich hatte auch keine Reserve-Kassette auf Lager!
Tja, zuerst zog ich den Brief aus der Schreibmaschine, seufzend, und dachte mir: "Naja, dann kaufe ich mir morgen halt eine neue Kassette und schreibe morgen wieder weiter!"
Ich verliess den Raum, ... aber irgendwas trieb mich wieder zurück. Ich setzte mich erneut an den Tisch, nahm ein neues Blatt Papier, und schrieb den ganzen Brief NOCHMAL, und zwar von Hand!

So konnte ich den Brief am nächsten Tag in die Post einwerfen. - Hat wohl so sein müssen, DAMIT meine Ma den Brief noch bekommen hat! Denn genau sieben Tage später ist sie dann ja gestorben.

Sonderbar, gell? http://websmileys.bei.t-online.de/schild73.gif

Naja, unser Inneres, oder unser Herz, unsere Seele, unser Bauch, unsere Intuition, unsere innere Stimme, was auch immer, ... treibt uns manchmal an, ohne dass wir es merken.
Und Du hast recht, Marlies, so Verzeihen kann auch Spass machen.

Bis dann, Ihr Lieben!
Liebe Grüsse
von der "krassen" Brigitte

13.03.2003, 18:39
Hi Brigitte,

für mich ist das gar nicht sonderbar.
Welch ein Segen, der dir wiederfahren ist, undenkbar, es hätte kein "Verzeihen" gegeben.

Weißt du, ich glaube auch nicht an Zufälle.
Liebe Grüße

Marlies

03.04.2003, 12:13
apropos schlechtes Gewissen..das bedrückt mich nicht nur bei schlimmen Gedanken, denn es passiert auch, dass ich mich mit dem kranken Menschen streite, weil er fordert und fordert und fordert und ich habe eben auch noch Bedürfnisse. Manchmal platzt mir dann einfach der Kragen und ich werde total ungeduldig. Danach fühl ich mich dann schlecht und gemein. Ich will ja auch immer ein offenes Ohr haben, aber jedes Gespräch endet in einem unendlichen Lamento über Krankheit Schmerz Schuld und akuten Problemen...ich kann manchmal einfach nichts mehr aufnehmen, denn im job muss man auch weiter funktionieren....manchmal komm ich da wirklich an die Grenzen meiner Nerven.

03.04.2003, 18:05
Hi Anke,
uh ja, das kenn ich!
Ich kenne das noch von früher, als ich noch keinen Krebs hatte. Ich hatte auch schon immer ein offenes Ohr für andere Menschen (was ja auch total okay ist), aber manchmal gab es da auch schon mal Grenzen, wo ich selber sagen musste: "Jetzt wird's mir zuviel, das geht mir zu Nahe!"
Das geschah nicht mal unbedingt nur bei Menschen mit einer schweren Krankheit, sondern auch bei "gesunden" Menschen, die halt vielleicht gerade ein ziemlich intensives Problem hatten.

Wie's halt so ist, wenn sich jemand in einem intensiven Problem wälzt, (das kann jetzt z.B. eine Trennung vom Partner sein, Scheidung, oder solche Dinge) dann wälzt er sich meistens gleich zünftig, und dann "steckt" er momentan und manchmal halt auch für eine längere Zeit in diesem Problem feste drinnen! In seiner "kleinen Welt" wo das Ich zum einzig Wichtigen wird. Und er wälzt sich und wälzt sich und möchte die ganze Zeit nur darüber quatschen, weil ... er sucht Verständnis, er sucht Lösungen, usw. Und DAS eigentlich so lange, BIS das Problem sich irgendwie endlich gelöst HAT.
Gell?

Jetzt musst Du Dir vorstellen, wie das aber sein muss, wenn da jemand nicht NUR ein übliches kompliziertes Problem hat, sondern ... Krebs!
Das ist MEHR als nur ein Problem, das ist ein ANDAUERNDES Problem!
Aus der Sicht des Krebsbetroffenen wird aus seiner "kleinen Welt" eine "kleine grosse Welt", und aus dem üblichen "darüber Reden wollen" wird oftmals ein "dauerndes darüber Reden wollen". Aus dem früheren "Verständnis suchen" wird plötzlich ein "verzweifelndes Suchen", und aus dem "Lösungen suchen" wird sehr oft ein ... "Es gibt hier keine Lösung!"!
Das ist hier eben der (krasse) Unterschied. Den habe ich nun mit meinem Krebs kennen gelernt. Wenn man mal Krebs hatte, erscheint einem alles andere als "harmloses Problem". Manchmal kann man da als Krebsbetroffener gar nicht richtig verstehen, DASS da jemand nicht zuhören will! Weil ... man hat doch schliesslich Krebs, oder?

Aber wir Krebsbetroffene erwarten vielleicht manchmal eben auch zuviel von unseren Lieben, doch weil wir so in unserer "kleinen grossen Welt des Ich's" drinnen stecken und uns dauernd herum wälzen, können wir manchmal eben gar nicht anders.
Weisst Du, wenn es mir z.B. psychisch sehr schlecht geht, und meine Lieben wissen das, dann krieg ich manchmal halbe Zustände, wenn ich mir IHR Gejammer anhören muss, weil sie so eine "stressige" Woche hinter sich hatten und soooo müde sind!
Das ist ja auch verständlich, früher habe ich da auch so gejammert. Aber heute ist's umgekehrt, denn dauernd liegt die Frage auf meinen Lippen:
"Okay, Du armer gestresster Mensch, wie wär's, wenn Du mit mir tauschen würdest?"
Nun, manchmal SAG ich das dann auch! Und weisst Du, was ich dann zur Antwort bekomme?
"Du bist doch nicht alleine auf der Welt!"
Da verschlägt's mir dann die Sprache. Weil ... einerseits hat derjenige ja recht und er hat ja auch sein Recht zu jammern, ... aber ich als Krebsbetroffene empfinde SEIN Problem halt als völlig HARMLOS!

Hm, manchmal wär mir lieber, weisst Du, wenn mir jene Leute ehrlich sagen würden: "Hey, im Moment wird mir Deine Krankheit ein bisschen zu viel, es geht mir zu nahe. Ist's Dir recht, wenn ich ein oder zwei Tage mit Freunden weg gehe, einfach, um mal abzuschalten und Pause zu machen? - Am Samstag bin ich dann wieder für Dich da, frisch und gestärkt, und dann machen wir was zusammen!"

Doch ... das sagt mir nie jemand! Warum eigentlich nicht? Ich würd's verstehen. Es wäre ehrlich. - Und ich müsste mir dann auch nicht anhören müssen: "Du bist doch nicht alleine auf der Welt!", wobei ich mir dann ziemlich mies und egoistisch und klein vorkomme. Wo ICH mich aufrege, wo der ANDERE sich aufregt ..., wäre doch alles gar nicht nötig.

Versuche vielleicht deshalb zwischendurch Pausen zu machen, Anke, denn dann muss Dir nicht dauernd der Kragen platzen, Du kannst ein bisschen Deinen eigenen Bedürfnissen nachgehen, Du brauchst Dich auch nicht schlecht und gemein zu fühlen, Du hast dann weniger "schlimme Gedanken", ... weisst Du, wie ich meine?

Ich sende Dir jedenfalls eine dicke Umärmelung und hoffe, ich habe Dich nicht auch noch an die Grenzen Deiner Nerven gebracht ...? ;-)
Ganz liebe Grüsse
von der "krassen" Brigitte

C laudia
04.04.2003, 13:29
Jetzt muss ich auch mal meinen Senf dazugeben, weil mich dieses Forum hier sehr beeindruckt hat!

Ich bin 23 Jahre alt und hatte Krebs. Derzeit gelte ich als geheilt, wenngleich ich noch eine Zyste am Eierstock untersuchen lassen muss. Ich habe fast drei Jahre gegen den Krebs gekämpft und durch dieses "dauernde darüber sprechen wollen", liebe Brigitte, habe ich viele Freunde verloren. Ich habe von ihnen einfach zu viel abverlangt, denke ich mir im Nachhinein, ich wollte immer Trost und Zuspruch, Hoffnung und Hilfe. Ohne zu berücksichtigen, dass diese Menschen auch noch Bedürfnisse haben und mit mir auch mal über etwas anderes sprechen wollen.

Einerseits tut es mir jetzt leid, dass ich mich so verhalten habe. Andererseits: ist das denn nicht irgendwo verständlich? ist das denn wirklich zuviel verlangt, von seinen Freunden in Zeiten der Not und der absoluten Hilflosigkeit ein offenes Ohr zu verlangen? Damals hat man mir nicht mal mehr ein halbes Jahr gegeben und jetzt - fast drei Jahre danach - bin ich gesund. Ist das denn in einer solch schwierigen Situation wirklich zuviel verlangt???

Die Freunde, von denen ich spreche, waren zu diesem Zeitpunkt nach meinem Verlobten die wichtigsten Personen in meinem Leben (für mich) und sie haben dem Druck nicht standgehalten und sind gegangen. Aber was soll ICH denn sagen? ICH war schließlich krank, nicht sie!!!

Ich bin wohl immer noch sehr traurig über diese Entwicklung, wenn gleich ich mir denke, sie waren es wohl nicht wert. Ich habe die Tage auch wieder versucht Kontakt aufzunehmen, aber sie wollen anscheinend nichts mehr mit mir zu tun haben. :-(

Liebe Grüße

von der Claudia

04.04.2003, 17:14
Hallo Zusammen,

was wären wir denn ohne diese "schlimmen" Gedanken? Und die Forderung an Andere, ob mit gutem oder schlechtem Gewissen?

Ich habe auch bei Brigitte eingefordert, obwohl ich wusste, dass sie Krebsbetroffene ist. Mir hat (und tut noch) der Austausch mit ihr sehr gut, obwohl mich auch zwischendurch das Gewissen plagt. Meine Angst bei dem nächsten Arztbesuch oder der nächsten OP NICHT so viel Glück gehabt zu haben, die Begleitung meiner Freundin, die jetzt ihre 2. Chemo hinter sich hat, treibt mich mir Hilfe zu holen. Durch den Austausch mit Brigitte lerne ich vieles dazu, kann auch mit meiner Freundin anders umgehen.

Bei mir wurden heute Polypen im Darm entdeckt, habe beide Eltern an Darmkrebs verloren. Und ich werde es vorerst niemanden ausser meinem Mann (und natürlich hier) mitteilen. Anfang März hat man mir einen Tumor, mit mutierenden Zellen, aus der Brust geschnitten. Da habe ich mich vetrauensselig an sogenannte gute "Freundinnen" gewandt - und was kam, ein Nachmittag mit Kaffeeklatsch (über den alten Arbeitsplatz gesprochen). Hier in der Umgebung habe ich keinen Freundeskreis, da wir noch nicht so lange hier wohnen. Ich hole mir meine Streicheleinheiten dann eben per Telefon bei meinen 2 einzig ehrlichen Freundinnen, sie wohnen etliche hundert Kilometer weit weg. Meine Geschwister sind auch abgeschrieben, ich machte zig Versuche, aber nun bin ich ein Einzelkind geworden.

Ich spüre, wie ich innerlich härter und verbitterter werde, und genau weiss, dass ich für Keinen, der nicht für mich DA war, vorerst DA sein werde. Fragte mich die letzten Wochen, warum muss ich immer für Andere da sein (meine Freundin ist eine Ausnahme), wenn es sie keinen Deut interessiert, wie es mir geht. Mir tut eine große Runde Selbstmitleid mehr gut, als ein geheucheltes: "Na, wie gehts?" So wendet sich das Blatt.

@Anke: Bist Du ausgebrannt und hast selbst eine Portion Abstand nötig? Mir ging es bei der Begleitung meiner Eltern des öfteren so. Ich hatte keine Kraft mehr, ich fand keine Energiereserve.
Ich nahm mir dann einfach ein Auszeit, um meine Gedanken und Gefühle zu sortieren, neue Energie zu tanken. Nehme Dir eine Entspannungszeit, falls es möglich ist. Meine Mutter war wohl wegen meiner Auszeit etwas sauer, aber ich erklärte ihr klipp und klar, wenn ich keine Kraft sammeln kann, kann ich auch nicht für sie da sein. Es dauerte einen halben Tag, aber dann hat sie es eingesehen und verstanden. Ihr war dann meine Ehrlichkeit lieber, als ein Gesicht wie eine Essiggurke um sie herum, und nur halbherzig und kraftlos bei ihr zu sein.

es grüßt Euch
Jutta

04.04.2003, 17:29
Hi Claudia,
... nun, ich glaube, von all den Freunden, die Du verloren hast (durch das "dauernde darüber sprechen wollen"), würdest Du wahrscheinlich, bei genauerem Hingucken, entdecken, dass die Mehrheit davon nicht wegen DIR weg ging, sondern weil SIE selber nicht damit klar kamen.
Das klingt jetzt für diese Freunde vielleicht ein bisschen vorwurfsvoll, doch wenn man sie FRAGEN würde, WARUM sie sich zurück gezogen haben, würden die wenigsten zugestehen, dass sie damit nicht klar kamen, dass das "ewige" Problem für sie viel zu gross war. - Nein, sie würden sagen, es läge an DIR!
Hier stelle auch ich mir immer wieder die Frage: "Wieviel MUSS eigentlich an den Krebspatienten alles selber liegen?"

Naja, daher auch mein Beispiel aus dem letzten Beitrag. (Der "Unterschied" zwischen üblichen schweren Alltags-Problemen und dem dauernden Krebsproblem.)
Da erzähle ich Dir wahrscheinlich nichts Neues, Claudia, gell? Doch da hier Angehörige im Forum sind, möchte ich auch ihnen gerne unsere "Sicht" zeigen.

Man kann sich auch als Beispiel (ob man jetzt gesund oder krank ist) vorstellen, man kennt da einen guten Freund. Der gute Freund hat eines Tages einen Nervenzusammenbruch, und dann wird er psychisch krank.
Seien wir ehrlich: Wie lange schaffen wir es, dem guten Freund beizustehen, und zusehen zu müssen, wie er unter seiner psychischen Krankheit leidet? Haben wir die Kraft dazu? Haben wir diese Energie, diesem Freund täglich zuzuhören?
Aus meiner Erfahrung (genau auch ein solches Beispiel), "flüchten" die meisten Leute vor sowas. Das geht zu nahe. VIEL zu nahe! Ich persönlich habe das aber mal durchgestanden. Habe eine schwer psychisch kranke Frau begleitet. Eine Freundin. Habe ihr täglich zugehört. Täglich daselbe. Täglich das selbe Problem. - Ich war die EINZIGE, die das für sie tat!
Und es war hart, es war echt hart! Aber sie war eine Freundin! Und ich wusste genau, SIE würde auch das SELBE für mich tun!
Irgendwann geriet aber auch ich an eine Grenze, an einen Punkt, wo es mir zu viel wurde. Es GIBT da nur die eine Lösung, mal für eine Weile Pause zu machen. NICHT davon laufen, sondern mit der Betroffenen REDEN und ihr sagen, dass man mal ein bisschen Pause braucht.
Und SO hat's geklappt! Echt! So super! Diese Frau ist heute wieder gesund, und wir sind noch immer Freundinnen!

Wirklich, ALLE haben sich von ihr abgewendet! Als sie in die psychiatrische Anstalt kam, hat sie keiner besuchen wollen. Vielleicht schämten sich die Leute, so eine Psychiatrie zu betreten? Oder WOLLTEN sie sich nicht mit so was "verrücktem" abgeben?
Ist es DAS, was jemandem in so einer Situation helfen sollte? Sich von ihm Abwenden? Und dann auch noch IHM die Schuld dafür geben?
Das ist immer sehr einfach. Es ist "einfach" für denjenigen, der sich zurückzieht. ER hat die Rückzugsmöglichkeit, ... der oder die Betroffene jedoch NICHT.

Genau so geht es auch mit dem Krebs. Wenn man Krebs hat, kann man nicht so locker "flüchten" wie die anderen, ja, man kann nicht mal Pause machen! Unmöglich! (Zumindest nicht in der Anfangszeit, oder wenn es sehr schlimm mit der Krankheit ist.) Das "Karusell" im Kopf dreht sich immer nur um das selbe, es geht gar nicht anders, und es fällt einem oftmals schwer, sich auf was anderes zu konzentrieren. Kaum hat man aber mal einen "ruhigen" Moment erwischt, muss z.B. schon wieder eine Arztuntersuchung her, und dann ist eben das "Karusell" bereits von neuem wieder in Betrieb.
Das ist diese "kleine GROSSE Welt", in welcher sich der Krebspatient befindet, und WIE soll ER da bloss raus kommen?
Eigentlich geht es NUR durch "Heilung" oder Gesundheit. Durch die ZEIT, die einem die Genesung und die Verarbeitung richtig zulässt.

Aber ich weiss, dass es natürlich auch an jedem selber ein bisschen liegt, denn es gibt auch Krebsbetroffene, die müssen nicht die ganze Zeit nur DARÜBER reden wollen. Die WOLLEN das gar nicht, weil sie sich NUR mit schönen Dingen beschäftigen wollen. - Ob dies jetzt Verdrängung oder völlige Akzeptanz ist, spielt eigentlich keine Rolle.
Und dann gibt es Krebsbetroffene, die müssen BEIDES haben, also "darüber Reden" und dann auch wieder "nur Schönes haben und leben wollen", ... die haben dafür dieses ewige Auf und Ab, (heute schlecht, morgen super gut drauf), und das ist für Angehörige dann auch wieder sehr schwierig, auf diese dauernden Auf- und Ab Stimmungen eingehen zu müssen.

Es ist für beide Seiten sehr schwierig, aber ich weiss, Claudia, wenn man EINMAL die Betroffenen-Seite selber kennen gelernt hat, versteht man die "wahre Not am eigenen Körper" erst richtig, und wie wichtig es ist, Menschen um sich zu haben, die einem Zuhören, ... auch wenn man fünfmal am Tag mit dem selben Thema anfängt.
Wenn da jedoch Freunde "flüchten", sich hinterher nie mehr melden, und UNS dafür dann auch noch die Schuld geben, ... das finde ich SEHR krass! Ich habe das auch erlebt, Claudia, Du bist da also nicht alleine.
Suche die Schuld daher nicht alleine bei Dir, denn Du magst vielleicht Deinen kleinen Beitrag zu ihrer Flucht mitgegeben haben, aber für diesen "Beitrag" kannst Du nichts dafür. Du kannst nicht einfach aus einem "fahrenden Karusell" aussteigen, und schon gar nicht auf Befehl.
Auch SIE tragen schliesslich eine Verantwortung für ihr Handeln, nicht wahr?
Zumindest empfinde ich das so.
Oder was meinst Du dazu?

Ganz liebe Grüsse
von der "krassen" Brigitte

07.04.2003, 07:34
Liebe Brigitte!

Natürlich, Du hast sicher irgendwie Recht, dass die Schuld wohl nicht nur bei mir liegt, dass sich ehemalige Freunde von mir abgewandt haben. Klar, ich habe meinen Beitrag schon auch dazu geleistet, aber was soll das?! Das rechtfertigt eine solche Handlung doch bei weitem nicht! Wo hört Freundschaft denn auf? Hört sie bei Krebs auf??? Hört sie da auf, wo man nicht mehr jeden Tag lachen kann, wo man glaubt vergessen zu haben, wie Lachen überhaupt geht? Wo die Welt nur noch grau in grau ist und es keine Farbnuancen mehr zu geben scheint?

Nein, ich persönlich habe, vielleicht auch durch meine Krebserkrankung, eine andere Definition für Freundschaft. Wenn ich eine kranke Freundin oder einen kranken Freund hätte, ich würde ihm auch beistehen, so wie Du es getan hast, Brigitte, denn das gehört zu einer Freundschaft dazu, auch wenn es sehr sehr hart ist!!!

Ich möchte Dir an dieser Stelle sagen, wie toll und selbstlos ich es finde, dass Du Deine Freundin nicht im Stich gelassen hast!!!

Liebe Grüße,
vom "Mäh-Schäfchen" :-)

C laudia
07.04.2003, 08:06
Sorry - hatte mich oben vergessen anzumelden, bin natürlich auch ich gewesen!

Liebe Grüße,
vom "Mäh-Schäfchen" :-)

07.04.2003, 11:34
Hallo Claudia,

für mich hört Freundschaft dort auf, mit oder ohne Krebs,
wo ich keine Grundlage einer Freundschaft mehr sehe.
Wo es kein Geben und Nehmen mehr gibt.
Wo Stille und Gedanken nicht mehr stattfinden können.
Wo es kein gemeinsames Lachen und Reden mehr gibt.
Wo ich nicht als Jutta verstanden und genommen werde, aber verlangt wird, dass ich immer alles verstehen muß.
Wo meine Meinung zu deren werden soll.
Einfach, wo ich nicht mehr ich sein kann, und das nicht verstanden wird.

in diesem Sinne,
liebe Grüße,
Jutta

C laudia
07.04.2003, 11:54
Hallo Jutta,

kommt es denn dann nicht auf den Zeitraum an, indem es kein Geben und Nehmen mehr gibt, wo es kein gemeinsames Lachen und Reden mehr gibt? Ist es denn nicht trotzdem verständlich, dass für einen kranken Menschen, gerade bei Krebs, die Erkrankung in den Mittelpunkt rückt? Heißt Freundschaft denn nicht auch, in solchen Zeiten zu einem zu stehen? Was heißt denn keine Grundlage mehr für eine Freundschaft? Ist denn die Grundlage einer Freundschaft nur Lachen und Positives? Leider wird das Leben auch von Negativem überschattet, es ist nicht immer eitel Sonnenschein, wie Du ja selber weißt. Wenn ich etwas falsch verstehe, bitte ich um Entschuldigung, aber es hört sich für mich so an, als wenn dies eine Rechtfertigung ist für all jene Leute, die ihre kranken "Freunde" allein mit ihren Sorgen lassen. Natürlich muss jeder so egoistisch sein und auch auf sich selber schauen, was er selber tragen kann, aber man sollte doch niemals vergessen, was der ANDERE zu tragen hat!

07.04.2003, 12:22
Hallo Claudia,

Du hast mich da leider missverstanden. Ich habe für mich diese Grenzen gesetzt, wann ich eine Freundschaft beende und wann für mich Schluß ist mich mit Menschen auseinandersetzen zu müssen, die nur an sich selbst denken, und von mir immer nur Verständnis, Hilfe und alles mögliche wollten, aber nie etwas zurück kam, wenn ich mal eine Hand, ein nettes Wort, eine Schulter benötigt hätte.
Meine Einstellung ist nur die Ehrlichkeit mir gegenüber, das Abzulegen, was mir weh tut oder was mir weh getan hat. Und sollte niemandem das Recht geben, sich den Freunden gegenüber fies zu verhalten.

Eine Freundschaft ist für mich etwas ganz ganz Besonderes!
Zum Verständnis, ich begleite meine beste Freundin momentan, und SIE bestimmt, wo IHRE Grenzen und IHRE Wünsche sind, meine sind zweitrangig. Ich bin für SIE da, da gibt es kein Aufrechnen.
Und wenn sie um 3 Uhr nachts mit mir reden, lachen oder weinen will, ist das für mich in Ordnung. Lachen und Postives ist ein wichtiger Teil jeder Freundschaft, egal in welcher Lage man sich befindet.

Claudia, ich habe eine knochenharte Zeit hinter mir (und evtl. wieder vor mir), und habe dabei noch deutlicher erkannt, WAS Freundschaft für mich bedeutet. Deshalb habe ich mir meinen Rahmen gesetzt, wem ich die Freundschaft kündige, und welche Freundschaft es mir wert ist weiterhin Bestand zu haben, denn da sind alle für mich und meiner Freunden wichtigen Werte Priorität.

liebe Grüße,
Jutta

C laudia
07.04.2003, 12:36
Liebe Jutta,

was die knochenharte Zeit angeht, so kann ich da durchaus mithalten. Ich verstehe dich nun jedoch etwas besser und du hast recht, man muss sich selber Grenzen setzen, ehe man selbst daran zerbricht. Dass Du Deine beste Freundin begleitest finde ich GROßARTIG!!! Ich habe mir immer jemanden gewünscht, der mich begleitet und mich an seinem Leben teilhaben lässt. Alles Gute für Deine Freundin!

08.04.2003, 19:06
Hallo an alle,

jetzt will ich doch meine Gedanken auch mal hier ausdrücken. Mein Vater ist vor 2 1/2 Jahren an Lungenkrebs gestorben. Er hat mir in meiner Kindheit schlimme Dinge angetan, die unverzeihlich sind - zumindest habe ich es bis jetzt noch nicht geschafft. Ich bin deshalb seit Jahren in Therapie.
Als mein Vater schon krank war, habe ich ihm einen Brief geschrieben, weil ich das Bedürfnis hatte, mit ihm über diese Dinge zu sprechen und vielleicht vor seinem Tod unsere Beziehung zu klären. Der Brief war nicht böse oder ungerecht.
Seine Reaktion war "ich würde aktive Sterbehilfe leisten, ihn ins Grab bringen". Er war nicht bereit, ein Gespräch zu führen, sondern hat den Kontakt im Bösen abgebrochen. Das war ein halbes Jahr vor seinem Tod und ich habe ihn nicht mehr gesprochen.

Ich mache mir keine Vorwürfe, sondern denke, er hat diese Entscheidung getroffen, den Problemen weiterhin aus dem Weg zu gehen. Wenn ich ehrlich bin, geht es mir besser, seit er nicht mehr da ist. Auch wenn das hart klingt. Ich habe bisher auch nicht um ihn trauern können.
Was mich interessiert. Habt ihr alle so gute Beziehungen zu den Betroffenen bzw. Angehörigen, dass ihr die Krankheit mit ihnen tragen könnt? Ich hätte es nicht gekonnt. Oder muss man im Angesicht dieser Krankheit alles verzeihen können?

Liebe Grüße,
Conny

08.04.2003, 19:36
Hallo Conny,

Ich freue mich über Deine offenen Worte.

Ich glaube kaum, dass jeder Hinterbliebene nur Friede, Freude, Eierkuchen in den Beziehungen mit den Betroffenen oder Angehörigen hatte. Wir hatten bestimmt alle mehr oder weniger auchh schmerzliche Zeiten. Doch wenn, wie Dir, unverzeihliche Dinge angetan wurden, heißt das noch lange nicht, dass Du verzeihen mußt, auch nicht im Angesicht der Krankheit oder des Todes. Besonders nicht, wenn Du versucht hast, damit ins Reine zu kommen und Du keine für Dich befriedigende Resonanz erhalten hast.

Ich denke, das einzig wichtige für Dich ist, einen Abschluß für Deinen Seelenfrieden zu finden.
Zu versuchen Deinem Vater zu vergeben, was er Dir angetan hat, mehr nicht.
liebe Grüße,
Jutta

10.04.2003, 10:35
Hallöchen Ihr Lieben,
Hi, Conny, ja, ich glaube, ich weiss, was Du meinst. Wenn's um's Verzeihen geht, dann fragen wir uns nämlich auch oft: MUSS man denn immer alles verzeihen?
Und es fällt einem manchmal sehr, sehr schwer. Je schlimmer einem etwas "angetan" wurde, um so schwerer kann man das verzeihen.
Ich konnte damals zwar meiner Mutter verzeihen (vielleicht war das wirklich ein Segen oder sowas für mich), aber ich bin auch heute noch oft am kämpfen mit sowas. Wenn mir also eine Ungerechtigkeit wiederfährt, dann kann ich nicht einfach so locker darüber stehen und sagen: Jaja, ist gut, ich verzeihe Dir!
Da stehen also auch bei mir heute noch viele "Situationen" offen, wo ich verzeihen müsste, um MIR selber den Frieden zu geben, aber ... ich kann eben auch nicht immer.

Ich glaube, dazu braucht es schon eine innere Bereitschaft oder so.
So wie Du aber damals Deinem Vater diesen Brief geschrieben hast, so warst Du ja bereit dazu, irgend etwas zu tun, UM verzeihen zu können. Du wolltest die Dinge klären, darüber sprechen, und wenn Dein Vater offen dafür gewesen wäre, so hättest Du vielleicht verzeihen können.
Weil er's aber nicht war, so hat er Dir damit gleich nochmals ein's auf's Dach gegeben, gell? Das ist bestimmt sehr verletzend für Dich.
Aber ich denke, er war sich wohl seiner "Schuld" irgendwie bewusst, und konnte sie selbst kurz vor seinem Tod nicht damit auseinander setzen. Vielleicht war ihm das DA jetzt - im Angesicht seiner schweren Krankheit - auch total zu viel.

Ich kann aber verstehen, dass Du gleichzeitig ein "frohes" Gefühl haben kannst, dass er nicht mehr da ist. Denn Du wirst nie wieder von ihm verletzt werden, und für Dich ist das ja positiv.
Das sind dann eben diese zwei Seiten, denn einerseits geht's darum, dass der eigene Vater gestorben ist (und wer bitteschön freut sich da schon darüber, schliesslich hat man nur einen Vater), aber andererseits geht's auch darum, dass man selber von seinen Verletzungen endlich erlöst wird, und dann kann man wieder sehr froh darüber sein. - Aber das hat hier eigentlich nichts mit der Trauer um das Sterben eines Menschen selbst zu tun, sondern es sind die eigenen Erfahrungen und Gefühle, die da noch mitspielen.

Bei meiner Mutter waren es auch solche "Mischgefühle", denn obwohl ich ihr verziehen hatte, und ich wusste, ich hatte ja nur EINE Mutter, ... war da natürlich schon auch eine sonderbare "Erleichterung" da. Nämich jene, dass dieses "negative Erfahren" mit meiner Mutter nie wieder vorkommen kann! Und warum soll man darüber auch nicht erleichtert sein dürfen?

Aber "Verzeihen" heisst auch nicht, dass man einfach alles VERGISST oder so. Ich kann mich nämlich noch SEHR gut an all ihre Schläge erinnern, die ich als Kind erleiden musste. An ihre Unfairnes, an ihr Gezeter und Geschreie. An jenes also, das mir irgendwie "geschadet" hat. - Doch das "Verzeihen" hatte immerhin meinen Groll und meine Wut genommen, den ich ihr gegenüber empfunden hatte.
Und das war ein sehr, sehr wichtiger Schritt. Denn mit Groll und Wut im Bauch das Leben weiter zu gehen, ist ja auch nicht gerade angenehm. Man hat dann immer das Gefühl, dass da noch was DA ist, das ungeklärt geblieben ist, und das kann schon sehr belasten.

Aber wie gesagt, es ist nicht einfach, ich weiss, ich hätte da auch noch manches zu "verzeihen" an anderen Menschen, und da habe ich mich auch noch nicht durchgerungen. Da mach ich auch weiter mit meiner Wut und meinem Groll.
(Ist aber GAR nicht gesund, nein-nein!)

Ich sende Dir jedenfalls eine dicke Umarmung, Conny, und wünsche mir für Dich, dass Du das "Verzeihen" oder "Vergeben" für Deinen Vater doch noch schaffst. Es z.B. NUR schon mal auszusprechen: "Papa, ich verzeihe Dir!" gibt schon ein bisschen eine Erleichterung. Willst Du's mal versuchen? :-)

Ganz liebe Grüsse (auch an Jutta hier)
von der "krassen" Brigitte

11.04.2003, 10:28
Liebe Jutta, liebe Brigitte,
vielen Dank für Eure Antworten, die mir sehr geholfen haben. Und Brigitte, danke für Deine Umarmung, hat gut getan...:-)
Obwohl ich auch denke, dass ich alles versucht habe was mir möglich war, mache ich mir natürlich immer noch viele Gedanken um meinen Vater. Er hat sich nicht friedlich von dieser Welt verabschiedet. Sein Gesichtsausdruck war sehr gequält und ich hatte immer noch Angst vor ihm, selbst im Tod wirkte er furcheinflößend.
Und ihr könnt euch sicher vorstellen, was es für ein Spießrutenlauf in dem Dorf war, in dem er aufgewachsen ist und auch beerdigt wurde. Die böse Tochter, die den Vater "auf dem Gewissen hat". Er hat sich noch über den Tod hinaus an mir "gerächt", indem er fast jedem die Geschichte von seiner bösen Tochter erzählt hat. Ich wurde von fremden Menschen, die ihn kannten, böse angesprochen oder beschimpft. Es wurde auch kein Beileid ausgesprochen, auch nicht von der Familie. Es war wirklich sehr schlimm für mich.
An ein Verzeihen ist für mich da (noch) nicht zu denken. Für mich geht es immer noch darum zu begreifen, dass er keine Macht mehr in meinem Leben hat. Oh, jetzt bin ich aber sehr ausgeschweift... es tut gut, sich das mal von der Seele zu schreiben. Danke fürs "Zuhören".
Liebe Grüße an alle,
Conny

12.04.2003, 08:21
Liebe Conny,

Gefühle lassen einem immer wieder abschweifen, gut so, denn dann kommen sie raus. Und ich finde das ist auch so in Ordnung, dafür sind wir ja hier.

Du hast einen großen Berg zu tragen, nimm Dir die Zeit und den Egoismus, Steinchen für Steinchen nur für DICH abzutragen. Du hast für niemandem ausser DIR SELBST die Verantwortung zu übernehmen.
Ich kann es versuchen nachzuvollziehen, was für ein Spießrutenlauf die ach so liebe Dorfgemeinde für Dich veranstaltet. So trage Deinen Kopf erhoben, schwelle Deine Brust und denke nur, ach ihr armen Geschöpfe (manch anderer Ausdruck tut auch gut .-) ). Für diese gedankenlosen Menschen bist Du eine Verräterin und sie können sich nicht vorstellen, welche Schmerzen Du tragen musst. Versuche für solche Anfeindungen Dir einen Schutzwall zu bauen, je geringer deren Angriffsfläche wird, je schneller wird das "Thema" uninteressant.

Man sagt ja, dass bei Sterbenden am Ende ein Schnelldurchlauf des Lebens vonstatten geht, vielleicht hat Dein Vater dabei gesehen, wie er sich verhalten hat. Sein Leben nach dem Tod wird auch für ihn sehr schmerzhaft werden, denn nun muß er sich schonungslos der Wahrheit stellen.

Dir wünsche ich von ganzem Herzen, dass Dir jedes Steinchen, das Du abtragen kannst, Dir Deine Ruhe bringen wird, Dir die Möglichkeit gibt, in kleinen Schritten auf Deine seelische Heilung hinzuarbeiten.

Wir, zähl Dich gleich mit meine liebe Brigitte, sind immer da.

ganz liebe Grüße,
Jutta

12.04.2003, 15:24
Hallöchen Ihr,
liebe Claudia-Mäh-Schäfchen:-)
Ich komm nochmal schnell auf das Thema "Freundschaften" zurück und mach jetzt mal eine "Freundschafts-Analyse" hier, sag mir einfach, was Du davon hältst, ja?

Ich glaube, es ist schwierig, bestehende Freundschaften in "guten Zeiten" irgendwie anzuzweifeln. Freund/in ist eben Freund/in.
Man kann Freundschaften haben mit Menschen, die ziemlich heftige "Macken" haben, und trotzdem akzeptiert man das. Man kann Freundschaften haben, mit denen geht man durch Dick und Dünn, macht vieles zusammen und erlebt vieles zusammen. Und man kann Freundschaften haben, mit denen man alles miteinander besprechen kann, über jedes Thema, über jede Sorge.

Aber Freundschaften kann man wieder von vielen Seiten betrachten. Wie sieht's dann in Krisenzeiten aus?
Derjenige Freund mit der "Macke" wird vielleicht, wenn man plötzlich Krebs hat, seine "andere Seite" noch zeigen, die man möglicherweise noch nie bei ihm bemerkt hat. Nämlich z.B.: Er kann gar nicht zuhören!
Oder der andere Freund, mit welchem man bisher durch Dick und Dünn gehen konnte, ... zeigt in so einer Krisensituation vielleicht erst sein wahres Gesicht, welches so aussehen könnte:
Er ist ein Abenteurer, macht und tut gerne alles, ... aber bei Krankheiten macht er schlapp, das kann er nicht mitansehen!
Und die Freundin, mit welcher man immer über alles hat reden können? Hier stehen die Chancen ein bisschen besser (nach meiner Erfahrung), aber auch das garantiert nichts. Die Freundin kann sich trotzdem von einem abwenden, weil's Thema ihr jetzt plötzlich zu viel wird!

Sind einfach Beispiele jetzt, um zu zeigen, WIE sich der Mensch täuschen oder ändern kann. So habe ich es zumindest auch erlebt.
Und wenn ich mir jene Freunde, die nun vor mir "geflüchtet" sind, genau angucke, so stelle ich fest, dass ich bei jenem Freund vielleicht nie erkannt habe, dass er schlecht im Zuhören ist, oder beim anderen Freund nie erkannt habe, dass ich ihn einfach nur als Freund mochte, weil er einen "Abenteuertrieb" mit mir geteilt hat, aber alles andere eben nicht.
Und die Freundin, mit der ich immer so gut reden konnte, da hab ich nie gemerkt, dass SIE noch nie in ihrem Leben eine wirkliche KRISE durchgemacht hat, dass sie diese Stärke zum "Begleiten" also gar nicht hat!

Also suchen wir uns ja Menschen als Freunde aus, die irgend etwas mit uns "teilen" können, nicht wahr? Und das kann dann alles möglich sein, eben jeweils individuell je nach Freund verschieden. Aber dieses "teilen" hat Grenzen.
Das heisst also nicht, dass diese Freunde auch wirklich "Beistehen" können, wenn es jemandem sehr schlecht geht. Egal welche Vorzüge sie haben können, das "Beistehen" benötigt einen ganz besonderen Kraftakt, und einen ... ja, Willen!
Tja, und wenn ich so rum gucke in meiner Umgebung, muss ich zugestehen, diesen "Kraftakt", diesen "Willen" besitzen nicht sehr viele Menschen.
Man findet sie hauptsächlich bei Menschen, die LIEBEN. Die jemanden wirklich GERN haben können. Die "opfern" können (egal was, kann auch nur die eigene "Zeit" sein).
Da könnte man sich also schon fragen, wie sehr hat man jemanden GERN in einer Freundschaft, wenn es diesem nun mit Krebs sehr schlecht geht? Hat man ihn dann plötzlich nicht mehr gern? Warum rennt man dann davon und lässt den kranken Freund sitzen?
Hm, wahrscheinlich wird er ihn schon vorher nicht sooooo gern gehabt haben. Die Freundschaft muss ein reines "Nutz"-Verhältnis gewesen sein. Irgendwie, auf irgend eine Art eben.
Denn wenn man jemanden wirklich GERN hat, dann kann man ihn doch wegen dem Krebs unmöglich einfach sitzen lassen, nicht wahr?

Ich glaube einfach, da steckt noch viel mehr dahinter, menschliches eben, was wir manchmal selber nicht so richtig merken.
Vielleicht verwechseln wir "Leidenschaft" für etwas, das uns mit einem Freund verbindet, mit "Gern-Haben"? Und glauben dann, wenn es uns mal GANZ schlecht geht, dass es nicht nur bei dieser "Leidenschaft für etwas" bleibt, sondern dass dieser Freund jetzt auch die eigene Krise mit uns durchhalten muss?

Uff! Geht in die Tiefe, gell? Ich versuche halt öfter mal alles zu "durchdenken", damit ich es in meinem Verstand "verstehen" kann. Dass sich Freunde von mir abgewendet haben, ist eine Verletzung, die ich "verstehen" will. Ich kann nicht nur so locker sagen: "Tja, manche Menschen kommen damit halt nicht klar!", und schon ist alles entschuldigt. Es ist zwar eine gute Erklärung, aber da muss noch mehr sein.
Oder um es anders auszudrücken: Bevor wir ganz "schlimme Gedanken" haben; gucken wir uns mal an, WARUM wir uns diese Leute mal zum Freund genommen haben!

Uff, wirklich, wenn's zu kompliziert ist, dann sag's einfach, gell? ;-)


Liebe Conny, ich möchte mich Juttas Worten einfach nur mal anschliessen, denn sie hat die Worte sehr gut getroffen.
Es stimmt schon: Kopf hoch, stolze Brust raus, und Schutzwall bauen, ... das gibt wieder Selbstwertgefühl.
Ich drück Dich nochmal feste!

Ganz liebe Grüssli an Euch alle hier
von der "krassen" Brigitte

C laudia
14.04.2003, 07:41
Liebe Brigitte!

Vielen Dank dafür, dass Du immer so nette Worte findest! Eigentlich sprichst Du genau das aus, was ich mir schon so oft gedacht habe.

Du magst sicher Recht haben, dass wir mit unseren "Freunden" etwas "teilen", sei es Abenteuerlust oder gute Gespräche. Vielleicht verwechseln wir Leidenschaft wirklich mit Gern-Haben. Andererseits: ohne Leidenschaft kann ich (persönlich) niemanden gern haben. Und wenn ich (auch persönlich) wiederum jemanden gern habe, dann bin ich für den oder die Freund/in immer da, zu jeder Zeit und egal, mit welchem Problem. Denn nur weil das Problem des anderen, der Krebs des anderen, für mich noch nie ein Thema gewesen ist, kann ich doch unmöglich den anderen FREUND deswegen sitzen lassen!

Ich ersehne mir eben gerade durch meine Krankheit mehr von einer Freundschaft, dieses Zusammenhalten, ein bedingungsloses Zueinanderhalten, so wie ich es in umgekehrter Situation auch tun würde. Durch diese "Erwartungshaltung" tue ich mir relativ schwer, neue "Freunde" (was sind eigentlich Freunde? Findet man heutzutage noch wahre Freunde?) zu finden und mich auf andere Personen einzulassen. Ich denke mir, wenn sie meine schlechten Zeiten mitbekommen, wenden sie sich sowieso von mir ab.

Liebe Brigitte, ich bin Dir sehr dankbar, dass Du Dich mit mir unterhältst. Mir geht es zur Zeit nicht so gut. Ich muss am Donnerstag früh zu einer Kernspintomographie wegen Verdacht auf Knochenkrebs (Knie) und habe jetzt Angst, dass alles wieder von vorne beginnt. Bitte drück mir die Daumen!

14.04.2003, 12:28
Hallo Claudia,
Du hast vollkommen recht. Was sind eigentlich Freunde? Meiner Meinung nach wird mit dem Wort "Freund" oftmals viel zu leichtfertig umgegangen. Meine Erfahrung mit meinem früheren "Freundeskreis" war, funktionierte ich nicht so, wie sie wollten, ließen sie mich fallen und stürmten alle auf mich ein mit lauter Vorwürfen. Solange ich Parties mitgefeiert habe und mit ihnen fast jeden Blödsinn gemacht habe, war ich die totale Superfrau. Als jedoch ein Partner in mein Leben kam, mit dem sie nicht klar kamen, wurde erst alles versucht, um ihn mir madig zu machen. Als dies nicht klappte, ließen sie mich fallen. Das alles war vor ca. 12 Jahren. Aus dieser Zeit ist nur eine einzige Freundin übrig geblieben, die auch schon damals zu mir gehalten hat. Wir sehen uns nicht oft, aber wir telefonieren viel und ich bin mir sicher, ist eine von uns beiden in Not, ist die andere sofort da.
Das vorherige war ein bittere Erfahrung für mich, damals. Heute sind die Erwartungen nicht mehr so groß.
Ich denke, daß es vielen so ergeht, besonders, wenn jemand eine schlimme Krankheit hat. Auch dies habe ich in den letzten 2 Jahren erfahren müssen, wobei ich hier denke, daß sich viele aus Angst vor der Thematik einfach zurückziehen und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Das soll keine Entschuldigung sein, denn auch da hast Du recht, zwischen wirklichen Freunden sollte dies auch kein Hinderungsgrund zumindest für Gespräche sein.

Ein kleiner persönlicher Erfahrungsbericht!

Liebe Grüße
Mucki

14.04.2003, 18:22
Hi Ihr Lieben,
Claudia-Mäh-Schäfchen:-) , klar drück' ich Dir die Daumen für den Donnerstag, und ich kann auch sehr nachfühlen, wie's Dir jetzt gerade gehen muss.
Hm, obwohl bei mir im Moment alles gut aussieht, hatte ich da vorletzte Nacht einen Traum! Da träumte ich, ich hätte einen Krebsrückfall, diesmal im Bauch, und die OP sei gleich HEUTE! Der Traum war sooooo realistisch, dass da alles gleich wieder hochkam! Diese ganze fürchterliche Angst, diese schreckliche Fassungslosigkeit, dieses Gefühl, am liebsten "abhauen" zu wollen, aber es geht einfach nicht ...! Waaah!

Tja, vor diesem "ewigen Angst haben, dass alles wieder von vorne los gehen könnte", steh'n wir beide gleich da. Ja, das ist ungeheuer belastend, brutal, das ist ... ach, ich finde keine Worte dafür!
Seufz, lass Dich einfach ganz fest von mir Umarmen, und sei Dir gewiss, dass ich am Donnerstag fest an Dich denken und alle Daumen halten werde, damit es für Dich guuuuut ausgeht, gell?

Darf ich nochmals zu den "Freundschaften" zurück kommen?
Mir ist da nämlich noch was eingefallen.
Weil Mucki (Hi, liebe Mucki!) erwähnt hat, dass wir mit dem Wort "Freund" alleine schon leichtfertig umgehen.
Das stimmt! Also wenn ich jetzt bei mir zurück schaue, und mir jene Leute betrachte, die ich als "Freund" gesehen habe, so weiss ich noch, ... gab's beim einen oder anderen Momente, wo ich mir selber überlegte: "Ist er/sie jetzt eigentlich ein/e Kollege/in (Kumpel/Kameradschaft) von mir? - Oder doch ein/e Freund/in?"
Hm, und der Einfachheit halber sagte ich dann gerne mal: "Okay, man könnte es Freundschaft nennen!"
Manchmal wurde gar nie darüber gesprochen, ... manchmal wurde aber auch mal erwähnt "jaja, wir haben doch schon so was wie eine Freundschaft, gell?"
Aber wirklich SICHER ... war ich mir da trotzdem nie. Wenn ich GANZ ehrlich bin.
Das kommt vielleicht auch darauf an, wie lange man sich schon kennt. Vielleicht schon seit der Kindheit?
Arbeitskollegen oder Kolleginnen KÖNNEN natürlich auch zu Freunden werden, was zwar während der gemeinsamen Arbeitszeit ein bisschen schwierig wird (weil man Geschäft und Privat halt gerne mal teilen tut), aber es ist nicht ganz ausgeschlossen. Hier habe ich "Freundschafts-Erfahrungen" mit solchen gemacht, die aus dem Betrieb ausgeschieden sind und der Kontakt hinterher noch anhielt. - Aber da gibt's auch das totale Gegenteil, wo man dachte, das WÄRE eine Freundschaft, aber dann verpuffte sie einfach plötzlich.

Ja, wo genau ist der Punkt, wo man sich sicher ist, dass es eine wirkliche Freundschaft ist? Wenn eine Krisenzeit da ist?
Vielleicht, ja.
Da können vielleicht "Freunde" plötzlich einen Rückzieher machen, ... aber z.B. die Nachbarn, die man eigentlich gar nie als "Freunde" betrachtet hat, stehen einem plötzlich freundschaftlich bei und helfen!

Ich tu mich auch schwer damit, neue "Freunde" zu finden, Claudia, denn erstens fragt man sich wirklich, OB diese Leute einem auch in Krisenzeiten beistehen können/wollen, ... und zweitens geht ja so eine "neue" Freundschaft nicht von heute auf morgen, sondern nur durch Kennenlernen und gemeinsamen Erfahrungen.
Ich glaube, wir sollten uns da ein bisschen Zeit lassen, denn manchmal treten DOCH noch Leute in unser Leben, die wahre Freunde sein können, aber wir wissen's bloss nicht oder erwarten das gar nicht, gerade ausgerechnet von ihnen. - Hm, spannendes Leben, ja!

Es ist natürlich schwierig, Menschen richtig einzuschätzen, vor allem, wenn man IHREN Erwartungshaltungen immer so richtig schön entspricht. Wenn man also immer fröhlich war, und den Leuten das gefiel, dann kann man gar nicht abschätzen, wie die Leute reagieren werden, wenn man mal überhaupt nicht mehr fröhlich ist.
Zudem hat man heutzutage ja immer fröhlich zu sein, gell, Mucki? Fröhlich und sorglos, hm-hm!

Vielleicht kommt's auch noch darauf an, wie sehr man Menschen gern hat? (Wie sich selbst?)

Ich grüssele Euch alle ganz lieb.
Die "krasse" Brigitte

Kerstin63
14.04.2003, 20:20
Hallo Conny,

ich bin eine Angehörige die kein schlechtes, aber auch kein gutes - d.h. wie ich mir Vater-Tochter Beziehung im idealen oder guten Falle vorstelle - Verhältnis zu ihrem Vater hat. Er hat mir keine schlimmen Dinge angetan aber mindestens seit der Pubertät haben wir eher ein Nicht-Beziehung... wir reden zwar miteinander aber nicht oft und sehr oberflächlich. Es liegt wohl daran dass er Schwierigkeiten mit den "persönlichen Dingen" hat, es liegt also eindeutig nicht an UNS sondern an den Defiziten die er in dieser Hinsicht anscheinend sein Leben lang hatte.... nach allem was ich über ihn weiss. Früher habe ich immer abfällig gedacht "wenn er ein Gefühlsleben hat dann hat es zumindest noch keiner gesehen"... als ich Anfang letzten Jahres von seiner Diagnose Darmkrebs erfuhr habe ich sehr mit mir gehadert, dachte ich müsste - da man ja nicht wusste wie viel Zeit er noch hat - alles schnell mit ihm klären, ich fühlte dabei viel Wut und Enttäuschung in mir hochkommen... in meiner Therapie war ich dann vor einigen Monaten an dem Punkt ihn so zu akzeptieren wie er ist... damit ging es mir insgesamt besser, ich konnte auch lockerer mit ihm umgehen und habe ihn "wohlwollender" gesehen, auch viel für ihn recherchiert und ihn bei seinen Entscheidungen zur Behandlung usw. begeleitet und es auch gern getan.... aber dann vor ein paar Wochen der Rückschlag, für mich: zufällig habe ich von jemand anders erfahren dass er ohne etwas zu sagen anscheinend im Dezember letzten Jahres seine Lebensgefährtin geheiratet hat...(meine Eltern sind schon lange getrennt) das hat mich sehr verletzt, jetzt haben wir seit ca. 3 Wochen nicht miteinander gesprochen, er hat sich nicht gemeldet aber das ist nicht ungewöhnlich, nur ICH hatte mich in den letzten Monaten immer regelmässig bei ihm gemeldet, um nach ihm zu fragen.... jetzt habe ich das Gefühl dass es meine Kehle zusammenschnürt und ich weiss nicht wie ich damit umgehen soll...einerseits habe ich das Gefühl ich verschenke jetzt die Zeit die ihm noch bleibt, andererseits kann ich im Moment nicht anders... Soviel zum Thema "verzeihen", im Moment weiss ich noch nicht wie ich damit umgehen soll....
Kerstin

14.04.2003, 22:28
Liebe Kerstin,
hm, dass Dich Dein Vater nicht über seine Heirat informiert hat, ist für Dich natürlich schon verletzend.
Was meinst Du, warum er Dir nichts davon gesagt hat? Meint er vielleicht, Du könntest etwas dagegen haben?

Aber da kommt vielleicht noch hinzu, dass sich Dein Vater mit seiner Krankheit noch einen Wunsch erfüllen wollte. So "verrückt" ist dieses "heimliche" Heiraten, wenn man Krebs hat, nämlich gar nicht. Vielleicht willst Du versuchen, ihn einfach mal darauf anzusprechen, ihn zu fragen, wieso er Dir nichts gesagt hat, und es dann einfach mit "geteilter Freude" dabei zu belassen?
Wenn er sich nicht meldet, bitte mach Du es, ja? Er wird sich bestimmt freuen. Und Du selber weisst dann ein bisschen mehr.

Ganz liebe Grüsse
von der "krassen" Brigitte

14.04.2003, 22:37
Liebe Jutta,
liebe Brigitte,
vielen Dank für eure lieben Worte. Es tut einfach nur gut, Verständnis zu bekommen. Ja Jutta, ich denke auch, dass mein Vater es in der "neuen Welt" nicht einfach haben wird. Ich bin überzeugt davon, dass er "so einfach" nicht davon kommen wird und dass er sich seinem Verhalten in irgendeiner Form wird stellen müssen. Und da kann er dann nicht mehr davon laufen.

Zum Thema Freundschaft: Brigitte, Deine Worte haben mich so zum Nachdenken gebracht, dass ich sogar heute im Büro eine Diskussion zu diesem Thema angefangen habe. Ich denke, dass jeder Mensch einmal ein die Situation kommt, wo er feststellt, welches die "wahren" Freunde sind.
Aus Deinen Worten höre ich große Enttäuschung heraus. Ich habe in meiner Situation auch festgestellt, dass Menschen, die ich für Freunde hielt, damit überhaupt nicht umgehen konnten. Ich hatte den Eindruck, dass Freunde, die noch keine Krisen oder schwierige Zeiten erlebt haben, sich kaum einfühlen konnten.

Eigentlich ist die Sache doch ganz einfach. Wenn ich jemanden mag oder lieb habe, dann stehe ich an seiner Seite, egal was los ist. Das würde ich auch erwarten. Wenn das nicht funktioniert gehe ich für meinen Teil davon aus, dass die Beziehung wohl doch nicht so tief ist, wie ich es mir gewünscht hätte. Und das tut weh. Man kann es nicht ändern und muß für sich entscheiden, ob man sich besser trennt und vielleicht viel Schmerz erspart. Und dafür mehr Energie und Offenheit für die wirklich Freunde haben kann.

Liebe Kerstin,
Deine Geschichte erinnert mich auch ein bißchen an mein Verhalten. Ich war bei der Krankheit meines Vaters auch diejenige, die meistens angerufen hat, Informationen gesammlt hat und ihm zur Seite stehen wollte. Ich hab meinem Vater sogar mal ein Buch über Spontanheilungen geschenkt, was mich sehr fasziniert hatte. Er hat sich darüber sehr aufgeregt, mit der Begründung, den Patienten würden falsche Hoffnungen gemacht werden...

Mir ging es auch so, dass ich anfangs dachte, ich müßte jetzt die "gute Tochter" sein und ihn unterstützen und meine Verletzungen vergessen im Angesicht der Krankheit. Aber ich hab schnell festgestellt, dass das alles nur sehr einseitig war. Ich hatte eher das Gefühl, dass ich ihm meine Hilfe nur aufdränge bzw. ich mich aufdränge. Er wollte das gar nicht, was er aber natürlich nie zugegeben hätte.
Ich hab ihm dann diesen Brief geschrieben mit der Bitte, ehrlich zueinander zu sein und Dinge zwischen uns zu klären - was da passierte, hab ich ja weiter oben schon beschrieben. Ich konnte machen was ich wollte, ER wollte eben nicht.

Was soll ich Dir raten? Man kann nicht verzeihen, wenn die Zeit noch nicht reif ist. Und die Krebserkrankung bedeutet nicht, dass Du verzeihen musst. Vielleicht solltest Du ihm sagen oder schreiben wie sehr er Dich verletzt hat. Dann hörst Du ja, was er dazu zu sagen hat. Es ist aber genauso ok, wenn Du Dich nicht bei ihm meldest. Er hat ja genauso die Möglichkeit, die Situation zu klären. Ich finde nicht, dass Du die Zeit verschenkst. Es ist auch seine Zeit, die er verschenkt. Lass Dich durch die Krankheit nicht unter Druck setzen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich Liebe und Zuneigung der Eltern nicht erzwingen lässt, da kannst Du machen was Du willst.
Wichtig ist, dass Du an Dich denkst, dass Du Dir gutes tust und Dich mit den Menschen umgibst, die Dich so mögen wie Du bist. Du hast ein Recht darauf.
Ich wünsch Dir, dass Du ein wenig innere Ruhe findest und Dich nicht zu sehr quälst.
Fühl Dich umarmt.
Conny

15.04.2003, 00:29
Hallöle, ich bin noch mal schnell da.

Conny, Du hast mal oben in Deinem Eintrag gefragt, ob man jemandem im Angesicht einer Krebskrankheit alles verzeihen muss, gell?

Ich sage da nein, ... obwohl ich selber Krebspatientin bin ... und ich es schön fände, wenn man mir ALLES verzeihen würde, was ich jemals schlimmes getan habe ... nur weiss ich im Moment leider nicht WAS man mir da verzeihen soll ...? ;-)
Nein, im Ernst, es hat ja alles immer mehrere Seiten, da gibt's gute Menschen und da gibt's schlechtere Menschen, nicht wahr? (Wie auch immer man das formulieren kann.)
So eine Krebskrankheit macht natürlich allen Druck, also nicht nur den Betroffenen selbst, sondern auch den Angehörigen. Je nach Schwere der Krankheit kann der Druck halt um so stärker sein, dass man da noch alles regeln oder klären will. Der Druck kann dann aber so heftig sein, ... dass nicht mal mehr die Zeit dafür reicht, sich überhaupt erst richtig im klaren darüber zu werden, DASS man da noch was "regeln" will. Oder muss.
Der Mensch kann aber gar nicht so schnell "schalten" und Dinge klären, die vielleicht jahrelang "vergraben" oder unausgesprochen geblieben sind. Naja, das ist mal das Eine.

Das andere ist jenes (wo ich es natürlich aus der Sicht einer Krebsbetroffenen sehe), wo ich z.B. sagen kann:
Okay, ich kann Fehler haben und Fehler gemacht haben, die man mir vielleicht NICHT verzeihen kann, ich kann vielleicht störrisch und ein richtiges Ekel zu meinen Mitmenschen sein, aber ... ich bin trotz allem ein Mensch, nicht wahr? Und ich liege hier und werde vom Krebs zerfressen, der mein Leben bedroht. Ich habe vielleicht nicht mehr lange Zeit. Und ich habe vielleicht auch nicht mehr lange Zeit, um MICH noch gross zu ändern! Zudem bedroht mich der Krebs so, dass ich jetzt nicht einen einzigen Gedanken daran veschwenden will, wie "schlimm" ich sein soll oder nicht, diese Gedanken sind im Moment nebensächlich! Nebensächlich auch, was meine Angehörigen da alle noch "klären" wollen! Dazu hab ich keine Kraft! - Warum versteht das keiner? Warum hauen die alle ab und lassen mich hier liegen?

Ist jetzt nur ein Gedanken-Beispiel, das ich hier bringe, aber es kann ein reales Beispiel sein, wie ein Mensch mit Krebs denken kann.
Eigentlich will ein Krebsbetroffener ja nur Angenehmes um sich haben. Das DA-Sein seiner Leute. Wenn also jemand schon früher nie über seine Gefühle gesprochen hat, dann wird er es auch in dieser Situation nicht so schnell können, und alles andere, welches da plötzlich "Klären" heisst oder "alte Probleme besprechen", ... kann noch mehr belasten. Das will so jemand vielleicht gar nicht. Braucht er das dann trotzdem?
Sind es dann nicht die Angehörigen SELBST, die "klären" und "besprechen" wollen? Weil IHNEN was am Herzen liegt?
Schon, gell? Man wünscht sich halt auch, dass alles am Ende noch gut kommt, für alle Seiten. Ist ja auch ein schöner Wunsch, aber leider klappt das nicht immer so.

Also was ich eigentlich sagen wollte: Das Verzeihen ist gut, wenn man es kann. Wenn man es nicht kann, oder der andere einen nicht lässt, dann geht's eben nicht auf diese Art.
Die Krebskrankheit drängt zwar dazu, aber wie auch immer es kommt, der Betroffene liegt am Ende ... als Mensch da.
Und wenn man sich jetzt auch noch dazu entscheidet, aus Enttäuschung, Verletzung oder Schmerz, NICHT für diesen kranken Menschen da sein zu wollen, (was im eigenen Möglichen liegt natürlich immer), ... so tut man das aber auch immer ein bisschen sich SELBER so an.
Irgendwie.

Ein Dank wird vielleicht nicht kommen. Möglich. Aber man bekommt oft im Leben keinen Dank für irgend etwas. Am Ende ist es wichtig, ob es für einen selbst so stimmt, was man tut oder getan hat.
Finde ich jedenfalls.

Gut's Nächtle, liebe Conny, und sorry, für meine so späte Nacht-Philosophie hier, gell?
Liebe Grüssli
von der "krassen" Brigitte

15.04.2003, 07:00
Hallo Ihr Lieben,

Ja Brigitte, so ist es mit dem "Klären".

Meine Brüder haben immer im Angesicht des Todes, zuerst bei meinem Paps, dann bei meiner Mum, geglaubt, JETZT müssen sie klären, abrechnen und reden.
Und ich habe beide Male so klar gespürt, meine Eltern wollten nicht mehr reden und Erklärungen abgeben! Meine Mum hat ihnen knallhart gesagt, dazu habe sie keine Zeit und kein Interesse mehr, und sie hätten die ganzen Jahre zuvor auch nicht dieses Bedürfnis gehabt, und aus der Zeit mit Paps nichts gelernt.

Was heißt verzeihen?
Verzeihen, dass der Mensch so ist oder so war?
Dass er mir weh getan hat, und ich nicht fähig war, dagegen was zu tun, oder dabei keine Hilfe erhalten habe?
Dass er nicht so war wie ich ihn mir immer gewünscht hätte?
Dass wir nicht unseren eigenen Schmerz akzeptiert haben, und diesem Schmerz nicht den Kampf angesagt haben?
Dass wir auf der Suche sind unser eigenes Empfinden zu bewältigen?
Dass wir dieses Loch in unserem Herzen und unserer Seele nicht zuschütten können?

Das wichtigste am Verzeihen ist,
dass wir mit uns selbst klar kommen,
dass wir unsere Hilflosigkeit erkennen,
dass wir unseren Weg finden,
dass wir erkennen, wo es uns weh tut,
dass wir uns SELBST VERZEIHEN ein Mensch mit all seinen Gefühlen und Gedanken zu sein, die uns geprägt haben

Vergeben ist,
dass der Andere ein Mensch mit all seinen Seiten ist,
dass er uns weh getan hat,
dass wir es zugelassen haben,
dass wir erkannt haben, damit leben zu müssen,
dass wir die Unzulänglichkeit akzeptieren,
dass uns irgendwann die Worte VERGEBEN und VERZEIHEN keinen Schmerz mehr bereiten werden.

Ich weiß nicht, ob Ihr versteht, was ich damit ausdrücken möchte.
Jahrelang lief ich der Liebe meiner Mutter hinterher, mein ältester Bruder war ihr auserkorenes Lieblingskind. Ich habe lange nicht verstanden, dass sie mich so liebt, nimmt wie ich bin, sondern habe immer nur "meinen" Schmerz gesehen. Und DAMIT musste ich mich auseinandersetzen, erkennen und mich beschäftigen, damit es mir wieder gut geht.
Nach ihrem Tode ließ ich es zu, dass mich meine Brüder angriffen, mir Vorwürfe machten, dass ich meine Eltern bis zum Schluß begleitet habe, sie sich von mir abwandten in einer Zeit, als ich sie gebraucht hätte. Nun weiß ich, dass sie erkannten, was sie versäumten, und dass sie nicht diese Kraft besitzen die Vergangenheit so zu akzeptieren, wie sie war. Sie nie den Versuch unternahmen damit umzugehen, sich direkt damit auseinander zu setzen. Sondern lieber ihren Schmerz auf mich übertrugen.

bis später,
Jutta

15.04.2003, 10:32
Ihr Lieben,
puh, das sind ja tolle und tiefgehende Einträge hier. Super, dass ihr so offen mit diesen Themen umgeht.
Muss jetzt erstmal darüber nachdenken, melde mich später nochmal.
Viele liebe Grüße, genießt die Sonnenstrahlen,
Conny

15.04.2003, 12:24
Hallo Euch allen,
muß schnell auch noch meinen Senf dazugeben. Bin in Mittagspause und habe daher nicht so viel Zeit.
Also: Wie sieht es denn aus mit unserer Erwarungshaltung anderen gegenüber? Sind wir nicht deswegen enttäuscht, verletzt und wütend, wenn sie sich nicht so verhalten, wie wir es uns vorstellen?
Es ist wahnsinnig schwer, ich weiß, aber würde es uns allen nicht ein wenig besser gehen, wenn wir diese Erwartungen ein bißchen zurückschrauben könnten?
Dies fiel mir ein, als ich das Posting von Brigitte las, eigentlich hat sie es auch schon so beschrieben. (Grüß Dich, liebe Brigitte)

Muß jetzt leider wieder arbeiten.

Liebe Grüße an alle
Mucki

Kerstin63
15.04.2003, 13:05
Hallo Brigitte,

tja ich bin mir ganz sicher dass er sich nicht getraut hat... denn es kam auch gegenüber meinem Bruder nur durch Zufall heraus (meine Schwägerin hat es mir dann neulich erzählt, sie war dann allerdings ziemlich baff dass ICH es nicht wusste... )...wobei mein Vater sich doch denken muss dass ich es irgendwann von meinem Bruder höre, aber es war schon immer seine Art nichts zu tun und darauf zu warten dass sich die Dinge von selbst erledigen... Meine Eltern haben sich seit bestimmt 20- 25 Jahren immer mal wieder getrennt, seit ca. 10 Jahren ist es ganz endgültig, aber früher wenn mein Vater gerade mal wieder auszog war es immer meine Mutter die es uns sagte, er hat nie darüber gesprochen (wir sind eine Familie der Schweiger und Vermeider...."gg")
Ich habe vor 2 Wochen sehr intensiv mit meinem Therapeuten über das Ganze gesprochen, er hat mir geraten zumindest erstmal aufzuschreiben was ich meinem Vater sagen will, egal ob ich es ihm dann gebe oder nicht, aber ich habe bis heute keine Zeile niedergeschrieben: mir ist klar ich möchte am liebsten Vorwürfe machen, bringe meine echten Gefühle (d.h. Schmerz) nicht über die Lippen....na gut HIER tue ich es gerade.... aber ich sehe nicht dass ich es ihm sage oder schreibe.... auch das ist gute alte Familientradition... lieber "schimpfen" als verletzliche Gefühle zeigen....
Ich will das ja durchbrechen aber anscheinend bin ich noch nicht so weit...wie gut dass ich Euch und meinen Therapeuten habe....
Also, DASS er geheiratet hat ist für mich OK, dass meine Eltern getrennt sind habe ich längst akzeptiert (d.h. kann ihn verstehen, ich habe selbst Schwierigkeiten mit meiner Mutter aber das ist eine andere LANGE Geschichte)... auch wenn wir nur nicht eingeladen waren, das wäre OK, mein Mann und ich haben selbst aus verschiedenen Gründen letztes Jahr "im kleinsten Kreis" d.h. nur mit den Kindern dabei geheiratet aber danach sofort alle Verwandten informiert. Meine Verletzung beruht glaube ich hauptsächlich darin dass ich dachte die letzten Monate hätten unser Verhältnis verbessert, uns einander näher gebracht.... allerdings hat mir mein Therapeut klar gemacht dass meine Enttäuschung nur die ENT-TÄUSCHUNG meiner Erwartungen ist, und dass auch die Tatsache dass er es mir nichts gesagt hat (aus welchen Gründen auch immer) nicht heisst dass sich unser Verhältnis NICHT gebessert hätte... im Kopf habe ich das realisiert aber ich kann im Moment den Schritt noch nicht tun...
Kerstin

Kerstin63
15.04.2003, 13:08
Hallo Conny,

tja mein Vater kann die Situation im Moment nicht klären weil er ja nicht wissen kann dass ich es weiss ...(mit der Familie meines Bruders - meine Schwägerin hatte es mir gesagt - hat er noch weniger Kontakt)... das war auch bei denen damals Zufall dass es heraus kam.
Wie ich auch an Brigitte geschrieben habe: anscheinend bin ich noch nicht so weit.....
Kerstin

15.04.2003, 19:37
Hallo Ihr Lieben,

Brigitte, das war für mich höchst interessant, Deine Gedanken aus der Sicht des Erkrankten zu lesen. So hab ich das noch nicht betrachtet oder betrachten wollen...

Wenn man so sehr verletzt und mißbraucht wurde, dann hat man nicht allzu viel Bereitschaft, sich in denjenigen hineinzudenken und seine Situation zu berücksichtigen.
Ich spüre sehr deutlich, wenn ich eure Beiträge lese, dass ich immer noch sehr wütend bin und nur wenig Lust verspüre, Verständnis für meinen Vater aufzubringen. Obwohl Du natürlich damit recht hast, dass man mit einer derartigen Krankheit auch genug zu knacken hat und den Kopf für Erklärungen nicht frei hat.

Auf der anderen Seite ist es auch so, dass es ein langer Weg für mich war, überhaupt zu begreifen, dass etwas mit mir nicht "stimmt", dass ich Therapie brauche, dass nicht ich die Böse bin, dass diese Dinge, die passiert sind, NICHT normal waren und bis ich mir das eingestehen und darüber reden konnte.
Es scheint ja sehr häufig so zu sein, dass man erst in einem gewissen Alter (als Erwachsene) anfangen kann, das Erlebte zu bearbeiten. Bei mir hat es sehr lange gedauert, bis ich mich entschließen konnte, etwas für mich zu tun. Und da "erwischt" man dann evtl. einen "ungünstigen" Zeitpunkt, auch was die Konfrontation betrifft.
In meinem Fall war es so, dass ich gerade dann soweit war, als mein Vater erkrankt ist. Vorher waren mir viele Dinge gar nicht bewußt. Und ab diesem Zeitpunkt (wenn man begriffen hat) funktioniert es nicht mehr, die Dinge so zu lassen wie sie waren, auch wenn es viele Jahre vorher kein Thema war. Es ist ein Weg, den man nicht zurückgehen kann. Ich hoffe, ihr versteht, wie ich das meine.

Jutta, ich kann Deine Brüder schon verstehen. Meine Situation war ja ähnlich. Vorher ging das bei mir mit dem "Klären" nicht, ich war noch nicht soweit. Die Frage ist eben, wann sind Eltern bereit, zu klären? Warum haben sie es nicht vorher versucht? Sicher kann man auch da Erklärungen finden, aber ich finde es traurig, dass man als Kind erst ganz unten sein, und dann noch den ersten Schritt in Richtung Klärung machen muss und von den Eltern kommt jahrelang nichts.

Naja, ihr hört schon, ich bin immer noch sehr enttäuscht und wütend. Es fällt mir schon schwer, mich in die Situation der Eltern bzw. meines Vaters zu versetzen.
Brigitte, Du schreibst, man wünscht sich, dass am Ende doch noch alles gut wird. In meinem Fall wäre da sicher nichts mehr "gut" geworden, denn Entschuldigungen oder Erklärungen gibt es da nicht. Ich hätte einfach gerne meinen Vater gefragt, warum er mir das angetan hat. An Versöhnung oder Neuanfang oder wie auch immer war ich nicht interessiert. Aber ich hätte den Kontakt vielleicht nicht ganz abgebrochen. Was er ja dann getan hat.

Danke, dass ihr meinen verworrenen Gedanken gefolgt seid. Ich drück euch,
Conny

15.04.2003, 21:59
Hey Ihr Lieben,
ja, Mucki, wird wohl was mit unseren ganzen Erwartungshaltungen immer zu tun haben.
Genau so wie wir Krebspatienten manchmal erwarten, dass alle jederzeit ZEIT für uns haben, ... erwarten die Angehörigen von UNS in der Regel eher, dass wir wieder lächeln und so sind wie früher.
Oder wenn man um einen lieben Menschen trauert, dann erwartet auch alle Welt, dass man da "endlich darüber weg kommt" und wieder lächelt und so funktioniert wie früher.

Wo ist welche Erwartungshaltung einfacher zum "Ablegen"?
Ich persönlich empfinde es "leichter", auf die Erwartungen des Funktionierens, eines Lächelns oder eines Verzeihens zu verzichten, ... als die Erwartung, dass sich da jemand Zeit für mich nimmt, weil ich Krebs habe. Das Problem hier ist einfach grösser.
Zumindest sieht man "sich selber" als grösseres Problem an, wenn man selber Krebs hat. - Das wird wohl der Unterschied sein.
Selber Krebs zu haben ist so bedrohlich, dass man sämtliche "anderen" Problemchen schneller zur Seite schiebt, oder sie als "weniger wichtig" betrachtet.
Die "Sicht" verschiebt sich irgendwie.
Auch wenn man fest um jemanden trauert, verschiebt sich die "Sicht". Nicht im negativen, sondern der "Schwerpunkt" ist anders.

Kerstin, ja, das kann ich mir gut vorstellen. Da hast Du Dir Mühe gegeben, hast Dich um Deinen Vater gekümmert und alles mögliche versucht, um für ihn DA zu sein, und er ... hat es "genommen", er hat Deine Hilfe angenommen! Kein Wunder, kommst Du auf den Gedanken, dass sich nun alles zwischen Euch bessern könnte.
Aber man muss natürlich daran denken, dass er Hilfe braucht, dass er sie von allen Seiten gerne annimmt, und warum auch nicht von seiner Tochter? Ich kann mir jetzt nicht vorstellen, dass er das negativ empfunden hat, egal wie er sonst halt auch als Mensch sein mag. Krebspatienten brauchen das DA-Sein von anderen, egal wie "schlimm" sie selber auch sein mögen.
Aber da steht jetzt natürlich Deine Wut dazwischen, das kann ich verstehen.
Du kannst Dich jetzt einfach mal fragen, ob Du ihm weiterhin helfen möchtest, ihn begleiten möchtest, mit dem Risiko, dass sich zwischen Euch beiden halt vielleicht nicht besonders viel zum Besseren ändern wird, ... oder Du kannst Dich dazu entscheiden, Dich weiterhin in Deiner "Wut" zu wälzen, mit dem Risiko: Je länger Du Dich jetzt nicht bei ihm meldest, um so grösser wird auch wieder die Kluft zwischen Euch.
Wo fühlst Du Dich wohler?

Ich möchte Dir jetzt gerne den folgenden Tip geben, aber ich weiss nicht, ob Du dazu bereit bist. Versuch's mal "locker" zu überdenken:
Du rufst ihn an, oder besuchst ihn wieder, enschuldigst Dich für Deine Abwesenheit in den letzten Tagen und sagst freudig und schmunzelnd: 'Hey, ich hab da hintenrum erfahren, dass Du geheiratet hast! Finde ich echt SUPER! - Aber wäre doch schön gewesen, wenn ich's auch erfahren hätte. Ja warum hast Du denn nichts gesagt?'
Mal gucken, was er darauf sagt.


Hi Conny, ja da steckt viel Tiefes in Dir drin. Wobei Du nicht mal was dafür kannst. Und Du kannst ja nicht den Zeitpunkt des "Erkennens" oder was auch immer, selber wählen. Der kommt eben dann, wenn er kommt. (Meistens im dümmsten Moment, hm-hm!)
Aber gell, Du möchtest auch gerne alles verstehen? Du bist da ähnlich wie ich. Nur manchmal denk ich, ich mache mir wahrscheinlich auch oft viel zu viele Gedanken, die vielleicht gar nicht nötig wären.
Als Beispiel: Weil mich meine Mutter früher immer so viel geschlagen und verprügelt hat, ... so sass das natürlich tief in mir, und ich konnte es NIE wirklich verstehen. Ich habe sie auch nie gefragt, WARUM sie das eigentlich früher getan hat. Aber wenn ich ehrlich bin: WAS hätte sie mir darauf auch antworten sollen?
Hätte sie mir dann gesagt: "Weisst Du Kind, ich musste da halt meine Agressionen irgendwo raus lassen!" ?
Nee, wahrscheinlich nicht. Sie hätte höchstens gesagt: "Du warst halt IMMER so eine unartige Tochter!" - Womit für sie - und für mich - alles geklärt hätte sein müssen. - Toll!

Solche krassen Erfahrungen sind nur schwer zu klären oder auszusprechen. Da geht's um tiefe Schuldgefühle und all das mögliche, und im Angesicht einer Krebskrankheit geht das dann oftmals ZU tief.
Also lohnt es sich manchmal gar nicht, hier zu lange daran herum zu grübeln. Ich kann mir viele Antworten darauf selber "ausdenken", vielleicht sind sie richtig, vielleicht sind sie aber auch falsch. - Von dem vielen Grübeln wurde ich damals dann auch bald mal sehr müde, und irgendwann kam der Punkt, wo ich sah, es bringt eigentlich nichts, es ist eh vorbei. Vergangenheit. Das einzige, was übrig blieb, war eben diese Wut, dieser Groll. Und da ich ja nach Vorne schauen musste (und nicht dauernd zurück), war es auch wichtig, dass es MIR wieder gut ging, dass diese Wut und dieser Groll ein wenig weg kam. Ich WOLLTE nicht mit diesem ewigen Wut/Groll-Gefühl weiter machen, das war mir zu mühsam, zu belastend.
Wie ich schon beschrieben habe, benötigte ich damals fast zwei Jahre, um meiner Mutter verzeihen zu können. Das ging also auch nicht so einfach von heute auf morgen. Aber der Gedanke daran, es zu TUN, war ein guter Gedanke, der mir gefiel. Der meinem "Inneren" gefiel.
Die Frage war einfach "wie?"!
Es war auch ein ganz "dummer" Zeitpunkt, aber eigentlich war er ja auch ERST da, als meine Mutter Leukämie bekam. Vorher hatte ich dieses "Erkennen" auch nicht gehabt.

Hm, uns gehen wohl schon immer erst in so "harten" Momenten ein bisschen die Augen auf. Aber wären diese Momente NICHT da, dann würden wir noch weiter so "blind" oder "taub" herum laufen. Also hat das Schlechte wenigstens auch was GUTES, gell?

In diesem Sinne wünsche ich Euch allen, dass Ihr das Gute im Schlechten sehen und finden könnt, ja?
Es ist Da-ha!
Irgendwo steckt es, das Gute!
Ganz liebe Grüssli an Euch
von der "krassen" Brigitte

PS. Jutta, sooooo schön hast Du es in Worte beschrieben, was verzeihen und vergeben heisst!

15.04.2003, 23:22
Liebe Jutta,

ich finde Deine Zeilen zum Vergeben und Verzeihen sehr gut. Du hast da sehr gute Worte gefunden, die mich sehr berührt haben.

Wie geht es Dir selber mit dem Thema Verzeihen? Es würde mich interessieren, ich möchte Dir aber nicht zu nahe treten.
Woher nimmst Du die Kraft, das alles auszuhalten?

Liebe Grüße,
Conny

15.04.2003, 23:31
Liebe Brigitte,
Ja, da hast Du recht, ich grüble sehr viel, auch wenn ich weiß, dass ich die Dinge nicht ändern kann...
Ja, was hätte mein Vater mir für eine Antwort geben sollen? Klar, dass es keine nachvollziehbare Erklärung für sein Handeln gibt. Er hätte sich aus der Geschichte "rausgewunden" und wäre wieder zur Tagesordnung übergegangen. Hätte mir nicht wirklich etwas gebracht. Er hätte mir die Verantwortung wieder zurückgegeben, da bin ich mir sicher.

Aber vielleicht hast Du ja einen Tip, wie man mit der Wut und dem Groll umgehen kann. Ich hab halt den Aus-Knopf noch nicht gefunden...:-)

Für heute gute Nacht und eine dicke Umarmung,
Conny

16.04.2003, 04:12
Hallo Ihr Lieben,

Mich treibt mal wieder der Vollmond nicht schlafend durch die Nacht. Dabei kommen so viele Gedanken, Grübeleien. Conny, ich bin auch eine Grüblerin. Oder besser gesagt, ich mache mir sehr viele Gedanken, über Menschen, der Umgang mit Menschen, und vieles mehr.

Kann es sein, dass unsere "Schwierigkeiten" etwas mit der Mentalität unserer Eltern zu tun hat? (Conny, ich weiss nicht wie alt Du bist.) Sie haben eine andere "Schule" hinter sich und sehr sehr viele haben nicht gelernt, über Gefühlsthemen zu reden. Und erst recht nicht gelernt, sich über ihr Verhalten zu entschuldigen. Ihr soziales Muster war gestrickt vom Funktionieren, von äußeren Eindrücken - ja alles recht zu machen - und inzwischen glaube ich auch, aus Angst zugeben zu müssen, dass ihre Wege nicht die richtigen waren. Wir haben ein andere Denkweise und Situationauffassung vielen Dingen gegenüber.
Wir SPRECHEN darüber, wir haben die Ergebnisse aus Studien usw. Das alles hatten sie nicht. Wir wollen öffentlich mit den Problemen umgehen, sie anpacken und eine Lösung für die Seele finden.

Conny, DU kannst Dir die Verantwortung für Dich wieder holen. Es wird aber nicht von heute auf morgen geschehen, dafür sitzen die Erlebnisse zu tief. Das Nachdenken, das Grübeln um eine Lösung zu finden, aus dieser innerlichen Misere zu finden, ist hierbei der beste Ansatz. Es ist der Anfang. Wenn ich mich recht erinnere hat die Therapeutin Dir vorgeschlagen aufzuschreiben. Kannst Du Dich hinsetzen und das tun. Nehme 2 Blatt Papier, auf einem kommt der Titel "DU HAST" und da schreibst Du jeden Gedanken auf, der Dir in den Kopf kommt, was Dein Vater Dir angetan hat. Auf dem zweiten Blatt schreibst Du den Titel "Ich fühle deswegen"!!!!!
Und irgendwann kommt das 3. Blatt dazu "Ich lasse es nicht mehr zu, dass........"

Wir können die Vergangenheit nicht mehr ändern, aber wir können daran arbeiten, dass sie uns nicht mehr weh tut. Dass wir erkennen, dass wir daraus gewachsen sind, für uns selbst etwas dazugelernt haben, auch wenn es nur "SO mache ich es nie" ist.
Das sind keine einfachen Schritte sich mit tiefsitzenden Problemen auseinandersetzen. Aber ich habe für mich gelernt und lerne immer noch, das Thema zuerst als mein Problem anzunehmen, mit welchem ich nicht umgehen kann, oder nicht die Fähigkeit dazu besitze, weil ich es nicht gelernt habe. Das Problem (die Auswirkung) zu erkennen, es als meines zu besitzen, meine Reaktion darauf und dann es in tausend Einzelstücke zu legen, zu analysieren. Mit meinen Gefühlen Achterbahnen zu fahren, sie auf meine ganz persöniche Art auszuleben, und dann die Lösungssuche anzugehen.

Eigentlich nur zu erkennen, dass ICH nichts dafür kann, wenn ein andrer Mensch so reagiert. Dass es im Grunde sein Problem ist, und nicht wirklich meines. Das ist auf meine Brüder bezogen. Sie sind etliches älter als ich und sind auch in der Anklagephase stecken geblieben. Ich hatte das Glück genügend Courage aufzubringen, und auch die Gelegenheit dazu, meiner Mutter zu sagen, was mich verletzt hat, wie ich so manches empfunden habe.
Es geschah ohne Anklage, mehr wie ein Monolog ohne Wertstellung.

Conny, ich kann Dir nicht sagen, wo ich die Kraft herbringe, aber ich weiß, dass ich einfach viel mehr über MICH und meine Reaktionen auf Situationen (auch im täglichen Leben) nachdenke.
Ich habe immer gegen dies und jenes und alles gekämpft, bis ich des Kampfes müde wurde. Aufgegeben habe ich ihn nicht, nur andere Prioritäten gesetzt, wofür oder wogegen ich kämpfe. Ich weiß, dass ich die Vergangenheit nicht ändern kann, aber ich weiß, dass ich das Heute und die Zukunft in der Hand halte. Und ich egoistich genug geworden bin, danach zu schauen, dass es MIR und den mir anvertrauten Menschen (meinen Söhnen) gut geht, ohne mich als Mensch aufzugeben. Mich so zu akzeptieren, wie ich bin, mit all den Stärken und Schwächen, die mich auszeichnen.

So, nun vorerst genug Tiefgang, schreibe später zum Vergeben und Verzeihen weiter.

einen lieben Gruß Euch Allen,
Jutta

Kerstin63
16.04.2003, 12:41
Hallo Brigitte,

ja anscheinend bin ich nicht so weit.... dieses leichthändige - mit einem Lächeln - auch wenn ich wütend bin oder traurig.... das war noch nie meine Stärke...
Es ist richtig je länger ich es wälze um so tiefer wird die Kluft, von mir aus, denn mein Vater weiss es ja garnicht was sich bei mir abspielt... andererseits denke ich schon wieder er kann sich ja auch melden, aber es ist so typisch: jetzt wo es ihm recht gut geht und anscheinend seine letzten Nachuntersuchungen positiv waren geht er wieder wie auch in den letzten 20 Jahren auf Distanz... als er gerade die Diagnose erhalten hatte und wann immer zwischenzeitlich schlechte Nachrichten kamen oder eine OP bevorstand meldete er sich plötzlich andauernd und kam häufiger als jemals zuvor hier vorbei.
Ich merke schon wieder dass da ganz andere ALTE Enttäuschungen in mir hochkommen... schade ich hatte in den letzten Monaten echt gedacht ich hätte meinen Frieden mit ihm gemacht, für einige Zeit hatte ich echt das Gefühl ich kann ihn so akzeptieren wie er ist......
Ach Mist....
Kerstin

16.04.2003, 18:57
Hi Ihr Lieben,
... hach ja, seufz, es ist manchmal wirklich schwierig!
Ja, gucken wir uns mal an, wie wir mit Wut und Groll und den ganzen Enttäuschungen umgehen können, das finde ich ein gutes Thema. Das ist ja eigentlich die Hauptfrage, gell?
Lasst uns da mal ein paar Ideen auftischen, vielleicht können wir uns da gegenseitig ein bisschen helfen. (Ich persönlich hätte da nämlich auch längst was zu klären, mit meiner Wut und meinem Groll auf meine Schwester, aber da hab' ich auch den Eindruck, dass da nie was ändern wird, egal was ich tue! Meine Schwester ist sooooo mühsam!)

Also - so wie ich es mal von mir selber kenne - hat man, wenn man so eine Wut und einen Groll verspürt, der einfach nie weg geht (und wo man manchmal sogar immer wieder von Neuem ein's auf's Dach kriegt), den Eindruck, es wird sich nie was ändern! Und je länger man darüber nachgrübelt, um so schlechter geht es einem auch dabei, denn man findet noch dies und jenes heraus, und dies macht stinkewütend, und das ...! Und die Gedanken kreisen und hören nicht auf, und sie können auch nicht aufhören, weil ... das Problem nicht gelöst oder geklärt ist.
(Da ist dann der Zeitpunkt des Erkennens, dass eine Lösung hin muss.)
Naja, wie kommt man da jetzt raus?

So Psychotherapeuten haben da natürlich schon oft gute "Ideen" dazu, wie z.B. das "Aufschreiben", oder eine "Liste" machen, so wie Jutta es oben beschrieben hat. Das sind ganz gute Ansätze, das habe ich auch schon probiert, ich mache das immer so, wenn ich was schweres Entscheiden muss. (Grins!) Also eine Liste, auf welcher steht: "Positiv" und "Negativ", und da kann man dann alles eintragen, was einem gerade einfällt. Am Ende sieht man da, wo man mehr Punkte aufgeführt hat, und das wird dann das Ergebnis sein, wonach man handeln kann. So "Listen" machen kann auch Spass machen, jaja! Sie haben den Vorteil, dass man sich intensiv und ganz persönlich mit der "Sache" beschäftigt, und dies dann nicht nur emotional, sondern auch sachlich.
Man "schiebt" dann das Problem auch nicht nur so vor sich her, sondern man sucht "bewusst" nach einer Lösung.

Was gibt's noch? Naja, die "Frontal"-Methode! Das ist jene, wo man halt einfach den Mut fasst, und mit der betreffenden Person das Gespräch sucht. Aber das klappt nicht immer, dazu braucht es Kraft. - Hier gibt's eben noch die "Brief"-Form, wo man dem anderen (auf freundliche Art) seine Sorgen mitteilt. - Aber das Ergebnis steht halt offen, man weiss ja nicht, wie der andere reagiert. Manchmal funktioniert es, manchmal eben nicht.

Was gibt's noch? Nun, Rückzug! - Aber das ist eine ganz krasse Art, und eigentlich auch ein bisschen "feige". Man ist dann eher vor der Konfliktlösung "geflohen", und hat es gar nie gelöst. Mir gefällt diese Variante überhaupt nicht. - Zudem geht damit der Groll und die Wut auch nicht weg, denn so hat man sich dazu entschlossen, mit dem Groll und der Wut weiter zu leben.

Und sonst noch? Naja, eben das Verzeihen, das Vergeben. - Manchmal meint man, das kann man erst tun, oder man ist erst bereit dazu, wenn die Dinge vorher geklärt sind, wenn man alles verstehen kann, wenn alles mit dem anderen ausgesprochen ist. Das ist aber gar nicht so. Man kann auch schon vorher verzeihen.
Da gibt's einen kleinen Trick dazu: Man stellt sich in der eigenen Phantasie vor, WIE man das macht! Da sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Man stellt sich z.B. haargenau vor, wie man vor den anderen hintritt, und welche Worte man zu ihm sagt. Und dann stellt man sich vor, WIE der andere reagieren könnte!
Jetzt kann da die Phantasie natürlich ein bisschen ausflippen, und uns nur NEGATIVE Ergebnisse geben, also dass der andere z.B., dem man verzeihen tut, gar nicht darauf reagiert, oder dass er böse Worte benutzt.
Da sollte man halt diese Phantasie mal so zulassen, und sie NOCHMALS von vorne anfangen, so lange, bis das Ergebnis gut kommt. - So hat man dann alle möglichen "Varianten" in der Phantasie gesehen, und weiss dann schon im Voraus - WENN man sich dazu entschliesst, es wirklich zu tun - wie man darauf reagieren kann. Man weiss dann, WAS einen in etwa erwarten könnte.
Das ist übrigens auch eine "Idee" von Psychotherapeuten, hm-hm! Mit der Phantasie hat man sich also "bildlich" auf eine Tat, bzw. Entscheidung vorbereitet.

Was gibt's sonst noch? Nun, wenn man noch nicht bereit dazu ist, die Wut und den Groll abzulegen, dann ... gibt's noch die Variante des "Abwartens". Aber das ist natürlich schwieriger, wenn noch eine Krebskrankheit da ist, da ist man dann im Druck.
Die Variante des "Abwartens" mache ich momentan bei meiner Schwester so, weil ich nicht die Kraft für so eine Auseinandersetzung habe. Sie will sie offenbar auch nicht, also ist's kein Problem.
Die Frage ist nur: Wenn ich NICHT von ihr verletzt werden möchte, was kann ich dann tun?

Da habe ich auch schon mal nach Lösungen gesucht, das ist schwierig. Es gibt da die "Idee", dass man einfach auf jede "Verletzung" zu dem anderen sagt: "Hey, das verletzt mich jetzt!"
Da muss der andere überlegen, was er darauf sagen soll. Entweder entschuldigt er sich, oder aber er bringt so "Sprüche" wie: "Stell Dich doch nicht so an, das ist doch keine Verletzung!"
Ich hab' das mal so getestet, und bekam genau so einen "Spruch" zu hören. Da ich jedoch stur darauf bestand, dass mich das verletzt hatte, ... bekam ich zwar keine Entschuldigung, aber doch immerhin: Schweigen! Und, naja, ... vielleicht ein bisschen Nachdenken darüber?

Manchmal passiert's aber auch, dass man im Moment gar nicht richtig merkt, dass man soeben verletzt worden ist. Zum Beispiel ist das mit der Ignoranz so. Ignoranz kann SEHR verletzen, aber der Augenblick, wo's passiert, ist schwer zu fassen.
Auch hier kann man den anderen beim nächsten mal damit halt konfrontieren und ihm sagen: Hey, das letzte mal hast du mich völlig ignoriert, das hat mich verletzt!
Braucht halt wieder Mut dazu. Aber eigentlich können wir nichts anderes tun, als es auszusprechen, jedesmal. Denn jedesmal, wenn wir es NICHT tun, kommt eine Narbe der Verletzung MEHR hinzu. Nicht wahr?

Uff! Tja! - Und was habt Ihr noch für Ideen?

Bis späterchen soweit, ich drück Euch alle!
Liebe Grüsse von
der "krassen" Brigitte

16.04.2003, 22:37
Ihr Lieben,

Jutta und Brigitte, ich finde es einfach superklasse, wie ihr diese schwierigen Gedanken und Überlegungen in Worte fasst. Ich könnte das nicht so ausdrücken. Aber ihr trefft genau den Punkt, finde ich.

Ja, Thema Wut und Groll. Ich denke auch, dass es zentrale Themen im Leben sind.
Jutta, Du hast sicher recht, dass unsere Eltern ganz anders aufgewachsen und erzogen wurden und nicht gelernt haben, über Gefühle zu sprechen. Und auch ihre Einstellung zur Erziehung der eigenen Kinder war eine andere als unsere heute.
Ich bin so erzogen worden, dass ich funktionieren und meine Gefühle verleugnen musste. Was dazu führte, dass ich irgendwann gar nicht mehr fühlen konnte... zumindest war das mein Eindruck. Geschweige denn, die Gefühle zu analysieren.
Und ich hatte permanent Angst, die wurde ganz tief eingeplanzt. Du fragst nach meinem Alter, ich bin 37. Wie alt bist Du?

Die Idee mit dem Aufschreiben finde ich schon gut. Aber es fällt mir immer noch superschwer, mir das Recht einzuräumen, dass ich so fühlen "darf" wie ich eben fühle. Und manchmal entgleiten mir die Gefühle und ich weiß gar nicht mehr, was ich eigentlich fühle. Kennt ihr das auch? Ich muß mich da sehr konzentrieren, um klarzukriegen, wie es mir gerade geht. Ich weiß, das klingt verrückt, vielleicht würde mir das Aufschreiben da wirklich helfen. Werde es mal probieren. Mir geht es in diesen Momenten dann eher so, dass ich froh bin, dass ich überhaupt die Wut und Enttäuschung spüre... ist doch auch schon was...:-)

Brigitte, Deine Ideen sind gut. Ich finde es toll, dass Thema hier zu "besprechen". Allerdings komme ich dabei immer noch an meine Grenzen, weil ich manchmal so einen Trotz verspüre und denke, ich will ja meine Wut gar nicht loslassen. Wut zu spüren erscheint mir einfacher als die Trauer zuzulassen, die vielleicht unter der Wut steckt.

Ich hab eine Stinkwut auf meine Mutter, die sooo egoistisch ist. Meine Enttäuschung prallt da aber total ab, Sie reagiert gar nicht. Also was mach ich mit meiner Wut und Enttäuschung? Ich weiß es nicht. Meine Angst hemmt mich da auch immer noch, den "Angriff" zu wagen. Selbst einen Brief schaffe ich nicht.
Du schreibst von Deiner Schwester. Du möchtest nicht weiter von ihr verletzt werden. Was tun? Ich versuche es bei meiner Mutter auch und da bleibt ja fast nichts anderes übrig, als sich möglichst nicht mit ihr zu konfrontieren. Wenn ich meiner Mutter sagen würde, Du verletzt mich, dann würden auch so halbgare Sprüche kommen, die mich kein Stück weiterbringen. Im Gegenteil, eher noch mehr Enttäuschung.

Mir fallen da leider auch keine weiteren Ideen ein. Ich versuche, mich mit den Menschen, die mir wehtun (ich meine damit die, die sich nicht wirklich für mich interessieren), möglichst wenig zu konfrontieren. Damit geht es mir eigentlich noch am besten. Für eine Auseinandersetzung fehlt mir der Mut und die Kraft. Vielleicht kommt das ja irgendwann noch.

Das waren meine Gedanken dazu. Mir hilft das sehr, mich hier mit Euch auszutauschen. Fühle mich gut aufgehoben. Danke.
Liebe Grüße - ich drück euch,
Conny

16.04.2003, 22:45
Hallo Kerstin,

ich kann das was Du schreibst, sooo gut nachvollziehen. Mir ging es mit meinem Vater auch so. Und ich wollte ihm auch so gerne helfen, aber er hat es nicht zugelassen.
Du kannst ihn nicht zwingen. Aber vielleicht würde es Dir doch helfen, allen Mut zusammenzunehmen und mit ihm über Deine Gefühle und die Enttäuschung zu sprechen. Vielleicht wartet er ja darauf und traut sich auch nicht, Dich anzusprechen.

Manchmal ist es ja auch so, dass man so sehr in seiner Enttäuschung gefangen ist, dass man kleine Zeichen gar nicht erkennen kann. Vielleicht kannst Du es versuchen. So wie es aussieht, hast Du doch eigentlich nichts zu verlieren, oder?
Liebe Grüße,
Conny

17.04.2003, 04:33
Vollmond Guten Morgen Ihr Lieben,

Conny, ich stelle aber doch fest, dass Du Deine Gefühle beschreiben kannst. Du siehst in dem Blatt Papier NOCH keinen Sinn. Es kann ja sein, dass die Gefühle des Zorns und der Wut noch zu immens sind und Du noch garnicht bereit bist, diese wirklich nach aussen zu lassen?? Dich noch innerlich in der Abgrenzung wohl fühlst? Das ist nicht negativ gemeint.

Wenn ich so eine Wut auf einen Menschen habe, dass der Schmerz so richtig tief geht, spinne ich in meinem Kopf je nach Situation entsetzliche Rachegedanken, denke keine Ladylike Gedanken, wirbeln sich Worte im Kopf herum, die ich nie aussprechen würde. Ich bin darüber jedes Mal furchtbar entsetzt, doch es hilft mir weitere Schritte zu machen. Meine Aggression spielt sich im Kopf ab.

Dann kommt die große Runde des Selbstmitleids, fühle mich wie das Ärmste Geschöpf der Welt. Das ist leider auch die gefährlichste Phase, denn ich kann dann verbale Hiebe an Menschen verteilen, die ja garnichts für meine momentane Lage können und nicht wissen was sich im Innern für ein Konflikt abspielt.

Und dann muß das Papier her, da wird wie ein Weltmeister geschrieben. Für mich ist es bei einer tiefergreifenden Sache am Anfang nicht möglich, sofort auf verbale Konfrontation zu gehen.
Das geschieht später.

Kommt Ihr Euch auch so "nackt" vor, wenn Ihr es geschafft habt, die ganz tiefen Gedanken demjenigen zu vermitteln, den es betrifft? Mir erging es so mit meinem Bruder. Ich raffte mich auf, um ihm meine ganzen Gefühle darzulegen und schrieb einen langen Brief. Ohne Anklagen, nur ihm zu erklären, WER ich bin und WIE ich mich fühle. Es folgte ein stundenlanges Gespräch, und ich hatte wieder Hoffnung, habe MEINE Erwartungshaltung wieder nach oben geschraubt. Das Ergebnis, gleich Null, aus meiner Sicht. Es wurde mir bewußt, dass er sich nicht mit Gefühlen auseinandersetzen will oder kann, und jetzt tut er mir nur noch leid! Und somit ist das Thema für mich beendet. Klar zwickt es das eine oder andere Mal, denn ich hätte gerade seine Unterstützung und manches Gespräch mit ihm gebraucht.
Ich habe ihm seine Unfähigkeit Gefühle zu zeigen VERZIEHEN, sich damit zu befassen, die Gefühle von anderen einfach nur anzuerkennen, dass sie überhaupt existieren. Und habe ihm VERGEBEN, dass er an meinem Leben nicht wirklich teilhaben möchte, dass er mit meiner Gefühlstiefe, die ich auch zeigen kann, nicht klarkommt. Da er wohl wissen möchte, wie es mir geht, fragt er meinen Sohn!! Er hat wohl Angst, dass wenn er mit mir redet so eine Gefühlsdusselei rüberkommt und er irgendwann seine Barriere fallen läßt.

Ist es nicht wirklich nur die Angst des Anderen, dass er als Schwächling angesehen wird, wenn er wahre Gefühle zeigt und darüber redet? Und eine noch größere Angst, dass man ihm dann weh tun könnte und er garnicht weiß wie er sich dann verhalten soll?
Da bleiben sie doch lieber in ihrer selbst geschaffenen Höhle und warten bis sich DAS Problem von alleine auflöst, so oder so.

Conny, DU hast das RECHT, jeden in Deinen Gedanken anzuklagen, der Dir weh getan hat! Überlege Dir einmal, jeder Nachbar kann seinen Nachbar NUR wegen einem über den Gartenzaun hängenden Zweig anklagen! Das ist eine Lappalie, aber er hat das Recht.
Versuche Dir solch eine Parabel zu schaffen und nehme sie als Aufhänger zum Vergleich mit Deinen Gefühlen. So z.B., wenn der Nachbar zwecks Zweig eine Anklage machen kann, dann kann ICH:.............................................. ........ usw.
Ich weiß nicht, ob es Dir hilft, aber jeder Versuch ist es wert versucht zu werden.

Auch wenn ich ganz gut durch die Wüste meiner Gefühle wandern kann, profitiere auch ich von unseren "Gesprächen". Danke.

ganz liebe Grüße,
Jutta

17.04.2003, 09:09
Hallo Conny,

schon wieder ich, aber ich häng gerne am PC :-). Hab/kann ja sonst nicht viel tun.

Ich wollte Dir noch meine Version, die ich für mich anwende, des VERGEBENS und VERZEIHENS sagen.

VERGEBEN: werde ich Schwächen, die Jemand erkennt (ob offensichtlich oder ich die subjektive Meinung habe, dass sie erkannt werden).

VERZEIHEN: wenn diese Schwächen erkannt sind, und mein Gegenüber sich ehrlich bemüht, mit diesen umzugehen und sie eingesteht.

Ich versuchte mich so kurz als nur (für mich) möglich zu halten, ich schweife auch sehr gerne ziemlich aus. Und bekomme am Ende dann das Gefühl, oh Herrje, weiß der Andere überhaupt noch WAS ich sagen wollte? Da finde ich Brigitte's Kommentare immer spitze, ihr großes Schreibtalent kommt raus :-).

ganz liebe Grüße,
Jutta

17.04.2003, 10:22
Mörgelchen Ihr Lieben,

"Das hat mich jetzt verletzt, was Du sagst!" klingt eigentlich nach "Vorwurf" aber es ist nur eine Feststellung des eigenen Gefühls.

Der Satz ist was ganz Ernstes.
Angenommen, da sagt jetzt jemand zu mir (das kam auch schon mal vor): "He, das verletzt mich jetzt!"
Dann bin ich ganz verblüfft, DASS ich den anderen verletzt haben soll!
Ich kann da jetzt natürlich auf alle möglichen Arten darauf reagieren.
Ich kann z.B. "einsehen", dass ich den anderen verletzt haben könnte, und kann mich dann bei ihm entschuldigen.
Ich kann aber auch nichts "einsehen", aber dann liegt es an mir selber! Dann bin ich stur, dann finde ich, der andere ist "überempfindlich" oder was auch immer, und dann bringe ich irgend einen dummen Spruch. Den Spruch bringe ich aber, weil ich mir nicht "vorstellen" kann, dass ICH jemanden verletzen könnte. Oder aber ich bringe den Spruch, weil ich unbedingt WILL, dass der andere verletzt wird!
(Wenn ich das unbedingt WILL, dann ... habe ich aber ein zünftiges Problem!)

Aber der Satz des anderen, welcher mir gesagt hat, dass ich ihn verletzt haben soll, ... wird auf JEDEN FALL in mir weiter nachklingen! Denn ER hat etwas ausgesprochen, was ich eigentlich gar nicht hören will.
Und ich kann mich jetzt drehen und wenden wie ich will, wenn der andere behauptet, dass ihn das verletzt hat, so sind das SEINE Empfindungen, und die kann ich ihm unmöglich wegleugnen! Wenn ich's versuche, mache ich auf jeden Fall Zweite! Denn ER sitzt da, und IST verletzt! Das ist eine Tatsache! Jetzt muss ich halt schauen, wie ich als "Verursacherin" das mit meinem eigenen Gewissen vereinbaren kann. Und es GEHT auf's Gewissen!
Also wirkt es auf jeden Fall irgendwie.

Da spielt halt schon oft der eigene Stolz mit, weil man keine Schwäche oder einen Fehler zugeben will. Das ist menschlich, aber wenn man sich verletzt fühlt und dies auch sagt, dann ist das genau so menschlich.
Wenn ich jetzt zu meiner Schwester sage: "Hey, das verletzt mich jetzt, was Du da sagst!", dann konfrontiere ich sie mit ihren eigenen Worten. Das IST eine Konfrontation, denn ich habe den Ball wieder zu ihr zurück geworfen.
Jetzt kann sie zu mir abschätzend sagen: "Quatsch! Das IST so, wie ich sage! Wenn Du Dich verletzt fühlst, bist Du selber Schuld!"
Daraufhin kann ich wiederum sagen: "Quatsch! Verletzende Worte kommen von DIR, also hast DU ein Problem! - ICH sage Dir nur, dass mir das weh tut, was Du sagst!"
Kleines Ball-Spiel (grins!)!

Ja, Jutta, so wie Du schreibst; Du hast bei Deinem Bruder alles mögliche versucht, bist direkt auf Konfrontation gegangen, das ist super! Es hat zwar nichts genützt bei IHM, aber es hat was genützt bei DIR. (Doch, bei IHM auch ein bisschen, aber da ist er wohl noch nicht so weit, um das zugestehen zu können!) Und so kann man sehen, dass es nicht an einem selber liegen muss, sondern am anderen. Indem man "versteht", dass der andere da seine Probleme hat, und dass es eigentlich gar nichts nützt, wenn man da noch lange kämpft (man kann den anderen ja nicht ändern), so kommt man zu dem Punkt, wo einem der andere "Leid" tut, und wo man dann auch plötzlich vergeben kann.

Hmja, wir Frauen suchen eh oft die "Schuld" immer zuerst bei uns selbst. Das ist zwar toll, aber es kommt dann auch mal vor, dass wir darin stecken bleiben in diesem Schuldgefühl. Wir können uns dann gar nicht mehr vorstellen, dass da auch andere eine Schuld tragen könnten.

Conny, wenn Du es mit dem "Aufschreiben" probierst, solltest Du dabei vielleicht nicht an "Gefühle" denken, sondern es einfach mal planend "sachlich" hinschreiben. Die Gefühle kommen dann nämlich von selbst. - Ich denk mir das jetzt gerade so, wenn Du schon Mühe mit Gefühlen hast.
Wut und Groll zu "fühlen" ist aber sicher schon mal gut, das stimmt. - Hast Du schon mal versucht, die Wut und den Groll ... irgendwo "sportlich" raus zu lassen? Das hilft manchmal auch. (Deswegen habe ich mir letztes Jahr einen Boxsack angeschafft! Grins! Ah, ich sage Dir, das tut guuuuut!)
Aber wie gesagt, versuche das "Aufschreiben" mal ohne Gefühle. Das könnte dann so aussehen:
Eine Überschrift mit:
"Vater hat dies getan!"
Eine Überschrift mit:
"Ich habe so reagiert!"
Eine Überschrift mit:
"SO nicht mehr!"
Und darunter kannst Du dann alles raus lassen, was Dir gerade einfällt. Sachlich. Die Gefühle mischen eh immer mit. Aber denk einfach nicht daran. Du wirst Deine Gefühle dann trotzdem kennenlernen. Davor brauchst Du keine Angst zu haben, denn das was Du JETZT spürst, ... ist viel hässlicher als die anderen Gefühle.
Wut und Groll braucht es zwar, aber sie sind hässlicher als Enttäuschungs-Schmerz und Liebe. Mit Enttäuschungs-Schmerz kann man umgehen, denn da erkennt man, dass ja der andere "schuldig" ist, und dass der andere Probleme hat. So wie Jutta oben es von ihrem Bruder beschrieben hat.
Man braucht es nicht unbedingt zu "verstehen", WARUM der andere Probleme hat, aber man kann dann ... naja, Mitleid empfinden. Und da ist der Schritt zum Verzeihen nicht mehr weit entfernt.

Hui ja! Ich profitiere ebenfalls von diesem Gespräch hier. - Nur schon die Worte hier hinzuschreiben, hilft, die Gedanken klarer zu sehen. - "Die Wüste der Gefühle"! Grins! Jutta, bei mir ist's ein URWALD!
Bis späterchen, Ihr Lieben.
Es grüsst Euch die
"krasse" Brigitte

17.04.2003, 12:24
Hallo Conny,


der Gedanke dass ich meine Wut garnicht loslassen will ist mir auch schon gekomen. In unserer Familie haben die negativen bzw. destruktiven Gefühle immer mehr Platz gehabt. Es ist ja auch schwieriger, weil man sich verletzlicher macht, Gefühle wie Enttäuschung, Liebe, Traurigkeit usw. zu zeigen. Stattdessen lieber "schimpfen" oder durch Rückzug d.h. Liebesentzug strafen.... Ich bin noch nicht soweit dass ich mich meinem Vater gegenüber so öffnen kann, d.h. evtl. wäre ich soweit aber ich sträube mich noch mit Händen und Füssen, obwohl ich eigentlich weiss dass es auch eine Befreiung sein würde.

Vielleicht müssten wir mal weinen, über all die entfremdeten Jahre, über die Krankheit meines Vaters... aber oh Gott welche PEINLICHKEIT "das tut man doch nicht", meckern ist OK aber doch nicht WEINEN......
Ich bin ja so FROH dass ich meinen Therapeuten habe aber im Moment kann ich das was wir da besprechen noch nicht umsetzen. Hast Du schon mal über eine Therapie nachgedacht?

Ende letzten Jahres hatte ich wirklich eine Sternstunde bei meinem Therapeuten. Wir sprachen über meinen Vater und ich zog mal wieder die alte Leier ab: kümmert sich nicht um seine Enkel, ist oberflächlich, hat sich (ausser finanziell) nie so richtig gekümmert, er KENNT mich garnicht richtig und es interessiert ihn auch immer alles nicht, hört nicht zu, blablabla,.... das sollte auch gegenüber meinem Vater die "grosse Abrechnung" werden, da er damals gerade aus dem KH kam wollte ich ihn wieder auf die Beine kommen lassen, ABER DANN..... Mein Therapeut fragte mich ganz ruhig was mir das bringen würde... ich nur ja äh..... drucks rum, natürlich nicht wirklic etwas, ausser Dampf ablassen, ..... aber ich verstand dass uns ja nicht weiterbringen würde. Ich haderte trotzdem weiter damit dass mein Vater sich nicht ändert, dass alle Bemühungen nichts bringen.... da sagte der Therapeut ich hätte nur die Wahl ihn so zu akzeptieren wie er ist, er sei Mitte/Ende 60 und WERDE sich nicht mehr ändern. Ich könnte nur versuchen ihm mitzuteilen was ich denke und fühle, ihn mal einzuladen wenn ich es will oder Treffen mit den Kindern zu arrangieren... aber er meinte wenn ich erwarte mein Vater könnte meine Gedanken lesen und sich dann meinen Erwartungen entsprechend verhalten, dann würde sich nichts ändern. Da habe ich plötzlich wirklich glasklar gesehen es liegt an meinen Erwatungen, d.h. er sollte möglichst so sein wie ich es erhoffte, aber so ist er nicht und wird es nie sein. Und für ein paar Monate war es für mich jetzt wirklich GUT, ich konnte innerlich ganz gelöst locker auf seine sattsam bekannten polemischen Äusserungen gegen Gott und die Welt reagieren (früher hat mich das immer auf die Palme gebracht), ich habe ihn mit meinem Sohn verabredet, und insgesamt hatte ich das Gefühl eine grosse Last sei von mir gewichen...

Na schön es hat ein paar Monate gehalten... wäre wohl auch zu einfach gewesen wenn knapp 40 Jahre damit so einfach "gelöst" wären.... aber ich habe daraus gelernt dass ich mit meinem Standpunkt eigentlich alles beeinflussen kann, nicht wie er sich verhält, aber wie ich damit umgehen kann. Ich hoffe, dass ich bald dazu zurückfinde. Ich weiss es geht nicht anders als auf ihn zuzugehen, mein Vater ist in persönlichen Dingen so feige, früher habe ich ihn dafür verachtet aber jetzt denke ich eigentlich nur er KANN ES EBEN NICHT.

Mein Leitsatz seit einigen Monaten - es ist schwer immer danach zu leben bzw. die Dinge so einzusortieren - ist banal, aber für mich sehr hilfreich: ES IST WIE ES IST. Aber WENN ich es schaffe wirklich zu akzeptieren dass etwas ist wie es ist, dann fühle ich mich immer gleich viel leichter ums Herz. Das soll ja keine Gleichgültigkeit oder Resignation sein.... nur das Leben zu aktzeptieren wie es ist.... das ist eines meiner Ziele für die Therapie, denn viele meiner Ängste und Schwierigkeiten kommen daher dass ich das bisher nicht kann. Aber ich lerne....

Puuh wie lang....
Alles Gute
Kerstin

18.04.2003, 00:29
Ihr lieben Grüblerinnen...:-)
vielen Dank für eure Zeilen und die guten Ideen. Ich muss schon ehrlich sagen, mit diesen Themen habe ich mich lange nicht mehr so intensiv befasst. Hab ja im Moment auch keinen "aktuellen" Druck - oder vielleicht doch...?

Ja, ihr habt recht, das Thema Gefühle zeigen oder auch darüber zu schreiben, fällt mir schwer. Wenn ich hier darüber schreibe, bin ich schon ganz schön am Zittern. Deshalb finde ich Deine Idee, Brigitte, eher sachlich zu schreiben ziemlich gut. Werde das in einer ruhigen Stunde mal probieren.
Als ich die 3 vorgeschlagenen Überschriften von Dir gelesen hab, lief es mir kalt den Rücken herunter und ich merke schon, dass ich da wohl noch einiges für mich tun muss und einiges zu bearbeiten habe.
Ich denke auch, dass ich ganz gerne noch in meiner Abgrenzung durch Zorn und Wut bleibe, denn da spüre ich den darunterliegenden Schmerz, vor dem ich wahnsinnige Angst habe, nicht so sehr. Wie haltet ihr den Schmerz aus?

Jutta, Deine beiden Definitionen von Vergeben und Verzeihen finde ich gut. Aber ich stelle fest, dass die Menschen, denen ich zu verzeihen hätte, ihre Schwächen nicht eingestehen oder gar daran arbeiten. Allerdings habe ich auch die Konfrontation bisher nicht gewagt.

Ich hatte mit meinem Bruder auch mal ein sehr offenes Gespräch, in dem ich mich sehr geoutet habe. Ich hatte danach ein richtiges Hochgefühl und dachte, oh, jetzt haben wir eine neue Basis, aber wie bei Dir, Jutta, kam auch bei mir nicht mehr viel dabei raus. Wahrscheinlich sind da unsere Erwartungen zu groß. Wenn ich darüber nachdenke, muss ich ja auch sehen, dass mein Bruder auch so erzogen wurde, Gefühle wegzuschieben und vielleicht sogar abzuspalten. Ich versuche zu akzeptieren, dass er nicht soweit ist wie ich und sich nicht mit den alten Geschichten befassen möchte.

Dein Beispiel mit der Anklage hat mich zum Schmunzeln gebracht. Mir hat es sehr geholfen, als ich für mich klar hatte, dass mein Vater ein Verbrechen begangen hat und ich ihn dafür hätte anzeigen können. Das war für mich damals ein kleiner Durchbruch. Ich hab mir da viele Gedanken gemacht, aber im Endeffekt hätte es mir nicht wirklich weitergeholfen, ihn vor den Richter zu bringen. Vielleicht wäre es eine Rache gewesen, ich konnte es aber nicht.

Brigitte, Boxsack ist spitze! Ich versuch es auch mit sportlichen Aktivitäten, gehe einigermaßen regelmäßig ins Fitness-Studio oder auf meinen Heimtrainer. Da hast Du recht, man bekommt wirklich den Kopf wieder frei...:-)

Hallo Kerstin,
ich mache seit ca. 3 1/2 Jahren Therapie, ohne die wäre ich wahrscheinlich damals völlig "abgedreht". Bei mir kamen zu dem Zeitpunkt einige Katastrophen zusammen, da konnte ich nicht mehr. Die erste Zeit gings da nur ums Überleben, mittlerweile komme ich ganz gut mit meiner Vergangenheit zurecht, natürlich immer wieder mit Rückschlägen.

In meiner Familie war auch der Liebesentzug ein beliebtes Mittel meines Vaters, uns zum Funktionieren zu bringen. Wie ich oben schon beschrieben habe, habe ich meine Gefühle weitgehend abgespalten und hatte lange keinen Zugang zu ihnen. Da hat man halt viele Jahre Arbeit, bis man diese "Gehirnwäschen" wieder aus dem Kopf rauskriegt.
Ich habe auch in der Therapie die Erkenntnis gewonnen, dass man Menschen nicht verändern kann, sondern sie so akzeptieren muss wie sie sind.
Ich ziehe es bei einigen üblen Exemplaren (die, die mir wehtun) vor, den Kontakt möglichst auf ein Minimum zu reduzieren. Und versuche mir immer wieder klarzumachen, dass ich nicht mehr die gute Tochter sein muss. Hatte schließlich auch keine guten Eltern. Ich arbeite eher daran, mal etwas böser zu werden... ist aber sehr schwer und gelingt mir nur schlecht. Und das, was für mich "böse" ist, ist für andere normal...:-)

Zu den Erwartungen. Klar, dass Du Erwartungen an Deinen Vater hast, die er natürlich nicht kennt. Das ist einfach so. Wahrscheinlich bei jeder Beziehung. Und die erfüllen sich ja in den seltensten Fällen. Aber für mich stellt sich die Frage, wie lange will ich mich noch verletzen lassen? Was ist für mich gut? Was sollte ich tun, damit es mir gut geht? Dann befreist Du Dich auch ein Stück von den Erwartungen.

Und ich habe festgestellt, dass es mir eben überhaupt nicht gut tut, mich mit meinen ignoranten und egoistischen Eltern zu umgeben. Auch wenn es hart klingt, mir geht es besser so. Auch wenn mein Vater inzwischen gestorben ist. Das sind halt meine Erfahrungen.
Ich versuche auch einfach nur, zu akzeptieren was ich nicht ändern kann. Aber ich arbeite daran, mich noch ein bißchen zu ändern.
Sorry, sollte eigentlich nicht so lang werden.

Ihr Lieben, ich wünsche Euch eine gute Nacht mit reichlich Schlaf...
Brigitte, wenn es bei Dir ein Urwald ist, was ist es dann bei mir??:-)
Einen dicken Drücker an Euch alle,
Conny

20.04.2003, 20:38
Hallöchen Ihr Lieben,
jetzt weiss ich nicht, ob jemand von Euch an diesen Ostertagen hier rein schaut, aber ich schreibe Euch trotzdem, denn bestimmt guckt Ihr dann nach Ostern wieder nach.

Liebe Kerstin, Du hast Deinen letzten Eintrag wunderbar offen geschrieben, da hab' ich gleich gedacht: Woaw! So nahe gingen mir Deine Worte.
Sie sind so ... erkennend, hm-hm! Ja, versuche das beizubehalten, dass Du mit Deinem "Standpunkt alles beeinflussen" kannst, das hast Du sehr schön gesagt. Und eben auch getan. Du warst da völlig auf dem richtigen Weg, aber eben manchmal kommt halt der "alte Standpunkt" wieder hervor, kaum passiert was, und dann fühlt man sich wieder gleich "weit" wie früher, gell?
Doch wenn Du erlebt hast, dass dieser "neue Standpunkt" Dir geholfen hat, dann ist dies ja der richtige Weg, und einem zweiten Versuch steht ja nichts im Wege, ausser Du Dir vielleicht selbst.
Versuche es nochmals so, Kerstin, ich finde das super!


Ich habe da wieder mal in meinem "Urwald" (Wüste der Gedanken) rum geforscht, und etwas an mir selber entdeckt. Hui ja!
"Rumforschen" im eigenen "Urwald" oder in der "Wüste" schadet übrigens nicht, denn es hilft einem, wenn man es ganz sachlich versucht. Aber das "Sachliche" ist die Bedingung dazu.
Genau darum geht's.
Als Beispiel: Wenn ich jetzt über irgend ein Erlebnis, das mich sehr enttäuscht, das mich sehr verletzt hat, nachgrüble, dann spielen da ja immer die Emotionen, die ganzen Gefühle mit. Der Schmerz darüber scheint da gar nichts anderes zuzulassen als Gefühle.
Also kommt da dann irgendwann bald mal die Wut und der Groll. Nicht nur über das Erlebnis selber, sondern auch darüber, DASS man diesen Schmerz fühlt. Logisch.
Die Wut und der Groll "überdecken" den Schmerz - scheinbar - aber eigentlich ist der Schmerz noch immer da.

Jetzt gibt's da diese "Urwald"-Entdeckung, die ich gemacht habe, und eigentlich war die schon immer da, ich habe sie auch oft angewendet, aber eben nie wirklich bewusst.
Es geht in etwa so: Wenn ich mich in einer schwierigen Verletzungs-Situation befinde, kann ich mich NUR raus wurschteln, ... wenn ich in aller Ruhe darüber nachdenke, wenn ich in mich kehre, und versuche, auf mein Herz zu hören. Dabei versuche ich, sämtliche "Gefühle" und "Emotionen" mal vorsichtig zur Seite zu schieben, und mich und meine Situation einfach ganz sachlich zu sehen, so, als wäre ich ... ein Fremder!
Ein Fremder, der diese Verletzungs-Situation ganz sachlich und nüchtern betrachtet.
Der Fremde betrachtet dann ALLE Seiten. Nicht nur jene von mir, sondern auch jene des anderen, der mich verletzt hat.

Dieses "Fremd-Betrachten" wirkt. Denn es ist in etwa so, als würde ich jemandem anderen zuschauen. - Wie man ja weiss, ist es immer einfacher, anderen zuzuschauen und ihnen gute Ratschläge zu geben. Aber meist sieht man da eben als "Dritter" die Dinge viel sachlicher, viel besser. Das Urteilsvermögen kann Dinge sehen, die der Einzelne beider Parteien vielleicht nicht sieht, weil jeder in seinen Gefühlen drin steckt.

Genau so versuche ich dann also, MEINE Situation als "Fremder" zu sehen, betrachte hier und denke da nach, ... und da kommt man dann auf erstauntliche Ergebnisse, auf Erkenntnisse, die man vorher gar nie so hatte! Plötzlich sehe ich, dass z.B. der andere, der mich verletzt hat, einen bösen Fehler gemacht hat, und ... naja, vielleicht habe ICH das dann auch zugelassen? - Da gibt's viele Möglichkeiten des Erkennens, aber dieses "sachliche" Erkennen - WENN man in Ruhe darüber nachdenkt, OHNE Gefühle - zeigt einem viele mögliche Seiten auf, die man noch nie so gesehen hat.

Genau so habe ich es jetzt auch mit diesem "Urwald"-Nachdenken gemacht, dass ich überhaupt auf diese Erkenntnis gekommen bin. Das heisst nicht, dass ich ALLE Gefühle einfach so weglasse, oder verdränge. Nein, NUR für einen ruhigen Moment, für den Moment des Nachdenkens.

Damit quäle ich mich überhaupt nicht, damit tue ich mir nicht weh, und wenn ich dabei entdecke, dass ich etwas falsch gemacht habe, so werde ich es eben sachlich zur Kenntnis nehmen und es beim nächsten mal besser machen können.
Und wenn ich entdecke, dass andere etwas falsch gemacht haben, so werde ich auch dies sachlich erkennen können, und werde es vielleicht sogar auch verstehen, um besser damit umgehen zu können.


Das geht mit dem Umgang mit dem Schmerz so, liebe Conny.
Ich weiss, meine Worte klingen hier jetzt vielleicht superschlau oder was weiss ich, aber glaube mir, ich hab' das auch nicht dauernd so im Griff, wie es vielleicht scheinen mag. Ich bin da auch auf einem Weg des Grübelns und des Nachdenkens, stecke hier und da noch in meinen eigenen Emotionen drin, wo ich glaube, nicht raus zu kommen.
Aber ich habe diese Tage entdeckt, dass ich offenbar öfters schon diese "Fremd-Betrachtung" bei mir gemacht habe, und dann hatte ich hinterher die "Sache" viel besser verstanden. Ich konnte besser damit umgehen.
Oftmals habe ich diese "Fremd-Betrachtung" eben schriftlich gemacht. Tagebuchmässig. Das hilft auch.
Ich schätze mal, es ist auch ein bisschen eine Übungssache.
Die Dinge sachlich zu sehen, kann man in der Form des Aufschreibens eher schaffen. Das klappt nicht immer, aber je öfter man es tut, um so besser hat man den sachlichen Überblick gewonnen.

Vielleicht ist es auch eine Gedanken-Anregung für Euch? So als kleines Oster-Geschenk? (Grins!) Also ich persönlich werde es nach dieser eigenen Erkenntnis jetzt ein bisschen mehr so versuchen. Irgend was ist da dran! Ich spüüüüüüre es!

Ich grüssele Euch alle ganz lieb,
wünsche Euch noch einen schönen Ostermontag, viele kleine Häschen und bunte Eier, und natürlich gaaaaanz viel Sonnenschein!

Die "krasse" Brigitte

21.04.2003, 07:22
Schönen Ostermontagmorgen,

wie so üblich, gehen diese "Gespräche" hier sehr mit mir um, und dies das ganze Wochenende über. Ganz besonders seit ich erfuhr, dass meine Brüder unsere Tradition sich am Ostersonntag zu treffen nun alleine durchziehen. Der blöde Zufall, wie so des öfteren, im Gemüseladen erzählte mir die Chefin von dem tollen Essen, das mein großer Bruder mit der "FAMILIE" vor hat, und dass ich mich schon darauf freuen könnte (wir kaufen im selben Laden).
Tja, da ging erst einmal der Kinnladen runter, der Stich traf.
Aber anders als vorher. Es tat nicht mehr weh! Ich fand es nur noch schade, dass sie so ein Verhalten an den Tag legen.
Es ist ihr Verlust, nicht mehr meiner.

Aber ich glaube, der Schmerz geht um so vieles tiefer, wenn es sich um ein Elternteil handelt, dessen Akzeptanz, Liebe und Anerkennung man verzweifelt versucht hinterher zu rennen.
Denn unsere natürliche Erwartung ist, unsere Eltern sind da um uns zu beschützen, uns durch das Leben mit all der Liebe und Geborgenheit zu begleiten. Auch wenn wir es im Erwachsenenalter rationell nachvollziehen können, dass sie ihre Schwächen haben und nicht DIE Helden sind, welche man sich wünscht. Das Gefühl nicht geliebt zu werden, bewußt Schmerz zugefügt zu bekommen, dieses Gefühl zu realisieren, akzeptieren und zu lernen damit umzugehen muß das größte Gebirge, die breiteste Wüste und der dichteste Urwald sein den man vor sich hat.

Ein Gefühl sachlich anzugehen ist der beste Ansatzpunkt, aber diesem Ansatzpunkt des starken Gefühles eine Chance zu geben ist nicht leicht. Da sitzt der Knoten, der erst platzen muß.

Man sollte sich fragen, WAS habe ICH davon mich von diesem Gefühl so beeinflußen zu lassen, dass ich mich vielleicht schon darin wohl fühle und WARUM? WAS halte ICH auf, wenn ich diesen Knoten nicht platzen lasse? WAS passiert, wenn ICH es zulasse? WOVOR habe ICH Angst? Und WAS gewinne ICH für mich? Ich glaube, dass hier die persönliche "Leidensgrenze" ein unheimlich große Rolle spielt. Wie seht Ihr das??

Dabeben zu stehen, und diese Fragen hypothetisch zu beantworten ist vielleicht ein Weg. Sei es nun hier, auf einen Block oder nur gedanklich, liegt wahrscheinlich in der eigenen Persönlichkeit, wie man mit Dingen allgemein umgeht, oder wie man es gelernt hat damit umzugehen. ODER???

Steinchen für Steinchen
Sandkorn für Sandkorn
Baum für Baum
wünsche ich Euch die Fähigkeit und vor allem den Mut jeden neuen Tag zu beginnen.

ganz liebe Grüße,
Jutta

21.04.2003, 09:13
Mörgelchen Jutta,

ja, so in etwa meine ich es auch. All jene Fragen, die Du oben aufgeführt hast, gehören zum "sachlichen" Denken, oder man kann auch sagen, so wie wir hier unsere Gedanken aufführen, sind es auch sachliche Gedanken.
(Sind übrigens gute Fragen, die Du aufgezählt hast.)

Das mit dem "sachlichen" Denken meine ich nicht so, dass man sich hinsetzt, und einfach einen "Schalter" drücken kann, um die Gefühle abzuschalten. Und natürlich ist es individuell verschieden, in welcher Form man das machen kann. Vielleicht mag es der eine lieber, wenn er es in einer Art Medidation macht? Immer wieder?

Bei mir klappt's eben noch recht gut mit dem Schreiben. Aber bei mir liegt das Schreiben eben wohl auch so "im Blut", daher "fliesst" das schon mal recht gut.
Ich mache es meist so: Wenn mich eine Enttäuschung ernsthaft quält, ... dann schreibe ich das ganze Erlebnis einfach mal auf. Ins Tagebuch. Ich "erzähle" es meinem Tagebuch. Haarklein. Genau so wie ich es erlebt und empfunden habe. Mit meiner ganzen Wut und meinem ganzen Geschimpfe! (Boh-eh, das darf ich NIE jemandem in die Hände geben! Grins!)
Das ist hier natürlich noch kein "Ausschalten" der Gefühle, sondern einfach ein "raus lassen", mit allen Empfindungen.
Und NACH diesem "Erzählen" fühle ich mich dann oftmals etwas erleichtert, auch wenn das Problem noch nicht verschwunden ist.
Aber meine Verletzung ist ja natürlich noch immer da, die ist nicht weg. Also beschäftigt es mich noch immer, und ich wälze mich noch immer in meiner Wut und meinem Schmerz.
Also gehe ich später nochmals hinter mein Tagebuch, und schreibe meine neuen Gedanken auf, jenes, was mir hinterher AUCH noch in den Sinn gekommen ist, durch die Wut, durch den Schmerz.
Das ist WIEDER kein "Abschalten" der Gefühle, aber das macht nichts.

Jetzt kann ich das zwei oder dreimal so ins Tagebuch schreiben, irgendwann gehen mir die "Gedanken" aus, weil ich alles, was mir einfiel, ja schon aufgeschrieben habe.

Also lese nochmals alles durch. (Durch das "Rauslassen" konnte ich ein bisschen Luft schnappen und Abstand vor dem Problem gewinnen.) Beim Durchlesen jedoch merke ich, dass da WIEDER die Gefühle, die Wut und der Schmerz hochkommt. Aber ... da kommen plötzlich neue Fragen auf. Nämlich genau jene, die Du Jutta, oben aufgeführt hast. (Oder so ähnliche. Vielleicht auch nur einzelne.)
Jetzt kann ich mich schriftlich mal mit EINER Frage beschäftigen und schreibe DAZU meine Gedanken auf. Z.B. die Frage: "Wovor habe ich eigentlich Angst?"
Dabei merke ich plötzlich, ... dass ich viel "sachlicher" werde! Ich konzentriere mich auf diese Frage und "entdecke" noch ganz anderes, was mir vorher beim "Erzählen" gar nicht aufgefallen ist.
Ich kann da nämlich auf die Frage "Wovor habe ich eigentlich Angst?" sachlich antworten: "Naja, ich habe Angst vor diesen ewigen weiteren Verletzungen und dass sich nie was ändert!"
Darauf kann ich mir die nächste sachliche Frage stellen: "Was kann ich tun, damit es aufhört?"
Hier suche ich dann ganz automatisch und sachlich nach Lösungen. Ich fange an (schriftlich) aufzuzählen, das ich dies tun könnte, oder jenes ...

Das muss nicht bedeuten, dass sich gleich ALLES ruckzuck ändert, aber es ist ein guter Weg.
Wenn dann ein bisschen Zeit verstrichen ist (wobei ich dann sagen darf, ich habe mich schon mal intensiv mit meinem Problem beschäftigt), ... so merke ich eines Tages, dass ich diese Situation auch mal aus der Sicht eines "Fremden" ansehen kann. (Eventuell, wenn ich später wieder mal diese Tagebuchseiten durchlese.)
Dabei fällt es mir dann viel leichter, mir vorzustellen, ich wäre ein "Dritter", ein "Fremder", welcher diese Situation betrachtet. Und dabei geht es dann NOCH sachlicher zu! - Hier habe ich die Chance zu erkennen, zu verstehen, und auch ... zu verzeihen.

Weisst Du, wie ich meine? Es ist ein "langsames" Übertreten in die Sachlichkeit. - Deswegen ist es mir nie richtig bewusst geworden, DASS ich es überhaupt tue.
Und wenn man EINMAL mit einer "sachlichen" Sicht angefangen hat, fällt es einem leichter, es beim nächsten mal genau so zu machen.

Steinchen für Steinchen, ... genau so, wie Du sagst, Jutta. ;-)

Aber auch wenn man sich oft mit den "Problemen" seiner Mitmenschen beschäftigt, lernt man irgendwie diese "Sachlichkeit". Damit meine ich nicht, dass man sich da bei anderen "einmischen" muss, aber wenn man es übt, und sich über die Probleme anderer in Ruhe seine Gedanken macht, so kann man diese Sachlichkeit sehr gut üben.
Sachliches Nachdenken über zwei Menschen z.B., die grosse Probleme miteinander haben. Natürlich kann ich niemals ALLES zu 100% von den beiden wissen, aber ich versuche, OHNE Vorurteile die Situation der beiden einzuschätzen.
Vorurteile dürfen nicht da sein. Die stören sofort jedes sachliche Denken. Vorurteile kommen wieder von den Gefühlen her.
Und dann versuche ich, eine Lösung - ganz für mich alleine in Ruhe - für die beiden zu finden. Das ist sachlich.

Das ist auch ein guter "Einstieg" für die eigenen Probleme, die man hat.


Hui, meine sachliche Philosophie am Ostermontag!
Was meinst Du dazu, Jutta?

Liebe Ostergrüsse an Euch alle
von der "krassen" Brigitte

21.04.2003, 11:40
Einen schönen guten Morgen Euch allen,
puh, das ist ja ein Thema....

Nicht lachen, oder den Kopf schütteln, ich werfe jetzt mal einen ganz banalen Spruch in den Raum:
FREUNDE KANN MAN SICH AUSSSUCHEN, FAMILIE LEIDER NICHT!!
Aber sind die Menschen aus unseren Familien anders, als Freunde? Was erwarten wir denn, nur weil sie zur Familie gehören, müssen sie sich anders verhalten, als, ich sag mal, Fremde?
Bei Freunden und Bekannten fällt es uns leicht, den einen oder anderen Kontakt einfach fallen zu lassen, wenn uns dieser nicht paßt, es sei denn, es liegt uns sehr sehr viel an diesem Menschen, dann versuchen wir, alles irgendwie wieder ins Reine zu bringen. Dann ist da noch die Enttäuschung. Selbst wenn uns viel an einem Menschen liegt, sind aber so sehr von ihm enttäuscht worden, überlegen wir da nicht, ob wir diesen Kontakt nicht besser beenden?
Warum sind wir nicht in der Lage, dies auch innerhalb unserer Familien so zu tun?
Was verpflichtet uns, immer und immer wieder zu versuchen, einzulenken und uns jedes Mal zu ärgern, dass es nicht funktioniert?
Ich selbst habe 2 Schwestern. Da ist ein sehr großer Altersunterschied. Die eine ist 14 Jahre älter, die andere 9 Jahre. Alle drei leben wir jeweils in einer anderen Welt. Besonders mit der älteren Schwester verbindet mich fast nichts. Wir haben das ganze Jahr über fast keinen Kontakt. Früher war es so, wenn wir uns sahen, dass sie mir immer wieder vorhielt, doch das verwöhnte Nesthäkchen zu sein, während sie in meinem Alter und als Älteste zu Hause viel arbeiten musste. Wie gut ich es doch im Gegensatz zu ihr hätte. Dies führte sie auf alles zurück, was ich erlebte. Und immer wieder ihre Eifersucht (ich bezeichne es so). Egal, was ich tat, wie ich meine Kinder erzog, als ich mich scheiden ließ, wie ich dann anschließend mein Leben allein mit den Kindern gestaltete, immer wieder hatte sie etwas zu bemängeln. Und zwar hörte ich dies immer von meiner Mutter, nie von ihr selbst. Ich habe mich jedes Mal dermaßen darüber geärgert, dass ich meine Mutter bat, mir nichts mehr zu erzählen. Ich habe mich abgeschottet, nicht mehr so funktioniert, wie es von mir erwartet wurde. Bei Familienfesten wurde aufgetischt ohne Ende und meine beiden Schwestern versuchten, sich gegenseitig zu übertrumpfen. Ich wollte und konnte das nicht mehr, finanziell schon mal gar nicht. Also distanzierte ich mich von solcher Art Familienfeiern. Und schon war ich die Böse. Niemand hat verstanden, worum es eigentlich ging. Mein Motto war und ist es noch heute:
WENN ICH JEMANDEN BESUCHE, DANN TUE ICH ES, WEIL ICH DIESEN MENSCHEN MAG UND NICHT, UM MICH BEI IHM SATT ZU ESSEN, DAS KANN ICH ZU HAUSE.
Was ich eigentlich sagen will: Der Ärger war schon vorprogrammiert, wenn ich wusste, dass ich auf meine ältere Schwester treffen werde.
Nach und nach habe ich mich zurückgezogen, um mich selbst zu schützen. Wenn ich von ihr nichts höre und sehe, geht es mir gut und ich muß mich nicht ärgern. (Übrigens geht es mir bei anderen Angelegenheiten inzwischen genauso. ) Ich sehe einfach nicht mehr ein, mir Ärger und damit Probleme einzuhandeln, denen ich aus dem Weg gehen kann. Leben und leben lassen. Es gibt genug anderes, dem ich nicht entgehen kann und mit dem ich mich einfach auseinandersetzen muß.
Umso mehr war ich überrascht, als meine Schwester und mein Schwager bei der Trauerfeier von Heinz auftauchten. Ja, ich habe mich darüber gefreut. Als ich später anfing, darüber nachzudenken, kam ich zu dem Schluß, sie hat ihn gemocht, er passte ihr in „den Kram“ und damit die Hoffnung verbunden, dass aus mir ja vielleicht doch noch mal was „Anständiges“ wird. Das mag jetzt vielleicht ungerecht sein, aber nach all den Jahren kann ich nichts anderes denken. Es mag auch sein, dass sie sich geändert und mehr Verständnis für mich hat, aber ich lasse sie einfach nicht mehr an mich heran.
So lasse ich es jetzt mal stehen. Ich kann mich nicht so gut im allgemeinen ausdrücken und führe lieber Beispiele an.
Ich hoffe, Ihr versteht, was ich damit sagen will.

Liebe Grüße
Mucki

21.04.2003, 13:13
Hallo Mucki,

das sind leider Themen, die nicht so gerne angesprochen werden, aber warum sollen wir "heile Welt" vormachen, wenn uns so manches ganz arg zu schaffen macht?? Ist jetzt nicht böse gemeint!!

Deinen Satz las ich vor einiger Zeit auch, und setzte mich ganz intensiv damit auseinander. Das war in der Zeit nach dem Tod meines Vaters, als ich schon die "Schuld" meiner Brüder aufgelastet bekam, da ich meine Mutti zu uns ins Haus ziehen ließ.
Ich war auch das Nesthäkchen, und anders. Ich habe mir viel mehr Freiheiten genommen, als meine Brüder. Ich habe meinen Vater und meine Mutter zur Debatte gebeten, wenn ich etwas nicht einsehen konnte/wollte usw., meine Brüder nicht. Die Liste der Vorwürfe, welche ich die letzten Jahre habe über mich ergehen lassen, würde den Rahmen sprengen. Für mich ein unvergesslicher Vorwurf: "Meine Mutter wollte meinen Mann und mich an ihrer Seite bei der Beerdigung meines Vaters!! Das hätte ich unterbinden müssen, denn dies wäre der Platz für die Söhne gewesen!!" Ich habe mit ihr fast ein Jahr lang meinen Paps begleitet, mein Mann übernahm es am Wochenende, meine Brüder schneiten ab und an mal zum Kaffee vorbei. So auch jetzt bei meiner Mutter, ich sah meine Brüder vielleicht 10x in der Zeit von 8 Monaten.

Ich dachte auch nach dem Tod meines Vaters, Schwamm drüber, sie konnten vielleicht nicht so mit der Leidenszeit umgehen. Und habe immer wieder versucht, einen halbwegs "normalen" Kontakt zu behalten. Ich machte immer wieder den ersten Schritt, bis mir eines Tages klar wurde, es ist so etwas von OBERFLÄCHIGES, das möchte ich nicht mehr. Auch wie bei Dir Mucki, ich war der Treffpunkt ihrer Kritik, Eifersucht, und Herumgemäkele.

Aber ich mußte MEINEN Schmerz erst begreifen, verarbeiten und damit klarkommen, denn gerade mein ältester Bruder hatte in meinem Herzen einen sehr hohen Stellenwert.

Jetzt nenn ich mich einfach WAISENKIND meiner Eltern, damit komme ich gut klar. Ich konzentriere meine Kraft und Zeit in Menschen, die mir nahe stehen, und MICH SELBST.

Ich bin auch ein Beispielsmensch, kann mich auch nicht so gut artikulieren wie Brigitte. Und hoffe immer, dass mein Gegenüber versteht, was ich sagen möchte.

so, bis zum nächsten Eintrag,
Jutta

21.04.2003, 13:32
Hi Mucki,
ich komm noch mal hier, aber nachher mach ich Pause für heute (grins!). (Der "Urwald" muss zwischendurch ein bisschen schlafen, hihi!)

Ja, was Du so erzählst, erinnert mich doch seeeehr an meine Schwester!
Stimmt schon, was die Familie betrifft, so kommen Verletzungen viel stärker an einen ran. Die Familie "kennt" man auch ganz genau, und auch DIE kennen einen sehr gut, mit allen Stärken und Schwächen. Dann kommt da noch die Liebe hinzu, gewollte und auch abgewiesene; also diese Menschen stehen uns halt schon sehr nahe.
Das selbe empfinde ich bei meiner Schwester. Da ist eine Schwesternliebe da, aber meine Schwester ist eben so völlig anders als ich, so dass wir uns wohl nie richtig verstehen werden.
Gerade WEIL sie meine Schwester ist (und ich ja nur eine einzige Schwester habe), kommt da das Bedürfnis, Friede miteinander haben zu wollen, dass man sich lieb hat und sich gut versteht.
Wir haben beide die selbe Kindheit durchgemacht, haben beide vieles gemeinsam erlebt, und das "bindet" sehr. Manchmal fühlte ich mich meiner Schwester näher, als jeder anderen Freundin überhaupt.

Aber ... jetzt komm ich wieder mit meiner "Fremd-Betrachtung", ... ich hab' mir auch schon oft gesagt: Wenn jetzt meine Schwester NICHT meine Schwester wäre, so würde ich gar nie eine Freundschaft mit ihr haben können! Weil sie oberflächlich ist, weil sie keine eigene Meinung vertreten kann, weil sie nicht fähig für eine Freundschaft ist, weil sie eigentlich ... (man möge mir den Ausdruck verzeihen) ... richtig hohl ist!
Freunde sucht man sich ja aus, gell? Richtig. Würde ich sie also "fremd" mal kennen lernen, würde ich weniger Interesse an einer Freundschafts-Beziehung mit ihr haben. (Gibt's ja, diese Symphatien und Antiphatien.)

Aber da sie nun mal meine Schwester IST, und dann noch dazu meine einzige, so bin ich an sie "gebunden", oder wie ich das formulieren soll. Gebunden an einen Teil der Blutsverwandschaft, und da kann ich mich drehen und wenden wie ich will, sie ist und bleibt eben meine Schwester.
Jetzt fällt's mir da nämlich auch viel schwerer, einen grossen Bogen um sie zu machen, auch wenn sie mich noch so nervt oder sie mich immer wieder verletzt. Ich kann zwar "Abstand" halten so gut es geht, ... aber familiär gesehen werden wir uns immer wieder im Leben über den Weg laufen, also gibt's da gar keine richtigen Chancen zum "flüchten".
Aber irgendwann, eines Tages, werden wir uns auf jeden Fall wieder gegenüber stehen, am Sterbebett des anderen, und genau DA kommen dann die ganzen Verletzungen, Probleme und Schuldgefühle wieder hervor. Nie ist was geklärt worden, nie wurde darüber gesprochen, aber hier quillt alles wieder wie ein Sprudel hervor. - Und dann stellt sich die Frage, ob man noch Zeit hat, die Dinge miteinander zu klären, ob man noch die Möglichkeit hat, sich in die Arme zu nehmen?

So belasten wir uns aber nur selber unser ganzes Leben lang. Jeder Tag, an welchem wir nichts tun, kann ein verlorener Tag sein. Klingt vielleicht krass, aber ich empfinde es für die Beziehung mit meiner Schwester so. Ich weiss genau, dass etwas geschehen muss, dass ich etwas tun muss, aber ... das Problem ist eben: Sie ist völlig ANDERS als ich!
Ja, wir hatten zwar die gleiche Kindheit, wir sind Schwestern, uns verbindet sehr viel, aber ... das bedeutet nicht, dass wir uns genau gleich entwickelt haben. Sie ist eben SIE, und ich bin ICH. Ich kann sie nicht ändern, mir bleibt eigentlich gar nichts anderes übrig, als sie so zu akzeptieren, wie sie ist. Sie ist - genau so wie ich - eine eigenständige Persönlichkeit, mit Fehlern mehr oder weniger als ich. IHREN Weg des "Wachsens" im Leben kann ich ihr nicht bieten, den muss sie selber gehen.

Das einzige, was ich höchstens tun kann, das ist, mir zu überlegen, wie ich mich vor ihren weiteren Verletzungen schützen kann. Nicht mit blossem Rückzug (das hab ich auch schon mal probiert, aber eben: Unsere Wege kreuzen sich gezwungenermassen immer wieder!), sondern mit dem KÜNFTIGEN Umgang mit ihr! DA muss ich ansetzen!

Weisst Du, wie ich meine, Mucki?

Ich finde übrigens, dass Du Dich gut ausdrücken kannst. Gerade mit Beispielen. Die Beispiele sind ja unsere Erlebnisse.

Darf ich meine "Urwald"-Gedanken hier auch einfach mal so stehen lassen? ;-)
Soweit grüsse ich Dich auch ganz lieb, Mucki, dicken Drücker, ja?
Bis dann!
Liebe Grüsse von
der "krassen" Brigitte

21.04.2003, 13:45
Hallo Jutta,
nein, keine "Heile Welt" vormachen. So habe ich das nicht gemeint.
Ich meine, für sich einen Weg finden, am besten klar zu kommen und es so zu tun, daß es einem selbst einigermaßen gut geht.
Ich habe nie gefragt und darüber nachgedacht, warum meine Schwester so ist. Sie ist von sich und ihrem Leben so dermaßen überzeugt, also bitteschön....
Aber sie soll mich auch so leben lassen, wie ich es für richtig halte und wie ich meine, wie es mir am besten damit geht. Weißt Du, mittlerweile bin ich 53 Jahre und ich fühle mich ihr gegenüber immer noch so, als wäre ich ein kleines Kind. Wahrscheinlich wird das auch immer so bleiben. Aber ich suche keine Konfrontation, habe keine Lust, mich vor ihr zu rechtfertigen und denke mir meinen Teil. Wir haben alle unser "Päckchen" zu tragen und jeder tut es so, wie es am besten für ihn geht.
Im Gegensatz zu Dir, habe ich nie Auseinandersetzungen mit meinen Eltern gesucht. Dazu hatte ich viel zu viel Angst und Respekt vor ihnen, am meisten Angst....
Wir sind sehr streng erzogen worden und ich habe als kleines Kind sehr viel mitbekommen, wie, vor allen Dingen mein Vater, meine Schwestern strafte, wenn sie seiner Meinung nach, über die Stränge schlugen. Mein Vater konnte sehr jähzornig werden und ab und an rutschte ihm dann auch mal die Hand aus. Ich wollte nicht, daß mir das auch passiert und hielt mich in solchen Dingen zurück. Bestimmt hat es etwas damit zutun, daß ich mich sehr schlecht auseinandersetzen kann. Das heißt nicht, daß ich mich beuge und immer das tue, was andere von mir verlangen. Nein, ich ziehe mich zurück.... Es reicht mir, daß ich mich in meinem Beruf gelegentlich auseinandersetzen muß. Auch das mußte ich über Jahre hinaus erstmal lernen. Und wenn es dann mal passiert, bin ich am Ende fix und fertig...
Das reicht mir, das muß ich privat nicht auch noch haben. Außerdem habe ich in den Jahren, als ich mit meinen Kindern alleine lebte, genug Kämpfe ausgetragen. Merkwürdigerweise konnte ich es dann auch sehr gut, wie eine Glucke, die ihre Kinder verteidigt. Niemand durfte meine Kinder angreifen.... Wenn es einen Grund gab, dann wurde das zu Hause zwischen uns Dreien ausgetragen und da ging es manchmal sehr hart zur Sache.
Jetzt bin ich einfach müde und habe keine Lust mehr auf Kämpfe, ich brauche meine Kraft für andere Dinge....
Und deshalb LEBEN UND LEBEN LASSEN.

Liebe Grüße
Mucki

21.04.2003, 13:54
der natürlich gleich kommen mußte :-)

Ihr Lieben, wenn es vielleicht das eine oder andere Mal den Anschein erweckt, ich hätte meine Lebensweisheit "perfektioniert", nehme ich für mich den Anspruch noch hundert Jahre davon entfernt zu sein.

Dieser Thread hat mir nur gezeigt, dass das natürliche Handeln, oft aus dem Unterbewußtsein heraus, bzw. ohne in irgendeinem schlauen Buch nachzulesen, wie ich mit meinen Lebensituationen umgehe. Woran ich noch zu "arbeiten" habe, um sie besser zu verdauen und zu MEINER HARMONIE mit mir selbst zu kommen. Ihr wisst garnicht, was ihr mir damit gegeben habt.

Brigitte, ich wälze meistens zuerst im Kopf, da bin ich die Regisseurin, da werden alle Facetten der Situation durchgespielt.
Das Drehbuch beginnt meistens mit der Sache, wie ich sie gerne für mich hätte, dann kommt Kapitel für Kapitel dazu in jeder Fassung, ob Drama, Tragödie oder heile Welt. Wie wäre wenn.....
Dann kommt das Papier, denn dann brauche ich den Beweis, schwarz auf weiß, oder anders ausgedrückt, dann STARRT mich die Situation an. Im Kopf frißt sie, im Herzen nagt sie, aber auf dem Papier steht sie.

Dann kommen meine vorher aufgelisteten Fragen, der Situation angepasst. Und dann kommt die allergrößte Frage an mich selbst:
"Besitze ich genügend VERTRAUEN IN MICH SELBST, um das Problem zu lösen? Habe ich den MUT, das Problem zu lösen? Oder will ich es nur zur Seite schieben?" Denn dabei beginnt die Konfrontation mit meiner ureigenen Persönlichkeit, der wahren Jutta, das Warum, Weshalb, Wieso........

Ich habe eigentlich nie darüber nachgedacht, ob ich es "sachlich" angehe, sondern immer meine Subjektivität und Objektivität einer Sache gegenüber abgewogen. Und merke jetzt erst, dass ich vieles ganz sachlich angehen kann, also für mich objektiver :-)!!! Die eine oder andere Gedankenrichtung einschlagen kann, die ich vorher vielleicht nicht bereit war zuzulassen. (Anm. der Redaktion: siehe Rente :-) )

Wollt Euch nur noch schnell sagen, schön dass es Euch gibt!!!!!

liebe Grüße,
Jutta

21.04.2003, 14:05
Ja, Jutta, auch schöööön, dass es DICH gibt!
Jetzt flutsch ich hier aber weg ... Pause!

Tschüsschen und dicke Umärmelung!
Grüsseli von
der "krassen" Brigitte

21.04.2003, 14:16
Hallo,
unsere Beiträge haben sich überschnitten.

Mucki, ich weiß, dass Du nicht "heile Welt" spielen meintest. Ich nahm dies nur auf, weil unser Umfeld sich so aus der Affäre zieht. Sie spielen sich und den Anderen diese nur vor, und lernen für sich selbst NIX dabei.

In irgendeiner Antwort hier schrieb auch ich, dass ich des Kampfes müde bin. Denn er hat mich zermürbt, hat mich meine Gesundheit ruinieren lassen, und ich ließ es zu. Jetzt ist es einfach meine Zeit, meine Bestimmung, wann ich den Kampf ansage gegen meine eigene Ohnmacht. Gegen den Schmerz, welchen ich mir von aussen zufügen ließ. Und zu hinterfragen, warum ich es zugelassen habe. Es gibt Situationen, da ist der Rückzug die bessere Taktik. Das hat absolut nichts mit beugen zu tun.

Ich kann Deine Gluckenposition gut nachempfinden, bin auch so eine :-). Wehe, irgendjemand will meinen Kindern an den Kragen, da ist nichts mit Friedlichkeit. Auch ihnen gegenüber nicht, denn sie setzen sich lieber mit mir "auseinander" als mit ihrem Vater.

liebe Grüße
Jutta

21.04.2003, 16:13
Hallo Brigitte,
ja, das mit der Fremdbetrachtung ist genau das, was ich meine. Und es kommt eben sehr darauf an, was einem an dem jeweiligen Menschen liegt. Welchen Bezug man zu ihm hat.
Meine Schwester war für mich eigentlich nie wie eine Schwester. Eher mehr als eine entfernte Verwandte. Ich habe diesen geschwisterlichen Bezug zu ihr, so, wie es z.B. zwischen meinen Kindern ist, nie gehabt. Ich war 7 Jahre, als sie aus dem Haus ging und heiratete. Ich habe sie auch nie richtig vermißt.
Im Gegensatz zu meinem Bruder, der leider starb, als ich 8 Jahre war. An ihm habe ich gehangen und muß auch heute noch sehr oft an ihn denken....
Gegen meine Schwester verspüre ich keinen Groll mehr, nicht mehr so, wie es mal war. Als man vor 5 Jahren bei ihr einen Tumor in der Lunge entdeckte, hat mir das sehr sehr leid getan. Gott sei Dank hat sie es geschafft und die Untersuchung Anfang diesen Jahres hat nichts Bösartiges mehr ergeben. Genauso denke ich aber auch über jeden in meinem Bekanntenkreis. Weißt Du, da ist nicht mehr, nur weil sie meine Schwester ist. Du schreibst von Sterbebett! Auch da finde ich, kommt es darauf, was man für diesen Menschen empfindet, bzw. jemals empfunden hat.
Mit meiner Schwester will ich nichts mehr klären....
Sie hat mir damals gesagt, als unsere Mutter noch lebte, ich solle mich doch mehr um sie kümmern, sonst könnte ich es eines Tages, wenn sie mal nicht mehr ist, bereuen.
Ich war bei Mutti, wenn ich das Bedürfnis hatte, wenn sie mich brauchte. Sie wußte, daß sie mich jederzeit anrufen konnte und das hat sie auch getan. Wenn sie bei mir um "Hilfe" rief, dann eigentlich meistens aus dem Grund, daß sie reden wollte, Ärger los werden wollte. Der Grund ihres Ärgers war auch oftmals meine Schwester. Mutti wußte genau, daß sie mir alles erzählen konnte. Meinen beiden Schwestern nicht. Dieses Vertrauen hat mich geehrt und das war es, was ich für sie in erster Linie getan habe. Da mußte ich nicht jeden Tag präsent sein, um den anderen zu zeigen, wie sehr ich mich doch um meine Mutter kümmere. Von diesen vielen Gesprächen, die wir miteinander geführt haben, wissen meinem Schwestern bis heute nichts und sie werden es auch nie erfahren.
Und ich bereue nichts, was ich für meine Mutter zu ihren Lebzeiten nicht getan habe.
Die Eifersucht meiner älteren Schwester kam auch häufig da zutage. Sie konnte bei meiner Mutter über mich ablästern, so viel sie wollte, ich wurde immer in Schutz genommen (Nesthäkchen eben). Allerdings wußte Mutti auch sehr viel über mich. Was ich damals als Kind und Jugendliche so sehr vermißte, brachte sie mir plötzlich im Alter entgegen. Das habe ich sehr genossen.
Trotzdem (schlimme Gedanken) habe ich bei ihrem Tod vor 2 Jahren und auch nicht bei dem Tod meines Vaters (1978) so eine tiefe Trauer erlebt, wie ich sie jetzt erlebe.
Meine Mutter wurde immerhin 96 Jahre alt und ich bewundere sie für all das, was sie in ihrem Leben meistern mußte. Sie besaß Kraft und Stärke, bis zum Schluß. Sie hat aus allem das Beste für sich gemacht, auch wenn es oftmals sehr schlimm war. Sie war eine richtige Kämpfernatur und stand des öfteren mit geballten Fäusten vor mir mit den Worten: "Das schaffen wir. Da müssen wir durch"!
Wie oft habe ich Heinz von ihr erzählt, sie konnten sich leider nicht mehr kennenlernen. Vielleicht und so hoffe ich, haben sie sich "dort oben" gefunden.

Ohje, Ausschweife, Ausschweife, meine Lehrerin würde jetzt sagen: "Thema verfehlt"!
Aber es floß gerade so gut. Sorry.

Alles Liebe, Brigitte
und eine dicke Umarmung zurück
Mucki

21.04.2003, 23:24
Ihr Lieben,
Ihr wart ja richtig fleissig über die Feiertage...;-) Ich habe gerade erst wieder hier hereingelesen und es liefen mir wieder einige Gänsehäute über den Rücken... Es ist übrigens schon sehr gut zu verstehen, was ihr ausdrücken wollt...:-)

Wenn ich so von euren Erfahrungen lese, dann hab ich so den Eindruck, dass ich noch Lichtjahre davon entfernt bin, mit meinen Verletzungen und dem Schmerz umzugehen. Aber es wird immer deutlicher, dass das Schreiben sehr viel klarmachen kann. Liebe Brigitte, ich schreibe auch ab und zu Tagebuch, aber es fällt mir total schwer, die Dinge "sachlich" zu sehen. Bin dann so in meinen Emotionen gefangen, dass ich da dann gar nicht raus kann. Aber es ist vielleicht ein längerer Prozess. Und man muss sich die Zeit dafür nehmen, was ich viel zu wenig mache.
Wenn ich ehrlich bin, fehlt mir aber auch oft die Bereitschaft, die "andere Seite" zu sehen und mich da hineinzudenken. Es ist halt doch leichter, das mit der eigenen Wut zuzudecken. Wie schaffst Du es, sachlich zu sein? Was machst Du in dem Moment mit Wut und Groll? Ich finde das eine tolle Leistung.

Wie klappt das bei Eltern, die ihre Kinder benutzen und quälen? Da kann ich einfach kein "Verständnis" aufbringen. Ja, ich weiß, den Satz hätte ich mir sparen können... Trotzdem, ich hab einfach das Gefühl, dass mein ganzes Leben und mein Handeln davon geprägt ist und dass ich mich nie davon befreien kann.

Jutta, Du schreibst so gut über die Kinder, die immer um die Liebe der Eltern kämpfen. Hab mich da 100%ig wiedererkannt. Ob dieser Kampf wohl je aufhört? Und ich stelle mir auch immer wieder die Frage "Wovor hab ich eigentlich Angst?" und komme mit dieser Angst, die ich als eine existenzielle Bedrohung erlebe, überhaupt nicht klar. Ich kann mir auch diese Frage nicht beantworten. Was passiert eigentlich, wenn der Knoten platzt? Du hast mir mit diesen Fragen aus dem Herzen gesprochen. Ich versuche, mich in der Therapie damit auseinanderzusetzen, aber es gibt dann Situationen, in denen mich die Therapeutin stoppt. Ist es sinnvoll, hinter die Mauern zu sehen? Was passiert, wenn ich weiß, was mich so quält? Wie gesagt, die Angst ist (noch) zu übermächtig.
Puh, jetzt bin ich aber auch ausgeschweift, sorry.

Mucki, mir geht es bei manchen Menschen auch besser damit, mich zurückzuziehen und mich möglichst nicht mit ihnen zu belasten bzw. mich zu schützen vor deren Verletzungen, die immer kommen, wenn ich mich mit ihnen befasse.
Aber ich möchte auch eine positive Geschichte zum Thema Schwester erzählen. Meine Schwester und ich hatten auch keine gute Beziehung. Ich bin die ältere, sie war oft eifersüchtig auf mich, weil ich scheinbar die Liebe meines Vaters genoss... (ja, ich war sein "Lieblingskind"... ha ha...)
Vor ca. 3 Jahren passierte dann die "Katastrophe", ich habe erfahren, dass sie medikamentenabhängig war und in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Trotz der schlimmen Situation und nach einer schwierigen Zeit, in der wir uns überhaupt nicht leiden konnten, entstand ganz langsam und vorsichtig eine Annäherung. Wir haben dann herausgefunden, dass wir beide Opfer unseres Vaters waren und konnten uns gegenseitig unterstützen... Wir verstehen uns mittlerweile super und ich bin so froh, dass ich jetzt wirklich eine Schwester habe. Und ich bin stolz, dass ich es geschafft habe, mich mit ihr in der schweren Zeit auseinanderzusetzen. Und sie natürlich auch die Bereitschaft dazu hatte. Und dass wir es geschafft haben, aus den Mustern unserer Erziehung auszubrechen.

Alles Liebe - ich drück euch alle -
Schön, dass es euch gibt!:-)
Conny

22.04.2003, 08:24
Mörgelchen Ihr Lieben,

tja, Conny, Deine Fragen sind gut, aber sie sind auch schwierig zu beantworten. Nicht unbedingt wegen dem WIE, sondern dem WIE formulieren oder verständlich machen.

Zudem braucht ja alles seine Zeit. Ich bin da auch kein "Hirsch" darin, ich brauch auch immer meine Zeit dazu.
Aber mal zu Deiner Frage: "Was machst Du in dem Moment von Wut und Groll?"
Meine Antwort: Oh, also erst mal: Ich tigere in meiner Wohnung herum und schimpfe wie ein Rohrspatz vor mich hin!
Jetzt lachst Du bestimmt, gell? - Ist aber echt wahr! Und dann, wenn ich ganz schlimm stinkewütend bin, dann geh ich zu meinem Boxsack! Dort lass ich erst mal meinen Frust raus.
Und dann eben gehe ich hinter mein Tagebuch. So wie ich es in einem meiner letzten Einträge beschrieben habe.
Angefangen mit der "Erzählung" des Ganzen, was mir passiert ist. Die Erzählung alleine, Conny, das ist in etwa so, wie wenn Du das einer guten Freundin oder einem guten Freund erzählst. Da Du ja selber auch Tagebuch schreibst, kennst Du das ja. Findest Du dann nicht auch, dass das Hinschreiben Dir gut tut? Egal ob da jetzt Emotionen sind oder nur Sachlichkeit? - Einfach RAUS lassen! Yeah!
Ich finde das schon eine sehr gute "Verarbeitungs-Tat", die man machen kann. Denn so ein Tagebuch "schweigt", es kann Dir nämlich keine dummen Antworten geben. (Hehe!)

Dann hast Du noch gefragt: "Wie schaffst Du es, sachlich zu sein?"
Das ist eine schwierige Frage, aber die Frage an und für sich - jetzt kannst Du wieder lachen - IST bereits sachlich!
Gell? (Grins!)
Das "Sachliche" haben wir alle in uns drinnen. Wenn Du z.B. am Arbeiten bist, dann bist Du sachlich. Oder wenn Du Kaffee kochst, dann bist Du auch sachlich.
Jetzt sind das natürlich nur unsere TATEN, bei denen wir sachlich sind. Wie ist das dann mit unseren Gedanken?
Wir können das für's Denken üben, genau DAS so aufzunehmen, was wir innerlich erleben beim Arbeiten oder beim Kaffeekochen. Dieses Sachliche.
Dazu muss man ein bisschen versuchen, in sich hinein zu horchen. Wenn ich da jetzt also z.B. meinen Kaffee koche, dann guck ich mal, was da IN mir abgeht, während mein Körper diese Bewegung macht. IN mir geht da KEIN Gefühl ab. (Vielleicht höchstens Vorfreude auf den Genuss des Kaffees!) Aber innerlich habe ich die Gefühle sowas wie "abgestellt". Da ist keine Wut, kein Groll, da ist ... nichts, hm? Nur absolute Konzentration darauf, was mein Körper tut.

(Das meine ich immer "in der Regel". Es gibt ja auch Momente, wo man eine Handlung tut, wie z.B. das Kaffeekochen, WÄHREND man total in Gedanken und Gefühlen versunken ist! Aber das wäre wiederum eine automatische Handlung, während der Kopf einfach weiter denkt.)

Genau dieses "innere Kennenlernen" kann man auch üben bei den Gedanken. Ich kann jetzt z.B. an meine Mutter denken, und kann so versuchen, genau DAS zu erleben, was ich erlebe beim sachlichen Kaffeekochen. (Uff! Schwierig, zu erklären! Ich weiss, das klingt so komisch!)
Oder eben als Trick: Ich stelle mir vor, ich bin ein "Fremder", und gucke auf mich als Person und auf meine Mutter. - Sachlich wie beim Kaffeekochen! ;-)

Weiss nicht so genau, wie ich es beschreiben kann, Conny, das ist seeeehr schwer, weil es eben "innerlich" abgeht. Aber vielleicht kannst Du es ein bisschen nachvollziehen mit dem Kaffeekochen? (Grins!)
Was meinst Du?


Liebe Mucki, ich möchte Dir auch noch gerne ein paar Worte schreiben.
Du bist ein bisschen in Deinem Eintrag oben ausgeschweift, ja, aber das Thema hast Du nicht verfehlt, Du hast ja einfach erzählt.
Jedenfalls kam mir bei Deinem Eintrag der Gedanke auf: Gibt es eigentlich ein "Mass" darüber, wie fest oder heftig man über jemanden trauern soll? Oder kann?
Hm, weisst Du, dass ich z.B. viel MEHR geheult habe, als ich damals meinen siebzehnjährigen Kater habe einschläfern lassen müssen, ... als wie damals meine Mutter starb? - Der Gedanke an und für sich ist mir schon recht peinlich, aber es ist echt wahr.
Ich kann gar nicht sagen, ob ich jetzt meinen Kater MEHR geliebt habe, als meine eigene Mutter. Eigentlich krass! Aber wenn ich einfach so in mich hinein horche, dann kann ich sofort (sachlich) sagen: Meine Mutter hatte mich verletzt, aber mein Kater mich nie!
Vielleicht ist es DAS?
Trotz der Tatsache, dass ich einen Menschen doch gar nicht mit einem Tier vergleichen kann. Mein Kater hat ja schliesslich NIE meine eigene Mutter ersetzen können. (Aber meine Mutter hat auch nie meinen Kater ersetzen können.)
Hm, weiss nicht so recht, darüber muss ich noch ein bisschen nachgrübeln ...

Krass, gell?

Na, soweit mal für heute, Ihr Lieben, der Tag ruft mich!
Bis späterchen!
Ganz liebe Grüsse
von der "krassen" Brigitte

23.04.2003, 10:48
Hallo IHR,

Liebe Conny, wie solltest Du denn den verletzenden Menschen verstehen, wenn Du momentan zuerst einmal DICH und DEINE Schmerzen zu verstehen lernst??? Ich finde, es geht hier und heute nur um Dich, wie kommst Du zu Deinem Weg. Oder?? Deine Frage war richtig gestellt, denn dies ist DEINE Frage, die Dich beschäftigt.

Bevor Du überhaupt einen Milligedanken an das Aufschnüren eines anderen Paketes im entferntesten zuläßt, zupf an Deinem :-), das ist viel viel wichtiger.

Bitte vergleiche Dich nie mit uns, oder irgend jemand Anderen, von dem Du meinst, jener kommt doch auch damit klar. Dein Eintrag gab uns hier nur eine Chance unsere ureigenen Methoden auszutauschen, die für uns selbst (wie wir meinen) die Besten sind. Das Problem ist, nimm noch mal 5 Leute dazu, und jeder hat eine andere Geschichte. Denn sind wir nicht alle von unserer Vergangenheit, Elternhaus und Umfeld ganz stark geprägt??

Und wie!! Und wenn jeder nachdenkt, merken wir doch ganz deutlich, ja, und so handeln wir. Wo haben wir gelernt mit unseren Konflikten umzugehen, wenn nicht in der häuslichen Umgebung als kleines Kind. Damals haben wir unbewußt unsere Strategie fürs spätere Leben "entworfen", unser Instinkt hat uns geleitet. Und heute wirbeln wir diese Strategie tausend Mal durch den Kopf, kommen wir damit klar, gibt sie uns auch heute eine Chance?

Connie, ich kann Dir nicht sagen, ob der Kampf um Liebe, Anerkennung und Akzeptanz je einmal aufhören wird. Ich persönlich glaube aber daran, denn wenn ich spüre, da ist ein ganz tiefes Loch, das mich auffrißt, suche ich nach meinem Rettungsanker, meiner Überlebungschance. Ich will nicht das Dartboard sein, dass nur spitze Pfeile empfängt.
Wenn Deine Therapeutin Dich gut genug kennt, wird sie wissen, wann sie der Übermacht Einhalt gebieten muß. Zu viel hinter fremde Mauern zu schauen, kann ungesund sein :-). Sie muß zusehen, dass sich Deine Wut nicht noch vergrößert, sondern mit jeder Sitzung Steinchen um Steinchen abbaut. Um dann diese kleinen Steinchen für den Aufbau Deines gesunden Selbstbewußtseins nimmt, damit Du eines Tages fähig bist, die kalte Mauer einzubrechen, sie nur noch eine alte zerfallene Mauer aus der Vergangenheit ist und nichts mehr oder minderes. Ein Stück Deiner Lebensgeschichte.

Lese nochmal Deine tolle Geschichte mit Deiner Schwester durch! Da kommt so viel Mut und Auseinandersetzungsfähigkeit (puhh was für ein Wort) durch, für mich auch schon eine bewußte Klarheit.
Hier spüre ich den immensen Willen, auch die letzte Hürde zu nehmen!! Die wirst Du auch schaffen, wenn nicht heute, oder morgen, dann doch übermorgen wieder einen neuen Gänseschritt.

Ich weiß, dass Du es nicht so mit dem Schreiben hast (ha ha), nehme aber trotzdem Mal ein ganz großes Stück Papier und schreibe mal drauf:

ICH BIN
ICH KANN

und ganz zuletzt, DICK und FETT:
DESHALB LIEBE ICH MICH

ein fester Drücker,
Jutta

23.04.2003, 11:01
hallo ihr,
mein name ist kerstin (37)schlimme gedanken-ja schlimme gedanken habe ich seit dem 07.04.2003-ich muß immer daran denken das mein mann(33) auch sterben könnte.
bei ihm wurde ein tumor-eigentlich zwei tumore wobei die ärzte nicht sagen können ob der zweite ein eigener tumor ist oder eine absiedlung vom ersten-festgestellt,seit dem trage ich mich mit dem gedanken das es auch krebs sein könne und mein mann sterben könne-ich habe so eine ohnmächtige angst ihn zu verlieren.wir haben einen 3 jährigen sohn er hängt an seinem papa-was wenn wir ihn verlieren unseren papa???ich hoffe und bete das sich herausstellt das es etwas anderes ist aber ich muß immer daran denken es wird krebs sein.
heute oder morgen sollen wir es erfahren-dieses warten -dieses ungewisse-es macht mich fertig.
habe schon bald keine kraft mehr-glaube ich-habe vorhin gelesen "von irgendwo kommt immer noch ein bischen kraft her"-ja noch ist es so-hoffe es bleibt auch so das noch immer ein bischen kraft irgendwo her kommt.brauche auch kraft schon allein für unser kind.
aber wenn man so verzweifelt ist ........
fahre jetzt gleich los ins krankenhaus hoffe heute ist ein ergebnis da von der bronchoskopie das wenigstens diese ungewißheit wegfällt aber ob es mir dann besser gehen wird oder nur irgendwie anders genauso schlecht
meine gedanken sind so durcheinander so von hoffnungsvoll bis völlig verzweifelt...
kann nicht mehr...
muß wieder weinen.......
schlimme gedanken.........name@domain.de

23.04.2003, 11:07
so, und jetzt brauch ich Euere Meinung:

soll ich oder soll ich nicht auf Konfrontation gehen?
Die Tochter meiner krebskranken Freundin kann die aggressive Haltung meiner sonst lahmfrommen und friedlichen Freundin nicht verstehen, und wird recht ekelig zu ihr.

Mein erster Gedanke, da rufst Du an und gibst ihr Deine Meinung.
Ich weiß aber auch, dass die Tochter sich bis heute nicht mit der Krebskrankheit auseinandergesetzt hat und alles praktisch mir überläßt, weil sie damit nicht umgehen kann.

Was meint IHR???

Danke,
liebe Grüße,
Jutta

23.04.2003, 12:28
Hallo Jutta,

nicht die Meinung sagen, aber anrufen und mir ihr reden, oder besser noch, wenn möglich verabreden. Vielleicht hilft es, die Wogen ein wenig zu glätten. Es wäre schade, wenn sich durch so ein Unverständnis ein Streit zwischen Mutter und Tochter entwickeln würde. Bei beiden hätte es psychische Folgen und die kann zumindest Deine Freundin im Moment überhaupt nicht gebrauchen. Sie hat genug Streß.

Liebe Grüße
Mucki

(heute mal wieder sehr kurz - Mittagspause) (griins)

23.04.2003, 13:55
Hi Ihr Lieben,

liebe Kerstin, lass Dich einfach mal von mir drücken, ja? - Ich finde jedoch, Du hast keine "schlimmen Gedanken", sondern Du hast jetzt grosse Angst, und das ist völlig verständlich.
Auch diese "Warterei" ist schrecklich, bis man mal was weiss, ich kenne das sehr gut (bin ja selber Krebspatientin).
Melde Dich doch einfach nochmal hier, wenn Du mehr weisst, wir sind alle gerne für Dich da, gell?


Hi, Jutta, wie alt ist sie denn, die Tochter Deiner kranken Freundin?
Hast Du das jetzt selbst miterlebt, oder hat's Dir Deine Freundin erzählt?
Wenn's Du selbst miterlebt hast, wie die Tochter eklig war, dann kannst Du sicher versuchen, mit ihr ein ruhiges Gespräch darüber zu führen, weil Du ja Zeugin warst.
Wenn's Dir aber Deine Freundin erzählt hat, so ... naja, würde sich die Tochter eher ein bisschen angegriffen oder kritisiert fühlen, wenn Du ihr da jetzt plötzlich anrufst und ihr die Meinung sagen willst.

Warum überlässt die Tochter Deiner Freundin denn alles DIR? (Das versteh' ich nicht so ganz.)
Aber mal so als Idee: Du könntest die Sache - im Moment - mal ruhen lassen, und achtest darauf, dass die Tochter künftig immer dabei ist, wenn DU bei Deiner Freundin bist. So kann die Tochter ein bisschen sehen, ... wie DU mit ihrer Mutter umgehst, und so kann sie ein bisschen was von DIR lernen.

Oder als weitere Idee: Wenn Du ein Gespräch führen willst mit der Tochter, dann versuche, auf die TOCHTER einzugehen, auf ihre Gefühle und Ängste. Wenn sie sich öffnet, kannst Du ihr auch viel besser erklären, was Deine Freundin, bzw. ihre Mutter momentan durchmachen muss. - Weisst Du, wie ich meine?

Oder nochmals eine weiter Idee: Sprich mit Deiner Freundin darüber, dass SIE ihrer Tochter halt klar machen muss, dass sie im Moment auf einer Achterbahn fährt, also ein ewiges Auf und Ab mitmacht, wofür sie gar nichts kann. Die Tochter wird's dann bestimmt verstehen.

Ideen gibt's mehrere, gell? Aber ich weiss, wenn man gerade in so einer Situation steckt, sieht man - Doing! - überhaupt keinen Weg.
Was meinst Du so dazu?

Dicke Umärmelung an Dich!
Liebe Grüssli (auch ganz liebe an Mucki) von
der "krassen" Brigitte

23.04.2003, 16:09
Hallo Ihr Lieben,

meine Freundin rief an, und erzählte mir weinend von der Art und Weise wie ihre Tochter mit ihr umgeht, wenn sie vorbei kommt.

Die Tochter (das einzigste Kind), 33 Jahre alt, will von der Krankheit nichts wissen. Das passt ihr jetzt nicht rein, ihre Worte. Sie möchte darüber nicht reden. Wir hatten immer ein sehr gutes Verhältnis zueinander gehabt, bin sozusagen ihre Ersatzmama seit sie auf der Welt ist. Die ganzen Jahre über konnten wir immer gut miteinander reden. Aber jetzt sitze ich irgendwie zwischen 2 Stühlen.
Meine Freundin wird ihrer Tochter nicht sagen, dass sie sich verletzt fühlt, weil sie momentan weiß, dass dann eventuell Dinge gesagt werden, die sie vielleicht später bereut. Deshalb hat sie mich quasi als Mittelsfrau gebeten, einzugreifen. Die Tochter lehnt jedes Gespräch ab, egal ob mit mir, ihrem Partner oder sonstigen Menschen im näheren Umfeld. Ich kenne ihre tiefsten Ängste, ihre Gefühle und ihre Lebenseinstellung ziemlich gut. Und ich weiß auch, dass sie mit der Krankheit nicht umgehen kann.

Brigitte, ich kümmerte mich um die Informationen, welchen Krebs, wie ist das weitere Vorgehen, Gespräche mit den Ärtzen, was kann sie zur Stärkung noch unternehmen, bin immer für sie da. Was kommt nach der Chemo, usw. usw.

Mir tut es halt so furchtbar weh, dass die Zwei keinen Weg finden, um für jeden das Beste daraus zu machen. Beide sind Weltmeister im Verdrängen von Realitäten, auch wenn sie mit der Nase darauf gestossen werden. Meine Freundin lernt es jetzt durch die Krankheit.

Ich würde sie gerne gemeinsam an einen Tisch bekommen, vielleicht muß ich einfach in die Trickkiste greifen, dass es klappt.

Ich danke Euch, dass Ihr meinen kurzweiligen Hitzkopf wieder etwas abgekühlt habt :-).

liebe Grüße,
Jutta

23.04.2003, 18:57
Hi Jutta,

ja, das ist ja das Schmerzhafte, was Krebspatienten da manchmal durchmachen müssen. Das ist nicht als Anklage gemeint, sondern als Feststellung. - Z.B. die eigene Tochter, die damit nicht umgehen kann, und einfach nur noch eklig ist ..., das ist hart.

Jetzt weiss ich nicht so genau - Du kennst die beiden natürlich besser als ich - WORÜBER die zwei sich denn da dauernd streiten. Sind es Vorwürfe? Erwartungshaltungen?
Weil, Du hast erwähnt, dass Deine Freundin der Tochter nicht sagen will, dass sie sich verletzt fühlt, weil sie weiss, dass vielleicht Dinge gesagt werden, die später bereut werden könnten.
Welche Dinge, Jutta? Geht es hier nun um den Krebs, oder um persönliche Angelegenheiten, Vorwürfe, Enttäuschungen usw.?

Versuche es mal zu "trennen".
Hier also die Situation Deiner Freundin, die Krebs hat und damit kämpft. Und eine Tochter, die mit dieser Krankheit nicht umgehen kann.
Und DA die Situation von persönlichen Dingen wie andere Schuldgefühle usw.

Natürlich hängt da immer alles zusammen, aber wenn man es einfach mal "getrennt" anschaut, so kann man sagen, das Krebsproblem ist das eine, aber alles andere ist das Ergebnis der Furcht darüber.
Weisst Du, wenn ich mit meinen Leuten über meinen Krebs reden will, dann will ich ja eigentlich nur über den Krebs reden, wie ich mich dabei fühle, was ich da durchmache, welche Hilfe ich brauche usw. Natürlich kommen da meine "Launen" dabei dazu, aber gerade DESWEGEN will ich ja auch mit den Leuten darüber reden können, denn ich BIN ja in diesem Auf und Ab.
Für mich ist es in dieser Situation aber ein ganz anderes Thema, wenn jetzt Leute zu mir kommen, und - aus ihrer Angst natürlich - anfangen, an mir herum zu nörgeln, WEIL ich jetzt launisch bin, oder WEIL ich nicht so handle wie sie es wollen. Oder wenn sie anfangen, mir IHRE "Leiden" zu erzählen. Und es ist auch genau so ein anderes Thema für mich, wenn da jetzt jemand zu mir kommt, und anfängt, über SEINE Schuldgefühle mir gegenüber zu reden.
Klar, da ist mein Krebs wohl der "Auslöser" dazu, aber ... hat eigentlich nichts mit mir und meiner Situation als leidende Krebspatientin zu tun, und der Hilfe die ich benötige.
(Uff, wieder mal schwierig zum beschreiben!)

Ich denke also, entweder Du oder Deine Freundin selbst, sollten der Tochter als erstes mal BE-schreiben, was das heisst, Krebs zu haben.
Dazu gibt es ja z.B. auch Bücher oder Broschüren und so. Die Tochter muss es zuerst verstehen.
Oder Du könntest der Tochter - so als Aufklärung - zum Beispiel einen Brief schreiben. Oder Deine Freundin selber. Besser wäre es schon, wenn es Deine Freundin selber macht.
Davor braucht sie keine Angst zu haben, denn wenn sie über ihren Krebs schreibt, über ihre Gefühle und Ängste dabei, und wenn sie hinschreibt, welche Hilfe sie benötigt (eben hauptsächlich das DA-Sein), so schreibt sie NUR aus ihrer Sicht, und zwar in der Hoffnung, Verständnis von der Tochter zu gewinnen. Da sind dann ja keine Vorwürfe im Brief.
Die Tochter kann sich dann - man kann jetzt da hoffen, dass sie den Brief überhaupt liest - in Ruhe ihre Gedanken darüber machen. Wenn da im Brief kein Wort des Vorwurfes steht (aber vielleicht die Worte: "Tochter, ich brauche Dich!"?), dann kann sich die Tochter auch nicht angegriffen fühlen. Es ist dann wiederum ihre Entscheidung, wie sie weiter handeln wird.

Versuche zuerst einen solchen Schritt, Jutta, ich denke nämlich, wenn Du die beiden an einen Tisch zusammen bringen willst, wird das schief gehen.
Die Tochter muss zuerst den Grundgedanken des Krebses akzeptieren. Spiel ihr den Ball zum Handeln zu.

Wenn Du oder Deine Freundin nicht wisst, WIE Ihr das Ganze in Worte fassen könnt, (das ist ja das Schwierige), könnt Ihr den Brief ja vielleicht auch gemeinsam versuchen, aufzusetzen?

Ist einfach eine Idee, Jutta, aber Du weisst, gell, sie kommt aus meinem Herzen. Es wäre ein Versuch, die Tochter zum Handeln anzuregen. Kann aber auch sein, dass es NICHT klappt, aber dann habt Ihr es wenigstens versucht.

Hey, ich drück Dich!
Ganz liebe Grüsse
von der "krassen" Brigitte

23.04.2003, 19:25
hallo ihr,

meine gedanken haben sich heute bestätigt-es ist krebs bei meinem mann-bin völlig fertig jetzt wollte es euch nur wissen lassen.

23.04.2003, 21:35
liebe kerstin
komm her - ich drücke dich erstmal ganz fest!
bei meinem mann sind es jetzt 4 jahre und 6 monate seit seiner diagnose - und WIR leben! mal besser, mal schlechter aber unser motto lautet:
heute ist heute und morgen ist morgen!
vor 32 jahren habe ich JA zu ihm gesagt in guten und schlechten tagen, die guten hatten wir und die schlechten sind auch nicht immer so rabenschwarz - wie sie dir jetzt gerade erscheinen mögen. ich kann dir gut nachfühlen wie es ist, wenn plötzlich dieser sch...krebs in unsere zweisamkeit oder bei uns viersamkeit bei dir dreisamkeit eindringt!
auch wenn die wolken jetzt so dunkel sind für euch, denk daran, hinter jeder wolke scheint die sonne!
das wichtigst ist jetzt, dass du für deinen mann da sein kannst. sprecht mit den ärzten wenn immer möglich zu zweit, damit keine missverständnisse auftreten und steckt den kopf nicht in den sand, denn wenn man ihn rausnimmt sind die probleme ja immer noch da! lass auch schlimme gedanken zu, die werden bestimmt kommen, schreib sie dir von der seele, das tut gut, schreib evtl. auch ein kleines tagebuch, ich mach das so!
also liebe kerstin sei nochmals ganz lieeb umarmt, es kommen schwere zeiten auf euch zu, aber zusammen schafft ihr das bestimmt!
susy

23.04.2003, 22:34
Hallo Ihr Lieben,
bin heute ziemlich neben der Spur, hab heute nachmittag miterlebt, wie in unserer unmittelbaren Nachbarschaft eine Firma komplett abgebrannt ist. Unser Garten war voller Feuerwehrleute und es brannte der Zaun und die Bäume, wir hatten Angst, dass das Feuer übergreift... Beim Nachbarn sind die Fensterscheiben geplatzt... puh, es war einfach grauenhaft... das musste ich jetzt erstmal loswerden. Zum Glück ist uns nichts passiert, außer das es übel stinkt...

Liebe Jutta, liebe Brigitte, danke für Eure Antworten. Was ihr geschrieben habt, hat mir wieder mal sehr geholfen. :-) Danke.
Ja, mir ist schon klar, dass ich mir keine Gedanken um die anderen, die mich so verletzt haben, machen sollte. Aber es stellt sich halt permanent die Frage Warum? Was geht in diesen Köpfen vor?
Ja, ich sollte nicht so viel grübeln. Ich ärgere mich einfach tierisch, wenn ich immer wieder in die alten Fallen tappe, so wie es mir am Wochenende wieder mit meiner Mutter passiert ist. Und ich bin nicht in der Lage, ihr mal den passenden Text zu sagen.
Natürlich hat jeder seine Geschichte und die "erlernten" Verhaltensweisen, aber ich komme immer öfter an den Punkt, dass ich eben anders sein will. Am besten sofort. Und dann ist das Loch wieder so tief, weil es eben einfach nicht klappt.

Brigitte, Du hast recht, das Tagebuchschreiben tut gut! Und ich schaffe es sogar ab und zu, sachlich zu sein...:-) Deine Erklärung mit dem Kaffeekochen war übrigens super, konnte das gut nachvollziehen.:-)
Mir passiert es übrigens immer wieder, dass mir etwas regelrecht aus den Fingern fließt und ich einfach nur schreibe ohne nachzudenken. Ab und zu auch gedichtmäßig.

Jutta, die Geschichte mit der Tochter Deiner Freundin hat mich schon nachdenklich gestimmt. Für mich hört es sich so an, als hätte die Tochter große Angst vor dem was da auf sie zukommt, vor der Krankheit an sich. Sie weiß vielleicht wirklich nicht, wie sie damit umgehen soll und verdrängt deshalb lieber.
Ich weiß nicht, wie die Beziehung zwischen Mutter und Tochter ist, aber im Moment weiß die Tochter bestimmt gar nicht, wie sie mit ihrer Mutter umgehen soll.

Ich sehe das ähnlich wie Brigitte. Versuche, auch für die Tochter als Vertrauensperson da zu sein, dass sie sich vielleicht irgendwann Dir öffnen kann. Ich denke, sie braucht auch jemanden, der sozusagen auf ihrer Seite steht. Natürlich stehst Du da zwischen 2 Stühlen, aber ich würde ihr keine Vorwürfe machen. Vielleicht ist es ihre Art von Trauer. Vielleicht kennt sie Krisensituationen nicht, das kann ich nicht beurteilen.
Brigitte hat das wieder super ausgedrückt. Man muss da trennen, die Reaktion auf die Krankheit und die Enttäuschung in der Mutter-Kind-Beziehung.

Und das Thema mit den Erwartungen kennen wir ja alle...grmpf... Was erwartet Deine Freundin konkret von ihrer Tochter? Natürlich, dass sie nicht eklig zu ihr ist, das ist schon klar. Aber was soll ihre Tochter tun?

Meine Gedanken dazu sind ja recht spät. Hast Du schon etwas getan? Oder willst Du erstmal abwarten? Bin gespannt, was Du machen wirst.

Ihr Lieben, eine dicke Umarmung
von Conny

23.04.2003, 22:50
Liebe Kerstin,
es tut mir sehr leid, dass sich Dein Verdacht bestätigt hat. Aber gib jetzt nicht auf, es gibt wirklich immer Hoffnung. Ich hatte mal eine Arbeitskollegin, die nach Hause geschickt wurde, weil die Ärzte nichts mehr für sie tun konnten. Sie war voller Metastasen. Und das ist jetzt ca. 15 Jahre her und es geht ihr gut!
Dein Mann braucht Dich jetzt und gemeinsam werdet ihr das schaffen.

Liebe Grüße,
Conny

24.04.2003, 06:06
Liebe Kerstin,

für den Moment nur einen ganz ganz festen Drücker für Dich.
Wir sind für Dich da.

liebe Grüße,
Jutta

24.04.2003, 06:18
Ihr Lieben,

danke für Eure Unterstützung, Anregungen und Nachfragen in Sachen meiner Freundin und Tochter.

Ihre Angst vor einer direkten Aussprache mit ihrer Tochter ist die Differenzierung zwischen, wie Brigitte schrieb, die Krankheit und verletzte Gefühle aus all den Jahren zuvor. Diese zurückgedrängten Gefühle werden nun übermächtig, und da haben wir gestern Abend zusammen beschloßen, dass wir ein paar Tage abwarten werden. Dass wir diesen Zorn zuerst miteinander bereden, bzw., sie ihn bei mir abladen darf, als wäre ich der Prellbock.
Dann werden wir weitersehen. UUIIHH, ist nicht einfach, so "daneben" zu stehen und zu wissen, Beide brauchen Hilfe, und sie schaffen es nicht miteinander zu reden.

liebe Grüße,
Jutta

24.04.2003, 14:51
Hallo Jutta,
ich find es super, dass Du Dich darauf einlassen kannst, als Prellbock zur Verfügung zu stehen. Das ist sicher ein schwieriger Part, den Du da übernimmst.
Ich denke, beide brauchen im Moment noch Zeit, aber irgendwann wird es ihnen möglich sein, miteinander zu reden.
Wie gehts denn der Tochter? Kannst Du mit ihr auch darüber reden? Oder blockst sie das alles ab?

Liebe Grüße,
Conny

25.04.2003, 07:58
Hallo Conny,

wenn 2 Freundinnen sich sonst immer alles sagen können, der Eine mal nur reden kann, der Andere zuhört, dann müssen wir auch gemeinsam nun die besten Lösungen finden.
Ich weiß ja, dass ihre Aggression nicht gegen MICH gerichtet ist, sondern dass sie den Druck nicht mehr ertragen kann.

Der Tochter, geht es "gut", sie ist nicht bereit zu sprechen. Das müssen wir lernen zu akzeptieren. Sie weiß, daß ich auch für sie da bin, falls sie mich braucht.

Ich hatte jetzt einige Tage Zeit, mir das alles durch den Kopf gehen zu lassen, und finde so viele Parallelen zu meinen Brüdern.

liebe Grüße,
Jutta
Die Zeit wird uns dann zeigen, wie es weitergeht.

27.04.2003, 19:51
Hallo ihr Lieben,
schicke euch einfach mal ganz liebe Grüße.
Brigitte, ich hoffe, es ist alles Ok und Dir gehts gut? Vermisse Deine wunderbaren Erklärungen.

Und Jutta, ich hoffe, Dein Kopf raucht nicht allzu sehr vom vielen Denken.

Bin im Moment ganz viel am Grübeln, Schreiben (!) und Wut abreagieren...

Viele liebe Grüße,
Conny

28.04.2003, 04:01
Hallo ihr Lieben,

es war ja ziemlich still in den letzten Tagen hier.

Was liegt in der Luft? Das Grübeln ist gerade bei so vielen Vorherrschend. Bei mir geht es ansonsten recht still zu, aber was ich für eine Zeit am Telefon mit tiefen und stundenlangen Gesprächen hinter mir habe, geschieht sonst nicht in einem Monat insgesamt. Obwohl ich diese Gespräche gerne habe, gingen sie mir ganz schön ans Herz.
Besonders, als meine 3 "Lieblingscousinen" ihre Zusage zum Cousin-und Cousinentreffen von meinem Kommen abhängig machen wollen. Leute ich wußte nicht einmal, daß mein Bruder die Einladungen vor 2 Wochen an alle, außer an mich, verschickt hatte. So, nun war es an der Zeit meine Eigenpredigten zu überprüfen, sprich tat mir das nun noch weh oder nicht. Lass ich seine "Bestrafung" an mich heran oder nicht. Was mir weh getan hat, war, daß meine Cosuinen ihr Kommen von mir abhängig machen wollten.
Dann rief ich ihn an, warum er mich ausgrenzt. Es kam eine ganz üble schwache Ausrede. Da wußte ich, jetzt bin ich mit diesem Thema fertig.

Conny, wenn Du kannst, laß uns wissen, wie es Dir beim Schreiben und Wut rauslassen erging, okay??

bis dahin,
liebe Grüße,
Jutta

28.04.2003, 18:14
Hallöchen Ihr Lieben,
bin wieder da. Hatte ein paar Computerprobleme. Wenn ich Mails schrieb, knallte mich das System dauernd raus! - Jetzt habe ich aber zünftig "gebastelt" und meinen Compi wieder auf Trab gebracht, hm-hm!( Naja, hoffe mal, dass es jetzt klappt!)

Liebe Conny, sonst ist bei mir aber alles okay, danke für die Nachfrage. Hm, wenn ich nicht gerade in meinem "Urwald" grüble, dann bin ich am Malen, am Schreiben, oder eben ... am Computer-Basteln. :-)
Möchtest Du noch etwas fragen, Conny? Ich weiss jetzt im Moment gerade gar nicht, wo ich mit meinen Gedanken zu unseren Gesprächen hier ansetzen soll. - Schreib einfach weiter hier, ja?

Hallo Jutta,
na, das ist ja interessant, wenn das Cousinentreffen von Deinem Kommen abhängig gemacht wird. - Ist das jetzt positiv zu sehen, dass die Cousinen alle nur WOLLEN, dass Du dabei bist, ... oder im negativen Sinn, dass sie Dich gar nicht dabei haben wollen?
(Man kann's jetzt, wenn man Deine Zeilen liest, von beiden Seiten verstehen.)

Hat sich etwas Neues ergeben mit Deiner Freundin und deren Tochter?

Ich grüssele Euch soweit mal ganz lieb, ja?
Die "krasse" Brigitte

28.04.2003, 18:46
Hallo,

Na Brigitte, wer sagt hier, daß FRAU nicht ihren Mann stehen kann :-). Bin froh, daß der Puter wieder funktioniert.

Meine Cousinen kommen gehen nicht zum Treffen, wenn ich nicht komme. Wir 4 hatten unser Leben lang relativ engen Kontakt und sind uns recht vertraut. Das ist was ich schade und traurig finde. Sie haben die Haltung schon damals bei meinem Paps mitbekommen und fanden vieles Schofel, ebenso jetzt bei meiner Mutti.

Bei meiner Freundin und Tochter herrscht Funkstille. Aber wir treffen uns alle spätestens am Mittwoch, da hat meine Freundin Geburtstag. Keine Angst, ich mache keinen Aufruhr!! Dabei ergibt sich aber bestimmt eine Gelegenheit zum Signalisieren, daß ich auch für die Tochter wie seit eh und je auch da bin.

So, eine schöne Woche (ohne Basteleien und dergleichen)
liebe Grüße,
Jutta

29.04.2003, 13:26
Hallo Ihr Lieben,
schön, wieder von euch zu lesen...:-) Bin im Moment arbeitsmäßig auch etwas im Stress und hab nur wenig Zeit für den PC...Werde aber demnächst mal wieder ausführlicher schreiben.
Ja, Jutta, irgendwie scheint es gerade eine Zeit des Grübelns zu sein. Mein Auslöser war ein Telefonat mit meiner Mutter, die eigentlich so war wie immer, total ignorant und egoistisch. Aber diesmal hat es mich mehr als sonst bewegt und ich überlege, ob ich ihr mal ein paar Takte schreibe. Wenn es euch interessiert schreib ich dazu mal mehr.

Die Geschichte mit Deinen Cousins ist aber recht traurig. So schafft es Dein Bruder, solche engen Familienbande zu kappen? Oder hab ich da jetzt was falsch verstanden? Dein Bruder macht da die Einladungen? Weißt Du mittlerweile, warum die Cousinen das Treffen von Dir abhängig gemacht haben?
Und wie gehst Du zukünftig mit Deinem Bruder um? Kontakt abbrechen? Mich beschäftigt diese Frage gerade bei meiner Mutter, deshalb die Neugierde.

Brigitte, schön, dass das Basteln erfolgreich war.:-) Und wir wieder von Dir lesen können.
Fragen kommen noch von mir, wenn ich etwas sortiert habe... Im Moment herrscht Durcheinander im Kopf.

Liebe Grüße und viel Sonne - juhu, hier scheint sie... -
Conny

29.04.2003, 14:19
Hallo stressgeplagte Conny,

Ja, mein Bruder versucht schon seit ein paar Jahren das große Zepter zu schwingen, und bewußt einen Keil zwischen uns zu treiben. Das Traurige ist, er hatte jahrelang kein Interesse an den Verwandten, ich dagegen bin ein Familienmensch und stand mit allen in gutem Kontakt. Das möchte er bewußt hintergehen und zerstören. Am Anfang habe ich mich "verteidigt", nun nicht mehr, soll Jeder für sich herausfinden. Finde es halt total schade, daß meine 4 nicht gehen, wenn ich nicht erscheine.

Conny, ich habe den Kontakt vollständig abgebrochen, außer an jenem Tag als ich von der verschickten Einladung hörte. Dieses Treffen steht schon seit 2 Jahren an, er übernahm damals das Oberhaupt der Planung usw., damit es auch zustande kommt. Mit meinem anderen Bruder war der Kontakt immer nur sehr sporadisch, da war zuviel in der Vergangenheit geschehen.

Es ist gewiss einfacher einen Kontakt zu Geschwistern einzustellen, als zu einem Elternteil. Schreib, wie Du es Dir vorstellst und was Dir so in den Kopf kommt.

Dann schicke bitte ein paar Sonnenstrahlen hierher, es ist nur grau in grau!!

liebe Grüße,
Jutta

29.04.2003, 19:41
Hallo Jutta,
komisch, wie Dein Bruder sich verhält. Er muss doch ein riesengroßes Problem haben, wenn er so viel investiert, um Dir den Kontakt zur Familie kaputtzumachen. Klingt so, als wäre er eifersüchtig auf Dich.
Ich denke auch, dass Du Dich da nicht "verteidigen" musst. Obwohl es schwer ist, das zu tragen. Was sagen denn Deine Cousinen zu der ganzen Sache? Sie müssen doch auch merken, was da abgeht.

Ja, meine Mutter. Das ist ein Fall für sich.
Ich hab ja glaub ich schon mal angedeutet, dass es in meiner Familie um Mißbrauch geht. Auch meine Mutter war das Opfer ihres Vaters, das muss ich wohl fairerweise einräumen. Ich bin seit frühester Kindheit von meinem Vater mißbraucht worden - genaue Erinnerungen fehlen mir allerdings. Sind mehr so Puzzlestückchen, die sich da immer mehr zusammensetzen.

Meine Mutter hat sich nun mal für diesen Mann, der mein Vater ist, entschieden. Sie hat viele - wirklich viele - Therapien und Klinikaufenthalte hinter sich gebracht, aber nach meiner Meinung nicht viel daraus gezogen, um Veränderungen zu schaffen bzw. zu wollen.
Sie hat mich total im Stich gelassen und immer darauf geachtet, dass es ihr gut geht und sie für sich den einfachsten Weg geht. Ich habe in den Jahren der Therapie für mich gelernt, dass sie sich niemals ändern wird und ich auch nie ihre Liebe bekommen werde. Sie ist ein sehr egoistischer Mensch und nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Puh, klingt alles ziemlich böse. Aber ich möchte auch kein Verständnis mehr für sie haben. Früher hab ich alles getan, um ihr zu helfen - meine Schwester und ich haben Verantwortung für sie übernommen. Ich könnte so viele schlimme Geschichten erzählen, da würde ich morgen noch schreiben.
Von meinem Vater hat sie sich scheiden lassen, als sie alleine mit ihm war (also keine Kinder mehr im Haus waren, die benutzt werden könnten), sie hat ihn finanziell total abgezockt und vor Gericht bei der Scheidung ein super Schauspiel mit psychischem Zusammenbruch hingelegt.

In letzter Zeit fühle ich nur noch Wut und Groll und jedes Telefonat mit ihr zieht mich wieder runter. Sie interessiert sich nicht für mich, besucht mich nicht, fragt nicht wie es mir geht. Sie erlaubt sich üble Aussagen über meinen Vater und macht mir klar, dass es ihr aber viel schlechter mit ihrem ging und ich könne ja froh sein, dass mein Vater so viel früher starb als ihrer. Sie sagt diese Dinge nicht direkt, sondern schiebt mir das so rein, dass ich es erst hinterher kapiere. Aber ich schaffe es halt nicht, ihr mal meine Meinung zu sagen. Ich spiele immer noch meine alte Rolle bei ihr und komme da nicht raus.
Ich will da was ändern, weiß aber nicht wie. Hab eine diffuse Angst, die mich lähmt.

Jetzt hab ich euch aber genug zugetextet. Sorry, dass ich euch so damit überflute. Aber vielleicht habt ihr eine Idee wie ich das Thema angehen könnte.

Ganz liebe Grüße,
Conny

29.04.2003, 19:43
Eigentlich bin ich ja hier gar nicht richtig mit meinem Thema. Hoffe, es ist trotzdem ok.
LG, Conny

30.04.2003, 06:30
Mörgelchen, Ihr Lieben,

uuuh, Conny, WAS für eine Story! Wenn ich solche Dinge höre, bin ich immer zuerst mal zünftig sprachlos.
Aber ich frage Dich jetzt einfach mal:
Wie würdest Du Dich fühlen, wenn Du keinen Kontakt mehr mit Deiner Mutter hättest? Würdest Du das wollen?
Stell Dir vor, Du sagst Deiner Mutter, dass Du Dich von ihr zurückziehen möchtest. Einfach mal so für eine Weile. (Muss ja nicht wirklich für immer sein.) Damit Du mal ein bisschen Abstand nehmen kannst. Du könntest ihr auch sagen, dass Du das für Deine Therapie brauchst.
Wie ist dieser Gedanke für Dich? Beruhigend? - Oder tut's weh?

Wenn Dich der Gedanke beruhigt, dann versuche es. Weh tut's bestimmt auch ein bisschen.
Wenn's aber nur sehr weh tut, und Dich der Gedanke überhaupt nicht beruhigt, dann suchst Du noch immer sehr nach ihrer Liebe.

Ich schätze jetzt mal, Deine Mutter steckt da selber in einer tiefen Sackgasse. Sie kann da gar nicht raus. Was ihr selber geschehen ist, hat sich später für ihr eigenes Kind wiederholt, und sie hat es zugelassen, weil sie selber nicht damit klar kommt. Sie denkt eben noch immer an sich und ihre Geschichte. Fängt an, abzuwägen, welches Erlebnis schlimmer war; das ihrige oder das Deine. Uff!
Hat wohl gar nichts damit zu tun, dass sie Dich nicht lieb haben könnte, sondern dass sie sich nicht selber helfen kann. Wenn sie sich nicht selber helfen kann, kann sie es schliesslich auch bei Dir nicht.
Kleiner Abstand vor ihrer Tochter? Ja, wenn die Tochter das ausdrücklich wünscht, würde ihr das vielleicht ebenfalls gut tun.

Sind so meine spontanen Gedanken dazu, Conny. Was meinst Du?
Weisst Du, ich bin nie sehr dafür, dass man andere "stehen lässt" oder den Kontakt abbricht, denn eigentlich löst das die Probleme nicht unbedingt. Aber "Pause" machen, wenn man es vorher mitteilt, ist sicher fair und kann auch Vorteile bringen.
Es betrifft hier ja Deine eigene Mutter, und ich glaube kaum, dass Du für den Rest Deines Lebens keinen Kontakt mehr mit ihr haben möchtest. Überlege Dir, wie sie darauf reagieren könnte. Wird sie wütend werden? - Gut!
Nimmt sie es gelassen auf? - Glaub ich nicht. Es wird ihr zu Denken geben.

Ich drück Dich feste, Conny. ;-)


Liebe Jutta, ich sende Dir auch noch liebe Grüsse. Gehe gleich zum Schwimmen, aber ich will Dir noch ein paar Worte schreiben.
Also Deine Cousinen wollen nicht erscheinen, wenn Du nicht kommst? Demnach stört es sie auch, dass Dein Bruder da das Zepter schwingt?
Wäre aber doch eigentlich positiv, wenn sie NICHT erscheinen! Würde auch Deinem Bruder ein bisschen zu Denken geben, oder nicht?
Sie könnten ihm ja sagen, dass sie gerne kommen wollen, aber zu einem anderen Termin, und zwar dann, wenn auch DU kommen kannst. (Ich nehme jetzt mal an, dass Du nicht hingehen KANNST, und nicht, weil Du nicht willst, oder?)

Ihr Lieben, ich muss leider los, bis späterchen, ja?
Es grüsselet
die "krasse" Brigitte

30.04.2003, 08:05
Hallöchen Ihr,

Conny, also für mich passt auch dieses Thema, denn es ist für DICH wichtig!!
Brigitte hat mal wieder die Fragen so richtig auf den Kopf des Nagels getroffen. Deshalb sagte ich, es ist einfacher auf der direkten Linie (sprich Geschwister) den Kontakt abzubrechen, als bei einem Elternteil.

Ich wünsche Dir nur ganz doll, daß Du eine Entscheidung treffen kannst, mit der Du leben kannst, bzw. wieder einen weiteren Schritt nach vorne machst.

Also keine Angst mit dem Mitteilen, wir sind damals spontan auf Dein Thema eingegangen, okay. Lassen Dich jetzt garantiert nicht in der Luft hängen.

Brigitte, ich weiß nicht, ob mein Bruder den Grund ihres NICHTerscheinens erkennen würde/könnte. Er hat das Treffen zeitlich so gelegt, daß ich nicht daran teilnehmen kann, er kennt meinen Tagesrhythmus sehr genau. Ebenso ohne Rücksicht auf die jüngste Generation, es sollten auch diese eine Gelegenheit haben sich kennenzulernen. Schade, schade, daß jemand so denkt und reagiert.
Ja, inzwischen denke ich, daß er eifersüchtig ist, auf was kann ich nur erahnen.

liebe Grüße an Euch,
Brigitte viel Spaß beim "wedeln & schreien"
Jutta

30.04.2003, 21:23
Hallo zusammen,

Liebe Jutta, noch schnell eine Frage: Weiss Dein Bruder, dass die Cousinen nur kommen, wenn Du auch kommst?
Wenn ja, sollte ihm die Sache schon klar werden, wenn sie alle NICHT erscheinen.
Wenn nein, sollte man es ihm nämlich sagen. Musst ja nicht unbedingt Du selber sein, das kann ihm auch eine Cousine sagen. ("Wir möchten, dass Jutta dabei ist! Lass uns den Termin verschieben!")- Wenn er, aus Eifersucht oder wie auch immer, sowas tut, versuche mit Deinen Cousinen zusammen, sowas gar nicht erst zuzulassen. Das nächste mal wird's ihm dann bestimmt in Erinnerung bleiben.

Denk ich jetzt mal so. Denkst Du's auch so? :-)

Liebe Grüsseli
von der "krassen" Brigitte

PS. Conny, ich hab' mir gar keine Gedanken darüber gemacht, OB Du jetzt vom Thema abgewichen bist, ich bin einfach darauf eingegangen. Also mach Dir keine Sörgelchen, gell?

01.05.2003, 00:03
Liebe Brigitte, liebe Jutta,
ich danke euch für eure lieben Worte. Es tut sooo gut... :-) Schön, dass es euch gibt, ihr helft mir wirklich sehr.

Ich denke nicht, dass ich es schaffen werde, den Kontakt zu meiner Mutter komplett abzubrechen. Da bin ich noch zu sehr in der Situation, etwas von ihr zu wollen.
Ich halte es auch nicht für gut, Kontakte ganz abzubrechen. Ich denke auch, dass es nicht wirklich hilft, besser damit klarzukommen. Zumindest muss dem ein Versuch vorangehen, vielleicht etwas ändern zu können.

Mit meiner Mutter ist das allerdings schwierig. Auch die Sache mit dem Abstand, denn wir haben eigentlich einen Abstand. Da wir sowieso nur alle paar Monate voneinander hören, würde sich das wohl kaum anders anfühlen.
Komisch ist eben, dass ich in letzter Zeit so wütend auf sie bin. Jedes Telefonat - der einzige Kontakt alle "Jubeljahre" - zieht mich total runter, weil sie mir immer so subtil was reindrückt.
Ich hänge da total in meinen alten Mustern drin und weiß nicht wie ich da rauskomme.

Brigitte, Du fragst, wie sie reagieren würde. Sie würde sich verhalten wie immer wenn ich sie mal konfrontiere, was ich sogar ab und zu "im Kleinen" mal schaffe, sie resigniert. Entweder fängt sie an zu weinen "Ja, ich weiß, dass ich alles falsch mache" oder sie sagt "Das ist deine Entscheidung, ich akzeptiere das" oder so in der Art. Auf jeden Fall würde sie die Verantwortung an mich geben und wieder in ihre Opferrolle verharren. Sie würde auf keinen Fall wütend werden, aber wohl auch nicht unbedingt nachdenken oder das Gespräch suchen. Sie "flutscht" sozusagen immer weg, ich komme da nicht an sie ran.

Jutta, nein, ich möchte da auch keine vorschnellen Schritte machen, sondern mir das gut überlegen. Ich denke darüber nach, ihr mal zu schreiben. Hab aber irgendwie Angst davor.
Komisch, bei meinem Vater ist mir das nicht so schwer gefallen, den hab ich richtig konfrontiert. Bei ihr schaffe ich es nicht, weil sie die Selbstmitleidsnummer so abzieht...
Puhhh...

Jutta, was Deinen Bruder und die Cousinen betrifft. Ich sehe das auch so wie Brigitte, jemand sollte ihm sagen, dass sie nicht kommen, wenn Du nicht da bist. Dann ist ja sein schöner Plan irgendwie in die Hose gegangen. Ich denke nicht, dass er mit seinen Spielchen da durchkommen sollte. Ich würde auch mit den Cousinen darüber sprechen.

Ihr Lieben, danke.
Dicke Drücker von Conny

Wünsch euch einen schönen Feiertag morgen.

01.05.2003, 06:29
Hallo auch hier :-),

zusammengefasst: keiner meiner Cousinen wird meinem Bruder die Gründe direkt sagen, und ich werde es auch nicht. Er wird sich eventuell bei den Rückmeldungen wundern, denn er weiß ja, mit wem ich "engeren" Kontakt habe und mit wem nicht. Und wie ich seine Denkweise kenne, wird sein Fazit in etwa so sein, daß ich hier "intrigiert" habe, obwohl er genau weiß, daß ich solche Machenschaften hasse und es mein Prinzip ist, so etwas nicht zu tun. Wer will - will, wer nicht - nicht. Ich lasse den Dingen nun ihren Lauf. Das Thema soll sich seinen eigenen Weg suchen und finden. Könnt Ihr das Verstehen???

Conny, klingt jetzt hart, aber hast Du Deine Mutter einmal gefragt, ob sie sich in ihrer "Rolle" eigentlich wohl fühlt? Was sie mit ihrem Märtyrerverhalten meint IHR Leben im Griff zu haben? Und ob sie sich SO vorgestellt hat IHR Leben zu verbringen?
Ist eigentlich Sch...., daß wir immer wieder in das kindliche Verhalten zurückfallen und verzweifelt versuchen, das endlich abzulegen!!

Da Du noch Erwartungen hast, kannst Du den Kontakt auch nicht abbrechen. Was Du vielleicht tun kannst, bevor Du wieder mit ihr telefonierst, Dir einen "Plan" zurechtschreiben. Wenn sie beginnt, in diese Rolle zu schlüpfen, werde ich ihr DAS sagen...(z.B. DIE Masche zieht bei mir nicht mehr, wenn Du usw., oder MIR kannst Du Deine Schuldgefühle nicht aufhalsen), was immer an besten paßt. Verstehst Du, wie ich das meine??
Lege diesen Lageplan direkt vor Dich hin, damit Du Dich selbst auffangen kannst, bevor das Ich-werde-wieder-zugewürgt-Gefühl aufkommt?? Denn Du brauchst ihre Gefühle nicht auch noch mittragen. Einen Teller mit Essen, das Du nicht magst schiebst Du doch auf die Seite. Vielleicht bringen Dich solche Gedanken weiter wenn die Situation eintritt.

Oh, ich bin schon wieder tief drin mit "Ratschlägen" und weiß nicht einmal ob sie Dir wirklich hilfreich sein werden.

Verbringt einen schönen Tag, ich werde nachher zu meiner Freundin fahren, ging ja leider gestern nicht. War vielleicht auch gut so, denn heute sind es nur sie, ihre Tochter und ich.

ganz liebe Grüße
Jutta

01.05.2003, 09:36
Hallöchen Ihr,

hi, Conny! Also Deine Mutter ist natürlich auch BEIDES: Eine Mutter, UND selber ein Opfer.
Da kann sie eben auch beides wählen: Mutter sein und ihrer Tochter die typischen Mutterleviten lesen, ... oder eben, wenn sie sich hilflos fühlt, in ihre eigene Opferrolle zurück fallen (und da weiss sie, dass Du nichts grosses einzuwenden haben kannst, hm-hm!). So ist sie eigentlich immer "stark", bzw. Du selber hast gar keine Chancen.
Weisst Du, wie ich meine?
Du kannst jetzt auch mal versuchen, diese beiden Tatsachen "getrennt" anzuschauen.
Wenn Du sie wieder mal am Telefon hast, worüber ärgerst Du Dich dann? Über ihre "gewöhnliche Mutter-Reaktion, die ihre Tochter zurecht weist", oder weil sie gerade in ihre Opfer-Haltung flüchtet und weint?
Bei ihrer Opfer-Haltung kannst Du eigentlich nicht viel tun. Aber bei ihren "Mutter-Predigten" kannst Du Dich als Tochter schon wehren. (Grins! Entschuldige den Ausdruck 'Mutter-Predigten', ich meine das nicht negativ, sondern weil wir ja alle Mütter haben (oder hatten) und wissen, wie Mütter manchmal sein können.)

Ist gerade wieder mal ein Gedanke von mir, ich lass ihn einfach mal so stehen, ja?

Ich hab' mal meiner Mutter bei einem Streit-Telefongespräch den Hörer einfach aufgelegt! Hui, ich weiss noch, das habe ich damals zum ersten mal überhaupt getan! (Das tue ich praktisch nie, weil ich es selber als sowas von Unhöflich empfinde, wenn jemand am anderen Ende den Hörer einfach aufknallt!) Aber damals hat sie mich so wütend gemacht, dass ich einfach nicht anders reagieren konnte.
Erstaunlicherweise hat das gewirkt. Ein paar Tage später kam sie dann, seeeeehr freundlich, und lud mich zum Essen ein! (War zwar nur so ein Billig-Food-Essen, aber immerhin: Ich betrachtete es als ihre Entschuldigung an.)
Das war damals eigentlich auch mein erstes "Erfolgserlebnis" mit meiner Mutter; ich habe also etwas getan, das ihre Rolle als Mutter ein bisschen ins Wanken gebracht hatte. Sind vielleicht auch ein bisschen "Machtspiele" oder sowas zwischen Mutter und Tochter, aber ich denke, das ist normal.

Meine Mutter hatte z.B. auch immer wieder, als meine Schwester und ich erwachsen waren, gefragt: "Gell, Ihr hattet doch eine schöne Kindheit?"
Um nicht Streit mit ihr zu kriegen, antworteten wir da immer mit einem "Ja!".
Aber die Frage an und für sich war eigentlich schon recht manipulativ. Und weil die Frage immer wieder mal kam, zeigte es mir, dass meine Mutter offenbar selber unsicher über die Antwort dieser Frage war.
Das ist sowas wie ein "Machtspielchen", hat aber auch sehr viel mit Unsicherheit zu tun.

Ah, ich schreibe hier einfach spontan, Conny, und lass das ebenfalls mal so stehen, gell?


Liebe Jutta, jetzt komm ich nochmal schnell zu Deinem Bruder zurück.
Einfach mal angenommen, hm?, eine Deiner Cousinen ruft Deinen Bruder an und sagt ihm:
"Ich habe gesehen, dass unser Termin genau auf den Tag fällt, wo die Jutta ja gar nicht dabei sein kann! Wäre doch aber toll, wenn sie dabei wäre, findest Du nicht auch? Mir wär's daher lieber, wenn wir den Termin verschieben! Was meinst Du?"

So meine ich, liebe Jutta. So wie Dein Bruder Deinen Tagesablauf kennen mag, so mag ihn vielleicht auch eine Deiner Cousinen kennen, nicht wahr?
Vielleicht wird er sie fragen, ob Du Dich bei ihr gemeldet hast, aber das muss sie ihm ja nicht erzählen.
In diesem Moment ist er herausgefordert. Entweder sagt er der Cousine ehrlich, dass er Dich nicht dabei haben will, oder er muss nachgeben.

;-) Jutta, das Thema kann sich nicht seinen eigenen "Weg" suchen und finden. Es bleibt nur stehen.
Das ist bei mir und meiner Schwester nämlich genau so. "Unser" Thema bleibt stehen, wenn nicht von irgendwo her gehandelt wird. - Grins! Ich drück Dich!

Liebe Grüsseli
von der "krassen" Brigitte

02.05.2003, 05:38
einen guten Freitagmorgen,

Conny, die Manipulation Deiner Mutter läßt sie sich in "ihrer" Rolle immer wieder bestätigen, daß SIE die Kontrolle über Dich und Deine Gefühle hat. Da sie ja selbst die Kontrolle über ihr eigenes Gefühlsleben nicht hat, und somit drückt sie diese gelinde gesagt an Dich ab. Ist der einfachste Ausweg, und damit setzt sie Dich immer wieder unter Druck, sie leidet, also mußt Du auch leiden. Deshalb schrieb ich ja irgendwann vorab, erstelle Dir einen Strategieplan, damit Du, wenn auch nur auf dem Papier am Anfang, beginnen kannst dieses Spiel zu unterbinden. Bis Du selbst merkst, ich kann ihr einen kleinen Satz OHNE Schuldgefühl sagen.

Sag mir bitte, wenn ich für Dich zu theorielastig werde, okay??
Meine Mutter war auch eine SEHR dominante Frau, hat auch so ihre "Spielchen" versucht, nur nicht so intensiv wie Deine Mutter.

Tja Brigitte, ich weiß das Thema wird seinen Weg nicht finden, aber ich bin jetzt an einem Punkt, wo ich es einfach fallen lasse. Ich sagte meinen Cousinen auch, tut, wie ihr es für Euch am besten empfindet, es wäre nur schade, wenn dadurch vielleicht ein erneuter Kontakt zu den Anderen unterdrückt werden würde, die sich bestimmt freuen, wenn ihr dabei seid.

Ich habe nicht resigniert, aber es gibt andere Dinge, die für mich jetzt einfach wichtiger sind, als dieses ewige Heck-Meck für seinen Ego. Den kann er sich sonstwo aufblustern!

Es ist für mich an der Zeit, Umstände, wie auch Menschen gehen zu lassen. Und mich nur noch darauf zu konzentrieren, was für meinen Weg wichtig ist. In meiner unmittelbaren Nähe ist das meine Freundin (sie braucht mich mehr denn je, es geht ihr recht übel), meine Gesundheit, und klar auch meine Männekens hier.

liebe Grüße,
Jutta

02.05.2003, 13:02
Hallo Ihr Lieben,

darf ich mich auch hier "einmischen"? Ich wage es jetzt einfach mal.... - wenn Ihr das als unpassend empfindet, sagt es mir bitte, gell?

Liebe Conny,
Du hast ja ganz schön was hinter Dir! Da komme ich mir mit meinen Sorgen und Problemen ganz "klein" vor. Das Verhältnis zwischen Dir und Deiner Mutter, dieses "Mutter-Tochter-Problem" kommt mir dennoch bekannt vor, wenn auch aus anderen Gründen. Meine Ma und ich hatten uns zu Lebzeiten meines Pa's auch ständig gezofft. Wie Ma mir später "beichtete" war sie ständig darauf eifersüchtig, wie gut ich mich mit Pa verstanden habe - auch wenn sie durchaus wusste, wie blöd es ist, auf die eigene Tochter eifersüchtig zu sein. Ich denke aber, es hatte auch andere Gründe. Vermutlich war sie auch "eifersüchtig" darauf, dass ich immer selbständig war und mich nie von einem Mann "abhängig" gemacht hatte, während sich ihr Leben nur und ausschließlich um Pa gedreht hatte. Ich hatte mich damals dadurch "aus der Affäre" gezogen, in dem ich mich halt seltener gemeldet hatte. Nach jeder Auseinandersetzung hatte ich so viel Zeit vergehen lassen, die ich eben brauchte. Den Kontakt völlig abzubrechen, hätte ich auch nicht übers Herz gebracht. Vielleicht würde es Euch auch helfen, ein bisschen mehr Abstand zu halten? Sorry - ist nur so ein Gedanke - wenn es nicht passt, wirf ihn einfach weg. Ich fürchte nur, dass es Deiner Mutter kaum noch möglich sein wird, aus ihrer "Rolle" rauszukommen und es für Dich auch wahnsinnig schwer ist (auch noch unter diesen verschärften Umständen), an Deiner "Tochter-Rolle" zu arbeiten. Für Deine Mutter ist es vielleicht auch eine Art von "Selbstschutz" ihr Schicksal über das Deinige zu stellen? Ist sie vielleicht zu schwach und labil, um damit anders umgehen zu können? Ich weiß, das hilft Dir auch nicht weiter - aber ich wünsche Dir, daß auch Du einen Weg findest, um für Dich einen "Selbstschutz" zu entwickeln...

Liebe Jutta,
Du schreibst, dass es für Dich an der Zeit ist, Umstände, wie auch Menschen gehen zu lassen. Ich glaube, da bist Du auf dem richtigen Weg. Bei mir gab es auch einen Zeitpunkt, wo ich meine "zwischenmenschlichen Beziehungen" überdacht habe. Sogenannte "Freunde", Bekannte und auch Familie. Dabei sind viele "durch die Roste gefallen", weil ich feststellte, sie tun mir nicht gut, sie belasten mich (psychisch) eher. Übrig geblieben sind dann nur noch "richtige" Freunde, die ohne Vorbehalte für mich da sind und für die ich auch gerne jederzeit da bin. Das hilft der Psyche ungemein und damit auch der eigenen Gesundheit. Ich wünsche Dir ein "gutes Händchen" beim "sortieren und neu einordnen". Hoffentlich verstehst Du mich jetzt richtig - ist wirklich nur lieb gemeint, ja ?!?

Liebe Grüsse an Euch alle von
Gabi

02.05.2003, 19:03
Hallo Ihr Lieben,
Danke für eure Gedanken und Ideen. Wenn ich so lese, was ihr zu meinen Problemen schreibt, dann merke ich immer wieder, dass mir dieser Blick von außen total fehlt und es ist so hilfreich, das von euch zu bekommen. Danke.

Liebe Jutta, nein, ich hab meine Mutter noch nie gefragt, ob sie sich in ihrer Rolle wohl fühlt. Wenn ich ehrlich bin, hab ich mich das einfach noch nicht getraut. Du hast sicher recht, dass sie mich so manipuliert, dass sie die Kontrolle über mich behalten kann. Ich weiß von meiner Schwester, dass sie auf gewisse Weise auch Angst vor mir hat. Deine Idee mit dem "Plan" am Telefon ist schon gut, aber bisher war ich immer so in der Situation "gefangen", dass es mir nie gelungen ist, so einzugreifen. Ich weiß aber, dass es mal allerhöchste Zeit dafür wäre. Ich WILL es versuchen. :-)
Meine Mutter redet sich übrigens recht erfolgreich ein, dass sie ihr Leben und die Situation mit ihrem Mißbrauch super im Griff hat. Was ich aber nicht so sehe.

Jutta, Du warst ja inzwischen wieder bei Deiner Freundin. Wie geht es ihr denn in der Situation mit ihrer Tochter. Hat sich die Sache etwas "normalisiert". Konntest Du ein gutes Gespräch führen? Ich denke da ganz fest an Dich und hoffe, dass sich das zum Guten wendet. Aber pass bitte auch auf Dich auf, wenn ich das sagen darf.

Liebe Brigitte,
Du hast es wieder 100%ig auf den Punkt getroffen. :-)
Da meine Mutter selber Opfer ist, kann sie mich damit natürlich richtig gut plattmachen. Und ich tappe auch jedesmal wieder in die Falle.
Worüber ärgere ich mich bei unseren Telefonaten. Eigentlich nur darüber, dass sie mich nie fragt wie es mir geht, was ich so mache usw. Ich wohne schon seit mehr als 2 Jahren wieder in meiner alten Heimat; sie hat mich dort noch nicht einmal besucht, obwohl ich sie darum gebeten hatte als mein Mann sich damals selbständig gemacht hat. Ich hätte sie da wirklich gebraucht. Aber das nur am Rande. Sie nervt mich einfach durch ihr Desinteresse. Und erzählt nur von sich. Kotzt sich quasi aus und ich hab von dem Telefonat nichts gehabt. In die Opferrolle verfällt sie eigentlich nur, wenn ein Thema kommt und das dann einfacher für sie ist.

Klasse, dass Du es getan hast und einfach den Hörer aufgelegt hast bei Deiner Mutter. Ich hoffe, dass ich dazu auch mal den Mut finde, wenn meine Wut mich überrollt. Ich glaub aber nicht, dass von meiner Mutter dann eine Reaktion käme. Sie ist dann lieber wieder Opfer.

Liebe Gabi, natürlich darfst Du hier auch schreiben. :-)
Eins möchte ich aber nicht lesen, dass Du Dir mit Deinen Sorgen und Problemen klein vorkommst. Das sehe ich aber völlig anders.
Meine Mutter war übrigens auch immer eifersüchtig auf mich, hat sie mir auch irgendwann mal "gebeichtet". Denn ich hatte auch die volle Aufmerksamkeit meines Vaters, allerdings anders als ich es mir gewünscht hätte.
Was den Abstand betrifft, eigentlich hab ich schon großen Abstand zu ihr, denn wir telefonieren sowieso eher selten miteinander und sehen tun wir uns höchstens 2 mal im Jahr, wenn ich in ihrer Stadt bin (wo auch mein Bruder lebt). Da sie jetzt aber noch weiter wegziehen wird - dann sind ca. 700 km zwischen uns - werde ich sie wohl gar nicht mehr sehen, wenn ich sie nicht besuche. Wenn, dann muss ich zu ihr fahren.
Ich denke Du hast recht damit, dass meine Mutter zu schwach und labil ist, aus ihrer Rolle rauszukommen. Sie möchte es aber auch nicht. Ich behaupte, sie fühlt sich wohl in der Opferrolle. Ich werde sie nicht ändern können. Das haben schon zig Klinikaufenthalte und viele Therapien nicht geschafft.

Ich hab schon fast ein schlechtes Gewissen, dass ich euch hier so mit meinen Problemen zutexte. Ihr habt selber auch eigene Sorgen. Wenn es euch zuviel ist, dann sagt es mir bitte, ok?

Ganz liebe Grüße und eine Menge abendliche Sonnenstrahlen
schickt euch,
Conny

02.05.2003, 19:33
Hallo Conny,

wollte eben meinem PC seine "Nachtruhe" gönnen, da kam Dein Beitrag.

Man verrennt sich irgendwie in seine sujektive Meinung über die Dinge, weil man es eben so spürt, es so und nicht anders sehen will oder kann. Da helfen die Gedankenanstöße von "Aussenstehenden" um das Problem mal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

Wenn Deine Mutter nun noch weiter weh zieht, hast Du nicht ein bißchen Wut und ebenso Angst im Bauch, daß es dann noch schwieriger werden könnte sich mit ihr auseinanderzusetzen?
Oder vielleicht hilft gerade eine noch größere Distanz auch die Auseinandersetzung "distanzierter" anzugehen? Bist Du dann im Süden, oder Norden?

Der Plan war als "Krücke" gedacht, da ich weiß, wenn die Gefühle hochkommen, schnürt es die Kehle zu, der Magen dreht sich und man will so viel sagen, und es kommen einfach andere Worte als die geplanten.

Der Besuch bei meiner Freundin fing ganz super an, ich brannte ihr ein paar CD's mit Musik aus unserer "jungen" Zeit. Da schwelgten wir wie die 16 jährigen in Erinnerungen. Sie wünscht sich halt momentan die Unbeschwertheit zurück, da es ihr gerade nicht gut geht. Dann kam ihre Tochter dazu, war sehr sehr mühsam das Gespräch überhaupt zu beginnen. Nach ein paar Minuten war es auch schon wieder zu Ende. Und ich zwang mich nicht zu platzen vor Zorn. "Sie soll sich nicht so anstellen, andere hätten den Krebs auch überlebt, übrigens, gibt es was zu essen". Dazu habe ich keine Worte mehr.

Conny, wenn niemand mehr antwortet, dann hast Du uns überstrapaziert :-) :-) :-)!!!!!!!!!

ganz liebe Grüße
auch traurige
Jutta

02.05.2003, 22:58
Liebe Jutta,

dann hoffe ich mal, dass ihr mir noch eine Weile antworten werdet.... :-) :-) :-) Ich fühle mich hier nämlich sehr wohl mit Euch und der Austausch tut mir gut.

Ich bin übrigens im Norden (Ostwestfalen), meine Mutter dann im tiefen Süden (Südschwarzwald). Nein, ich hab keine Wut oder Angst, dass sie so weit weg ist, da sich dadurch wohl nicht viel ändern wird, schätze ich. Eigentlich läuft ja unser Kontakt schon jetzt auf "Sparflamme". Ich habe mir fest vorgenommen, beim nächsten Telefonat eine "Krücke" zu Hilfe zu nehmen, eine gute Idee von Dir! Allerdings überlege ich auch sehr heftig, ob ich ihr mal schreibe und mir da einiges von der Seele schreibe. Ich find es schwierig, weil ich ihre Reaktion gar nicht einschätzen kann. Ich werde noch darüber nachdenken.

Puh, die Tochter Deiner Freundin ist aber erbarmungslos. Solche Sprüche hauen einen ja um. Sie muss ja eine Riesenangst haben... aber die hat Deine Freundin sicher auch. Dass Du da zornig warst, kann ich verstehen. Wäre mir auch so gegangen. Hast Du mal versucht, mit der Tochter (ohne Mutter) zu reden? Oder hat es keinen Sinn?
Tut mir leid, dass Du traurig bist. Es ist eine besch... Situation für Dich. Aber es ist schön, dass Du für Deine Freundin da bist. Könnte es sein, dass die Tochter eifersüchtig ist auf die Aufmerksamkeit, die ihre Mutter bekommt? Nur so ein Gedanke.

Fühl Dich geknuddelt,
Conny

03.05.2003, 06:44
Gute Morgen,

freut mich, daß Du Dich bei uns wohl fühlst :-), ist das nicht der Zweck des Forums? So sehe ich es zumindest. Und wenn ein liebes Mitmenschlein sich nicht wohl fühlen kann, kommt es schon garnicht hierher.
Es geht ja nicht NUR darum, welche Medikamente und welche Auswahl stehen mir noch zur Verfügung, die Seele braucht auch ihre Salben und Möglichkeiten um mit der Belastung umzugehen. Oder etwa nicht?? Irgendwann möchte man mit guten Gedanken den nächsten Tag beginnen. Und wenn wir dies geben können, bilde ich mir wenigstens ein, können auch wir wieder unseren Tank etwas auffüllen.

Die Tochter meiner Freundin möchte keine ihrer Annehmlichkeiten aufgeben. Mama war immer für sie da, tat alles usw., und da liegt der Kern des Problems. Die Worte zwischen den Zeilen, wie kannst Du jetzt krank werden, es passt mir jetzt nicht in den Kram.
Als wir alleine waren, versuchte ich ganz sachte, ein Gespräch mit ihr, die Unverständlichkeit stand ihr im Gesicht geschrieben. Was braucht sie mehr, als in die Chemo, zum Arzt gefahren zu werden???? Das ist es, was mich so traurig macht für meine Freundin, ich spüre ihren Schmerz. Ich kann ihn ihr nicht nehmen, sondern ihr nur sagen, ich versteh dich, ich bin für dich da.

Conny, wir waren immer füreinander da, wenn auch räumlich getrennt, sie wohnt ca. 1 Std. BAB von mir entfernt. Es war wie vor dem Standesamt mit uns Beiden: durch dick und dünn. Und das gibt mir die Bereitschaft einfach für sie da zu sein, egal was.

Den Gedanken mit dem Brief an Deine Mutter finde ich gut. Du wirst ihn wahrscheinlich tausendmal im Kopf schreiben, etliche Anfänge in den Papierkorb werfen, um dann den für Dich endgültigen abzuschicken.
Darf ich Dir dazu eine kleine Erfahrung mitgeben? Wie ich Deine Mutter aus Deinen Erzählungen einschätze, wird sie auf DU HAST Gedanken nicht eingehen, oder den Brief vielleicht nicht einmal zu Ende lesen. Oder ihn sich immer wieder vorholen, um sich weiter selbst zu bestätigen was für eine undankbare Tochter sie hat und noch verletzender Dir gegenüber werden. Denn Du hast sie genau an ihren eigenen Problemen getroffen.
Schreib zuerst den DU HAST Brief für Dich selbst, dann stelle Deine Gedanken um auf, ich fühle mich............, mir tut es weh, daß...... Und laß sie auch wissen, daß es Worte ohne Werturteil sind, sondern nur wie Du Dich fühlst.
Verstehst Du, wie ich das meine??

Meine Geschichte mit meiner Mutter war im Vergleich zu Dir eine "Kleine", aber ich hatte das Verlangen mit ihr solche Gespräche zu führen, damit sie meine Handlungen das eine oder andere Mal nachvollziehen konnte.

Es ist ein strahlend blauer Himmel da draußen,
den schick ich Euch jetzt einfach auch.

ganz liebe Grüße,
Jutta

03.05.2003, 11:30
Liebe Jutta!

Ich danke Dir für Deine Antwort im anderen Thread - momentan passe ich eher zu den schlimmen Gedanken . . .
Hab schon einen Zorn auf mich, weil ich mich hier nicht mit meinen Namen melde - geht ja nicht, bin ja eigentlich die liebevolle Tochter.
Genauso wie Du schreibst, meine kleine Schwester ist der erklärte Liebling und sie bekommt natürlich auch das Haus, das ist mir aber nicht wichtig.
Als Vati krank wurde, fragte ich meine Mutti, ob mein Mann und ich nicht vielleicht im Garten ein Gartenhaus aufstellen könnten und es wäre somit auch immer jemand da, der ihr helfen könnte.
Erst sagte sie ganz begeistert Ja, und nach einer Woche (nach dem Gespräch mit der Kleinen) sagte sie, nein, lieber nicht, Vati will das nicht - zu dem Zeitpunkt hatte Vati schon so weit fortgeschrittene Alzheimer dass er nichts mehr enstschied.
Gut, dann brauchte Vati irgendwann Rundumdieuhr-Betreuung und Mutti wollte nicht aufs Theater und ab und zu weggehen verzichten, also blieb ich in der Zeit immer bei Vati.
Das war auch ok, ich war ja gerne bei ihm, hab ihm gerne gewickelt und gestreichelt . .
Die Aussage von Mutti immer, weißt Du, die anderen drei verkraften das nicht . . die hat mich schon damals auf die Palme gebracht.
Mein Mann und ich haben uns einen Baugrund gekauft und begannen zu bauen, nebenbei machten wir den Garten bei den Eltern und auf Abruf waren wir immer für Mutti da. . .
Irgendwann kam es dann zum Riesenstreit mit Mutti, sie wollte dann das Haus auf mich schreiben und ich wollte das nicht - jetzt nicht mehr, wir bauten bereits.
Sie erklärte uns dann noch, eine andere will das Elternhaus ja doch nicht und wir könnten uns ja eine Hypothek aufnehmen, wenn irgendwas zu richten wäre (ist aber genug Bargeld da - aber das gehört dann den Schwestern, ich krieg ja das Haus)
Unterm Strich ist dann rausgekommen, dass ich mit Mutti nichts geredet hab und nur mehr runtergefahren bin, wenn mich Vati brauchte.
Als es mit Vati immer schlechter wurde - und lt.Mutti konnte nur ich mit ihm richtig umgehen - tat sie mir auch wieder leid und ich kümmerte mich um einen schönen Pflegeplatz und führte Mutti wann und wohin sie musste und wollte.
Das war alles im letzten Jahr.
Heuer wurde Mutti krank und meine Schwestern und ich hatten erst vor kurzem eine Aussprache, sagen sogar dass ich mich nicht von Mutti so vereinnahmen lassen soll - aber wie geht das wie???
Bis zu ihrer letzten Chemo war sie für kurze Zeit ganz anders, richtig lieb - aber nach der letzten Chemo und seit es ihr wieder ein bisschen besser geht - ich hab manchmal so richtig Wut auf sie.
Ich weiß, ich dürfte das nicht haben und hätte ich meinen Mann nicht, der voll hinter mir steht, ich weiß nicht.
Ich lese Deine Beiträge schon seit Februar und manchmal frage ich mich, wo Du Deine Sichtweisen her hast - hätte ich nur auch ab und zu so Gedankenblitze!!
So, hab mich schon wieder zu lange mit mir beschäftigt - Telefon - wahrscheinlich muss ich Mist runter tragen oder Geschirrspüler ausräumen oder was auch immer.
Irgendwann dreh ich durch und weißt Du, am meisten ärger ich mich über mich selbst - ich schaffe es nicht zu Mutti zu sagen, so weit und nicht weiter - sie nimmt mir mit ihren Worten, so gut dass du da bist und nie hätte ich geglaubt, dass wir einmal so ein gutes Verhältnis kriegen - immer den Wind aus den Segeln.
Wo ist das gute Verhältnis - immer dann wenn sie mich braucht??

Jetzt gehts mir wesentlich besser, danke fürs Zuhören - ich bin eine böse, undankbare Tochter - gut dass ich euch das einmal sagen darf.

Viele liebe Grüße

03.05.2003, 11:37
Liebe Conny,

auch hier noch mal ein paar Zeilen an Dich. Von Dir möchte ich aber auch nicht mehr lesen, dass Du uns mit Deinen Problemen "zutextes" - gelle (grins!)? Da werfe ich den Ball jetzt einfach mal an Dich zurück.

Ich weiss, Du möchtest nicht, dass ich meine Probleme geringer einschätze, aber (entschuldige bitte meinen kleinen Widerspruch) ich hatte doch zumindest eine unbeschwerte Kindheit und Jugend - Eltern, die mich behütet und beschützt (und nicht missbraucht oder misshandelt) haben. Wenn ein erwachsener Mensch mit Problemen konfrontiert wird, kann er sich doch ganz anders wehren und damit umgehen. Ein hilfloses Kind zu missbrauchen ist für mich das schrecklichste, grausamste und fürchterlichste, was ich mir vorstellen kann! Nochmals Entschuldigung, aber so sehe ich das nun mal....

Dass Du Deiner Mutter einen Brief schreiben möchtest, finde ich auch eine gute Idee. Und wenn es vielleicht auch "nur" DIR selbst hilft - unabhängig davon, wie Deine Mutter reagiert ??? Allerdings - wenn Deine Mutter danach noch schlimmer reagiert, als vorher, hilft es Dir dann wirklich ??? Puhh, da befindest Du Dich aber auch in einer verdammten Zwickmühle.

Ich wünsche Dir ganz viel Kraft, die richtige Entscheidung zu treffen!! Nochmals liebe Grüsse von
Gabi

03.05.2003, 11:40
lieber Gast,

jetzt nur ganz kurz eine kleine Antwort.

Schminke Dir ganz schnell ab, daß Du eine böse undankbare Tochter bist! Lege diese verdammten "Schuldgefühle" in den Mülleimer, den Du hast ausleeren dürfen!

Später komme ich wieder rein, dann gehts weiter.

Denke Dir doch einfach einen Namen aus, wenn Du Deinen nicht agen möchtest? Gast wirkt so ein bißchen fremd :-).

liebe Grüße,
Jutta

04.05.2003, 05:57
lieber Gast,

siehst Du Dich als böse undankbare Tochter, weil Du diejenige bist, die immer ins "Abseits" gestellt wurde? Die sowie so immer alles alleine schafft, und jetzt herangeholt wird um DAS zu geben, was ihr vermeintlich verweigert wurde?

Kannst Du Dich vielleicht mal mit dem Gedanken anfreunden, daß DU als die verantwortungvollste und stärkste Tochter gesehen wirst?
Tendieren Eltern nicht allzu oft zu einer Verhaltensweise, sich mehr um das "schwächere" Kind zu kümmern, das "Starke" schafft es ja?? Und das wird dann auch für die Verpflichtungen herangezogen, eben weil man merkt, da bekomme ich was ICH jetzt will?

Tun wir das selbst nicht genau so? Holen wir uns nicht unsere Unterstützung bei den Menschen, bei welchen wir "wissen", daß wir sie bekommen? Nur daß es in diesem Fall einfach an die absoluten Grenzen der seelischen Verfassung geht, und uns dadurch unsere eigene Unvollkommenheit wie eine Peitsche ins Gesicht knallt??

Warum meinst Du, daß Du keine Wut auf Deine Mutter haben darfst? Nur, weil sie Deine Mutter ist? Du hast das Recht, auf jeden Menschen eine Wut zu haben!! Hast Du nicht auch das eine odere andere Mal eine Wut auf Deinen Mann, einen Menschen den Du liebst?

Du fragtest wo ich meine Gedankenblitze herbekomme? ( im anderen Thread) Es sind meine eigenen Erfahrungen und Empfindungen, an mir selbst, meinem engen Umfeld = gleich Familie, und aus dem wirklichen Freundeskreis. Ich stelle Empfindungen in Frage, versuche den Ursprung zu identifizieren, und die für mich bestmöglichste Lösung zu finden. Bin ein Mensch, für den Authentik der eigenen Persönlichkeit eine große Rolle im Leben spielt und für mich bedeutet das, meine Schwächen zu erkennen, lernen diese zu akzeptieren, denn sie sind ein Teil von mir. Ich bin ich.

In diesem Sinne bleibt mein Ohr offen, meine Schulter breit genug.
Jutta

04.05.2003, 09:03
Guten Morgen Jutta,

ja genauso sehe ich mich - hab ich meine Mam gebraucht, war sie nie da - weder für mich noch für meine Kinder und jahrelang hat sie mir gefühlsmäßig total weh getan - klar ich bin undankbar, weil geschlagen oder misshandelt wurde ich nicht!
Und dann meine beiden Scheidungen - sie ist niemals hinter mir gestanden, im Gegenteil, hat sich noch geniert für mich . .will niemals so werden wie sie und gerade deswegen kümmere ich mich jetzt um sie - ich will ihr zeigen - ICH bin anders als SIE!
Genau das ist es ist - DANKE, jetzt weiß ich wenigstens das einmal.

Als mein Lebensgefährte vor ein paar Jahren sterben musste - er war noch so jung - diese Begleitung bis zuletzt war ein Auf und Ab, und es war nicht immer bedingungslose Aufopferung - doch die Liebe hab ich gespürt, so stark wie niemals etwas zuvor.
Brauchst aber nicht glauben, Mam hätte mich da irgendwie seelisch verstanden, im Gegenteil, sie sagte mir ins Gesicht, einen kranken Mann sollte man nicht zu sehr lieben . . und wieder monatelang keine Kontakt!

Warum stört es mich so, wenn meine kleine Schwester von Mam so verherrlicht wird - das wurde sie doch eh immer - niemals möchte ich solche Unterschiede bei meinen Söhnen machen.

Klar, ich darf Wut auf Mutti haben, hab ihr auch so manches Mal gesagt, was mich stört, warum ich Wut habe, aber weißt Du was, sie hat das immer eher ignoriert und immer gemeint, die Eifersucht auf die Kleine ist das, sonst nichts - das stimmt aber nicht, ich mag meine Schwestern alle drei!

Ich stelle mal in Frage, ob ich als Stärkste gesehen wurde, bin mit 17 Jahren ausgezogen und als ich von meinem Mann verprügelt wurde und meine Mam anrief, sagte sie nur - hast ja gewusst, dass Du einen brutalen Mann geheiratet hast - monatelang wieder kein Wort miteinander - aber gut, das ist lange her und ich dachte, ich hätte ihr verziehen, anscheinend doch noch nicht ganz.

Und ich stelle auch in Frage - nein ich stelle es doch nicht in Frage, Du hast recht, es ist so, ich hol mir Unterstützung auch nur bei Menschen, bei denen ich sie bekomme.

Ja, ich hab oft Wut auf Menschen, die ich liebe, auf meine Kinder, auf meinen Mann - aber die liebe ich wirklich und das mit dem Herzen - Mutti tut mir leid - ist da nicht ein Unterschied??

Ich hab auch Wut auf Vati, wenn ich ihn im Heim besuche und er erkennt mich nicht und spricht nicht und ich weiß, er ist krank und dann hab ich Wut auf die Krankheit und dann wieder doch nicht - endlich ist er gefühlvoll, streichelt meine Hand und Gefühle zeigen war für ihn, als er noch gesund war, nicht möglich - er konnte es einfach nicht.

Ich schwafel Dich da zu und frag mich, wann hast Du Probleme mit Dir, hat Dir das nicht verdammt wehgetan - diese Ungerechtigkeit mit Deinem Bruder??
Was können wir als Kinder falsch gemacht haben, dass unsere Mams zwischen eigenen Kindern so differenzieren???
Ich will nicht immer die Starke sein, möchte es ihr endlich sagen und kanns aber nicht, weil sie ja wirklich krank und schwach ist, verstehst Du, ich bin mit mir selbst im Streit.
Hab früh lernen müssen, die Streu vom Weizen zu trennen und umgebe mich schon lange nur mit Menschen, denen ich vertraue, die ich liebe - sind nicht allzu viele - doch die sind da und für die Menschen bin auch ich da - immer und bedingungslos.
Ich weiß selbst nicht, warum ich mich so fühle, warum gerade jetzt - kann ich dieses Gefühl nicht auf irgendwann später verschieben??

Wenn ich Dir auf die Nerven geh, ich verstehs - danke Dir für Deine Gedankenanregungen - das hilft schon das sag ich Dir!
Erwarte mir auch keine Antwort, ist schon sehr erleichternd, wenn ich hier einfach reinschreiben darf - fühl mich dann einfach freier.

Irgendwie bin ich pervers, heute ist meine Schwester bei Mutti und ich hab gestern zu ihr gesagt, mein Mann und ich machen heute einen Ausflug - und jetzt sitz ich da und weiß nicht, ob ich nicht doch den Wunsch habe runterzufahren und schauen, wie es ihr geht.
Nein heute nicht - morgen wieder - oder vielleicht dann am Abend??

Du siehst, ich bin komplett bescheuert!

Einen wunderschönen Sonntag wünsch ich Dir - darf ich Dich fragen wie alt Du bist und wie lange Du Dir und Deiner Persönlichkeit soviel Zeit widmest - hört sich wieder blöd an, aber ich denke, Du weißt was ich meine!

Liebe Grüße, Ich

04.05.2003, 10:56
Liebes "Du",

ich hoffe, daß Du Deinen Mann und Kinder geschnappt hast, und mit ihnen den Tag verbringen wirst!! Ja, ja ich weiß, ist viel leichter gesagt, als getan.

Warum verbindest Du "Undankbarkeit" mit Suche nach mütterlichem Akzeptieren und Lieben? Versuche einmal diese 2 grundverschiedenen Dinge auseinander zu betrachten. Wenn es Dir hilft und Du eine ruhige Minute findest, meine Theorie mit den 2 Blatt Papier und dann die Auflistung.

Wie wichtig ist Dir die Kontrolle der Gefühle? Die Angst, es so zu machen, wie Du es nicht tun möchtest? Wie gehst Du ansonsten damit um, können die Menschen in Deinem Umfeld Dir alles (fast alles) recht machen? Oder machst Du es lieber selbst, weil Dir ein Fünkchen Vertrauen fehlt?

Ich glaube kaum, daß Du komplett bescheuert bist, sondern Du Dir Deiner wunden Punkte bewußt geworden bist. Und die Zeit gegen sie (Deine Mutter) anzugehen aus dem Ruder läuft. Oder??

Deine Mutter ist wahrscheinlich vom Schlage, nach außen eitel Sonnenschein, was werden die Nachbarn sagen, komme ich mit einem roten Kleid daher (doofes Beispiel), und absolut nicht bereit sich mit ihren Schwächen (Unzulänglichkeiten) selbst zu konfrontieren. Du wirst sie nicht mehr ändern können. Das Einzigste was Dir vielleicht für Deinen Kummer Erleichterung bringt, ist zu lernen es zu akzeptieren, irgendwann zu sagen. So war sie, ich konnte sie nicht geradebiegen wie ich es gewünscht hätte, und dann loszulassen. Das braucht unheimlich viel Zeit und Selbsterkenntnis mit der ganzen Palette der Gefühle, wo Dein wunder Punkt ist und Du immer wieder getroffen wirst. Jetzt hast Du tausend Dinge auf einmal zu erledigen und findest dazu nicht die Ruhe.

Oh je, ich habe mein Leben lang mit Problemen gekämpft, ja regelrecht gekämpft und so manchen Kampf mit seelischer Niederlage einstecken müssen. Der Gipfel war die Kündigung zu erhalten, einen Tag nach der Beerdigung meiner Mutter. Da wurde mir bewußt, daß ich nach mir schauen muß. Ich war gesundheitlich und seelisch am Ende, und habe erkannt, daß ich mir so manche Windmühle selbst aufgestellt habe. Das ist jetzt ein knappes 1/2 Jahr her. Seither bin ich egoistisch genug geworden wieder nach mir zu graben. Geht ja auch, da ich außer Familie keine anderen Verpflichtungen habe, die mit diesem "Egoismus" lernen müssen umzugehen. Uns aber auch wieder eine andere Nähe hat aufbauen lassen.

liebe Grüße,
Jutta

04.05.2003, 17:28
Liebe Jutta,

jetzt bin ich aber echt überrascht - nach ein paar Zeilen weißt Du soviel was passt (war mal in einer Therapie, die Lady konnte nach 10mal eine Stunde nichts mit mir anfangen)
Ein halbes Jahr und Du hast schon soviel ausgegraben??
Muss jetzt echt nachdenken - vorher noch schnell Bundesheergewand für Sohnemann bügeln, Nachtmahl herrichten und einfach einmal nachdenken - danke Dir vorerst -
eine ganz verwunderte (aber im positiven) Ich

Liebe Grüße

05.05.2003, 07:08
Guten Morgen Jutta,

hab schon gestern gemerkt, wie recht Du hast und ich hab meine Auflistung begonnen.
Es ist schon so, dass ich eher der Typ bin, der alles unter Kontrolle haben möchte, das geht aber nicht und ich weiß das auch - hab schon vor einigen Jahren begonnen meine Schwächen anzunehmen und es gelingt auch immer ein bisschen besser.
Aber dann kommen halt diese Rückschläge und immer wenn ich glaubte, meine Mam ist doch nicht so, bekam ich wieder einen Schlag und sie merkt das nicht einmal.
Tausendmal hab ich mir selbst gesagt, ich kann sie nicht mehr ändern sie ist einmal so - eigentlich hast Du recht, wenn ich das weiß, warum reg ich mich immer wieder auf?
Deine Kündigung war sicher ein schwerer Schlag und ich bin mittlerweile soweit, dass die Firma für mich wirklich erst nach allen anderen kommt - da hab ich meinen gesunden Egoismus und das ist auch gut so.
Würdest Du gerne wieder arbeiten und suchst Du Arbeit?
Irgendwie hörst Du Dich so ausgeglichen an - bist Du das?

Ich hab auch mit Freunden und Bekannten keine Probleme, naja auch wieder klar, ich lasse nur ganz wenige an mich heran, und diese wenigen tun mir nicht weh, das weiß ich.
Weißt Du und gerade deswegen denk ich - nein ich hör schon auf, ich KANN sie nicht ändern.
Du hast geschrieben, dieses alle in einer Familie halten bei Krankheit zusammen ist eine Wunschvorstellung - das hat mir sehr geholfen, ich dachte NUR so geht es, sehe das jetzt doch anders.
Wir hatten gestern einen Supertag - ein ganzer Tag ohne Mam - ich steh endlich mit nur ganz wenig SChuldgefühl dazu.
Ich nehme mir vor, weiter für Mam dazusein, doch wenn ich merke, ihr gehts nicht so schlecht und sie will mich einfach einteilen, dann versuche ich, nicht mehr darauf einzugehen und ich werde nicht mehr gleich springen, wenn ich das Gefühl habe, dass es nicht notwendig ist.
Ja, es stimmt, ich hab Angst, dass mir die Zeit mit Mutti davonläuft und auch Angst, sie gehen zu sehen und niemals diese Liebe von Mutter und Tochter gefühlt zu haben!
Bin in der Firma und werde mir jetzt einmal Kaffee machen, fahr dann Mittag zu Mam und hoffe, dass sie mich nicht vorwurfsvoll ansieht, weil ich gestern (seit drei Monaten das erste Mal) nicht bei ihr war.

Einen wunderschönen Tag wünsche ich Dir!

05.05.2003, 09:02
Hallo Du,

es hilft ja schon, das Wissen, daß man so eine "Kontrollneigung" hat. Im täglichen Leben wird es dann nur schwer, dieses Wissen bei bestimmten Situationen auch abzurufen. Zu sagen, so, aber jetzt halt ich mich zurück und überlasse das mal den Anderen, oder ich halte einfach mal den Mund (auch wenn es zuckt!).

Habe mit Freude gelesen, daß Du den Tag mal mit Deiner Familie verbracht hast, und nur ganz ganz kleine Schuldgefühle (???) hast aufkommen lassen!! Hat es nicht Euch Allen mal gut getan? So eine kleine Ablenkung kann ganz große Wirkung haben.

Du solltest versuchen Dir vor Augen zu halten, Deine Mutter lebt in ihrer eigenen Welt, und da hat jetzt nicht mehr viel Platz. Oh, das ist nicht leicht, auch nur so ein Gedankenanstoß.

Hast Du schon einmal versucht, ohne "schlimme Gedanken und Erwartungen" auf Deine Mutter zuzugehen? Den Mut aufzubringen und ihr nur einmal den Satz zu sagen: "Mutti, weißt DU eigentlich, daß ich Dich ganz doll lieb habe?"

Bis die Krankenkasse mir die Unterlagen für eine Reha zugeschickt hat, war mein Gehirn nur auf "gesund werden" und "wieder arbeiten" gepolt. Wenn ich mir auch bewußt war (es nur nicht wahrhaben wollte!!), daß ich zu alt für den heutigen Arbeitsmarkt bin. Ich setzte das Thema ja ins Forum, und so liebe Menschen wie Brigitte, rüttelten sachlich an meinen Vorstellungen, daß ich nun eine andere Einstellung dazu bekam (war Kampf zwischen Kopf und Bauch) und mich sogar auf meine Rentenzeit freuen kann.

Wie soll ich es erklären, ich bin ein gefühlsvoller Hitzkopf, der 23 1/2 Stunden vollkommen ausgeglichen sein kann, dann kommt die berühmte Fliege an der Wand, und all meine "Predigten" schwimmen den Bach hinunter, bis ich mich wieder gefangen habe, oder die Tatsachen mich wieder auf den Boden zurück holten. ;-) ;-)

Auf dem Weg nachher, zu Deiner Mutter, sag Dir immer und immer wieder: "ICH habe keine Schuldgefühle, daß ich einen Tag Auszeit nahm, denn er hat mich wieder gestärkt!!!!!!!!"

Wünsche Dir auch einen schönen (schuldfreien) Tag.
Jutta

05.05.2003, 15:03
Liebe Jutta!

Hab mir mindestens 100x gesagt - keine Schuldgefühle, ich habe keine - und es hat MIR geholfen!
Ich hab den vorwurfsvollen Blick einfach übersehen und Mutti hat starke Schmerzen und sie tut mir unendlich leid, aber weißt Du, alles was ich ihr gebe, ob das Vitamine sind oder ob das die Mistel war, es sind dann immer genau diese Dinge, von denen sie Schmerzen bekommt!
Aber ich nehme mich zurück und "zucke" eben nur!
Wollte ihr erzählen wie schön mein gestriger Tag war und bekam zur Antwort, dass sie nicht aufs WC gehen kann aber macht nichts - wir hatten trotzdem einen schönen Tag, einen wunderschönen!
Ich werde in einer Stunde wieder zu ihr fahren, der Arzt war bei Mutti und das allein beruhigt sie doch ein bisschen.
Weißt Du, mein Mann und ich haben ihr gleich als sie im Februar vom KH nach Hause gekommen ist, ein Zimmer bei uns eingerichtet - wollte sie aber nicht.
Es wäre einfacher gewesen und ich müsste nicht ständig hin- und herfahren, aber ist halt so.
Wenn ich Dich so lese dann wünschte ich mir zur Zeit ein Rentendasein, es wird mir alles ein bisschen zuviel und wenn der Boss mich kündigen würde, hätte ich gar nichts dagegen - aber anscheinend will ich immer das was ich gerade nicht habe.
Warum red ich nur so daher - in Wirklichkeit bin ich froh, den Job zu haben und bin froh, noch gesund zu sein - was ja wahrhaftig nicht mein eigener Verdienst ist.
Wie geht es Dir zur Zeit gesundheitlich?
Mit Deiner Art, Dinge zu betrachten und dann zu reagieren, denk ich, dass Deine Seele wohl sehr gesund ist und der Körper wird wieder mitziehen.
Ich glaub da fest daran!!
Ich wünsch Dir noch schöne Montagnachmittagstunden!

05.05.2003, 19:02
Hallo Ihr Lieben,

melde mich heute auch wieder zu Wort...:-)
Habe den Gedankenaustausch zwischen euch (Jutta und ICH bzw. DU) gelesen und es hat mich sehr beeindruckt, liebe Jutta, wie Du es schaffst, die Dinge von außen zu spiegeln. Habe mich irgendwie auch angesprochen gefühlt.
Ein Satz von ICH hat mich aber sehr betroffen gemacht, "Was habe ich als Kind falsch gemacht...?". Du hast als Kind sicher gar nichts falsch gemacht. Kinder möchten geliebt und respektiert werden und in der Familie Sicherheit spüren. Und das ist auch ihr gutes Recht! Ich denke nicht, dass es gut ist, sich darüber Gedanken zu machen. So wie ich das sehe, bist Du immer für Deine Mutter da, und das finde ich schon bewundernswert in der von Dir beschriebenen Situation. Ich hab vor einiger Zeit mal gehört, dass Kinder ihren Eltern nur das zurückgeben können (von Herzen), was sie selber von den Eltern bekommen haben. Mir hat das sehr geholfen, denn es spricht mich auch von solch einer "eingeredeten" Schuld frei. Wenn man überhaupt von Schuld sprechen kann, dann hat die ganz bestimmt nicht das Kind. Das mußte ich jetzt einfach dazu sagen.

Liebe Jutta,
vielen Dank für Deinen Tipp was den Brief an meine Mutter betrifft. Ich bin schon seit Tagen wild im Kopf am Formulieren, finde kaum Schlaf, weil es mich so beschäftigt, bringe aber gar nichts aufs Papier. Fühl mich schon völlig bescheuert. Es wird mir auch sehr schwerfallen, auf das Werturteil zu verzichten, denn ich bin so voller Zorn, dass ich ihr am liebsten alles mögliche an den Kopf werfen würde. Aber ich verstehe was Du meinst. Hat ja keinen Zweck, einen solchen Brief zu schreiben und es wird mir auch nicht weiterhelfen, das weiß ich.

Was die Situation Freundin/Tochter betrifft. Vielleicht musst Du Dich auch zunächst ganz klar auf die Seite Deiner Freundin stellen, damit die Tochter merkt, dass sie Unrecht hat. Ich weiß es nicht, aber ich denke, Deine Freundin hat das Recht darauf. Und wie Du diese Freundschaft beschreibst, ist sie ja etwas sehr wertvolles und das ist schützenswert.
Die Tochter muss wohl erst selber kapieren, dass SIE ein Problem hat, vielleicht könnte ihr eine "neutrale" Beratungsstelle helfen? Nur ein Gedanke. Falls sie das überhaupt annehmen kann.

Liebe Gabi,
Du fragst, was ist, wenn meine Mutter nach dem Brief noch schlimmer reagiert. Ich gehe eigentlich eher davon aus, dass sie gar nicht reagiert. So kenne ich sie zumindest. Würde mich sehr überraschen, wenn sie darauf einsteigen würde. Aber ich denke nicht, dass sie sich mir gegenüber noch "schlimmer" verhalten kann; es kann für mich mit einer Klärung eigentlich nur besser werden. Aber wie gesagt, mir fehlt noch der Dreh...

Euch allen ganz liebe Grüße,
Conny

05.05.2003, 19:03
Liebe Brigitte,
Du fehlst....:-)
Lieben Gruß von Conny

06.05.2003, 05:28
Hallo Ihr Lieben,

Liebe ICH,
den Trick mit dem immer wieder sagen habe ich seit meiner Kindheit angewandt, es hat mir in mancher Situation geholfen. Und wenn es mal fürs Seelenleben ganz schwer wurde, stellte ich mich einfach vor den Spiegel und sagte es mir immer wieder selbst INS GESICHT. So sucht sich jeder seine Krücke, die hilft mit dem Schmerz umzugehen.

Deine Mutter möchte nun nicht mehr auf ihre Schwächen aufmerksam gemacht werden. Sie ist wieder das "Kind" geworden, das Schutz und Hilfe sucht. Und sie sich vielleicht nun das holen möchte, was ihr im Leben verwehrt wurde??
Siehst Du Dich nicht irgendwie in dieser Suche wieder?
Den Satz, ach, wenn ich Dich nicht hätte usw., damit zeigt sie Dir aber auch wie froh und dankbar sie für Deine Fürsorge ist. Du bist da, und deshalb läßt sie auch ihre Angst und Wut an Dir aus. In ihrem inneren toben wahrscheinlich viele Kämpfe, nur hat sie es auch nicht gelernt, sie in Worte zu fassen. Oder?

Liebes ICH, wir sind alle anders als unsere Mütter. Wirklich?? Sind da nicht Momente, in denen wir uns in Worten oder Taten genauso verhalten? Und wir dann zornig werden, gerade weil wir anders sein wollten?

Ich möchte Deine Mutter nicht "in Schutz" nehmen, aber vielleicht gelingt es Dir ein bißchen, ruhiger in der verbliebenen Zeit mit dem einen oder anderen Gedanken mit ihr umzugehen?!

Liebe Conny,
in vielen Worten von ICH sehen wir ein Stück unserer eigenen Geschichte, mal mehr oder mal weniger.

Wir suchen den "Fehler" immer zuerst bei uns! Warum?
Diese Frage, glaube ich, können wir uns erst später beantworten, wenn uns die Lebenserfahrung im Verstehen reicher gemacht hat.

Das mit der wertfreien Konfrontation, verbal oder schriftlich, ist unglaublich schwer!! Denn der Grundsatz mit jedem "Vorwurf" heißt ja: "DU hast mir wehgetan, DU hast mich in meinem Schmerz alleine gelassen!"

Ich habe dieses Beispiel wochenlang im Kopf gespielt, und mir auch immer wieder meine eigenen Reaktionen vor Augen gehalten. Mensch, wie würde ich reagieren, wenn da so eine geballte Ladung Wut auf mich zukommt. Ich hätte beleidigt zugeklappt, und jedes Wort wäre abgeprallt. Hätte mein Ziel nicht erreicht, das tut noch mehr weh.

Mit meiner Freundin und ihrer Tochter, ist es gerade das Gegenteil, welches hier zur Sprache kommt. Meine Freundin war immer eine so liebevolle Mutter, ihre Tochter die Nummer Eins im Leben. Meine Freundin beginnt nun in kleinen Ansätzen ihre Wünsche zu äußern. Der berühmte Gänseschritt, es hilft ihr und das ist gut so.

liebe Grüße,
Jutta

06.05.2003, 08:20
Guten Morgen Ihr Lieben!

Liebe Jutta,
wieder einmal hast Du den Nagel auf den Kopf getroffen, es ist unwahrscheinlich.
Mein Sohn sagt oft zu mir, Du redest schon wie die Oma, das ist meistens dann wenn ich irgendwas brauch von ihm und dann zuckersüß und von Natürlichkeit keine Spur "das machst Du doch sicher gern" . .
In diesen Spiegel mag ich mich so ganz und gar nicht hineinschauen und die andere Seite ist die, dass ich genau diese Dinge bei meinen Söhnen nicht leiden kann, die wiederum mein Spiegel sind.
Als ich gestern abend bei Mutti war im Kopf immer dieses "ich habe keine Schuldgefühle" - das hat sie glaub ich gespürt.
Ich hab mit ihr dann sehr sachlich über ihre weitere Betreuung gesprochen und ihr klar gemacht, dass ich weiter arbeiten gehn will und sie hat das auch verstanden - zumindest gestern.
Genau wie Du geschrieben hast, ich hab so oft diese Gedanken im Kopf "DU hast mir niemals geholfen, DU hast mich im Stich gelassen, als ich DICH brauchte" . .
Nach unserer Aussprache vor ca. zwei Jahren, dachte ich, ein neues Verhältnis, ein Vertrauensverhältnis aufbauen zu können - und dann kam wieder dieser Rückschlag, wieder zählten alle anderen SChwestern mehr und irgendwann hab ich aufgegeben . . .
Gestern sagte ich zu Mutti, Du hast noch drei andere Kinder und nimm die Hilfe von denen auch in Anspruch, weil ich hab auch noch mein Leben, daraufhin bekam sie feuchte Augen und sagte nur, zum Muttertag wünscht sie sich von allen nur Zeit, wollte schon sagen, soviel Zeit, wie ich Dir gebe . . hab es aber nicht ausgesprochen.

Natürlich werde ich ihr weiter helfen und zu ihr kommen, aber nicht mehr so auf Abruf und so bedingungslos.
Und ist es so schlecht, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen, es gibt die Möglichkeit eine Betreuerin ganz ins Haus zu nehmen und ich denke auch wenn Mutti nur die "Kinder" um sich haben will, wenn das nicht möglich ist, muss man sich eben andere Alternativen - so sehe ich das mittlerweile.
Für mich denke ich, dass ich ihr dann vielleicht doch einmal sagen kann, dass ich sie lieb habe - ich kanns noch nicht, geht nicht, möchte mir selbst treu bleiben . .

Bei meinem Lebensgefährten wäre ich niemals auf so eine Idee gekommen - da war alles anders!

Mir läuft die Zeit davon - würde sie gerne zurückdrehen, weiß schon das geht nicht . . möchte gerne etwas mehr im Reinen sein mit mir und Mutti.

Deine Freundin war und ist sicher die beste Mutter und hat ihrer Tochter alles geschenkt, war immer da für sie - wie bitte sollte die Tochter damit umgehen, dass das jetzt auf einmal nicht so läuft?
Sie will doch ihre starke, liebe Mama sehen und nicht eine kranke, schwache, so ganz unbekannte Mama.
Und doch bin ich sicher, die Tochter wird es schrittweise lernen, jeden Tag ein bisschen mehr . .

Liebe Conny,
als Kind kann man falsch machen, dass man nicht so geboren wurde, wie die Eltern es wollten - meine Eltern wollten unbedingt einen Sohn und gleich nach der Geburt wollte mich Mutti nicht (hat sie mir erzählt) und der Oberarzt hätte mich adoptieren wollen!!
Sie haben mich dann doch behalten und noch zwei Mädchen bekommen - kindisch vielleicht mich darüber zu freuen - ich hab zwei Söhne!!!
Erzähl mir was Du Deiner Mam schreibst, ich finde die Idee gut und überleg schon ob ich meiner Mutti auch schreiben soll - möchte sie aber auf keinen Fall aufregen!!

Eure Gedanken sind gut - viel besser für mich als Psychotanten, hab ich alles schon hinter mir, nach meinem Selbstmordversuch vor vielen Jahren sollten mir die irgendwie helfen - war nichts für mich!

Viele liebe Grüße

06.05.2003, 09:23
Liebes ICH,

ich finde es absolut in Ordnung sich extern die Hilfe zur Pflege zu holen, die man braucht, das ist ein Teil der Fürsorge.
Oftmals ist "Aktion" besser als REDEN.
Dazu ein Beispiel, meine Mutter war seit Jahren inkontinent, hat sich aber im Krankenhaus keinen Katheder legen lassen. In meinem Beisein sagte sie dem Arzt zu, als ich weg war, sagte sie ab. Ich war recht sauer, aber suchte eine andere Lösung. Als ich sie nach hause holte, kam der Urologe und legte ihr einen Katheder. Sie wollte potestieren, worauf ich ihr nur klarmachte, daß sie es meinem Mann und ihren Enkelsöhnen NICHT zumuten kann, sie konstant in ihrem intimsten Bereich zu waschen!! Und ebenso wird 2x täglich die Sozialstation zur Hygiene- und Wundversorgung kommen. Die ersten 2 Tage kam der "Mimikprotest" (sprich Rolladenzuklappen) und ab dem 3. Tag genoß sie es wie ein Lämmchen :-).

ICH, ich spreche doch nur aus Erfahrung, kenne den Satz meines Ältesten, Mensch Mama, Du reagierst wie die Oma. Oder ertappte ich mich im Ansatz zum blödesten Satz der Welt: "Solange Du Deine Beine unter meinen Tisch streckst......." Ich wollte diesen Druck zum Funktionieren niemals weitergeben, geschweige zulassen. Und da wurde mir bewußt, was ich eigentlich "bekämpfe", die Manipulation meiner eigenen Gefühle.

Es ist viel schwieriger (meine Meinung) einem Gegenüber = "Psychotante" *grins*, ins Gesicht zu schauen, und sich auf Knopfdruck an einem bestimmten Tag zu einer diktierten Zeit, zu öffnen. Die gewisse Anonymität hier erlaubt dieses. Du kannst preisgeben was Du teilen möchtest, aber auch Gedanken für Dich behalten, außer Du wirst darauf gestoßen???!!?? Du spürst es sind Menschen da, die versuchen Dich zu verstehen und Dir ein paar Krückstöcke reinwerfen. Und Du hast die Möglichkeit, diese anzunehmen, oder beiseite zu schieben.

Ich wünsche mir für Dich, daß Du den Satz "IHDL" einmal zu Deiner Mutter sagen kannst, denn die Reaktion könnte Dir weiterhelfen mit Deinem wunden Punkt umzugehen. Es gibt nur 2 Reaktionen, daß sie darüber hinweggeht oder Du bekommst etwas zu hören, was Du vielleicht immer gesucht hast? Wäre das nicht eine Überwindung wert?

liebe Grüße,
Jutta

06.05.2003, 12:41
Liebe Jutta,

ja, es ist hier viel leichter, sich alles von der Seele schreiben und dann noch so kompotente Antworten bekommen und Du weißt gar nicht, wie klärend Deine Worte auf mich wirken.
Und hier pralle ich ja geradezu auf Gedanken, die von mir sein könnten - so ganz angenehm ist das zwar nicht - aber hilft!
Dieses IHDL geht nicht, habs schon des öfteren vorgehabt, komisch bei meienm Mann und meinen Kindern ist das so normal und denen sag ichs schon zu oft, ich kanns nicht zu Mam sagen Jutta, ich kanns nicht - konntest es Du??
Musste lachen, bei dem "solange Du die Beine unter meinem Tisch ausstreckst" - hörte und sah dann Vati vor mir und seine tiefe Stimme und gleich darauf hörte ich mich selbst das Selbe sagen *grins*
Fühle mich viel freier seit ich bei Euch bin - ein großes Dankeschön!!

Liebe Grüße

06.05.2003, 13:23
Liebe Jutta,
das tröstet mich ja, dass Du auch erst wochenlang im Kopf formuliert hast...:-)
Ich hab es heute in der Therapie geschafft, mal meine ganzen Vorwürfe an meine Mutter auszusprechen als sässe sie mir gegenüber. Puh, war das schwer und anstrengend. Ich hoffe, dass ich es jetzt doch mal schaffe, das wenigstens für mich mal aufzuschreiben.

Ja, da hat ICH wohl recht, wenn die Tochter Deiner Freundin es nicht gewohnt ist, ihre Mutter jetzt schwach und krank zu sehen, das kann wohl ganz schön Angst machen. Es ist ein Stück Abschied von der Mutter wie man sie die ganzen Jahre kannte und liebte. Das ist sicher schwer, vor allem wenn man mit Krisen gar keine Erfahrungen hatte. Es hört sich ein bißchen so an, als wäre Tochter von der Mutter sehr beschützt worden. Jetzt braucht plötzlich die Mutter Schutz und Aufmerksamkeit. Wohin mit dem Schmerz? Ist sicher sehr traurig, das zu erleben. Aber ich denke immer noch, dass die beiden das schaffen können.

Liebes ICH,
Puh, bei Dir klingt aber auch so ein bißchen die Bitterkeit und der Zynismus durch. Glaub ich Dir, dass es für Dich eine kleine Rache war, 2 Söhne zu bekommen...
Aber der Schmerz, die ungeliebte Tochter zu sein, ist immer noch da. Hört sich zumindest so an. Ich kann es so gut verstehen, ich finde da auch den Aus-Knopf nicht.
Ich finde die Idee mit dem Brief an die Mutter schreiben immer noch gut, werde das auch irgendwann mal schaffen. Es tut sicher gut, einfach mal alles abzulassen, auch wenn man es dann nicht wegschickt. Vielleicht könnte es Dir auch helfen bei Deiner Mutter.
Ich schaffe es übrigens auch nicht, meiner Mutter IHDL zu sagen. Nie! Sie hat es zu mir auch nie gesagt, im Gegenteil irgendwann hat sie mir mal sinngemäß gesagt, dass sie mich nicht lieben konnte... Puhh, wie kann das eine Mutter zu ihrem Kind sagen? Unfassbar. Und wie soll ich es dann IHDL zu ihr sagen, das kann ich nicht.

Liebe Grüße und einen dicken Sonnenstrahl,
Conny

Kerstin63
06.05.2003, 13:54
Hallo,

ich hatte hier mal vor ein paar Wochen über meinen Vater geschrieben... meine Enttäuschung dass er mir nicht gesagt hatte dass er geheiratet hat, und ich es durch Zufall erfuhr.... ich hatte einige Wochen gebraucht um - auf den Rat meines Therapeuten hin - auch nur DEN Brief anzufangen den ich ihm dann geben könnte oder auch nicht....aber noch keine Rede davon ihn zuende zu bringen.....

Am Samstag stand er dann mal wieder zu einem seiner überraschenden Kurzbesuche hier vor der Tür... ich musste gerade los.... brachte in meiner Unsicherheit nur ein paar pampige Sprüche an wie lange er nicht von sich hätte hören lassen... seine Antwort war auch nicht viel besser... dann mussten wir los.... ich fühlte mich ganz furchtbar...

Am Nachmittag hatte ich ein paar Stunden Zeit ohne die Kinder also fasste ich mir ein Herz und rief ihn an....Ich habe es geschafft ihm zu sagen dass ich zuerst wütend und dann verletzt war und enttäuscht..... (und eben nicht nur entweder zu zicken oder es herunter zu spielen mit lässigen Äusserungen wie "fand ich nicht so gut..."...)

Er hat zugegeben was ich vermutete nämlich dass er sich nicht getraut hat... er war beschämt, entschuldigte sich... das konnte ich ohne weiteres annehmen, sagte ihm auch ich wollte ihm keine Vorwürfe machen es war mir nur wichtig es ihm zu SAGEN wie ich mich gefühlt hatte... dass er die Dinge schon immer so gehandhabt hat, nicht drüber reden, dann erledigt es sich schon irgendwie von selbst....

Hab ihn gebeten uns (mir und meinem Bruder) doch etwas mehr zuzutrauen...

Er sagte sogar dass es ihn traurig machen würde dass es mich so beschäftigt und belastet hat... das war für seine Verhältnisse (der schwer Gefühle zeigen oder mal was zugeben kann auf so einer persönlichen Ebene) schon eine tolle Leistung.... das was ich ihm an Offenheit entgegen gebracht habe hat er mir zurückgegeben... soweit er es kann, und das bin ich bereit zu akzeptieren... denn ich habe (Therapeut sei Dank!) begriffen dass meine Enttäuschung ihren Grund in MIR hat... es war ja MEINE Täuschung... nämlich zu wollen er solle so sein wie ich es gern gehabt hätte...

Es war insgesamt ein sehr positives Gespräch! Und jetzt kann ich mich auch richtig über seine guten Nachrichten: Nachuntersuchungen ohne Befund!

So ich muss los aber das wollte ich eben noch los werden....

Kerstin

06.05.2003, 15:12
Hallo Kerstin,
schön, dass Du Dich wieder gemeldet hast.
Glückwunsch, dass Du den Mut gefunden hast, Deinen Vater anzurufen und ein gutes Gespräch zu führen. Find ich klasse. Ja, manchmal erlebt man halt doch noch Überraschungen. Es hört sich doch so an, als wärest Du Deinem Vater nicht so gleichgültig wie Du dachtest.
Ich freu mich für Dich!

LG, Conny

06.05.2003, 17:09
Hallo,

Liebe Kerstin,
schön, daß Du uns mal wieder besucht hast und dazu gleich mit einer, nein 2 so tollen Nachrichten!!

Das ist ja der harte Knackpunkt, dahin zu kommen, den immensen Mut aufzubringen, die Angst vor dem schon wieder Verletztwerden zur Seite schieben zu können, der Wut und dem Zorn schon vorher die Luft abschnüren.

Liebes ICH,
wie sollen wir denn an unsere Lieben herantreten, wenn wir uns nicht immer mal wieder unserer eigenen Wut, Angst, Zorn auf uns selbst ins Gesicht schauen? Die Selbsterkenntnis, was wir zulassen und warum, nagt doch ganz schön.

Ja, ich konnte meiner Mutter sagen "ich liebe Dich, habe Dich immer geliebt". Aber Du darfst nicht vergessen, wir hatten davor schon unsere anderen Gespräche. Erst als ich alles von der Seele hatte, konnte ich mit reinem Gewissen ihr das sagen. Mußte mich auch selbst vor meinem Sarkasmus hüten, denn der war meine Schutzmauer.

Zwinge Dich nicht Worte zu sagen, die nicht wirklich gemeint sind, aber wenn Du Dich ernsthaft hinterfragst, liebe ich meine Mutter, wird Dir die Antwort leichter fallen. Was magst Du an Deiner Mutter? Welche guten Seiten hat sie?

liebe Grüße,
Jutta

06.05.2003, 18:45
Hallo!

Liebe Conny,
genauso ist es bei mir auch, ich hab niemals gehört, ich hab Dich lieb oder wir beide schaffen das schon weil wir uns lieb haben - ich denke und denke und weiß, dass meine Mutter es nie gesagt hat!
Ich bin eigentlich nicht verbittert - zynisch schon eher, klar hier kann ich alles rauslassen, hier "sieht" mich keiner und hier brauche ich mich nicht rechtfertigen und wenn dann nur vor mir.
Es ist einfach auch so, dass ich weiß, jedesmal wenn ich eine Aussprache wollte, oder einmal wollte ich eine Familienaufstellung machen - da kamen immer nur Tränen und "Du weißt ich hab ein schwaches Herz" - somit wars das dann auch und lange hatte ich auf meine Geschwister einen Zorn, dachte einfach, die sind schuld dass sie eben mehr geliebt werden - so ein Schwachsinn!
Dir wünsch ich auf jeden Fall, dass es Dir doch gelingt IHDL zu sagen, bei mir kann ichs mir so gar noch nicht vorstellen!

Liebe Jutta!
Siehst Du, Du konntest mit Deiner Mutter reden, ich hab das wirklich so oft versucht - sie blockte immer ab und jetzt läuft mir die Zeit davon!
Warum läuft sie mir eigentlich davon - ändern kann ich sie ja doch nicht, es ist nur - ich hätte so gerne sovieles ausgesprochen.
Eine kurze Zeitlang glaubte ich echt, mit ihr reden zu können, ich erzählte ihr meine Gedanken, meine Empfindungen mit meinem verstorbenen Freund und sie glaubte mir, dass er mich immer wieder "besucht" - und was war dann??
Ich höre von meiner Schwester, ja die steigert sich da in was rein, Gott sei Dank hat sie jetzt einen Mann, der sie von solchen Gedanken abhält!
Und dann noch (natürlich wieder nicht zu mir direkt) wenn ich meinen Mann nicht hätte, würde ich mich auch nicht so um sie kümmern. weil der Partner ist da ausschlaggebend!
Ich kann Dir nicht sagen, wie mich das ärgert, immer wieder redet sie mit einer Schwester über die andere . . das hab ich ihr bei mir schon abgewöhnt, wenn sie beginnt über irgendeine Schwester zu reden, dann sag ich gleich laut und deutlich "sag ihr das bitte selbst"
Warum schreib ich schon wieder so viel - ja weil ich nachdenke welche Seite ich an Mam liebe?!
Wenn es Liebe ist, als Kind nicht geschlagen oder misshandelt worden zu sein dann liebe ich sie.
Wenn es Liebe ist, ein warmes Bett, immer genug zu essen, keine Streitereien zwischen den Eltern je gehört zu haben (keine Kunst, war ja jahrelang eine Wochenendehe), dann liebe ich sie.
Muss einmal ohne Zynismus nachdenken - so spontan fällt mir echt nichts ein - ich akzeptiere sie und ich bin für sie da. Liebe?

Was ist nur los mit mir, warum bin ich so aggressiv - hab wahrlich genug andere Dinge zu denken.

Danke fürs Gespräch, ich hab jetzt echt das Gefühl mit meiner Schreiberei zieh ich Euch nicht gerade hinauf

Liebe Kerstin!
Das Raufziehen hast Du gemacht, hab mich sehr gefreut dass Du das geschafft hast und es ist echt ganz super, dass es ihm gut geht!

Liebe Grüße

07.05.2003, 07:06
Hallo ICH,

Ich nehme Deinen vorletzten Satz zuerst, warum meinst Du, daß Du uns mit Deinen Erzählungen runter ziehst? Nur weil Du momentan in einer aggressiven Phase bist? Weil Du spürst, wo es am meisten wehtut?

Machtwort: Schmink Dir auch das ganz schnell ab!!!!!!!!

Warum hast Du Dich eingeklinkt? Damit Du die Luft rauslassen kannst, und vielleicht einen Weg finden wirst mit Deiner Situation klar zu kommen, oder wenigstens die eine oder andere Anregung zu holen, damit Du Dich wieder ein wenig besser fühlen kannst.

Ich glaube, wir sind Dir gegenüber ehrlich genug und werden Dir schon sagen, wenn Du was sagst, was uns eventuell sauer aufstoßen könnte!!

Findest Du es nicht besser, Deine Gefühle hier lozulassen, als Deine Wut innerlich aufzustauen, und Dein persönliches Umfeld wird dann zur Zielscheibe???? Das wird Dich nur noch zorniger machen, denn dann hast Du wieder die Kontrolle verloren ?? :-)

Meine subjektive Meinung, uns tust Du nicht weh, erinnerst uns vielleicht an Dinge, die unsere Gefühle widerspiegeln. Aber auch DARAUS können wir lernen, sehen Sichtweisen, denen wir uns vielleicht verschloßen haben!

Denke nur einmal daran, Du hast lange nur mitgelesen, bis Du so weit warst auch zu schreiben. Vielleicht lesen wieder Menschen mit, die dann irgendwann die Klinke in die Hand nehmen, da sich ihre Probleme ähneln, die dann sagen, es muß raus, damit es mir wieder besser geht.

ganz liebe Grüße,
Jutta

07.05.2003, 07:18
Hallo Conny,

und wie geht es Dir?
Bist Du am "wälzen" und formulieren?

Mit dem Kopf ist das immer so eine Sache, ja, da ist es immer klar, was ich will (oder wollte), aber dann den Kopf und den Bauch unter einen Hut zu bringen, nenne ich Meisterleistung :-).
Ich muß die Logik und das Gefühl zusammenbringen können, das muß für mich stimmen.

Kannst Du Deine Gefühle mal nur einfach als Stichworte aufschreiben, und Dich nicht unter Druck setzen, daß dahinter eine plausible Erklärung stehen muß? Wir verstricken uns doch recht schnell, wenn sofort die logische Erklärung der Gefühle in Romanform daneben stehen muß! Und dann irgendwann an einem anderen Tag, wieder Stichworte dazusetzen?

ganz liebe Grüße,
Jutta

07.05.2003, 13:46
Hallo ihr Lieben,

bin leider gerade ziemlich im Stress - arbeitsmäßig. Und hab keine Zeit für den PC. Melde mich am Wochenende wieder ausführlicher.

Bis dahin liebe Grüße an euch alle,
Conny

08.05.2003, 23:38
Hi zusammen,
uh, seid Ihr fleissig hier im Thread gewesen!

Hallo ICH, hab Deine Einträge so einigermassen durchgelesen, aber weil's so viel war, war's vielleicht nicht konzentriert genug. Möchte daher lediglich schnell auf Deine Liebe zu Deiner Mutter eingehen. Wenn ich was "übersehen" habe, dann sag's mir ruhig, gell?
Du suchst da nach Gründen, warum Du sie lieb haben könntest. Das ist okay, denn man kann eine Mutter wirklich lieb haben, wenn man von ihr NICHT missbraucht wurde, und wenn man NICHT von ihr geschlagen wurde. Und man kann sie lieb haben, weil sie einem Nahrung gegeben hat und auch ein warmes Bett. Und weil es nie Streit zwischen den Eltern gab.
Aber - guck mal - man kann sie auch sehr lieb haben, weil sie ein Mensch ist, weil sie eine eigene, ganz persönliche Vergangenheit hat, weil sie eigene Lebenserfahrungen hat, weil sie denkt und handelt mit und ohne Fehler wie jeder andere auch, man kann sie lieb haben für ihre Stärken (die hat sie auch irgendwo), man kann sie aber auch lieb haben genau WEGEN ihren Schwächen, ... und man kann sie lieb haben, weil sie eine Mutter ist, und weil man im Leben immer nur (nachweisbar) EINE einzige Mutter haben kann!

Ich weiss, das klingt so "einfach", aber würdest Du jetzt als "Fremde" Deine Mutter betrachten und sie als Freundin kennen lernen, hättest Du dann nicht ein ganz anderes Bild von ihr?
Ich drück Dich!

Gut's Nächtle allerseits.
Liebe Grüsse
von der "krassen" Brigitte

09.05.2003, 06:20
Guten Morgen Du krasse Brigitte!

Hab den Dialog zwischen Dir und Jutta verfolgt, vielleicht auch manches nicht so ganz genau gelesen und ich bin über Eure gegenseitigen Gedankenaustausche und Anregungen des eigenen Ich und des anderen ICH oft dagesessen und konnte für mich da doch einiges rausholen.
Kann es sein, dass ich bei meiner Mutter die Schuld meines eigenen Unvermögens suche?
Kann es sein, dass mich meine einzige Mutter immer wieder verletzt, ohne dass sie selbst es bemerkt - weil sie eben anders ist?
Kann es sein, dass die einzige Mutter, die man hat, das immer und überall vorgezogene Kind selbst jetzt, selbst in der Zeit des Abschiednehmens noch immer schützen, nicht belasten will und wieder einmal auf mich zurückgreift - auf mich das schwarze Schaf??
Warum, warum frag ich Dich bin ich immer nur dann gut genug, wenn mich Mam braucht??
Könnte ich es ihr selbst sagen, ich würde es tun, glaub mir - doch das Letzte was ich will, ist meine Mam aufzuregen - das verkraftet sie nicht.
Und wenn Du von einer einzigen Mutter sprichst, dann muss ich leider sagen, ich hatte zwei Schwiegermütter - die gaben mir Wärme und Gefühl - eine ist mittlerweile verstorben, doch die andere (ist jetzt von einer meiner Schwestern die Schwiegermutter!) die mag ich heute noch so gern und da fühle ich einfach was . . .
Würde ich meine Mutter als Freundin betrachten, dann ja, dann würde ich mich mit ihr so ab und zu treffen und Smalltalk machen - tiefer wird da auch nichts!
Ich weiß nicht ob ich das hier reinschreiben darf, aber ich ertappe mich immer mehr bei dem Gedanken, dass viele hier bei Euch krank sind und wirkliche Probleme haben, doch zufriedener und glücklicher mit sich selbst leben können und ich wünschte mir das auch einmal so sehr.
Ich denke oft, ich hab den Krebs in der Seele, möchte mich oft hinlegen und einschlafen - vorbei und aus und der Kopf frei von den wirklich schlimmen Gedanken - gut dass mich keiner hören und sehen kann - kann ja nicht dazu stehen - bin stark und halte alles aus!
Jedesmal wenn ich mein Posting abschicke, denk ich mir - so jetzt hast Du das auch geschafft, jetzt redens mit Dir hier auch nicht mehr - manche Gedanken darf man einfach nicht haben - was soll ich tun - ich hab sie und ich fühle mich verdammt schlecht dabei!
Hab gestern erfahren, dass mein Sohn - er ist bei der Bundeswehr - wieder zu Cannabis gegriffen hat, steht ein Disziplinarverfahren an und mein anderer Sohn hat die Scheidung eingereicht und alles läuft total aus dem Ruder - mir entgleitet mein Leben und ich sitz da und schau zu und quassel Dich voll, aber ich hör schon auf!

Danke Dir für Deine Antwort und wünsche Dir wirklich alles Liebe!

09.05.2003, 06:35
und dann wollte ich eigentlich noch sagen, überall muss man funktionieren, überall, im Job soll ich alles im Griff haben (das arme Lehrmädchen geh ich dann an) und einfach jeder fordert.
Dann glaub ich, die wenigen Stunden die ich mit meinem Mann zusammen bin, da kann ich mir Kraft holen - geht aber auch nicht mehr - der vorwurfsvolle Blick allein genügt schon!
Bin einfach nur noch müde - zu müde für alles und seit gestern redet mein Mann nicht mit mehr - wahrscheinlich ist das alles auch für ihn zuviel - er konnte noch nie über Probleme reden.
Seine Mutter hat Darmkrebs im Endstadium und Du siehst, es ist alles irgendwie sch . . .
Bevor ich zu Mam fahre, trink ich jetzt noch einen Kognac (mache ich normal nicht) - vielleicht hilfts ja!

Einen schönen Tag wünsche ich Euch allen!

09.05.2003, 06:44
Hallo ICH,

auch wenn Du Brigitte angesprochen hast, möchte ich trotzdem meinen Senf dazugeben. Okay?

JEDER hat seine Probleme, und jedes Problem ist für sich selber wichtig, ob es nun für Andere nur ein kleines (??) oder ein großes Problem ist, liegt in der Betrachtung. Du bist zu uns gekommen, weil Du nicht mehr weiterkommst.

WARUM sollen wir aufhören mit DIR zu reden? Nur weil wir selbst ein Paket umgeschnürt haben???????????? Für meine persönliche Einstellung ist das extrem egoistisch und eigensüchtig. Ich behalte mir immer mein Recht vor, wo ich egoistisch sein möchte.
Und im Moment sehe ich bei Dir nur den Schrei nach Hilfe!! Seh den grausamen Abgrund, der sich vor Dir augetan hat. Deshalb "rede" ich mit Dir.

Ich glaube behaupten zu können, daß jeder Einzelne von uns, mit jeder Antwort, auch ein bißchen eigene Geschichte aufarbeitet. Oder wieder einen Schritt weiter kommt?! Oder sehe ich das falsch?

Du sitzt NICHT nur da und schaust zu, Du siehst was geschieht, spürst Deine Hilflosigkeit und die Unmacht, die anderen auf den "rechten" (?????????) ihren Weg zu bringen.

Auch unsere Söhne suchen sich ihren Weg, egal wie schlimm es für uns Mütter aussieht, und wie es uns das Herz bricht, nicht einfach alles "Böse" von ihnen abwenden zu können. Nicht die Fehler unserer Mütter zu wiederholen und zu meinen wir müssen im krassen Kontext nun alle Steine aus dem Weg räumen.

liebe Grüße,
Jutta

09.05.2003, 07:07
Guten Morgen Jutta!

Danke für die schnelle und liebe Antwort - wollte Dich nicht ansprechen, weil ich geschockt über diese vielen Krebse in Deiner Familie gelesen hab.
Du hilfst hier so vielen, hälts mir den Spiegel vor Augen, weil ich den allein nicht finden kann und bitte, vergiss nicht auf Dich!!
Du hast recht, ich hab bei der Erziehung meiner Söhne ganz krass das Gegenteil von meiner eigenen gemacht - und doch komm ich drauf, ich hab es nicht "besser" geschafft als meine Eltern.
Und auch wenn ich von allen möglichen Seiten höre, lass Deinen Sohn endlich einmal alleine mit seinen "Taten" - ich werde das nicht tun - ich möchte und bin für meine Söhne da, selbst wenn sie immer wieder auf die schiefe Bahn geraten.
Und was ist schon schiefe Bahn?? Die vom Gesetz gemacht?? Nein, da steh ich schon lieber zu ihm und es ist ganz komisch, gestern sagte er zu mir, ohne irgendwas von meinen Gedanken zu wissen, "Mama, soll ich morgen mit Dir zu Oma fahren, dann sind wir zwei" - hast Du Kinder Jutta?

Liebe Grüße

09.05.2003, 07:39
DU mußt REDEN,
möchtest DU?

09.05.2003, 08:05
Du meinst mit Mam reden - ich möchte es, aber es geht nicht weil sie wieder weint!!!!!!!!!

09.05.2003, 10:04
Mörgelchen Ihr Lieben,

na, Du ICH?
Es ist schwierig, Dir ein paar Gedankensätze zur Anregung zu geben, weil Du jedesmal ein "Aber" dazu findest, hm-hm. Das ist nicht als Vorwurf gemeint, denn ich bin genau so, wenn's zum Beispiel um meine eigene Schwester geht.
Oh, ich könnte da bei meiner Schwester tausende "Aber's" finden, und diese "Aber's" sind immer alle gut begründet, weil sie aus meiner Verletzung von ihr stammen, aus meiner Wut.

Angenommen, ich frage Dich, liebe ICH, wie Du mir raten könntest, was ich gegen die ewige IGNORANZ meiner Schwester tun könnte, hm? (Ist eine sehr schwierige Frage, und auch verflixt schwer zu beantworten.)
Du könntest mir da jedoch vielleicht mehrere Ideen nennen, was ich da tun könnte. Doch ich hätte zur Antwort garantiert jedesmal ein "Aber" parat, denn Du könntest mir NOCH so viele Ideen bringen, es würde - in Wahrheit - von mir "abgeblockt", weil ich eben dauernd ein "Aber" finde.
Mir ist das schon bewusst, und ich habe lernen müssen, diese "Aber's" ein bisschen zu stoppen. Die "Aber's" machen mich selber nämlich ganz wirr im Kopf, und je mehr "Aber's" ich finde, um so ENTFERNTER erscheint mir eine Lösung zum Problem zu sein.
Weisst Du, wie ich meine?
Das Problem mit meiner Schwester habe ich zwar noch NICHT gelöst, aber ich bin im Augenblick in einer Phase der "Beobachtung". Das heisst, ich versuche, all meine Wut auf sie und all meine Verletzungen von ihr mal zur Seite zu schieben, weil mich diese Dinge zum möglichen Finden einer Lösung nämlich nur abhalten. Natürlich geht das nicht so hunderprozentig, aber es ist in letzter Zeit schon besser geworden. Sitze ich also heute meiner Schwester gegenüber, so versuche ich, sachlich zu beobachten, WAS sie tut, WIE sie jedesmal reagiert, und WIE sie das macht mit ihrer Ignoranz, hm?
Das ist eigentlich ganz spannend und interessant, denn da entdecke ich Dinge, die mir vorher gar nicht aufgefallen sind, eben WEIL ich mich sonst immer in ihrer Anwesenheit in meiner Verletzung "rum geräkelt" habe, und das gar nicht habe sehen können!
Plötzlich entdecke ich da kein "Aber" mehr, sondern ich "erkenne" nur noch, WIE sie ist, und WARUM sie das tut.
Da hört der Kopf auf nach "Aber's" zu suchen, weil es keine mehr gibt. Es ist der Anfang der Akzeptanz, dass meine Schwester eben so ist, wie sie ist.

Liebe ICH, auch ich habe nur EINE Schwester, eine leibliche Schwester, und selbst wenn ich noch so manche Freundin im Leben gehabt habe, die eine bessere Schwester für mich gewesen wäre, ... so ändert das nichts an der Tatsache, dass meine wahre Schwester eben immer meine wahre Schwester bleibt. Ich habe meine Schwester lieb, trotz ihrer "unmöglichen" Art, die sie drauf hat (und die ist also SEHR krass!). Ich habe sie lieb, nicht weil ich irgend welche guten Seiten an ihr finden muss, (die hat sie sicher auch, nur weiss ich - grins! - selber nicht, wo ich die finden soll!), sondern ich hab sie lieb, aus der simplen Tatsache, DASS sie eben meine Schwester ist!

Ich habe auch lange gedacht, ich sei das "schwarze Schaf" der Familie, hm-hm. Immer rebellisch und nie so, wie man es gerne gehabt hätte. Meine Schwester wurde bevorzugt, weil sie - das habe ich später erkannt - eben "einfacher" war als ich, nicht so schwierig und aufmüpfig wie ich. Doch das geschah von den Eltern nicht aus dem Grunde, weil sie sie lieber als mich hatten, sondern weil sie merkten, dass ich eigentlich die Stärkere war. - Für Eltern ist es einfacher, sich um die "braven" Kinder zu kümmern, die so "geformt" wurden, wie es den Eltern genau passt, und dann kann man diese "braven" Kinder auch noch viel mehr "beschützen" oder verhätscheln.
Die anderen Kinder, die eigentlich die stärkeren Kinder sind, von denen wird in der Regel auch mehr gefordert. Mehr "beschützen" oder "verhätscheln" ist da gar nicht so nötig.

Für das "starke" Kind kann es den Anschein haben, dass die "braven" Geschwister von den Eltern bevorzugt werden, oder mehr geliebt werden, doch das ist meist nur ein trügerischer Schein.
Was Deine Geschwister an "bravheit" haben, erkennt Deine Mutter vielleicht auch als eine Schwäche der Geschwister. Mit Schwäche - und das weiss sie - kann man jemandem in der Not nicht gross helfen. Darum "greift" sie auf Dich zurück. Ihre Erwartungshaltungen Dir gegenüber sind grösser.

Weisst Du, ich bin ja auch Krebspatientin, aber meine "brave" Schwester, die eigentlich die "schwächere" ist, ist gar nicht fähig, mir zu helfen oder mir beizustehen. ERWARTET habe ich das zwar AUCH von ihr, doch so lange sie sich nicht ändert oder nicht ändern will, NÜTZT mir ihre "Schwäche" nichts. Sie kann mir höchstens schaden. (Und das hat sie ja auch!)
Also "greife" ich nach jenen Menschen, die ein bisschen "stärker" sind, die mir beistehen wollen und auch können, oder es zumindest versuchen. Und sollte mich jemand fragen: "Warum holst Du Dir nicht Hilfe bei Deiner Schwester?", so kann ich sehr schnell darauf antworten: "Sie ist zu schwach dazu!"
Das kann eben falsch verstanden werden, man könnte meinen, ich will meine Schwester in Schutz nehmen. - Kannst Du's verstehen?

Ich bringe Dir hier Vergleiche, die ähnlich sind, und natürlich kannst Du jetzt wieder mit einem "Aber" kommen und sagen: "Ja aber bei meiner Mutter ist es anders, weil ...". Stimm's? Grins!

Ein Satz Deiner Mutter hat mich noch nachdenklich gemacht.
Als Du jenen Mann hattest, welcher Dich geschlagen hat, und Deine Mutter dann so ähnlich sagte: "Du hast ja gewusst, dass Du einen brutalen Mann heiratest!"
Dieser Satz tat Dir bestimmt weh, aber warum tat er Dir weh? Weil Dir Deine Mutter damit keine Lösung auf den Tisch legte?
Nun gut, dieser Satz Deiner Mutter war nicht besonders einfühlsam oder verständnisvoll, doch von der "Mutterseite" her hat sie mit diesem Satz bloss Deine "Stärke" angesprochen. Sie hat an der Türe Deines eigenen Verantwortungsgefühls geklopft, nichts weiteres.
Sie hätte auch genau so gut sagen können:
"Du musst wissen, was Du tust."
(Das sagte mir meine Mutter übrigens auch immer, wenn sie mir nicht mehr zu Helfen wusste. - Ist auch ein bisschen ein mütterlicher Gedankenanstoss, dass man als Tochter sein Leben eben selber im Griff haben muss. Aber böse ist das nicht gemeint.)

Tja, und da greift nun der eine Sohn zu Cannabis, der andere lässt sich scheiden, ... und DEIN Leben entgleitet Dir deswegen? Warum Deines?
Natürlich ist das eine Sorge, aber es ist das Leben Deiner Söhne. Wie schnell liegt da der Mutter-Satz auf den Lippen, den man zu den Söhnen sagen kann: "Du musst wissen, was Du tust!", nicht wahr? Wenn Du diesen Satz zu ihnen sagst, distanzierst Du Dich ein Stück von ihren Problemen. Es hilft Deinen Söhnen zwar nicht, aber Du appelierst damit an ihre Eigenverantwortung.
Damit will ich jetzt nicht sagen, dass Du ihnen diesen Satz SAGEN sollst, es soll nur ein Gedanke sein, gell? - Wenn Du nämlich diesen Gedanken verstehst, wirst Du auch den Satz Deiner eigenen Mutter verstehen.

Krebs in der Seele? Nö, wohl kaum. Die Seele kann gottseidank keinen Krebs kriegen.
Aber Du kannst Deine Seele überfordern, liebe ICH. Du kannst sie durch all die vielen Gedanken und "Aber's" und Sorgen so zumüllen, dass sie ganz müde davon wird und nur noch schlafen will. - Ich kenne dieses Gefühl. Es ist ein schreckliches Gefühl.
Wie man da raus kommt? Naja, man kann nur an sich selber arbeiten. Manchmal hilft es, wenn man liebe Menschen um sich hat. Man kann versuchen, die vielen Gedanken, die vielen "Aber's" und Sorgen öfters mal wegzulassen, indem man sich selber was Gutes tut, sich was Schönes gönnt. Erst fängt es mit kleinen Momenten an, wo man "abschaltet", und später werden es dann immer mehr dieser Momente. In jenen Momenten schafft man sich wieder Kraft und auch die Gedanken werden klarer. Und die Seele kann vor Freude hüpfen ...

Soweit bis später, ja?
Liebe Grüssli
von der "krassen" Brigitte

10.05.2003, 05:22
Hallo ICH,

habe ich Dich erschreckt mit meinem Angebot mit mir zu reden?

liebe Grüße,
Jutta

10.05.2003, 06:11
Guten Morgen!

Liebe Jutta,
ich danke Dir sehr für das Angebot zu reden - weiß nicht, ob ich reden kann, es ist doch einfacher zu schreiben und schön anonym zu bleiben - Wahnsinn wie sehr ich zu mir stehe!?
Ich lese und lese und stimme Dir in so vielem zu und doch kann ich für mich das in der Tat nicht umsetzen - liegt das an mir?
Schau mal, wenn ich mit meinem Mann reden will, dann hör ich eigentlich nur, dass ich mich da nicht so reinsteigern soll, dass ich ohnehin für nichts mehr Zeit habe - aber für was Zeit, dass ich mich am Abend zu ihm setze und fernseh? Das ist vielleicht für ihn die Entspannung und es ist auch gut so, nur ich hab ein schlechtes Gewissen, wenn ich den Compi einschalte und neben ihm schreibe, sein vorwurfsvoller Blick genügt schon. .
Du hast also auch einen 16-jährigen Rebellen(?)und betrifft es da nicht auch Dein Leben, wenn er eigenverantwortlich einen Blödsinn nach dem anderen machen würde?
Macht das Leben einer Mutter nicht die Kinder aus??? Oder sag ich das jetzt vielleicht nur, weil ich meine Kinder eben nicht mit Vater und Mutter aufwachsen lassen konnte, weil ich einfach nie den Mund gehalten hab und damit die Männer nicht fertig wurden - wie sollten sie, wenn nicht einmal meine Mutter mit mir zurecht kam?
Projeziere ich deswegen, jetzt im hohen Alter *grins* und nach doch harten Schicksalschlägen, meine Liebe auf die Söhne?
Nein, geliebt habe ich sie immer - doch so richtige Geborgenheit und Nestwärme hatten meine Söhne nicht - war immer alles zu unruhig.
Ich weiß nicht, ich schweife da immer aus - unwahrscheinlich!

Dass Du Humangenetik machst finde ich für gut, wenn Deine Söhne es auch wirklich wollen, ich kann mich schwer in deren Lage hineinversetzen, ich denk halt immer, wenn ich oder meine Söhne krank werden - kann da das Wissen helfen??
Mein Vater hat Alzheimer und der Professor legte uns damals nahe, wir sollten einen Test machen - ich lehne das ab, vergess jetzt schon so viel - nein lieber nicht!
Weißt Du schon wann Du auf Kur gehst? Schaffst Du das, die Söhne so lange nicht unter Kontrolle zu haben . . verzeih, ich bin ja diejenige mit der Kontrollfunktion *grins* - aber hast Du die nicht auch ein bisschen??
Wollte nur mal fragen - nicht zynisch gemeint!!

Bis später!

Hallo Brigitte,
Du sagst es mir ja ganz schön und weißt Du was - Du hast recht!!
Ja, ich könnte Dir vieles nennen, wie Du mit Deiner Schwester umgehen könntest und warum vielleicht und weshalb . . ABER (jaja) wenn Du ein ABER finden willst, findest Du eines, danke hab verstanden!
Einfach ist es sicher nicht, der Beginn von Beobachten, neutralem Beobachten - da müsste mal die Wut reduziert werden, dieser innerliche Zorn, aber es ist allemal einen Versuch wert - beginne ab sofort damit!
Jetzt sitz ich da, denk nach und weiß gar nicht so viel zu schreiben, DU hast mir meine ABERS gestrichen, der Kopf wird ein bisschen freier und vielleicht finde ich doch noch zu einer kleinen Lösung.
Das mit der Aussage von meiner Mutter, als mich mein Mann geschlagen hat werde ich nie nachvollziehen können - hätte sie als zweiten Satz gesagt - komm einfach einmal nach Hause - wäre der erste entschärft und ok gewesen, und Leben selbst in die Hand nehmen oder nicht - einer Tochter sollte man doch in schwierigen Situationen beistehen - Frage - hast Du Dir das nicht auch sehr lange von Deiner Schwester erwartet??
Weißt Du, bei uns war es immer so die heile Weltspielerei, wo es keine heile Welt gab - zumindest für mich nicht und immer Mams Aussage, unsere Familie hält bei allen Schwierigkeiten zusammen - reiner Schwachsinn!!
Und jetzt sag ich, meine Söhne sollen IMMER wissen, ich steh hinter ihnen, ich übernehm nicht deren Leben oder die Verantwortung - ABER sie können mit mir über alles reden und wenn sie es wollen, helfe ich ihnen in der Form wie sie es wollen.
Und da kommt dann das nächste Problem - mein Mann sieht das nicht so wie ich, erstens kapiert er nicht, dass man überhaupt Drogen nimmt und wenn, dann muss man mit 19 Jahren wissen was man macht. Punkt. Ende der Diskussion!
Klar sag ich zu meinem Sohn, "Du musst wissen was Du tust" - ich lasse ihn mit diesem Satz aber nicht stehen, dreh mich um und geh, verstehst Du, ich REDE mit ihm über seine Probleme - wart mal, sein Problem ists ja gar nicht, er sieht es ja nicht als Problem??
Mein Mann spielt zur Zeit den Beleidigten (warum wirklich??), redet nichts und wenn ich dann am Compi sitz, passt es ihm auch nicht - muss ich immer alles mit schlechten Gewissen machen??
Was soll ich mir Schönes gönnen - WANN? Weißt Du, ich würde gerne so ab und zu zu Vorträgen gehen über Leben danach und ich hab einen Reikikurs gemacht, würde gerne den zweiten Grad machen - aber alles braucht eben Zeit und mein Mann legt das dann immer so aus, als wäre es schon reinstes Privatvergnügen, dauernd bei Mam zu sein, und wenn nicht bei ihr, dann bei Vati im Heim!
Mein Mann geht nicht alleine weg und ist echt immer am Arbeiten, entweder in der Firma oder auf unserer Baustelle - aber zufrieden ist er kein bisschen - und wieder bin ich daran schuld!?
Er kann mit Veränderung schwer umgehen, aber ist nicht das ganze Leben immer wieder Veränderung und muss ich mich deswegen immer wieder rechtfertigen??
So, heute ist ein neuer Tag und ich werde gleich damit beginnen, meine Mutter anders sehen zu lernen - ich möchte es ja auch wirklich - ich möchte lernen, sie so zu nehmen, wie sie ist - das mit Liebe lasse ich einmal . . beginne einfach mal neutral zu sehen . .

Wünsche mir, dass Deine Seele vor Freude hüpft und möchte Dir wie auch Jutta sagen, Eure Anregungen sind wirklich sehr hilfreich - Ihr seid vielleicht irgendwann in vergangenen Leben so richtig tolle Psychotanten *grins* gewesen!

Liebe Grüße und einen sonnigen Tag!

10.05.2003, 08:13
Hallo Du anonymes Huhn,

Aus der Küche der "Psychotante" :-):
Meinst Du nicht, daß vielleicht der erste Schritt aus der Anonymität es Dir leichter machen könnte? ANFORDERUNG AN DICH.
Warum denn auch? Es ist so viel einfacher, mit dem Werbelächeln durch die Welt zu laufen und sich innerlich auffressen lassen!!
Kenn ich , hab ich hinter mir..................Jutta, die Starke, wer kommt da schon auf die Idee, daß ihr innerlich alles wegbricht? Ja, um Gotteswillen, bei der doch nicht.

Meine Meinung Mutter zu sein, und was es für mich heißt, nachzulesen an Gabi unter dem nächsten Thread (für B' & A's).
ICH, auch ich habe einen supernetten Gatterich, der sein letztes Hemd für Jeden geben würde, und alles in seiner Macht stehende tu. Er putzt und wäscht und und und. Aber sich mit emotionalen Problemen intensiv zu beschäftigen, gleich NULL,NULLNULLNULL. Das kostete mich manchen Scheidungsgedanken?! Aber auch ich mußte lernen ihn SO zu nehmen wie er ist, wenn auch ab und zu so böse Gedanken wie Rakete untern Hintern und ab auf den Mond auftauchen, und genauso schnell wieder verworfen werden. Weil ich mir dann immer wieder vor Augen halte, ihn habe ICH mir ausgesucht. Er ist das krasse Gegenteil von mir. Und auch hier möchte ich halt meinen Söhnen etwas mitgeben, daß auch "Männer" mit Emotionen umgehen können ohne gleich als Weichei beschimpft zu werden. Und es absolut nicht dem Ego schadet.

Liebes ICH, ja ich habe auch so eine "Kontrollneigung", gebe ich zu *g*g*g*, und sage auch zu hause klipp und klar, einer muß die Zügel halten, daran ziehen tun wir gemeinsam (inzwischen). Ich bin mit 15 freiwillig ins Internat, als externe Schülerin, habe also mein Leben ab da alleine "geregelt", einen Mann geheiratet, der 70% seiner letzten beruflichen Tätigkeit irgendwo in der Welt herumschwirrte. Das ging nie ohne "Kontrolle", doch irgendwan mußte ich begreifen, daß ich zu mir genügend Vertrauen haben muß, um den Anderen seinen Weg gehen zu lassen. Meine Zunge hüten, mein Herz festhalten und die Anderen die Welt erobern zu lassen.
Auch mit tausenden von A B E R S im Kopf.

So, und wenn Du bereit bist mit der Psychotante zu plaudern, leg Dir eine anonyme emailadresse zu, ich schick Dir meine Telefonnummer, Du kannst anrufen - habe kein ISDN mit Nummernübertragung. Sollte schnell gehen, bin ab 19.5. im KH, ca. 2-3 Wochen lt. Ärzte, kein Internet. Aber in der Reha werd ich schon ans Internet kommen, :-) :-), wenn nicht, habe da so einen tollen Ex-Kollegen, der das für mich dann bestimmt mit Notebook und Telefon arrangiert.

Ich hoffe, Du findest heute ein kleines Schmunzeln.

liebe Grüße,
Jutta

10.05.2003, 11:09
Hallo Du Tante!

Nicht nur ein Schmunzeln - ich lache noch immer!!
Ja klar, der einfache Weg - keiner sieht es mir von aussen an und so - ich schreib Dir auf alle Fälle am Montag von der Firma und das dann mit meinem richtigen Namen - ich stehe schließlich voll und ganz *g* zu mir!
Hatte vorerst ein Gespräch mit meinem Mann - mit Emotionen aussprechen hat er wie gesagt Probleme und bei uns ist das ein ewiges Thema - aber wir haben uns richtig gern und solange das so ist, überwiegt das eben!
Weiß durch Dich aber jetzt endlich, dass ich meine Kontrolle zügeln muss und das mit den Söhnen ist so, ja ich will, dass sie weinen können ohne Probleme damit zu haben und aussprechen können, was da ist.
Schreib Dir später noch mehr, fahr wieder zu Mam und mir gefällt es dass Du trotz aller Probleme witzig bist - Deine Art zu schreiben ist richtig erfrischend fürs feige, anonyme Huhn!

Bis später!

10.05.2003, 11:27
Hallöchen Ihr,

Du liebes ICH, da hat die Jutta recht, Du kannst ruhig Deinen Namen nennen hier, kannst Dir ja auch einen lustigen Namen geben, so wie ich mich "Känguruh" nenne, ... oder eben wie Jutta es Dir vorschlägt, dass Du ihr persönlich mailen kannst. - Ist die Jutta nicht ein lieber Engel? ;-)
Ich weiss jetzt eigentlich auch nicht, wofür Du Dich schämen solltest, denn all die "schlimmen Gedanken" sind menschlich, wir sind da selber ja auch nicht viel besser.
Ja, wäre ein kleiner Schritt für Dich, zu Deiner Person zu stehen, und dazu zu stehen, WAS diese Person denkt und sagt. - Oder bist Du etwa KEINE Person? (Komm schon, sei ein bisschen stolz auf Dich!)

Über das Wörtchen "Ich" haben übrigens schon viele Philosophen und Wissenschaftler nachgegrübelt, hast Du das gewusst? Das Wort "Ich" ist ein kurzer Ersatz für den Eigennamen des Redenden.
Und "Ich bin ein Ich nur für mich; für jeden anderen bin ich ein Du; und jeder andere ist für mich ein Du.", ist eigentlich ein ganz interessanter Gedanke, gell? - Du hast Dich mit dem "Ich" also viel näher persönlich "genannt", als würdest Du es mit einem Namen tun. (Grins! Das ist jetzt wieder MEINE Philosophie!)

Doch, liebe ICH, ich glaube schon, dass Du diesen Satz Deiner Mutter irgendwann nachvollziehen und verstehen kannst. Du bist halt wütend darauf, weil sie Dir nicht MEHR gegeben hat, als bloss diesen einen Satz. Denn DU gibst ja auch MEHR Deinen Söhnen, als bloss diesen einen Satz, nicht wahr? Aber Du bist halt Du, und Deine Mutter ist Deine Mutter. Deine Mutter mag da halt nicht DIE Mutter sein, wie Du sie selber bist, aber immerhin kannst Du da ja den Unterschied erkennen und es für Deine Söhne wieder besser machen, stimmt's?
Deine Erfahrungen sind die Deinen.
Die Erfahrungen Deiner Mutter sind die ihrigen. - Weisst Du zufällig gerade, wie Deine MUTTER damals erzogen wurde? Vielleicht hat SIE nämlich wieder vieles anders versucht zu machen bei ihren Kindern, was ihr selber an IHREN Eltern und deren Erziehung gestört hat. Wer weiss? - In der Regel ist es ja oftmals so. Aber PERFEKT werden deswegen wahrscheinlich die wenigsten Mütter sein. Die "Zeiten" kommen natürlich auch noch hinzu, denn was Deine Mutter früher an "Drogen" gar nie gekannt hat, oder Du selber nur am Rande, ist wiederum ein neues Problem für die heutige Erziehungs-Zeit.
Dies nur als Beispiel, weil wir oftmals denken, "früher" sei alles viel "schlimmer" gewesen. Nein, nicht unbedingt, es war einfach "anders" schlimm als heute.

Wenn man sich da ein bisschen Gedanken darüber macht, kann man manchmal auch ein paar Punkte, also gewisse "Fehler" der eigenen Eltern, auch viel besser verstehen.

Darf ich das mal so stehen lassen, liebe ICH? Ich muss jetzt leider los.
Bis späterchen!

Jutta, ich grüssele Dich auch ganz lieb, und freue mich natürlich, wenn das bei Dir klappt, wenn Du in der Reha zu einem Compi kommst! Am 19.05.? Das ist ja schon bald, gell?
Na, wir werden bestimmt vorher noch genügend zusammen plaudern.

Ganz liebe Grüsseli
von der "krassen" Brigitte

10.05.2003, 19:35
Auch noch schnell hier hallo,

Ich sag immer, wenn ich meinen Humor verliere, dann bin ich verloren. Und ICH, heute früh hatte ich einfach das Gefühl, Dich mal auf diese Art "anzumachen", mir in Gedanken ein Schmunzeln vorzustellen. Braucht man doch trotz aller Ernsthaftigkeit.

Danke fürs Engelchen, besser wäre großer B(engel).

So, auch hier dann
bis zur Morgenstund (meiner)
Jutta

10.05.2003, 20:05
Hallo Brigitte!

Ich denke, Du bist eine ganz Liebe mit einer spitzfindigen Zunge - das was Du da vom ICH geschrieben hast gefällt mir, guter Gedanke (hätte ich das schon mal irgendwo vorher gelesen, hätte ich mir einen anderen Namen gegeben *g*!
Du hast recht, Jutta ist eine ganz lieber Mensch und sie lest viel zwischen den Zeilen - kannst Du übrigens auch perfekt!
Heute war ein guter Tag, ich konnte mich ganz gut leiden und hatte auch keine Schuldgefühle meiner Mutter gegenüber, weil ich nicht so lange bei ihr war wie üblich - meine Schwester ist bei ihr!
Hab Mam angesehen und versucht das Warum und Wie ein bisschen zu sehen, mir fielen aber dann wieder Bert Hellingers (kennst den) Worte ein, dass Kinder von der Vergangenheit der Eltern nicht belastet werden sollen - ich weiß noch nicht genau wie ich Hellinger für mich sehen kann. Er vertritt die Meinung, dass Kinder ihren Eltern überhaupt nichts verzeihen können - es ist eine Anmaßung der Kinder das zu glauben und ein unverzeihbarer Fehler von Eltern, die Kinder mit Problemen welcher Art auch immer, oder schlimme Vergangenheit zu bereden, zu belasten!
Was hältst Du davon??
Wie auch immer, ich denke nicht dass die Zeit früher so viel schlimmer war und wir hören dann ja auch wieder von den guten alten Zeiten . . wahrscheinlich ist es so, dass sich jeder einzelne eine gute oder schlechte Zeit macht (ausgenommen natürlich von Krankheiten) und dann lebt.
Wie ist das bei Dir, glaubst Du daran dass Krebs psychische Ursachen haben kann?
War die Diagnose bei Dir auch eine Chance Dein Leben zu erkennen?
Ich hoffe sehr, dass ich mich jetzt nicht zu weit hinauslehne, aber ich hab hier doch das Gefühl, dass sehr ehrlich ja gut von manchen eben anonym *g* und von manchen ganz ganz persönlich *ICH-g* gesprochen wird.
Sag ruhig, wenn solche Fragen nicht passen und ich hab mir fest vorgenommen, die Worte ABER und WENN, mit WIE und WARUM sachlich stellen werde . . hab doch schon gelernt, oder??
Mein nächster Schritt ist, Jutta ein mail mit meinem Namen zu schreiben, also wer sagts denn, ich werde vielleicht doch einmal stolz und weise *g*

Ganz viel liebe Grüße

11.05.2003, 00:48
Grins, hallo Du ICH!
Jaja, muss ein guter Tag bei Dir gewesen sein, Du "klingst" so ein bisschen anders, positiver, hm-hm! :-)

Nun, also diesen Bert Hellinger kenn' ich nicht, und hätt' ich ihn gelesen (wie Du schreibst), so hätt' ich sein Buch unter meinen "speziellen" Bücherberg geworfen, welchen ich dann eh mal einem Brockenhaus spende!
Ich weiss nicht, wie es Dir ergeht, wenn Du Sachbücher liest, aber bei mir horche ich dabei immer tief in mich hinein. Sobald ich das Gefühl habe, bei so einer "Aussage" des Autors stimmt irgendwas nicht, oder ich kann diesen Gedanken überhaupt nicht mit ihm teilen, so lege ich das Buch lieber zur Seite. - Zwei Dinge können dann möglich sein: Entweder redet der Autor völligen Quatsch (das gibt's ja schliesslich auch), oder aber ... ich selber bin "noch" nicht so weit, um zu "begreifen", was er da schreibt.
Ich glaube nicht blindlings ALLEN Sachbüchern, weisst Du. Ich bin zwar der Meinung, dass man aus ALLEN Büchern irgend einen Teil daraus entnehmen kann und für sich selber vielleicht lernend verarbeiten kann, aber das heisst nicht, dass gleich ALLE Sach-Autoren das Weiseste vom Weisesten in ihre Bücher schreiben.

Guck mal, es ist zwar SCHWER, für ein Kind (das noch ein Kind ist), den Eltern etwas zu verzeihen, ... aber es ist nicht UNMÖGLICH.
Einfacher wird es, wenn man als Kind dann ERWACHSEN ist, UM zu verzeihen. Weil wenn man Erwachsen ist, man auch viele Dinge besser verstehen kann.
Was "Belastungen" für ein Kind, das noch ein Kind ist, hingegen angeht, so ist das ein bisschen ein anderes Thema, denn nicht jedes Kind ist gleich belastbar. - Wenn jedoch ein Kind erwachsen wird oder später bereits ist, so wird es Wahrheiten halt auch ertragen müssen, es wird Fehler ertragen müssen, und es wird lernen müssen, mit diesen Dingen umgehen zu müssen, allenfalls halt auch ... verzeihen zu müssen. Das Leben ist leider nicht nur einfach, es ist auch kompliziert. Wenn ein Mensch jedoch immer nur vor Schwierigkeiten bewahrt wird, vor Konfrontationen, so lernt er selber ja nie etwas daraus.


Hm, das mit den "schlimmen" Zeiten früher hab' ich so beschrieben, weil's als Erklärung gut hin passte zu meinen Worten. Aber Du hast Recht, man kann auch sagen, früher war alles "einfacher", die "guten alten Zeiten" eben.
Nur: Bist Du Dir da ganz sicher? Denk mal an die Kriegszeiten. Wie war das Leben dort? Wie hat man da die Kinder erzogen?
Die "guten alten Zeiten", gell?
Nee, sie waren einfach "anders" als heute. Jene Probleme, die man damals hatte, hat man heute vielleicht nicht mehr in dieser Form, aber dafür in einer ganz anderen Form.

Meine Mutter war Deutsche, sie hatte den Krieg als Kind in Essen erlebt, hm? Und Essen wurde damals ja vollständig zerbombt. - Jetzt musst Du Dir mal vorstellen (das konnte ich als Kind natürlich auch nie wirklich, aber dann immerhin später als Erwachsene), was meine Mutter da also für ein Kindheitstrauma durchgemacht hat. Später ist sie dann, wie manche anderen deutschen Frauen auch, in die Schweiz gezogen. Ohne Berufsausbildung, ohne Geld. Ihr Ziel: Schnellstens einen schweizer Mann zu finden, um zu heiraten und "versorgt" zu sein.
(Die "guten alten Zeiten"?)

Jetzt habe ich als Kind natürlich NIE ihre Vergangenheit kennen gelernt. Sie war meine Mutter, und eben nichts anderes, hm? Sie hatte uns Kinder vor ihrer eigenen Vergangenheit "verschont", indem sie nie gross etwas über den Krieg erzählt hat. Naja, warum hätte sie es auch tun sollen? Sie hat uns auch nie etwas von ihrer eigenen Erziehung etwas erzählt, NUR, dass sie ACHT weitere Geschwister hatte!
Nun, wie hätte ich jemals als Kind "verstehen" sollen, warum uns unsere Mutter so oft verprügelt hat? Woher sie solche Aggressionen hatte? Warum sie so unzufrieden war?
Naja, weil NIE darüber gesprochen wurde!
Warum wurde nie darüber gesprochen, auch später nie? - Weil meine Mutter selber auch nie gelernt hatte, DASS man darüber sprechen kann.
Was habe ich von IHR gelernt? Na, dass man darüber eben NICHT spricht!

Jetzt haben wir halt den Vorteil in der heutigen Zeit, dass man eben EHER und MEHR über solche Dinge spricht. Das ist ja auch sehr gut, denn bei vielen Menschen ändert sich somit eine Menge. Wenn man darüber spricht, so kann man offen sein und auch versuchen, zu verstehen. Und sobald man versteht, so ist das Verzeihen dem anderen gegenüber nicht mehr fern.
Damit meine ich nicht, dass man ALLE Dinge immer wissen muss, oder vielleicht "zer-reden" muss, ich meine es eigentlich mehr wegen dem Verständnis haben dem anderen gegenüber.


Ob ich denke, dass Krebs psychische Ursachen hat? Darüber haben wir hier in den Threads auch schon oft gesprochen, und interessant ist, dass oftmals eher Angehörige dieser Auffassung sind, als die Betroffenen selbst. Das könnte so gesehen sogar als Zustimmung von mir betrachtet werden, aber ich meine das nicht so.
Krebspatienten machen sich sehr VIELE Gedanken darüber, WARUM sie Krebs bekommen haben, aber wenn sie nachforschen bei sich, oder auch hinter die Bücher gehen, so werden sie zu keinem Ergebnis kommen. Denn sie entdecken bloss, dass noch immer nicht klar ist, WOHER der Krebs kommt. Ich selber habe auch lange-lange darüber nachgedacht, habe sogar ausgerechnet: Wenn ein Krebstumor etwa ACHT Jahre braucht, bis er 1 cm gross ist; WAS ist dann bei mir vor ACHT Jahren geschehen?
Ich also los und hinter meine alten Tagebücher, hm? Bis ich aber bloss feststellen musste, dass da vor ACHT Jahren eigentlich gar nicht Spezielles in meinem Leben geschehen war!
Nun, also ehrlich gesagt, ich weiss es heute noch immer nicht. Da sind vage Vermutungen, die schwanken hin und her, haben manchmal mit mir zu tun, manchmal eher mit der Umwelt, der Luft, der Ernährung, ... aber eben.
Für Dich denke ich, ist es vielleicht besser, Du kommst von dem Gedanken ab, dass Krebs NUR mit der Psyche zu tun hat, denn ... WENN das so wäre, so müssten VIEL mehr Leutchen Krebs bekommen, hm? Und Du kannst Dich auch fragen, warum kleine Kinder bereits schon Krebs bekommen können, ob die denn psychisch AUCH schon solche Probleme hatten? - Nee, da stimmt doch was nicht, oder?

Deiner Frage, ob die Krebsdiagnose für mich eine Chance war, mein Leben zu erkennen, da muss ich Dir hingegen zustimmen. Ich weiss zwar genau, dass ich auch früher schon mein Leben "erkannt" habe, aber wirklich "gehandelt" habe ich erst nach der Krebsdiagnose. - Das ist ja eigentlich das Mühsame, was ich selber immer wieder finde: Es MUSS immer zuerst etwas GESCHEHEN, bis mal was GETAN wird! - Wie Du siehst, bin ich selber da auch nicht viel besser als andere.
Ich könnte zwar auf diesen Sch...krebs liebend gerne verzichten, denn SO hätte es auch nicht unbedingt kommen müssen, echt!
Aber ... irgendwas Positives ist da schon daraus gewachsen, das kann ich nicht ganz abstreiten. Hm, WER kann's verstehen?

Soweit mal für heute, liebe ICH, jetzt habe ich sehr viel geschrieben, und werde Schlafen gehen. Ich habe übrigens keine Probleme mit Deinen Fragen, also frag ruhig weiter, was Du wissen möchtest. Du möchtest VERSTEHEN, und das finde ich ... yeah! ... guuuuut! Wenn ich Dir helfen kann, ein bisschen zu verstehen, so wirst Du vielleicht auch Deine Mutter in ihrer Situation etwas besser verstehen? - Naja, versuchen können wir's ja, gell?

Bis späterchen und schlaf recht gut, ja?
Es grüsselet zur späten Stunde
die "krasse" Brigitte

11.05.2003, 05:54
Guten Morgen Ihr Lieben!

Liebe Brigitte,

hoffe Du hast gut geschlafen - ich sitz schon eine Stunde am Balkon und hör den Vogerln zu - es ist schön und beruhigend, es riecht so gut nach Regen - meine Seele beginnt sich zu regen (irgendwann "hüpft" *g* sie ja doch vielleicht)

Das mit Sachbüchern ist für mich immer ein bisschen schwierig, meistens nehm ich ohnehin nur die in die Hand, die ich gerade brauche, mit manchen kann ich mich identifizieren, bei anderen wieder hole ich mir Teile für mich raus und mit einigen weiß ich nicht so recht . .
Den Hellinger hab ich schon lange zu Hause, immer wieder weggelegt und jetzt wieder nach langer Zeit hervorgeholt.
Irgendwie lässt mich diese These von Familienverstrickungen nicht los, Schicksale werden wiederholt, ohne sie zu kennen und ich weiß nicht, werde das Buch wieder weglegen - oder doch nicht, naja mal schauen.
Der Satz von Dir, wenn man einem Menschen immer wieder Schwierigkeiten aus dem Weg räumt, hat ein unangenehmes Gefühl in meinem Magen verursacht - wird mein lieber, kleiner Cannabisraucher niemals mit dem Leben fertig, wenn Mama immer hilft?
Und das nächste Mal, wenn er mich mit seinen treuen grünen Augen ansieht, so arm und beim Bundesheer - ich werd mich auf die Euros draufsetzen - für Drogen?? -NEIN!

Jaja, die guten alten Zeiten - mein Vater kam nach seiner Geburt zu Bauern ins Waldviertel, seine Mutter flüchtete alleine nach England und mein Vater war ein lediges Kind, wurde bei verschiedenen Bauern groß und Liebe oder reden über Probleme - das gab es nicht.
Als wir Kinder waren, hat Vati nicht viel erzählt, hm, komisch, erst ganz kurz bevor er gar nichts mehr redete, erzählte er uns von seiner schweren Jugend, genau das war am Begräbnis seines Erzeugers (sag ich, Vati hat trotz allem seine Mutter und seinen Vater geachtet)
Ja und dann kam Vati zur Hitlerjugend und da hatte er das erste Mal ein Zusammengehörigkeitsgefühl, kannst Dir das vorstellen??
Die Mutter meiner Mutter ist an Krebs gestorben, als Mutti 12 Jahre alt war, wurde von der Pflegemutter ihrer Mutter aufgezogen, ich fand als Kind meine Urli immer lieb, ich mochte sie sehr gern, Mutti wieder sagt, reden konnte man mit ihr über nichts!
Jaja, da frag ich mich schon, ob die guten alten Zeiten so gut waren und ich denke nur durch Reden können wir einander verstehen!

Du hast mich da ein bisschen falsch verstanden, ich meinte nicht, dass Krebs NUR von der Psyche kommt, doch ich vergesse einfach niemals das Erlebnis, das ich bei einer Rückführung hatte, wart ich erzähl mal schnell.
Ich hatte einen Freund mit einem Kopftumor, er war gerade mal 31 Jahre alt und die Frage warum er warum gerade er - wir wollten es wissen. Haben bei einem anerkannten Arzt, ist übrigens Buddhist und eine faszinierende Persönlichkeit, eine Rückführung gemacht.
Es war unheimlich - es war wie in einer anderen Dimension - ich hörte die Stimme meines Freundes und in abgehakten Worten erzählte er die Geschichte von seiner Familie, einen Indianerstamm und er sagte, dass er einen der Angreifer beim Kampf den Kopf abgeschlagen habe . .
Er selbst wusste nachher nicht, was er gesagt und wo er war!
Ich sage einmal, für mich ist es nicht ganz abwegig, dass wir schon einmal da waren, dass wir wieder kommen werden, ich behaupte es nicht, denke einfach immer wieder mal darüber nach . .wäre für mich auch die einzige "Erklärung" mit Kinder und Krebs . . wie gesagt, sind nur meine Gedanken . .

In einem geb ich Dir vollkommen recht, warum muss immer vorher was geschehen?? Ich als "Noch-Gesunde??" finde es wahnsinnig stark, wie viele Krebspatienten dann doch noch so ein Körnchen Positives finden und möchte einfach mal sagen, dass dieser ehrliche Umgang hier mit der Krankheit, dieses auch mit Angehörigen darüber sprechen, dass ich das einfach so gut finde - ihr helft uns damit irrsinnig - wir können dann doch etliches besser nachvollziehen - DANKE einmal ins Schweizerländle!

Glaubst Du, dass ich meine Mam einmal einfach ansprechen soll, einfach mal sagen soll, fragen soll, ob wir nicht über ihre Krankheit reden wollen - sie verdrängt ihr schweres Leiden total und es ist echt so, manchmal denke ich Leiden ist einfacher als Lösen!

Bis später - seh gerade die Sonne aufgehen!

11.05.2003, 09:58
Danke für das Vertrauen.

11.05.2003, 10:02
doch die mail kommt zurück

11.05.2003, 10:22
ICH-DU Huhn :-):

Returned mail: User unknown
???????????????????????

11.05.2003, 10:23
Mörgelchen, Du ICH,
Du bist recht früh wach, aber Du hast recht, wenn Du da den Augenblick des Morgens (mit den Vögelchen) geniesst, denn das tut gut, gell? Du klingst auch wieder so schön ruhig und nachdenklich, und von Wut ist da eigentlich im Moment gar nichts mehr zu "hören", hm-hm!

Das mit den "Rückführungen" ist ein interessantes Thema, darüber kann man stundenlange diskutieren. Ich kann mich da persönlich zwar (noch) nicht festlegen, OB das stimmt mit der "Wiedergeburt" des Menschen, aber WENN's so sein sollte, so denke ich, ist es ... in diesem Leben für uns nicht WICHTIG zu wissen, welches Leben wir VORHER geführt haben.
Ich kann Dir nicht erklären, warum ich das so denke oder empfinde, ich kann Dir nur sagen, dass mein "Inneres" dies so als richtig empfindet. Denn es ist nicht WICHTIG, zu wissen, WER man in einem früheren Leben war, und OB man da jetzt jemandem vielleicht als Indianer den Kopf abgeschlagen hatte (das entsetzt Dich? Indianer hatten zu ihrer Zeit halt andere Bräuche, nicht wahr?), sondern wichtig ist - wenn schon - die eigene Entwicklung, die man da als Mensch so durchgemacht hat.
Wenn dies also stimmt, mit den "mehreren Leben", die ein Mensch haben sollte, so interessiert es mich weniger, wer ich früher war, sondern mich interessiert, wer ich in DIESEM Leben bin und wie meine Entwicklung in DIESEM Leben ist. Eine Entwicklung kann nur VORWÄRTS gehen - höchstens vielleicht noch stehen bleiben - aber niemals zurück gehen.

Kinder und Krebs ... naja, wir können da jetzt auch lange darüber diskutieren, und die Antwort auf die "Sinn-Frage" danach suchen. Die "Sinn-Frage" nach dem Krebs allgemein ist eine gute Frage, die stelle ich mir auch öfters, doch eine Antwort darauf zu finden ist schwierig.
Meistens macht im Leben erst viel später, wenn man auf ein Ereignis zurück blickt, dieses Ereignis einen "Sinn", aber manchmal sieht man auch gar nie einen "Sinn" darin.
Das "Warum?" ist eine Frage, die man nur schwer beantworten kann. Dass ein Kopftumor im jetzigen Leben was damit zu tun haben könnte, weil man im letzten Leben Indianer war und jemandem mal den Kopf abgeschlagen hat, einen Zusammenhang hat, IST vielleicht möglich (als "Lebenskreislauf" gemeint), ... doch das sind "übersinnliche" Thesen, die wir nur vermuten können (so lange wir eigentlich keine wirkliche Ahnung von Geisteswissenschaften haben).
Vielleicht IST es nämlich gar nicht so? DA müsste ja jeder Kriegsheld in seinem nächsten Leben dafür "büssen" müssen, weil er so viele Menschen getötet hat. - Nein, ich denke eher, es geht dabei um die "Entwicklung" des Menschen. Und - wie gesagt - eine "Entwicklung" kann nur stehen bleiben, oder vorwärts gehen, aber niemals zurück gehen.


Ob Du Deine Mutter ansprechen sollst, ob sie mit Dir über die Krankheit reden will?
Ja, das kannst Du tun, wenn Du sie FRAGST.
Das sage ich deshalb, weil ich es aus eigener "Krebs-Erfahrung" so erlebt habe: Leute, die zu mir kamen, und ganz verzweifelt auf mich "eindrängten", weil SIE darüber reden wollten, belasteten mich mehr, ... als jene Leute, die mich einfach nur FRAGTEN, ob ich mit ihnen darüber reden möchte.
Fragen kann man immer, liebe ICH. Aber erwarte nicht zu viel, gell, denn es kann auch sein, dass Deine Mutter gar nicht darüber reden möchte. Doch Du kannst es versuchen, weil es ein Weg zur Offenheit ist, zwischen Dir und Deiner Mutter.

Vielleicht sollte ich Dir auch noch sagen: Verdrängung bei Krebspatienten MUSS nicht unbedingt eine wirkliche Verdrängung sein. Denn im Angesicht des Krebses, und - leider - allenfalls dem möglichen näher stehenden Tode, geht im Inneren des Menschen sehr viel vor. Der Gedanke, vielleicht bald sterben zu müssen, zwingt einen manchmal dazu, NUR noch das Positive, das Schöne sehen und erleben zu wollen. Vielleicht hat man nur noch kurze Zeit, wozu soll man sich da also jetzt noch mit "schweren" Dingen oder Gesprächen belasten?
Das gehört zum Auf und Ab eines Krebspatienten, denn SO kann er heute denken, aber morgen kann er schon wieder anders denken, und ist bereit dazu, UM zu reden, und NUR noch um zu reden!
Da ist jedoch auch noch die Persönlichkeit des Einzelnen entscheidend, denn jemand, der noch nie richtig offen hat reden können, kann sich da auch nicht plötzlich so schnell ändern.
Hab Geduld mit Deiner Mutter, lass ihr die Zeit, wenn sie im Augenblick nicht reden möchte, gell? Es geht ja jetzt nicht um Dich, und jenes, was DU willst, sondern es geht um Deine Mutter, und darum, was SIE will. Nicht Du hast mit dem Krebs den möglichen Tod vor Augen, sondern Deine Mutter.
Kannst Du's nachvollziehen, liebe ICH?
(Wenn ich über den "möglichen Tod" spreche, so meine ich das wortwörtlich so, doch das meine ich nicht in jenem Sinne, DASS der Tod beim Krebs auch wirklich bald eintreffen MUSS, gell? Sondern es ist jenes Gefühl, welches ein Krebspatient einfach HAT.)

So, liebe ICH, jetzt wünsche ich Dir ein richtig schönes Sonntägle, geniesse noch ein Weilchen die Vögelchen, denn die Vögelchen tun Dir ja offenbar sehr gut. ;-) Gönne Dir öfters solche Momente, ja?
Bis späterchen!
Ganz liebe Grüssli
von der "krassen" Brigitte

11.05.2003, 10:53
Hallo Jutta!
wennst nur auf antworten gehst, gehört der punkt i.one auf i-one ausgebessert - hab ich wieder vergessen dazuzusagen - sorry!
bis bald!

11.05.2003, 11:28
Liebe Brigitte,

jaja, über den Sinn und über das Warum könnte man sicherlich endlos diskutieren - ich kann mich leider nicht so gut ausdrücken wie Du, aber Du bist eh eine Gscheite - verstehst schon was ich meine!
Für mich WAR es damals einfach so, dass ich glaubte, ein junger Mensch MUSS in seinem vorigen Leben irgendwas Schlimmes getan haben, sonst hätte er keinen Tumor - er war ein ganz lieber Mensch und in jedem anderen Menschen sah er immer nur das Gute.
Klar, Du hast wohl recht, wenn jeder der Krebs hat in seinem Vorleben irgendwas Unrechtes getan hätte, ich weiß nicht, für mich legte ich mir das damals eben so zurecht und ich sehe das nicht als Rückschritt, sehe es so dass gerade der Krebs ihn weitergebracht hat, ihn in der Entwicklung aufs nächste Leben vorbereitet hat und es war damals eben so, dass wir dachten, wenn wir wissen WARUM der Krebs entstanden ist, dann könnten wir noch was unternehmen, dass der Krebs wieder verschwindet.
Hört sich verworren an, ich weiß - das vorige Leben, wenn es ein solches gibt, das hat uns nur interessiert, weil wir einfach jeden Strohalm ergreifen wollten!
Belegbare Antwort werden wir wohl in diesem Leben nicht finden können.

Auf alle Fälle ist es so, dass ich schon überzeugt bin, dass es immer nur vorwärts gehen kann, bin aber auch felsenfest überzeugt, DASS nach dem Tod die Seele weiterlebt - in welcher Form auch immer.

Das mit Mam hast Du mir gut erklärt - dank Dir schön, Du hast recht, auch wenn ich mit mir meine Kämpfe habe, es geht um SIE und das einmal ist vordergründig.
Ich werds einfach versuchen und wenn Mam heute vielleicht nur das Positive sehen will und morgen reden will und übermorgen wieder positiv dann ist das ok für mich - ja ich hab verstanden!!

Siehst Du, das meine ich - ich KANN einfach nicht so denken, wie jemdand der selbst betroffen ist, wenn ich jedoch Deine Zeilen lese, dann kommt mir Mam doch wieder näher als ich dachte, weil eine andere Sichtweise da ist.

Liebe krasse Brigitte - ich versuche so gut ich kann, nachvollziehen wie es in Mams Inneren aussieht und werde versuchen, jeden Tag ihre Entscheidung wie sie leben will begleiten.

Dachte nicht, dass ich durchs Schreiben hier doch wieder einigermaßen ich selbst sein kann - werde mir die Vögelchen immer wieder gönnen - magst Du das auch so gern??

Jetzt möchte ich Dir noch das schöne Sonntägle *g* zurückwünschen und noch mal ganz lieb DANKE sagen!!

11.05.2003, 13:25
Hallöchen,

die viel diskutierten Grenzwissenschaften!
Ist es nicht einfach eine Frage des Glaubens, nicht der religiöse, und auch die Frage des Erlebten, auch hier wieder, die des Empfindens?

Kann ich etwas nachvollziehen, was mir niemand "beweisen" kann? Denn für das reale Dasein muß alles belegt, beweisbar gemacht werden. Darf ich hierzu die Behauptung aufstellen, daß ich einfach gespürt habe, daß ICH am äußerten Rande ihres Abgrundes stand, das Bild eines Baumes am Straßenrand, und ich sie deshalb mit meiner Reaktion Anruf aufforderte? Wie bekam ich das Gefühl, ich kenne ICH nicht! ich kann es nicht beweisen, es war einfach da.

Und so wird es mit den Diskussionen über den Glauben oder Irrglauben an nicht greifbare Dinge geben, bis wir es selbst "erleben" werden.

liebe Grüße,
Jutta

11.05.2003, 16:44
Hi Jutta,
ja genau. - Ich musste jetzt Deinen Textblock oben zwar fünfmal durchlesen, bis ich verstanden habe, was Du meinst (grins!), das lag jetzt aber nicht am Deutsch, sondern am "Sinnbild" Deiner Worte.

Hm, ich möchte hier noch gerne schnell etwas erwähnen, und ich hoffe, ich kann das gut in Worte fassen.
Wenn wir solche "Grenzwissenschaften" anschauen, darüber Lesen oder darüber hören, so nehmen wir sie ja erst mal hauptsächlich mit unserem Verstande auf, nicht wahr? Aber da ist etwas IN uns, das auf das eine oder andere hinweist, und welches sagen kann: Ja, das stimmt so, damit kann ich gut leben.
Aber DAS, was da unser Inneres sagt, muss nicht unbedingt etwas mit "Glauben" zu tun haben, es ist einfach das Innere, das innere Gefühl, welches die "Richtigkeit" bestätigen kann.

Jetzt muss man aber aufpassen, denn wenn man nicht gut auf die innere Stimme hört, kann es gerne mal zu Irrtümern kommen.
Das heisst also: Bloss weil man sich jetzt plötzlich etwas dadurch erklären kann, was sonst nämlich unerklärlich ist (wie in ICH's Beispiel oben mit dem Indianer), ... sollte man es nicht gleich GANZ annehmen und verallgemeinern, von dessen unerklärlichem Dasein man sonst ja gar kein Wissen hat!

Aber es kann Vorteile haben, wenn hier das Innere eine "Richtigkeit" entdeckt hat. Wenn man diese "Richtigkeit" annimmt, wie z.B. zu wissen, dass man "Vorleben" gehabt hat, so kann es diesem Menschen nützen, im jetzigen Leben, wo ihm z.B. was höchst schwieriges passiert, eine Lösung darauf zu finden. Er kann sich nämlich sagen: Na schön, in Wahrheit habe ich aus meinem letzen Leben eine Kraft gebildet, die ich in DIESES Leben mitgenommen habe, um es in DIESEM Leben besser zu machen. - Daran ist nicht's Schlechtes, daran kann der Mensch nur wachsen. Und so gesehen hat dies eigentlich nichts mit einem Glauben zu tun, sondern mit einer inneren Überzeugung, die innere "Richtigkeit" zu haben und danach zu leben.

Viel tiefer muss man nicht unbedingt hinein gehen, wie z.B. mit "Rückführungen", aber das ist Ansichtssache.
Sollte das so sein, mit den mehreren Leben des Menschen, so ... sagt mir jetzt MEINE innere "Richtigkeit", dass ein Krebs in DIESEM Leben nichts mit einem Vorleben zu tun hat, sondern in DIESEM Leben bloss eine neue Herausforderung (ach herrjeh!) oder einen neuen Konflikt darstellt. (Wie man sieht, beglückt mich dieser Gedanke nicht mal, aber mein Inneres meint eben, es IST so genau richtig!)
Tja, schwer zu verstehen, das Ganze, aber Du hast da etwas ähnliches mit Deinen Worten gemeint, gell Jutta?

Liebe ICH, das ist schon klar, und das verstehe ich auch, dass Du nicht nachvollziehen kannst, WIE es in Deiner Mutter mit Krebs aussieht. Wahrscheinlich wirst Du es auch nie hundertprozentig können, das ist völlig normal.
Es ist halt auch schwierig für Krebspatienten, darüber zu sprechen, oder das auch irgendwie in Worte zu fassen, was in ihnen vorgeht.
Aber wir versuchen hier ja, gemeinsam darüber zu reden, und wenn's hilft, dann ist es ja gut, nicht?
Weisst Du, indem ich selber hier schreibe und vesuche Dinge zu "be-schreiben" was den Krebs betrifft, so ist es immer auch ein Stückchen eigene "Verarbeitung" für mich selber. - Man könnte vielleicht meinen, ich sollte schon längst mal darüber "hinweg" sein, aber so ist es denn auch wieder nicht (grins!). Doch da sieht man mal wieder, wie LANGE so was dauern kann, denn ein Krebs "begleitet" einen Menschen durch den Rest seines Lebens, auch wenn er längst durch eine OP entfernt wurde. Die Angst wird immer da sein, vielleicht lässt sie nach ein paar "gesunden" Jahren mal nach, aber ... der Krebs ist eben ein Mörder, und der Mörder sitzt mir nun mal auf der Schulter und grinst. Das ganze erste Jahr nach der Krebsdiagnose bin ich jeden Morgen aufgewacht, mit dem ersten "supermotivierenden" Gedanken: "Ich hab' KREBS!"

Warum sagt ein Krebspatient immer "Ich HAB Krebs!", ... wenn der Krebs doch gar nicht mehr da ist?
Weil er eben doch da ist. Im Kopf. Im Herzen. Er lauert. - Und so gesehen, ist jeder einzelne Tag, welchen man GESUND erleben darf, ein wunderbares GESCHENK. Hm-hm!

Soweit mal meine Gedanken.
Ich grüssele Euch ganz lieb.
Die "krasse" Brigitte

12.05.2003, 07:07
Guten Morgen meine netten Therapeutenmädels!

Liebe Brigitte,
jaja, Du hast schon recht, der Glauben an irgendwas ist mit Vorsicht zu genießen und verallgemeinern wollte ich das mit dem Indianer nicht - das ist einzig und allein MEIN Inneres und ich weiß für MICH, dass in diesem Fall die Rückführung gut war, deswegen gut, weil mein Freund anders, befreiter, leichter (wenn man von leicht sprechen kann) gehen konnte!
Und alles, ganz gleich was es gewesen wäre - alles hätte ich für MICH und IHN in dieser Phase als MEINE WAHRHEIT gesehen, ALLES was das Gehen in die andere Welt erträglicher macht . .
Weißt Du was ich meine - das ist nur für mich gültig und ich möchte da nichts im Raum stehen lassen!!

Ich möchte auch für mich keine Rückführung machen, da sehe ich das so wie Du, das jetzige Leben ist gegenwärtig und in diesem Leben möchte ich lernen und "weiterkommen"

Ja, das denk ich kann ich verstehen, wenn die Diagnose Krebs einmal gestellt wurde und auch so wie bei Dir der Mörder getötet wurde - ich denke der Gedanke daran ist einfach da, manchmal vielleicht weniger und dann wieder ganz nah!
Vielleicht könntet Ihr doch versuchen zu sagen "ich HATTE Krebs und den hab ich vernichtet" - geht das?
Du hast recht, jeder GESUNDE Tag ist ein Geschenk und keine Selbstverständlichkeit!

Liebe Grüße!

Liebe Jutta,
ich weiß nicht warum - es war wieder so, dass Du erkannt hast, ich konnte mit diesen negativen, NUR bösen Gedanken keine Lösung sehen und es war wie ein Abgrund!
Hab das "keine Schuldgefühle" immer im Kopf und es hilft mir unwahrscheinlich, dann das SIE ist SIE und ich bin ich und nicht Aber und wenn und sonst . .
Ich versuche Mams Leben zu sehen als ihres und ich werde sie begleiten - aber nieeeeee mehr in Form von meiner eigenen Aufopferung - das ist vorbei!
Bin heute ganz ohne schlimmen Gedanken und denke, der Thread mit rauf und runter passt in Zukunft besser - ich hoffe es und arbeite daran!!
Möchte Dir nochmal Danke sagen, dass Du mir geholfen hast mit bösen Gedanken, den Zorn, die Ohnmacht und meine Wut auf Gott und die Welt anders leben zu können - ANDERS sehen zu können und überleben zu können!

Grüß Dich sehr lieb!!

12.05.2003, 07:15
Liebes ICH,

dann wünsche ich Dir ganz ganz viel Mut und Stärke dazu!!
Und wenn die schlimmen Gedanken kommen, weißt Du WO Du uns findest :-).

Einen guten Gedanken für jeden beginnenden Tag,
ein Lächeln, wenn die Vögel Dir ihr Lied zwitschern
ganz liebe Grüße,
Jutta

12.05.2003, 07:23
Liebe Jutta,

vielen Dank und Du siehst - die Therapeutensitzungen haben geholfen!

Dir wünsche ich, dass Du dich gut erholen kannst, wir sehen uns bestimmt wieder - irgendwo hier!!

Ganz viele liebe Grüße,
Burgi

12.05.2003, 07:27
Burgi

:-) :-) :-)

12.05.2003, 10:41
Hallo Ihr Lieben,

liebe ICH, heisst du jetzt Burgi?
Ja, ich verstehe, was Du meinst. Die innere "Richtigkeit" hat für Dich und Deinen Freund damals so die "Richtigkeit" gehabt. Das finde ich okay. Denn wenn es ihm geholfen hat und er einen Frieden darin gefunden hat, dann war's ja richtig.
Mag die Aussenwelt das vielleicht als noch so "verrückt" betrachten; wenn das Innere meint, es ist richtig, dann ist es richtig. - Jawoll!

Hm, dieser Satz "Ich HATTE Krebs und den habe ich vernichtet!", ist nicht so einfach schnell auszusprechen, weisst Du. Auch nicht so schnell zu "denken".
Da muss man bedenken, wie hinterlistig, fies und gemein sich so ein Krebs ja mal "gebildet" hat, hm? Unerwartet! Keiner hat's gemerkt! Nirgendwo tat es weh! Und krank hat man sich eigentlich auch nie gefühlt!
Wenn der Krebs dann raus operiert wurde, dann ... naja, TRAUT man dieser Sache eben nicht mehr so ganz. Denn was sich EINMAL so hinterlistig, fies und gemein im Körper gebildet hat, KÖNNTE ja WIEDER so passieren! Merken tut man nichts davon! Das ist ja das fiese am Krebs!
Und genau darum kann man nicht so schnell sagen "Ich HATTE Krebs!".
Vielleicht muss da wirklich eine längere Zeit verstrichen sein, bis man das Gefühl bekommt, dass der Krebs "ruht" oder so.
Manche Ärzte sprechen ja von "fünf Jahren". Wenn nach fünf Jahren kein neuer Krebs aufgetreten ist, kann man den Patienten als "gesund" betrachten. Aber diese "Zeitanalyse" schwankt hin und her. Ich hatte auch schon von "sieben Jahren" gehört, oder von "zehn Jahren". - Na, WO soll man sich da jetzt festhalten?
Ich HATTE Krebs? - Hm!
Da geniesse ich doch lieber jeden einzelnen Tag als GESCHENK, denn ich weiss ja nie, was der nächste Tag mir bringt, nicht wahr?
Kannst Du's verstehen?

Ich grüssele Dich soweit, muss jetzt leider los.
Bis später, gell?
Die "krasse" Brigitte

12.05.2003, 14:45
Hallo Brigitte,

ja ich heiße so und das schon lange und nagut, so ist es!
Wollte Dir sagen, dass mir Deine HP gut gefällt und dass ich Deine Aussage oder die anderer Betroffenen "ich habe Krebs" nun doch anders verstehen kann!
Wo soll man sich festhalten?? Hast schon recht - jeden Tag genießen, den Humor behalten und die Hoffnung immer bei sich tragen - aber das machst Du denk ich ohnehin!
Wünsch Dir jeden Tag aufs Neue immer nur das Allerbeste!!

12.05.2003, 15:01
Hallo Ihr Lieben,
bin auch mal wieder hier. Ihr wart ja sehr fleissig in den letzten Tagen, habe fast eine Stunde gebraucht, um alles zu lesen. Sehr philosophisch und spannend...:-) da muss ich mir mal so einige Gedanken dazu machen.

Mir gings in den letzten Tagen nicht so gut und der Muttertag gestern hat mich irgendwie noch richtig runtergezogen. Ich hab es nicht geschafft, meine Mutter anzurufen oder ihr zu schreiben. Bin im Moment total blockiert. Aber voller Agressionen. Bin sooo wütend auf sie und lasse es an allen aus, die ja gar nichts dafür können. Kann mich im Moment selber nicht leiden.

Ihr Lieben, es tut einfach gut, Euch zu lesen...:-)
Liebe Grüße,
Conny

12.05.2003, 15:09
Liebe Conny,

kann mir vorstellen, wie es Dir geht, spüre es hautnah . .
Wie Du vielleicht gelesen hast, hatte ich auch Zorn, Wut und konnte Mutti nicht verstehen . . das kann ich heute zwar auch noch nicht, doch ich hab mir Juttas Worte mit dem "keine Schuldgefühle" und Brigittes Worte SIE IST EBEN SO UND DU BIST EBEN ANDERS, das hat mir dann doch geholfen!
Ich konnte meine Mutti gestern fast nicht liebevoll begrüßen und doch denk ich immer daran SIE ist krank und IHRE Gedanken kann ich einfach nicht nachvollziehen - es ist schwer . .
Heute, als ich sie angerufen hab, war sie gleich eingeschnappt, sie braucht nichts, meine Schwester kauft ihr ein und nein - ich brauch gar nicht kommen!
Seit Jänner bin ich mehr bei ihr als zu Hause und kaum nehme ich mich mal ein bisschen zurück ist sie beleidigt . .
Versuch zu DIR selbst gut zu sein - na komm schon, mag Dich selbst wieder ein bisschen!!

Viele liebe Grüße!!

12.05.2003, 15:41
Liebe Burgi - schön, dass Du jetzt einen Namen hast...:-)
vielen Dank für Deine lieben Worte.
Ich habe sehr interessiert gelesen, was Du geschrieben hast, warum Du Deine Mutter lieb haben solltest und hab mich da natürlich auch wiedererkannt...:-) Musste beim Lesen heftig nicken...:-)
Ich hab einfach ein Riesenproblem damit, es so zu sehen wie Brigitte geschrieben hat. Die Mutter kann man auch lieb haben, weil sie ein Mensch mit ihrer Vergangenheit (sinngemäß) ist. Ich merke, dass ich das gar nicht so sehen will. Wieso soll ich auf ihre Vergangenheit Rücksicht nehmen, ihr Verhalten, ihre Ignoranz akzeptieren? Da steigt mir gleich wieder die Wut hoch. Wie schafft ihr es, die Eltern so zu mögen wie sie sind, wenn sie euch so weh tun? Mir fehlt da die Bereitschaft.
Ich bewundere Dich, wie Du für Deine Mutter da bist. Vielleicht bin ich einfach zu verbittert. Komme da irgendwie nicht raus. Und sie hat mir einfach zu viel zugemutet...
Sorry, wollte eigentlich nicht so frustig antworten.

Liebe Grüße,
Conny

12.05.2003, 16:35
Hallo liebe Conny!

Würde ich nur diese Smileys so zusammenbringen, ich würde Dir gern viele liebe lachende schicken . . .
Weißt Du Conny, es ist nicht so, dass es mir soviel anders geht als Dir und ich hadere da ganz schön mit mir . . nur eines Conny . .ich könnte es MIR nicht verzeihen, wenn ich meine Mutti nicht begleiten würde und weißt Du warum . .weil ich ihre Krankheit nicht einfach ignorieren kann - ich muss nur lernen zu akzeptieren, dass ihr Leben anders ist als meines.
Schau mal liebe Conny, wir sind anders - doch sind wir besser? Das wissen wir doch gar nicht und je mehr wir unsere Mütter bekämpfen mit Wutgefühlen, Zorn, einfach Nichtverstehen, desto mehr leiden WIR SELBST!!
Muttis Ignoranz werde ich niemals akzeptieren, muss ich auch nicht und Du auch nicht wir können nur einfach denken, ja ok, wennst glaubst . . ICH lebe anders!
Es macht wütend, es tut weh - aber unsere Mütter sind krank und ich sehe oder versuche es, einmal nur zu sehen, wie krank sie ist und schau mal, wie Brigitte und Jutta schreiben, sie werden schon gute Seiten haben - wir sehen sie nur nicht - doch ich seh schon eine - wir haben uns hier alle kennengelernt, weil wir genau diese Muttis haben - ich freu mich Dich kennenzulernen, ja das tu ich!!

Viele liebe Grüße und schreib ruhig alles, was Dich bewegt - es ist alles legitim und alles menschlich!


Keine Schuldgefühle so ists doch Jutta *g*

12.05.2003, 17:09
http://www.websmileys.de/frech11.gif

meinst Du so einen??

12.05.2003, 17:12
http://www.websmileys.de/engel23.gif
oder diesen hier?

13.05.2003, 00:01
N'abend, Ihr Lieben,

hi liebe Conny, Du hast folgendes geschrieben (ich kopier's jetzt hier rein, weil ich nicht zurückblättern kann während dem Schreiben):

"Ich hab einfach ein Riesenproblem damit, es so zu sehen wie Brigitte geschrieben hat. Die Mutter kann man auch lieb haben, weil sie ein Mensch mit ihrer Vergangenheit (sinngemäß) ist. Ich merke, dass ich das gar nicht so sehen will. Wieso soll ich auf ihre Vergangenheit Rücksicht nehmen, ihr Verhalten, ihre Ignoranz akzeptieren? Da steigt mir gleich wieder die Wut hoch. Wie schafft ihr es, die Eltern so zu mögen wie sie sind, wenn sie euch so weh tun? Mir fehlt da die Bereitschaft."

Ich weiss, was Du meinst, Conny, und verstehe auch, warum Dir die Bereitschaft dazu fehlt. Mir geht's da z.B. bei meiner Schwester ja auch nicht anders. Ich meine, WARUM soll ich diese Ignoranz meiner Schwester akzeptieren und ihre beleidigenden Verletzungen, wenn's ja eh an IHR liegt? Warum soll ich mir Gedanken darüber machen, DAS zu verstehen? Da GIBT'S nichts zu verstehen!

Gell? So denkst Du auch über Deine Mutter?

Genau so war ich auch lange in dem Gedanken drin über meine Schwester. Vor lauter Ignoranz, die mir meine Schwester entgegen gebracht hat, nämlich GENAU in jener Zeit, wo ich sie mit meinem Krebs am meisten GEBRAUCHT hätte, ... da DACHTE ich so.

Nicht wahr, Du brauchst Deine Mutter auch?

Dann hab' ich mir mal irgendwann hier im Kompass die eigene Frage hingestellt:
"Wenn jetzt meine Schwester plötzlich Krebs hätte, würde ich ihr dann beistehen? Oder würde ich - aus lauter Wut auf sie und weil SIE mir NICHT beigestanden hat - ätsch! - sie AUCH einfach fallen lassen und sie ignorieren? - KANN man jemandem überhaupt noch beistehen, wenn dieser JEMAND einen selber so sehr verletzt hat?"

Gell, eine ähnliche Frage stellst Du Dir ja auch?

Hm, also zuerst dachte ich: "Nein! Unmöglich! Ich KÖNNTE Ihr nicht helfen! Naja, was ERWARTET sie denn von mir? Sie selber lässt mich fallen, und ich soll ihr dann trotzdem beistehen?"

Gell, was ähnliches fragst Du Dich auch? Du fragst Dich: "Unmöglich! Ich KANN meiner Mutter kein Verständnis entgegen bringen. Ich KANN ihr nicht verzeihen! Naja, WAS erwartet sie denn von mir? Sie selber lässt mich fallen, und ich soll ihr trotzdem beistehen und für alles Verständnis haben?"

Jetzt hat mir damals, als ich diese eigene Frage in den Kompass hier setzte, eigentlich nicht so schnell "zu denken" gegeben. Trotzdem war der Gedanke dann aber ein paar Tage später plötzlich DOCH da! Ich stellte mir - so in meiner Phantasie - vor, dass ich am Krankenbett meiner Schwester sässe. Meine Schwester mit Krebs, hm? Heulend läge sie da, würde mich verzweifelt ansehen und sagen: "Hilf mir doch! Du hast das mit Deinem Krebs doch schon alles durchgemacht! WAS SOLL ICH NUR TUN?"
(Vielleicht würde sie das nicht wortwörtlich so sagen, aber in meiner Phantasie gab mir ihr eigenes Leid (schäm!) schon ein bisschen ein kleines Schadenfreudengefühl. Ich hab das einfach mal so zugelassen! War ja nur meine Phantasie, hm?)
Meine Phantasie ging also weiter:
Zuerst WIRKTE meine Wut, und ich antwortete ihr auf ihre verzweifelten Worte ziemlich kühl: "Ah! Willkommen im Club!" Dann würde ich aufstehen und GEHEN!
Sooooo krass! - Aber in meiner Phantasie war das ein kleines 'Rachespielchen', welches ich ungemein gerne spielte! - Kann man's verstehen?
In meiner Phantasie ging's dann aber noch weiter, hm-hm! Nachdem ich ihr so was fieses angetan habe, bzw. mich an ihr "gerächt" habe, fühlte ich mich dabei aber ... überhaupt nicht besser oder wohler! Im Gegenteil! Ich fühlte mich beschissen!

Nach diesem "Phantasie-Spielchen" in meinem eigenen Kopf wurde mir klar, dass ich in Wahrheit so nämlich gar NICHT handeln würde! - Ergo: Ich würde meiner Schwester beistehen, wenn sie in so einer Not wäre, egal was sie mir selbst auch angetan hat.
In meinem "Phantasie-Spielchen" hatte ich die Wut also bereits ein bisschen "ausgelebt", aber irgendwie gab mir diese Phantasie auch die Kraft zu merken, DASS dies nicht der richtige Weg wäre, dass mir dieser Weg selber gar nichts bringen würde, dass dieser Weg auch meiner Schwester nichts "Gutes" geben würde. Hui ja! Meine Schwester würde nämlich VIEL mehr daraus "lernen", wenn sie durch meinen "Beistand" ihr gegenüber sähe, was sie selber damals bei mir eben falsch gemacht hatte!

Was das jetzt mit Dir und Deiner Mutter zu tun hat, fragst Du? Eigentlich das ähnliche.
Nämlich: Deine Mutter würde VIEL mehr daraus "lernen", wenn sie sich mit einem "neuen" und allenfalls freundlichen/verzeihenden Verhalten von DIR konfrontiert sähe.
Weisst Du wie ich meine?
Andernfalls bleibt ihr beide immer auf der selben Stelle stehen.

Das ist jetzt eigentlich ein ganz tiefer Gedanke, Conny, das ist, denk ich mal, Psychologie. So wie ich selber also hab' lernen müssen, dass ich bei meiner Schwester mit "Null Hilfe" in der Not nichts erreichen würde (auch nicht bei mir selber), so geht eigentlich nur: Das "Gegenteil"!

Zuerst war mir dieser Gedanke, meiner Schwester in so einer Situation beizustehen, jedoch ziemlich zuwider, das muss ich zugeben. Dieser Gedanke war irgendwie ... belastend, mühsam und schwer. Doch je länger die Zeit verstrich, um so mehr konnte ich mich mit diesem Gedanken "anfreunden". Ich kann es Dir nur schwer erklären, Conny, aber ich weiss, dass dies der richtige Weg wäre. Nicht, um eine lieb-lieb brave Schwester für meine Schwester zu sein, sondern ... weil es dann für MICH (UND für meine Schwester) einfach "stimmen" würde. Ich selber hätte das richtige getan (denn genau DAS habe ich in meiner Not ja auch gewollt), und meine Schwester würde erkennen, dass sie damals bei mir falsch gehandelt hat.

So wie ICH mir das Verständnis von meiner Schwester wünsche, das Da-Sein und das Begleiten, genau so würde sich das auch meine Schwester wünschen.
So wie ICH erfahren habe, wie weh es tun kann, wenn man mit einer Krebsdiagnose Ignoranz erleben muss, Unverständnis und "flüchtende" Menschen, genau so würde es auch meine Schwester erfahren.

Ich kann nicht "Krieg" führen, Conny. Ich kann nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. Man tut das nur immer, wenn beide Seiten nie aufgeben oder nie versuchen, etwas zu ändern. So lange ich nichts ändere, ... trample ich mit meiner Schwester immer auf der selben Stelle.
Klar, eine Änderung geht nicht von heute auf morgen. Aber diese "Gedanken" damals, diese "Phantasie-Spielchen", ... hatten mir meine Wut etwas besänftigt. Und das war, komischerweise, ... WIRKSAM!

Natürlich bin ich bis heute noch nicht viel weiter gekommen mit meiner Schwester. Aber weil die Wut ein bisschen weg ist, kann ich meine Schwester eben jetzt "sachlicher" betrachten. Durch dieses "sachliche" Betrachten blicke ich auch hinter die Fassade meiner Schwester und kann ein bisschen besser VERSTEHEN.
Wie's wohl weiter geht mit ihr und mir? Keine Ahnung. Aber IRGENDWAS hat sich geändert. Bei mir. Und ich empfinde es als gut.

Kannst Du mit meinen Gedanken, mit meinem eigenen Beispiel mit meiner Schwester etwas anfangen, Conny?

Ich grüssele Dich ganz lieb, ja?

Gut's Nächtle Euch allen!
Die "krasse" Brigitte

13.05.2003, 23:09
Liebe Burgi,
danke dir für Deine lieben Worte. Sie haben mir sehr gut getan.
Und ich freu mich auch, Dich kennenzulernen...:-)
Ja, unsere Mütter... ich hatte vor einiger Zeit mal ein wenig über meine Geschichte und die meiner Mutter hier geschrieben; ich weiß nicht, ob Du es gelesen hast. Es geht eigentlich nur sekundär um eine Krebserkrankung, denn mein Vater ist an Lungenkrebs gestorben. Meine Mutter ist nicht krank, zumindest nicht in diesem Sinne.
Ich hatte heute eine sehr schwierige Therapiesitzung, wollte eigentlich das Thema Wut und Aggressionen besprechen und bin dann in eine alte Erinnerung gerutscht, die eine Trauerwelle losgerissen hat. Es scheint so, dass sich hinter meiner Wut eine große Trauer verbirgt. Irgendwie fühle ich mich jetzt total leer und bin nur total traurig, dass sie mich allein gelassen hat. Im Moment komm ich da auch nicht raus, bin den ganzen Tag am Heulen...könnte also ein Smiley heut gut gebrauchen...

Liebe Brigitte,
ja, ich konnte sehr viel mit dem anfangen, was Du geschrieben hast. Du kannst Deine Gedanken sehr gut in Worte fassen. Danke dafür.
Deine "Rachepläne" bzgl. Deiner Schwester kann ich 100%ig nachvollziehen. Find ich klasse, wie Du mit der Situation umgehst.
Ich weiß gar nicht, ob ich meine Mutter noch brauche, ich hätte sie als Kind gebraucht. Sie hätte mich schützen müssen.
Und Du hast recht, ich will sie gar nicht verstehen.
Deine Frage, ob ich ihr bei einer Krebserkrankung helfen würde, hat mich natürlich nachdenklich gemacht. Vielleicht bin ich ja ein schlechter Mensch, aber ich hatte das Thema ja schon bei meinem Vater, dem ich sogar noch diesen Brief geschrieben hab und wie er sagte, damit akive Sterbehilfe geleistet hab. Also ich bin wohl nicht so gut im Begleiten.
Ja, Du hörst, ich bin recht verbittert. Aber ganz ehrlich, ich wüßte nicht, ob ich meiner Mutter helfen könnte.
Ich weiß aber, dass Du recht hast. Ich würde in den alten Mustern bleiben und sie bräuchte auch nicht über mich nachdenken. Aber - ja, immer die Abers... - ich würd es im Moment nicht schaffen, weil es mich so quält, was sie mir angetan hat. Da fehlt mir einfach der Abstand zu den Geschehnissen. Ich werde jeden Tag damit konfrontiert, es ist eine ewige Wunde...
Vielleicht wird sich das ja mal ändern und ich kann anders über sie denken. Es hat ja bei Dir und Deiner Schwester auch länger gedauert, bis Du es so sehen konntest.
Im Moment ist mir auch der Gedanke eher zuwider, irgendwas für meine Mutter zu tun. Auch wenn das hart klingt.

Sorry, jetzt hab ich euch wieder mit meinen Problemen zugetextet. Musste raus.
Viele liebe Grüße und guts Nächtle,
Conny

13.05.2003, 23:22
Hallo Jutta,
lieb von Dir, das du nach mir gefragt hast.
Ich les schon die ganze Zeit bei Euch in "Schlimme Gedanken" mit und überlege ob ich auch was schreiben soll. Hatte doch auch geschrieben, daß ich auch so meine Probleme mit meiner Ma hab. Hab gedacht unser Gespräch an Ostern hätte was gebracht. Hatte ihr da gesagt, wie schlimm es für mich wäre, wenn ich ihr nichts recht machen kann und wie sie mich manchmal behandelt. Besonders wenn man dann zusehn muß, wie liebevoll sie mit den anderen umgeht, die nur zu Besuch kommen. Meinem Vater geht es ja genau gleich. Er ist sooooo lieb und macht soooo viel für sie. Wenn er dann wegen Kleinigkeiten angemeckert wird, tut mir das richtig in der Seele weh. Auch ihm zuliebe hab ich ihr dann gesagt, sie solle sich doch mal Gedanken darüber machen, wer was für sie tut und für sie da ist und wie sie wen behandelt.
Erst dachte ich, sie hat mich verstanden und es hat was gebracht. Leider mußte ich aber feststellen, das es doch nicht so ist.
In letzter Zeit ist es wieder ganz schlimm. Sie ist nur am meckern und ich hab das Gefühl ich kann machen was ich will, es ist nix recht. Ich versuche zu schlucken und zu schlucken. Aber eben, wenn ich dann sehe, wie sie mit meinen Brüdern und deren Frauen, liebevoll umgeht, obwohl die so gut wie nicht´s tun und alles was ich so nebenher noch alles mache sieht man gar nicht, dann zerreißt es mich manchmal schier fast. Wenn sie dann wieder wegen irgend einer Nichtigkeit meckert, rutscht mir dann halt doch mal was raus.
Heute war auch mal wieder so ein Tag.
Muß noch dazu sagen, meine Kleine ist seit Samstag krank. Sie hat den Mund voller Bläschen und hat auch etwas Temperatur. Ich bin aber trotzdem jeden Tag zweimal vorne, koche und mach alles was sonst noch anfällt. Die letzte Nacht hab ich kaum geschlafen, weil sie so unruhig war. Jedenfalls bin ich so gegen 11 Uhr mit ihr vor. Da stand meine Ma schon am Herd und hat gekocht.
"Warum ich überhaupt käme mit krankem Kind!" und hat weiter an allem möglichem rumgemeckert und halt immer dieser Ton.
Ich hab versucht ruhig zu bleiben und sagte, dann geh ich halt wieder! Schon ging es los:
Ich wäre immer gleich beleidigt. Es müßte immer alles nach meinem Kopf gehen (schön wär´s, es ist genau umgekehrt!!!)
Ich würde immer gleich schreien (dabei ist sie es, die immer gleich beleidigend wird) Außerdem bin ich ja nur neidisch usw.......
Ich hab immer wieder versucht ihr zu erklären, das ich ihr doch nur helfen will, aber sie versteht mich einfach nicht, oder will mich nicht verstehn. Sie hat alles stehn und liegen lassen und ist beleidigt ins Bett abgezogen.
Ich war dann jedenfalls so fertig, das ich nur noch geheult hab und dermaßen gezittert hab, das ich dachte, jetzt brech ich gleich zusammen. Mein Dad hat auch geweint! Er steht natürlich dazwischen. Hat schon mal zu mir gesagt, sie haltet ihm immer vor, er würde zu mir halten, dabei stimmt das überhaupt nicht.
Er meint, wir müßten halt schlucken. Ja, er muß auch viel schlucken, noch viel mehr wie ich. Er ist ja den ganzen Tag um sie rum.
Hab mich dann versucht zu beruhigen und hab fertig gekocht. Nach dem sie gegessen hatten, hab ich mit meinem Dad noch ne Tasse Kaffee getrunken und bin ich dann nach Hause. Als ich mich mit der Kleinen von meiner Ma verabschiedet habe, hat die Kleine der Oma die Zunge rausgestreckt! (normalerweise gibt sie "Handküsschen" zum Abschied!!!)
Als ich dann heut Abend vorne war zum Tabletten richten, war sie noch beleidigt, hat mich nicht mal angesehn beim Tschüß-sagen. Geschweige den irgendwas gesagt. Nicht mal was wegen meinem Schwiegervater. Der liegt seit heute auf der Intensiv - Station und es sieht nicht so toll aus. Sie wollten ihm gestern eine Drainage legen, das hat nicht geklappt. Dann haben sie heute versucht einen Schlauch zu legen, damit die Galle ablaufen kann. Dabei kam es zu Blutungen und sein Kreislauf ist zusammen gebrochen.
Hab das meinem Dad erzählt, weil er immer nach ihm fragt. Hab gehört, das er es meiner Ma erzählt hat, als ich die Tabletten gerichtet hab. Aber nicht mal danach hat sie mich gefragt.
Bin ich halt mal wieder ich die "Böse" und sitz hier und heule und hab ein furchtbar schlechtes Gewissen.
Hoffentlich habt ihr mich ein klienes bißchen verstanden
Liebe Grüße
Christel

14.05.2003, 05:34
Hallo Christel,

Zuerst einmal, drück Deinen Paps ganz ganz fest, und sage ihm, daß Du auch ihn verstehst und seine Verzweiflung siehst.

Es ist nicht leicht, Dich sachlich mit Deiner Mutter auseinanderzusetzen. Denn sie ist diejenige, die all die Aufmerksamkeit auf sich beziehen MUSS. Sie WILL das jetzt, und wird es wahrscheinlich ihr ganzes Leben vorher ebenso eingefordert haben, in welcher Form auch immer.
Ganz krass gesehen, geht es hier um Machtspielchen, Manipulation der Gefühle an Euch. Nicht wahr?? Sie ist die Angegriffene.

Ja, das ist sie auch. Sie kann mit ihrer Diagnose nicht so umgehen, wie ihr es Euch wnscht, ihre Wut, ihren Zorn, die Angst und ihr Gefühl der Ungerechtigkeit muß sie loswerden, indem sie Euch gegenüber "unausstehlich" wird. Sie hat ihr ganzes Leben auf sich und ihre Fähigkeiten gebaut, und nun DAS. Sie muß ihr "Schiksal" nun aus der Hand geben, kann es nicht mehr "kontrollieren und beeinflußen". Sie findet für sich einfach keinen anderen Weg.

Da wir dieses schon recht lange hier besprechen, habe ich mir viele Gedanken gemacht. Meine Erfahrungen im Kopf nochmals Revue passieren lassen. Meine Frage war immer, WIE WÜRDE ICH REAGIEREN?
Würde ich meinem Umfeld gegenüber ungerecht werden? Würde ich mich einfach dem Schiksal ergeben?

Meine Eltern, meine Freundin, meine Cousine und Marcus, gingen/gehen ihre Situation genau so an, und genau so mit um, wie sie seither alle Probleme angegangen sind. Passiv, aggressiv oder auch hoffnungsvoll.

Christel, Du kennst Deine Mutter am Besten. Überlege Dir einmal ganz gezielte Fragen, wie Du sie dazu bringen könntest Dir zu erklären, warum sie SO reagiert. Warum bist Du immer mit uns ungerecht oder beleidigt, wird sie nicht öffnen. Aber versuche sie mit provokativen Fragen aus ihrer Wut/Zorn/Angst zu locken.
Warum findest Du es so ungerecht, daß Du Krebs hast, und warum bist Du auf uns so sauer, weil wir es nicht haben?

Das waren in so etwa Fragen, die ich stellte (sorry Burgi, fiel mir erst heute Nacht ein :-( ). Die Reaktionen waren für mich sehr aufschlußreich.

Deine Mutter kann und will sich jetzt nicht mit der Krankheit Deines Schiva's auseinandersetzen, sie ist zu sehr mit sich selbst involviert. Erst wenn sie sich selbst damit konfrontiert, kann sie eventuell einen Gruß weitergeben.

Liebe Christel, wie ich schon Burgi sagte, wir sind erzogen worden, Mutter und Vater keinen Kummer zu machen, also fühlen wir uns für deren Kummer verantwortlich. WARUM?
WARUM fühlen wir uns schuldig?
Für was?

ganz liebe Grüße
Jutta

14.05.2003, 08:56
Liebe Conny!
Weißt Du, ich lese Deine Zeilen und ich denke, ich könnte sie geschrieben haben - und auch ich hab mal Therapie gemacht.
Ich hoffe sehr für Dich, dass DIR die Therapie hilft - ich konnte damit nichts anfangen.
Hatte immer das Gefühl, was erzählt sie mir da, warum soll ich ihr meine Probleme erzählen - die Therapeutin (ich sag ab jetzt Tante, ist einfacher) kann mir die Liebe, die ich immer von Mutti suchte, doch nicht geben!
Tante machte mit mir Aufstellungen, sie sprach von Aufarbeitung, von Verzeihen, von allen möglichen und ich konnte damit nichts anfangen.
Vielleicht bin ich auch zu blöd - kann ja sein *g*
Ganz langsam merk ich, dass hinter meiner Wut, meiner Enttäuschung die Traurigkeit steht, dass ICH diese Ignoranz meiner Mutti nicht ändern kann, dass ICH nicht so geliebt werde von ihr, wie ich es mir immer gewünscht habe.
Doch ich habe für mich beschlossen MEIN Leben endlich zu leben und dazu MUSS ich lernen, noch sehr viel lernen und für mich sind diese Erfahrungen genau hier bei euch mein Lernen - kannst Du damit was anfangen??
Ich wünsche Dir einen schönen, sonnigen Tag - wenns geht mit ganz ganz wenig Traurigsein!

Liebe Christel,
es ist so, wie Du schreibst, die Tochter die immer da ist wird für alles verantwortlich gemacht, die ist an allem schuld und die hat gefälligst alles auszubaden!
Meine Schwestern kommen meistens am Wochenende und da ist es selbstverständlich, dass ein lächelndes Gesicht gezeigt wird, da hat Mutti schon eine ganz andere Stimmlage, viel fröhlicher, viel gelassener . .
Ich dachte eigentlich nicht, dass mir nur dieses von Jutta immer wieder "keine Schuldgefühle" so schnell so viel hilft, ich habe beschlossen mich nicht mehr so behandeln zu lassen und es hilft!
Es ist nicht so, dass ich mich nicht mehr kränke, nein das nicht, ich versuche nur auf Mutti anders zuzugehen und gestern hat sie es auch wahrgenommen.
Und stell Dir vor, wir hatten gestern einen schönen Nachmittag . . ihr ging es aber auch besser!
Bei mir und meiner Mutter gab es nie diese typische Mutter-Tocherbeziehung - von der hab ich höchstens geträumt - ich war aber auch nicht unbedingt das brave, gehorsame, angepasste Töchterchen *g*
Hab lange den Fehler gemacht, meine Wut, meinen Zorn und meinen Frust auf die Schwestern zu projezieren - aber was sóll denn das -das ist nicht fair.
Und dass sich meine Schwestern eben besser abgrenzen können, gut das ist eben auch so!
Red mit Deinem Paps, sag ihm wie lieb DU ihn hast und das was Du für Deine Mutti machst, das nimmt DIR keiner mehr.
Meine Schwiegermutter hat Darmkrebs wiegt nur mehr 38 Kilo und jedesmal wenn wir bei ihr sind, lässt sie meine Mutti schön grüßen und wie es ihr geht und dass sie ihr so leid tut - meine Mutti die hört nicht mal hin, wenn ich erzähle, dass wir da waren!!
Ich weiß wie schwer manche Tage sind - ich weiß es und möchte Dir viel, viel Kraft für die nächste Zeit wünschen!
Liebe Grüße!

Liebe Jutta!
Du schreibst so verständlich und so klar, dass es mir immer wieder hilft, Dinge SEHEN zu können ja es ist so wie DU sagst.
Musste lächeln bei dem Satz von Dir, dass wir ja nichts dafür können, wenn unsere Muttis Krebs haben - genau das hab ich nämlich gestern zu Mutti gesagt, gefragt!!
Liegt es an mir, liegt es an Mutti, ich weiß es nicht - ich fühl mich einfach viel wohler OHNE Schuldgefühle.
Und ich hab Mutti dann auch gefragt, was wohl Vati gesagt hätte, wenn sie jetzt an meiner Stelle wäre und sich ausschließlich um IHRE Mutter gekümmert hätte . . meine Mutti war immer nur auf Vati bezogen, er war immer an erster Stelle . . solange sie mit ihm repräsentieren konnte . . als er krank wurde . . ja dann kam ich ins Spiel!

Die Smileyes mögen mich so überhaupt nicht . . muss noch üben, frag mich nur WIE?

Ganz viel liebe Grüße!

Biggy44
14.05.2003, 12:32
Hallo,
ich bin auch so eine Tochter, die scheinbar so gut wie immer eine Menge falsch genmacht hat und nunmal anders ist, als die Eltern sich das eingebildet hatten. Obwohl..so viel anders bin ich gar nicht als andere. :-)
Ich bin die "Kleine" von zwei Töchtern und das heute noch mit 44, ich wohne mit im Haus, bin also mein Leben lang mehr doer weniger unter Kontrolle. Daran ändert auch nichts, dass ich über 20 Jahre verheiratet bin, 2 Kinder habe. Im gegenteil, immer und überall wurde und wird sich eingemischt mit dem Recht der Älteren, Erfahreneren und, weil es nunmal die Eltern, die Großeltern sind...
Was gab es für Knatsch und Theater in den ganzen Jahren, weil ich einfach so bin, wie ich bin, so leben und erziehen möchte, wie ich das will. Weil ich eben nicht das typische Hausmütterchen bin, weil ich eben gern Bücher veröffentlichen möchte, alles dran gesetzt habe, mir diesen Traum zu erfüllen, weil ich eben nicht jeden Schuh im Flur gleich richte, wenn er schief steht etc. etc.....
Ich habe nie verstanden, warum meine Mutetr so einen Besitzanspruch an mich hat, warum sie alles nach ihrem Maß misst, ihrem Leben...
Oder vielleicht doch manchmal? Ja manchmal , wenn ich mich über etwas total ärgere bei meinen Söhnen, dann ertappe ich mich dabei, dass ich ihnen vorschreibe, anders zu sein, etwas so zu sehen, wie ich, so zu leben...
Wie oft habe ich mich geärgert, dass meine Mutter zu mir runter kam, laufend bei mir in der Wohnung saß und irgend etwas sah, was nicht nach ihrer Vorstellung war. Dann gab es Diskussionen, Zank... Funkstille.
Wie lange ist es her, dass sie nicht mehr zu mir runter kommt, plötzlich im Wohnzimmer steht...
Und ich gestehe, ich vermisse es, auch wenn es früher nervig war. Ich bin so dankbar, dass sie noch da ist, ich sie noch sehe, mit ihr reden kann. Und wenn ich sehe, wie die krankheit an ihr gezehrt hat, wie sie zeitweise leidet, dann kann ich nur noch heulen.. Und doch ist sie noch da.
Es fällt mir auch , immer noch, schwer zu sagen: Sie ist eben so und je älter sie wurde, desto mehr Zoff gab es, ausgeprägter wurde ihr Verhalten.
Nun ist sie oft ungerecht. Sie sieht meist nicht, wie ich mir die Hacken abrenne, den Mund wund telefoniere, nur um etwas bei den Ärzten für sie zu erreichen, ihr die letzten Wochen etwas erträglicher zu machen.
Meine Schwester kommt einen Tag am Wochenende und kümmert sich ein wenig um sie, ich bin immer da. Und meine Mutti verlangt meist etwas sofort. Wenn ich dann sage, ich habe keine Zeit, das kann ich dann amchen, wird sie oft sauer, dann macht sie es selbst, auch wenn sie es nicht kann.
Ich kann meienr Mutti nur noch alles das geben, was in meiner Macht steht und sehe über manches hinweg... Obwohl ich oft schon geweint habe, weil ich mich ungerecht behandelt gefühlt habe, mein Vater dann auch gleich so unmöglich ist.
Sie sehen das eben anders, können es in der derzeitigen Situation vielleicht auch manchmal nicht alles real sehen.
Meine Schwester z.B. ruft mich letztens an und fragt, wann wir Sommerurlaub planen... Da bleibt mir die Luft weg! Wie kann man das planen wenn unsere Mutter einen ausgedehnten Krebs hat und keiner weiß, wie lange, und was und wann...
Nun ja, ich bin da, im Haus und so kann meine Schwester beruhigt in Urlaub fahren, hat sie immer getan, auch im Frühjahr. Da bin ich wegen Mutti da geblieben, ich hatte keine Ruhe.
Und dabei sagt meine Schwester immer, sie möchte da sein, wenn es der Mutter schlechter geht, wenn sie stirbt, sie will mich damit nicht allein lassen, der Vater schafft das nicht, wenn sie voll bettlägerig wird....
So verschieden sind Geschwister...

Liebe Grüße
Birgit

14.05.2003, 13:41
Hallo,

Birgit,
ist doch schön, daß Deine Schwester wenigstens fragt (Sarkasmus),wann Du planst in Urlaub zu fahren. Meine Brüder ließen mir die Urlaubsdaten durch meinen Sohn ausrichten. War ja so viel einfacher, denn sie mußten sich nicht mit mir "anlegen". Sie wußten auch, daß ich den ganzen Urlaub vom alten Jahr, und den gesamten Urlaub vom neuen Jahr zur Pflege nahm. War für sie auch in Ordnung. Nur der Gipfel war dann, beim "Sonntagskaffeebesuch", als sie anfingen mir von ihrem tollen Urlaub erzählen zu wollen. Um nicht zu platzen, war meine Antwort nur zuckersüß, das Thema sparen wir uns für die kalten Tage auf.
Tja, und danach kam dann der tolle Vorwurf, daß ich ihnen die Zeit mit Mutter "gestohlen" hätte. Wenn sie mal kamen, habe ich Mutters Wohnung grundsätzlich verlassen, dies schon bei meinem Paps so gemacht. Denn ich dachte mir immer, das sind ihre Minuten, war auch noch rücksichtsvoll.
Frag mal Deine Schwester, was sie davon hat, wenn sie beim Sterben dabei sein will?
Will Deine Mutter sie überhaupt dabei haben? Kannst Du darüber mit ihr reden?
Zum Schluß wollte meine Mutti niemand außer meine Familie um sich haben. Bei meinem Paps wars genau so, er schickte sie alle aus dem Zimmer, außer Mutti und mich.

Heute sage ich mir, sie sind arm dran.

Birgit, ich bin auch die "Kleine", ein Nachkömmling, und Jeder in der Familie meinte, mein Leben bestimmen zu müssen. Meine Mutter bekam von mir immer den Spruch:"Bin auch schon 3 Jahre alt, und kann selbst machen!" So lange, bis sie darüber lachen konnte und es nie wieder tat.

Ich war absolut nicht die einfache Tochter, ich ging immer meinen Weg, und habe ihn auch oft sehr provokativ demonstriert. Um im selben Augenblick aber auch zu sagen, ich mische mich auch nicht in EUERE Angelegenheiten, also nehmt Euch zurück!

liebe Grüße,
Jutta

Biggy44
14.05.2003, 14:03
Hallo Jutta,

nun ja, meine Schwester möchte für Mutti da sein, aber sie möchte auch so wenig Abstriche machen, wie geht... Okay, ich wohne im Haus, ich gehe nicht arbeiten, sie wohnt 40 km entfernt, fährt nichts selbst Auto, ist in der Woche bis 18 Uhr meist arbeiten.. Aber jetzt nicht erst einmal abzuwarten, was wird, sich gedanken über Urlaub zu machen.. mich so zu fragen.. das ist doch aber!
Na sicher muss sie und ihr Mann den Urlaub nun schon beantragen, aber ich kenne sie halt eben so, dass sie möglichst nicht zurück steckt. Ich weiß nicht, ob sie denkt, Mutti ist da ohnehin schon nicht mehr oder aber, es geht so weiter wie jetzt und ich bin ja da?
Sie will halt bis zuletzt bei der Mutti sein und beneidet mich, dass ich sie jeden Tag mich um mich habe, sagt sie. Aber sie kommt eben auch nur mit Mann am Samstag immer, da habe ich und mein Vater mal frei.
Ich könnte gar nicht wegfahren oder Urlaub planen, ehrlich gesagt... Wie kann man wissen, was bis dahin ist?
Doch, meine Mutti möchte uns beide bis zuletzt bei sich haben, sagte sie mal.
Ist nun mein Pech oder Glück, dass ich im Haus geblieben bin. Natürlich bleibt so alles an mir hängen und ein richtiges Familienleben ist halt auch nicht im Moment möglich. Meine Schwester nimmt sich ihr aus, weil sie es da einfach hat...
tschüs
Birgit

14.05.2003, 17:37
Hallo Ihr Lieben,
tja, jetzt muss ich als Krebsbetroffene ein bisschen grinsen, aber auch an Stelle einer Angehörigen, ... damals, als meine Mutter krank war ...

Kleine Rückblende:
Als meine Mutter damals etwa seit einem Jahr mit ihrer Leukämie und monatlichen Chemotherapien kämpfte, hatte ich sie einmal in einem ruhigen Moment und unter vier Augen gefragt:
"Mama, gibt's keine Möglichkeit, dass ich Dir helfen könnte? Was ist mit so einer Rückenmarktransplantation?" (Das war damals in der Schulmedizin praktisch noch eine neue "Heilmöglichkeit".)
Meine Mutter wollte davon aber eigentlich gar nicht gross was wissen, und meinte, das würde von "Tochter zu Mutter" wahrscheinlich nichts helfen. Sie hatte auch nicht "Danke" gesagt für diesen Gedanken von mir, das Thema schien einfach erledigt.
Kurz darauf hatte ich sie wieder mal im Krankenhaus besucht (sie war ja in Mannheim, und ich kam aus der Schweiz angereist), da war auch meine Schwester noch gekommen (aus Holland) und noch drei weitere Verwandte. - War also ein GROSSER Besuchstag damals, hm?
Jetzt sagte doch meine Schwester (sie ist drei Jahre älter als ich) zu meiner Mutter am Krankenbett:
"Mama! Du weisst, dass Du so eine Rückenmarkstransplantation machen könntest, nicht wahr? Ich würde also sehr GERNE zur Verfügung stehen, und Dir von MEINEM Rückenmark SPENDEN, Mama! Gell? Das würde ich für Dich TUN! Du bist ja schiesslich meine Mama!"

Grins! Weiss nicht, ob sich da meine Schwester nun einen "cleveren" Moment ausgesucht hat, jedenfalls stand sie mit ihren Worten jetzt vor der GANZEN Verwandschaft sensationell gut da! Alle blickten meine Schwester bewundernd an, WAS für ein grosses Herz sie doch haben musste!
Natürlich erklärte ihr unsere Mutter das selbe, was sie MIR schon mal zuvor erklärt hatte, nämlich dass so eine Transplantation von Tochter zu Mutter nur schlecht ginge, ... aber diesmal schenkte Mutter meiner Schwester das wunderbarste und wärmste Lächeln und sagte ihr: "Aber es ist wirklich sehr schön, dass Du mich das fragst und das sagst, ich danke Dir von Herzen dafür!"

Tja, und ich sass da wie die letzte Idiotin! Ich wusste echt nicht, ob ich jetzt MEHR Wut auf meine Schwester haben sollte, oder auf meine Mutter! - Ich war neidisch und eifersüchtig auf meine Schwester, die jetzt vor der ganzen Verwandschaft wie die grösste Heldin dastand, und hatte selber den Eindruck, die Verwandschaft sähe MICH jetzt als herzlose Versagerin an!

Klar, ich selber wusste ganz genau, dass es keinen Grund für mich gab, mich als "Versagerin" zu betrachten. War ich ja auch nicht. Was für mich eine Selbstverständlichkeit war, ohne grosses Aufhebens darüber zu machen, ... war eben für meine Schwester auch zusätzlich noch eine wichtige Sache des "Ansehens".
Natürlich fühlte ich mich verletzt (auch von meiner Mutter, sie hätte dies ja in Anwesenheit der übrigen Verwandschaft noch aufklären können). Aber ich hatte in dieser Situation nicht mal die Chance gehabt, eine "neidische" Szene hinzuschmeissen, ... das wäre ja NOCH peinlicher gewesen, und ... war mir aber eh auch zu blöde.

Hm, Machtspielchen, genau. Damals fühlte ich mich als "Verliererin" in diesem Machtspielchen, obwohl ich eigentlich gar keine war. Und meine Mutter hatte meiner Schwester "geholfen", ihr Machtspielchen zu gewinnen!



Liebe Conny, dieses Beispiel ist so typisch für eine Verletzung von meiner Schwester, dass ich Dir da noch viele andere davon aufzählen könnte. Jetzt kann ich mich da auch fragen: "Was GIBT es da zu VERSTEHEN bei meiner Schwester?"
Da hast Du recht, da gibt's eigentlich nichts zu verstehen. Meine Schwester IST einfach so!
Aber damals habe ich das natürlich auch nicht gleich erkannt, ich habe mich nämlich noch eine ziemlich lange Weile in dieser "Verletzung" herum gewälzt.
Was meinst Du, was ich hätte tun können? Dort am Krankenbett meiner Mutter, VOR all den anderen Verwandten ausrufen: "Hey! ICH habe Mama ZUERST gefragt!" ??
Ich war ECHT chancenlos, ich hatte keine einzige Möglichkeit, um die Situation zurecht zu biegen, damit sie fair blieb!
Meine Schwester IST dann noch so, weisst Du, dass sie dann - sollte man selber dazwischen reden - Dich einfach ignoriert und LAUT weiter redet, so dass Du keine Möglichkeit mehr hast, Dich selber zu verteidigen. BIS es dann soweit wäre, sind die Gesprächsthemen bereits weiter vorgerückt!

Mit "Verstehen" meine ich, dass man so einen Menschen, wie beispielsweise meine Schwester, von "Aussen" betrachten kann. Wenn ich WEISS, dass meine Schwester ein Mensch ist, welchem es wichtig ist, das sein "Ansehen" jederzeit stimmt, so weiss ich auch, dass so ein Mensch eben oftmals "über Leichen" geht! Wenn ich ihr "Verhalten" einschätzen kann, so kann ich mich auf zukünftige Situationen ebenfalls einstellen. Eine "Verletzung" ist dann in Wirklichkeit keine Verletzung mehr für mich, sondern ich kann "verstehen", ... welch armseliges Leben meine Schwester doch führen muss, wenn sie auf so viel Anerkennung und auf ihr dauerndes "Ansehen" angewiesen ist!


Hallöchen Jutta, Du hast diesen allseits bekannten Satz geschrieben:
"Warum findest Du es so ungerecht, daß Du Krebs hast, und warum bist Du auf uns so sauer, weil wir es nicht haben?"
Diesen Satz fand ich am Anfang - als Krebsbetroffene - ungeheuer unfair! Damals fand ich die Frage an und für sich schon blöd. Naja, WER findet es schon NICHT ungerecht, wenn er Krebs hat, und die anderen sind alle gesund? Logisch, dass man da eine Wut auf alles "Gesunde" kriegt!
Das hat mich damals auch oft wütend gemacht, weil es eine "Erwartungshaltung" von den "Gesunden" war. Nämlich eine Erwartungshaltung, dass man als Kranker gefälligst SOFORT zu akzeptieren hat, dass man da jetzt Krebs im Körper hat und krank ist!
Aber das geht eben nicht so schnell. Nicht bei einer Krebskrankheit.

Man gucke sich doch selber mal an, wenn man noch Gesund ist, hm? Kein Schmerz ist da, kein Leiden, nichts!
Jetzt geht man morgen zum Doktor, und der sagt einem ins Gesicht: "Sie haben Krebs!"
Tja, komisch, dass einem da noch immer nichts weh tut, dass man sich noch immer nicht krank fühlt. Kein Schmerz, kein Leiden, nichts! - Aber man soll KREBS haben?
Dann dauert's ne Weile und man wird sich KLAR, dass man Krebs hat. Noch immer tut nichts weh, aber man muss dauernd zum Doktor rennen, die wildesten Untersuchungen machen, die wildesten Therapien! ABER man fühlt sich noch immer Gesund! Nur, ... im KOPF tickt die Bombe: KREBS!
Ausgerechnet KREBS!
Ist das FAIR?
Da kommt doch eine Wut hoch, oder nicht? Seien wir ehrlich!

Natürlich ist es keine Frage, dass es AUCH nicht fair ist, wenn ein Krebspatient sauer auf all die gesunden Angehörigen ist, und seine Wut an ihnen auslässt. Aber ich will da jetzt nur kurz aufzeigen, dass es eben seine Zeit braucht, bis ein Mensch seine Krankheit KREBS akzeptieren kann. Das geht nicht von heute auf morgen, und auch nicht von einem Monat zum anderen. Das dauert länger, hm-hm!

Also, ich kann VERSTEHEN, wenn Ihr diesen Satz zu Euren lieben Kranken sagt, aber ... könnt Ihr's auch ein bisschen verstehen aus der Sicht des Kranken selbst?

Ich grüsse Euch alle soweit ganz lieb, Conny, Jutta, Burgi, Birgit, und auch Christel, gell?
Bis später!
Die "krasse" Brigitte

14.05.2003, 18:08
Hallo Ihr Lieben!

Liebe Brigitte,
ich muss einfach jetzt schreiben, mir kribbelte es richtig im Magen, als ich Deinen Satz von der Wut eines Krebskranken nach der Diagnose gelesen hab!
Ich kann nicht nachvollziehen, was es für einen selbst heißt, nein das kann ich nicht - doch ich habe meinen Lebensgefährten an Krebs verloren und er hatte KEINE Wut auf die Leute ohne Krebs - er hatte wirklich keine!
Das Warum nach der Diagnose und das immer in meinem Kopf sitzt der Mörder, das war immer da, aber ich weiß noch gut, wir waren wöchentlich im KH und wir haben Kinder gesehen, kleine Kinder ohne Haare, dünn und blass - große Augen und . . ich kann noch immer nicht daran denken . . und da waren dann die Gespräche, die Worte des 31-jährigen, lebenslustigen "Krebskranken", ich höre noch wie er immer sagte "schau mal die Kleinen da an, da bekomme ICH Wut, diese Kinder dürfen nicht mal jugendlich werden, diese Kinder haben niemandem wehgetan, da bekomm ich so Wut"
Ich, als Angehörige, ich als die, die dableiben muss ICH hatte diese Wut, warum gerade ER, warum bin ich gesund, ich die nur halb so gern lebe, die nur halb so viel Pläne, Träume hat, warum ER?? Warum nicht ich??
Ich denke, jeder Mensch ist anders und bei Mutti trifft all das zu, was Du beschreibst - glaub ich zumindest, aber weißt Du was, als mein Engel damals Krebs hatte, da war es Mutti mehr als unrecht, dass eine Tochter von ihr mit einem so schwerkranken Mann leben will - nein dann schon lieber wieder kein Kontakt!
Mir kommt schon wieder meine Wut über diese Ignoranz, Arroganz hoch und jetzt ist Mutti krank . . und auf einmal haben sich alle Werte umgekehrt??
Auf einmal ist es wichtig, dass alles getan wird, wenn jemand krank ist? Komisch, damals ignorierte sie Krankheit total - sie kam nicht einmal zum Begräbnis . . war auf Reisen . .
Spür erst jetzt wieder, wie weh das noch immer tut, war ich ihr so egal?? Warum konnte sie nicht einmal, nicht einmal da "Mutter" sein?
Ich hör lieber auf, sonst fang ich noch zu heulen an . . ich wünsch Euch noch einen schönen Abend!

14.05.2003, 18:38
Hallo Jutta,
Erst mal vielen Dank für deine schnelle Antwort.
Ja, du hast recht, es ist schier unmöglich sich überhaupt mit meiner Ma auseinander zusetzen. Das war aber schon immer so. Sobald man eine andere Meinung vertritt, oder etwas gegen sie sagt, zieht sie sich beleidigt zurück. Ich muß schon immer jedes Wort auf die "Goldwaage" legen und trotzdem versteht sie so vieles total falsch. Sogar von mir positiv gemeinte Dinge, hört sie als Negative. Das ist soooooo schwer!
Und es stimmt, sie hat immer alles kontrolliert und beeinflußt, aber das tut sie auch jetzt noch. Es muß alles genauso gemacht werden wie sie es will und wann sie es will, oder sie reagiert beleidigt. Mein Vater wollte z.B. keine Feriengäste (außer den gebuchten) mehr nehmen, da es doch mit viel Arbeit verbunden ist, die sie ja jetzt nicht mehr machen kann. Was soll ich sagen, sie hat es geschafft, daß er es jetzt doch tut.
Muß vielleicht noch dazu sagen, daß sie mich im Februar gefragt hat, ob ich ihr den mit den "gebuchten Gästen" helfen würde. Sie würde mich auch bezahlen, denn eine Putzfrau müßte sie ja auch bezahlen. Dann hätte ich doch sogar noch etwas davon! (Ich wollte eigentlich wieder stundenweise arbeiten gehen, weil mein Erziehungsgeld ab Januar weggefallen ist und wir im Moment ziemlich knapp bei Kasse sind.)
Natürlich hab ich zugestimmt, aber eben zu den gebuchten Gästen. Das jetzt weiter so vermietet wird, wie früher auch, dazu wurde ich nicht gefragt. Oder ob ich das so überhaupt schaffe, hab ja auch einen Mann und drei Kinder mit Haus und Garten zu versorgen, und mach den Haushalt vorne noch nebenher mit. Irgendwie ist das alles selbstverständlich.

"Wie würde ich reagieren?" Hmmmmmmmm, vielleicht wäre ich auch oft ungerecht. Erwisch mich ja auch jetzt schon manchmal dabei, das ich meine Kinder oder auch meinen Mann ungerecht behandle. Aber wenn ich es merke, oder sie es mir sagen, kann ich mich auch dafür entschuldigen und wir sprechen darüber.
Ich glaub von meiner Ma hab ich in meinem ganzen Leben noch kein "Entschuldigung" oder "Tut mir leid" gehört. Sie hat immer gewartet bis ich wieder auf sie zukam. Geredet wurde aber nicht mehr darüber.

Sie findet es ungerecht, daß sie Krebs hat, weil sie schon so viel in ihrem Leben hat erleiden müssen (Darm - Op, Galle - Op, Schilddrüse - Op, Eierstock - Op und die ständigen Rückenprobleme) und mein Vater z.B. noch nie ernstlich krank war.
Werde aber nochmal versuchen nachzufragen!

Hallo Burgi,
uns beiden geht es anscheinend ziemlich ähnlich. Auch bei uns besteht keine typische Mutter-Tochterbeziehung. Hatte dafür aber eine wunderbare Oma-Enkelbeziehung. Dazu mußt du wissen, daß ich die ersten 2 Jahre bei meiner Oma aufgewachsen bin. Meine Mutter war auch nach meiner Geburt voll berufstätig, weil sie sich ein Haus gekauft haben. Erst als mein Bruder zur Welt kam und meine Mutter nicht mehr arbeiten konnte, hat sie mich wieder bei sich gehabt. War dann eine ziemlich harte Zeit für uns, weil ich wohl nicht bei ihr, sondern lieber bei der Oma sein wollte. Bin bei jeder Gelegenheit abgehauen, oder hab ihr gesagt, daß ich "kotze" wenn ich nicht zur Oma darf. Das weiß ich natürlich alles nur aus Erzählungen, dran erinnern kann ich mich nicht mehr so richtig. Weiß nur, daß ich wahnsinnig gern bei Oma war und sie auch innig geliebt habe. Ich konnte auch als Tennie jederzeit mit meinen Problemen zu Oma kommen, sie hatte immer Verständniß für mich. Meine Ma hat nur immer versucht dieses tolle Verhältniß zu stören, indem sie mich bei Oma angeschwärzt hat oder in dem sie mir irgend welche negativen Sachen über Oma erzählte. Leider hatte sie aber keinen Erfolg damit. Meine Oma hat immer zu mir gehalten, egal was ich angestellt hatte ;-)! Sie kann mir auch heute noch vorhalten, daß ich sowieso lieber bei Oma war. Bei meinen zwei Brüdern war das anders, die waren lieber bei der Mama. Hab auch schon mal mit ihr darüber geredet, wie wichtig gerade die ersten Jahre für die Beziehung zwischen Mutter und Kind sind. Dazu hat sie nur gemeint, das man das früher so nicht wußte, also kann sie da nicht´s dafür! Aber kann ich denn da was dafür?
Mit meinen Brüdern hab ich deshalb eigentlich keine Probleme, sie können ja eigentlich nichts dafür. Hab da eben eher meine Wut, mein Zorn und mein Frust wegen meiner Ma, weil sie es ja ist, die die Unterschiede macht.

Ach ich weiß auch nicht. So kann es auf jeden Fall nicht weitergehen. Ich brauch ja jetzt meine Nerven auch für meine Schwiegereltern. Es sieht ziemlich schlecht aus. Mein Mann ist mit meiner Schwiegermutter heute zu ihm gefahren. Er mußte heute Nacht nochmal operiert werden, weil er in den Bauchraum geblutet hat. Die Gerinnung funktioniert nicht richtig. Wenn sie das nicht in den Griff kriegen machen sie uns nicht viel Hoffnung.....:-( .

Werde jetzt mal nach vorne gehen. Muß ja Tabletten richten. Bin mal gespannt ob irgendwas kommt!

Seid alle ganz lieb gegrüßt. Es tut gut hier bei euch zu sein.
Christel

Burgi, die Smilie´s sind eigentlich ganz einfach:
Schau: : - ) ergibt ohne Leerzeichen dazwischen :-), das ; - ) = ;-), : - ( = :-(
Probiers mal !
Christel

14.05.2003, 19:58
Liebe Burgi,
da hab' ich jetzt aber was ausgelöst in Dir, gell?
Will Dich jetzt aber doch was fragen, ganz lieb, ja?
Glaubst Du WIRKLICH, dass Dein Lebensgefährte nicht AUCH eine Wut verspürt haben könnte, auf SEINE Krankheit? - Die Frage ist doch eher, OB er es Dir gezeigt hat, oder nicht, nicht wahr?

Wie soll ich Dir diese Wut erklären? Hm!
Also erst mal ist sie einfach DA! Man ist wütend auf diesen Sch...krebs, und DASS man ihn HAT. (Stell Dir einfach vor, Du gehst morgen zum Arzt und kriegst eine Krebsdiagnose! Wie würdest Du das empfinden? Zuerst mal mit Fassungslosigkeit, aber dann kommt eine Wut.)
Jemand der das toll findet und keinerlei Groll darüber empfindet, der das einfach so locker und völlig selbstlos aufnimmt, ... weiss echt nicht, ZEIG mir diesen Menschen, Burgi, denn von dem könnt' ich noch was lernen!
Also, die Wut ist erst mal da, WEIL man Krebs hat. Man empfindet das unfair, hm?
Jetzt sind das jedoch so ... hm, ich nenne es mal Phasen, die da weiter gehen. Denn diese Wut kann sich "weiterentwickeln" beim Krebsbetroffenen, z.B. ... naja, bei schlechten Erfahrungen mit den Ärzten, oder ... wenn man die viiiiiielen guten Ratschläge der Angehörigen und Freunde hört. Man denkt sich da nämlich: "Ihr habt alle GUT reden! Ihr habt ja den Krebs nicht!"
Jetzt kann (ich sage KANN, gell?) sich diese Wut auch in eine Art "Neid" entwickeln. Auf einen Neid auf alles Gesunde! - Tja, und da ist sie eben schon: Die Wut auf all das Gesunde um einen herum!

Aber da ist ja jeder wieder verschieden, Burgi, da hast Du schon recht. Der eine oder ander mag nämlich selber sehr schnell einsehen, dass dieser "Neid" oder diese Wut auf alles Gesunde ja eigentlich total lächerlich ist! Und er mag auch einsehen, dass überhaupt eine Wut auf die Krankheit sinnlos ist. (Andererseits kann diese Wut aber auch helfen, die Krankheit zu besiegen, weisst Du. Da gibt es eben mehrere Seiten.)
Aber es gibt eben Menschen mit Krebs, die sehen das nicht so schnell ein, oder vielleicht eine ganze Weile nicht. Du kennst das ja auch: Wenn man mal in einer Wut feststeckt, dann STECKT man fest, stimmt's?
Und jetzt gibt's da vielleicht Menschen, die mögen sich da zurück halten, aber vielleicht auch Menschen, die lassen alles raus und schimpfen und meckern die ganze Zeit.

Das kann sich aber ändern mit der Zeit. Bei Deinem Lebenspartner war die Einsicht eher da. Er erkannte, dass SEIN eigenes Leid eigentlich noch längst nicht so schlimm war, wie jenes Leid dieser kranken Kinder.
Sowas ähnliches hat Deine Mutter noch nicht erkannt. Sie dreht sich noch immer im Kreise ihres eigenen Krebses. Aber in dieses "Kreisen", da geht jeder Krebspatient durch. Schliesslich geht's ja erst mal um einen selbst, denn das eigene Leben ist in Gefahr, wenn man Krebs hat.

Ich weiss schon auch, was Du meinst, denn Deine Mutter war schnell mal unfair, und jetzt soll man ihr das alles verzeihen. - Brauchst Du ja nicht. (Zumindest nicht heute, grins!) Aber glaube mir, sie wird durch ihre Krankheit jetzt selber erkennen, WIE das ist, denn jetzt ist sie genau DAMIT konfrontiert, wovor sie sonst immer galant geflüchtet ist, hm? - Das macht sie selber wahrscheinlich auch noch wütend, da bin ich mir sicher. Das ist nämlich ein zünftiger Knall in ihrem Leben.

Kannst Du's - ein bisschen wenigstens - nachvollziehen? Wut ist eben schnell mal da, bei manchen mehr, bei anderen weniger. Und Dein Lebensgefährte war eben ER, und Deine Mutter ist eben SIE.

Ich drück Dich, gell?
Liebe Grüsseli von
der "krassen" Brigitte

Biggy44
14.05.2003, 21:33
hm... ich habe so ein bissel kreuz und quer gelesen hier und gebe jedem irgendwie recht, wenn ich es genau überlege.
Burgi verstehe ich, weil sie einfach eine Stütze brauchte damals, Verständnis von ihrer Mutter, weil sie es für scih richtig fand, wie sie lebte, sich entschieden hatte. Aber ihre Mutter hatte eine andere Sichtweise zu all dem, ihre. Und deshalb konnte sie vielleicht auch nicht die Mutter sein, die du, Burgi, dir gewünscht hattest? Sorry, es sind nur meine Erklärungsversuche, vielleicht sind sie ja auch falsch....
Bei Burgis Mutter regierte die blanke Vernunft. Für sie passte es nicht, iwe Burgi hadnelt, leben möchte, es war nicht nachvollziehbar...
Ich habe halt auch solche Eltern, die können einfach nicht akzeptieren, dass ich so leben muss, wie ich es möchte, es mir gut tut.
Ich verstehe also Burgi und die Mutter jeweils aus ihrer Sicht.
Es ist eben schwer, wenn Mütter oder Eltern so starr an ihren Vorstellungen auch bei den Kindern festhalten. Aber, sie meinen es sicher nicht böse, auch wenn es schrecklich belastend sein kann....

Ich kann auch Brigitte verstehen. Ja, ich denke, auch ich wäre wütend. Wütend auf den Krebs, auf andere, die kluige Ratschläge geben und nicht wissen von was sie reden, es aber gut meinen.. vielleicht auch wütend auf den Arzt, der die Diagnose gestellt hat....
Die Frage nach dem warum, warum ich, stellt sich sicher jedem. Auch ich frage bei meiner Mutter: warum denn sie? Warum nicht die Nachbarin, die Jahre nur Streit gesucht hat, die zudem noch 10 Jahre älter ist als Mutti...
Ich frage mich manchmal, warum leben die alten Frauen von gegenüber alle noch und sind fast alle viel älter, aber noch rüstig.
Das mag ungerecht sein, und diese Gedanken sind ja auch unrecht, aber sie sind da. Es ist nicht Bösartigkeit oder das ich auch nur einer dieser anderen Frauen Krebs wünsche... Es ist einfach die Überlegung: warum sie nicht.
Diese Gedanken, diese Wut, dass es den anderen gut geht, die sind einfach da und sie richten sich nicht wirklich gegen die anderen Menschen. Ich denke so meint auch Brigitte das. Es ist die Suche nach eienr Antwort, ein klein wenig Ventil vielleicht, ohne zu schaden.. ich weiß es nicht.

Jeder Mensch ist halt anders. Einer kann gut mit etwas umgehen und steckt eher etwas weg, nimmt es als Schicksal odr Kampfansage, andere sind eher hilflos und wütend.
Tschüs
Biggy

15.05.2003, 03:42
Hallo Ihr,

Klar ist man wütend, zornig, traurig, verletzt wenn man den Sch...krebs bekommt! Es ist ungerecht, es ist unfair, warum ich usw.

Es kann nicht Jeder darüber reden, auch wenn wir Angehörige (die darüber reden möchten) es gerne so wollten.

Deshalb meine Thesis, warum nicht einmal mit einer etwas provokativeren Frage beginnen. Die muß ja nicht böse gestellt werden, das geht auch normal/liebevoll/sehr liebevoll. Und ihr seht selbst, welche Reaktionen es bei Euch ausgelöst hat.

Vielleicht gibt es uns selbst eine Möglichkeit die gegenwärtige Situation anders zu betrachten, für den Moment unsere negativen Gefühle nach hinten anzustellen und unsere ureigene Erwartungshaltung zu überdenken??

Vielleicht löst es auch eine Reaktion bei Christel's Mutter (zum Beispiel) aus. Dass sie sich öffnet, ihre Wut rauskommt, sie beginnt über ihre Gefühle zu reden, die Angst nun alles was sie aufgebaut hat, davonschwimmen zu sehen?? Die Kontrolle ihres Lebens entgleitet ihr. Über die Träume, Hoffnungen und all das was tief unten sitzt. Es könnte Christel (den Angehörigen) eine Chance geben, anders mit der eigenen Verletztheit und der Situation umzugehen.

So wie bei Brigitte, sie sah ihren großen Traum vom Schreiben sich in Luft aufzulösen.

einen Morgengruß,
Jutta

15.05.2003, 08:04
Guten Morgen Ihr Lieben!

Liebe Brigitte,
Du löst da in mir was aus, dass ich fast *g* wütend bin, frag mich nicht warum - ich weiß es nicht!!
Ja, ja, ja Du hast schon recht, die Wut war auch bei ihm da, weil er diesen Sch. . .krebs hatte, weil seine Träume den Bach runter gingen. . .doch er hatte keinen Neid auf gesunde, auf mich zum Beispiel!
Nagut, Du hast eh gesagt Neid KANN sich entwickeln, gut!
Und dann der Satz, OB er mir das gesagt hat, er hat mir ALLES gesagt, ALLES - mein Gott warum bin ich so empfindlich???
Hättest Du ihn gekannt - er war der lebenslustigste, liebste, lustigste, einfühlsamste . . aber was schreib ich da, ich will ja das gar nicht schreiben (ich lösche nichts was ich geschrieben habe)
ICH kann verstehen, dass Wut, Neid, Zorn auf Gott und die Welt mich beherrschen würden, wenn ich diese Diagnose hören würde, da bin ich 100% Deiner Meinung.
Das mit Verzeihen ist nicht mehr wichtig für mich, da gibt es nämlich nichts zu verzeihen weil SIE eben SIE ist - das hast mir schon gelernt *g* - ha, ich kann wieder lächeln!
Und ER war und wird für mich ewig ER bleiben, er war nicht einsichtig, er hat genug gekämpft und gehadert, aber niemals gegen irgendeinen anderen Menschen - IMMER nur gegen diesen Mörder!!!

Hallo Christel!
Da sind doch einige Gemeinsamkeiten, ich liebte meine Uroma über alles, war oft stundenlang bei ihr im Zimmer und ich weiß noch gut, wei ich Ihr immer Ihren schmerzenden Rücken mit Franzbranntwein eingerieben habe - das hat ihr so gut getan und mir auch!
Und sie hat immer zu mir "gehalten", das hab ich bei meiner Mutter nicht so erlebt und als ich mit 14 Jahren ins Internat musste (ich wollte nicht) da hab ich meine Mutter richtig gehasst. Am Wochenende durfte ich nicht mal nach Hause fahren, weil der Zug zu teuer war - naja bin dann mit 17 Jahren ausgezogen, weil ich schwanger war.
Dann hieß es immer, jetzt bist verheiratet, Du musst Dein Leben selbst in die Hand nehmen und die innige Beziehung(?)ist dann nicht mehr so . .
Meine Schwiegermutter ist da ganz anders, aber vielleicht hab ich da auch eine andere Sicht - sicher sogar:-) - und es geht doch nicht mit den "einfachen" smileys *g*

Ja, Biggy wir sind eben anders als unsere Mütter oder doch nicht wirklich ganz anders?
Ich ertappe mich immer öfters dabei, dass genau die Wesenszüge von mir, die meine Söhne "geerbt" haben, mich am meisten stören - so irgendwie der Spiegel?
Naja, nur nicht zu viel nachdenken, da kommt schon was raus bei mir *g*

Jutta, Du hast wieder einmal recht, das mit der Kontrolle in vielen Situationen, das machts verdammt schwierig!
Mit liebevoller Provokation erreicht man sicher mehr, als mit dieser angestauten Wut so ganz innen drinnen!

Liebe Grüße und einen schönen Tag Euch allen!

15.05.2003, 08:05
Hallo Christel!
hat ja doch funktioniert - ich freu mich!:-):-)

15.05.2003, 12:10
Hallo Ihr Lieben,

da die Beziehung zu meiner Ma früher auch die reinste "Katastrophe" war, lese ich hier immer mit grossem Interesse mit. Auch ich hatte immer das Gefühl, die "böse" Tochter zu sein (allerdings als Einzelkind), die wirklich NICHTS richtig machen kann und immer nur UNSINN erzählt. Von Ma kamen immer so Sprüche wie "Ich bin Deine Mutter und möchte als solche respektiert werden" (mir wäre es lieber gewesen, sie wäre auch irgendwann meine Freundin geworden), oder "seit wann ist das Küken schlauer als die Henne...". Erst nachdem mein Pa (an Krebs) gestorben ist und auch durch die schwere Erkrankung meiner Ma (Hirntumor), haben wir durch sehr viele und lange Gespräche die zahlreichen "Missverständnisse" aus dem Weg räumen und uns wieder "annähern" können. Dadurch konnten wir uns im letzten Jahr auch "im Frieden" voneinander verabschieden...

Meine Ma hatte z. B. auch mal zugegeben, dass sie oft auf mich eifersüchtig war, weil ich mich so gut mit Pa verstanden habe. Sie wusste, dass das völlig idiotisch war, kam aber aus Ihrer Haut nicht raus.

Daher meine Frage an Christel (und im übertragenen Sinne vielleicht auch an Burgi):
Kann es sein, dass Deine Ma eifersüchtig auf Dein gutes Verhältnis zu Deiner Oma ist? Dass sie auch Schuldgefühle hat, Dich damals "abgegeben" (abgeschoben?) zu haben? Dass sie sich das bisher "nur" nicht eingestehen kann, für ihren "Frust" irgendein (natürlich völlig ungerechtes!) Ventil Dir gegenüber entwickelt hat? Wäre das evtl. möglich?

Sind nur mal so Fragen, die mir beim Lesen durch den Kopf gegangen sind. Wenn es Euch völlig abwegig erscheint, dann vergesst meine Fragen einfach wieder, ja?!

In jedem Fall ganz liebe Grüsse an Euch alle von
Gabi

15.05.2003, 12:19
Hallo Gabi,

auch ich lese immer Deine Einträge und hab das mit Badewanne auch schon versucht:-)gelingt mir nicht so recht!
Du bist also ein Einzelkind - das wollte ich so oft sein, denk mir, da bekommt man dann doch die "ganze" Liebe, allerdings sind dann auch die Erwartungen der Eltern immer auf diese eine Kind ausgerichtet - gut dass ich da meine kleine Schwester habe, Mutti hätte nur mich und meine Einstellung zum Leben nicht so ganz verkraftet!
Für mich kann ich sagen, eifersüchtig auf Oma war Mutti nicht, ich denk eher, SIE ist eben so und sie denkt gar nicht so nach über ihre Ignoranz - ist vielleicht bei Christel so??
Meiner Mutti ist die Oberfläche näher als alles andere und das ist mal so und ich habe keine SChuldgefühle, ich habe keine . . .

Wünsch Dir einen entspannten Tag - Badetag??

15.05.2003, 12:37
Halli Burgi,

ja, ja, man wünscht sich immer das, was man nicht hat - ICH habe mir immer Geschwister gewünscht - gelle :-) ? Dafür, das ich keine Geschwister habe, hat meine Ma MIR die "Schuld" in die Schuhe geschoben, weil ich als KIND immer DAGEGEN war !?!

Meine Ma hat sich NIE für oberflächlich gehalten, eher für sehr tiefsinnig - nur halt in eine andere Richtung als ich ;-) .... Da kann ich auch nur sagen, SIE war eben SO - und ICH bin wie ICH BIN. Hätte ich das nur schon damals gewusst bzw. so sehen können! Schuldgefühle (von ihr eingeredete) hatte ich auch ständig. Ich finde es ganz toll, dass DU jetzt davon abgekommen bist - WEITER SO!

Badetag heute? Nee, muss den letzten erstmal "sacken" lassen ;-) ! Wünsche Dir auch einen schönen Tag und alles Liebe
Gabi

15.05.2003, 12:46
Hallo Ihr Lieben,

Hallo Brigitte,
ja, klar, das mit der Wut versteh ich schon auch. Hat sicher jeder, aber es geht halt jeder anders damit um. Ich seh das ja jetzt auch an meinem Schwiegervater. Er verhält sich sooooo viel anders!!! Das alles hat ihn schon auch verändert. Er ist z.B. sehr empfindlich, wenn wir mit den Kid´s schimpfen. Für ihn ist es wichtig, das wir füreinander da sind, zusammenhalten. Einfach das es uns allen trotzdem irgendwie gut geht. Er würde nie seine Launen an uns auslassen. Als ich erfuhr daß meine Mutter Metastasen in den Knochen hat, waren wir grade von unserem ersten Besuch in Hammelburg zurück. Er, der eigentlich doch die viel schlechtere Prognose wie meine Mutter hat, hat mich in den Arm genommen, mich getröstet und mir versichert, das sie mir helfen, wo sie können!!!
Auf die Idee wäre meine Mutter glaub nicht gekommen, sie sieht nur sich. Da sieht man wie unterschiedlich die Menschen sind.

Liebe Jutta,
das mit den Fragen wird glaub gar nicht so einfach.
Gestern Abend als ich zum Tabletten richten vorne war, hat sie mich immer noch keines Blickes gewürdigt. Weder beim Hallo noch beim Tschüß sagen. Und auch sonst kam wieder überhaupt nichts.
Heute morgen, als ich kam, waren sie nicht da! Kein Zettel, kein Anruf, wo sie sind, nichts.
Ich gehe jetzt seit Mitte Februar jeden Tag um ziemlich die gleiche Zeit nach vorne um zu kochen und den Haushalt zu machen. Außnahme waren die Tage als sie im Krankenhaus war. Hätte man mir da nicht wenigstens Bescheid geben können?
Bin dann wieder nach HAuse und hab angerufen und auf den Anrufbeantworter gesprochen, daß ich um 11.00 da war und um 12.30 zum Einkaufen in die Stadt fahre.
Kurz vor halb geht das Telefon und sie fragt , wo gehst du hin , bring mir das und das mit. So als wäre nichts gewesen! Sie geht jetzt einfach wieder zur Tagesordnung über. Das hat sie schon immer so gemacht und wehe ich fang nochmal davon an.....
Weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber da krieg ich so ne Wut in Bauch und das macht mir auch wieder Angst. Hab Angst davor, daß ich bald nur noch Mitleid für sie empfinde!
Muß jetzt leider Schluß machen sonst komm ich zu spät, muß noch meinen Sohnemann von der Schule abholen.
Seid alle lieb gegrüßt
Christel

15.05.2003, 12:49
Hallo Gabi,

jaja so ist es, immer das was man nicht hat . .
Heute noch sagt mir Mutti, sie hätte gerade bei mir soo gern einen Sohn gehabt, ha - ich hab zwei Söhne:-)
Wir sind vier Mädchen geworden und die Kleine - Muttis Liebling ist auch eine Gabi, sie ist ein bisschen ein Nachzügler und lange hab ich sie beneidet, weil sie doch als fast "Einzelkind" aufwuchs, wenn wir heute aber darüber reden, dann seh ich doch - LEICHT ist das auch nicht grad!

Wennst was richtig Gutes zum Entspannen gefunden hast, schreibst eh wieder?!
Probier jetzt auch alles aus, vielleicht find ich was zum Vogerlzwitschern ganz früh dazu . .

Schönen Nichtbadetag!

15.05.2003, 13:18
Hallo ihr Lieben,
ihr wart ja wieder sehr schreibfleißig... da komm ich im Moment gar nicht mit. Bin mal wieder im Stress und gestern ist auch noch der PC "abgestürzt"...
Auch wenn ich zu vielen Themen nicht so viel sagen kann, da ich die Krebserkrankung meines Vaters nicht so intensiv miterlebt habe, hilft es mir sehr, hier immer mitzulesen und mir Gedanken zu machen. Auch wenn ich dann nichts schreiben kann. Ist wirklich wie eine Form von Therapie hier, gell Burgi...:-) Sehe ich auch so.
Deshalb ganz lieben Dank mal an dieser Stelle.

Liebe Burgi, im Moment bin ich sehr nah am Wasser gebaut, deshalb haben mich Deine Einträge sehr berührt und mal wieder die Tränen laufen lassen. Da spricht ja ein tiefe Liebe aus Deinen Worten, wenn Du von Deinem Lebensgefährten schreibst. Und ich kann mir gut vorstellen wie weh es getan hat, dass Deine Mutter Dir nicht zur Seite gestanden hat, sogar nicht einmal bei der Beerdigung. Puh, wie übel.
Ja, und jetzt ist sie selber betroffen und erwartet von Dir - natürlich - dass Du ihr zur Seite stehst. Da verändern sich die Werte. Ich bewundere Dich dafür, dass Du sie nicht im Stich lässt und den Kontakt abgebrochen hast. Du musst ihr sicher nicht verzeihen, aber vielleicht kannst Du es irgendwann einmal, um Dich von ihr zu "befreien". So sehe ich es zumindest. Ich kann meiner Mutter auch nicht verzeihen (sie ist übrigens auch nicht zur Beerdigung meines Vaters gekommen...), aber ich hoffe, dass ich sie irgendwann mal loslassen kann ohne zu hadern dass ich so eine "schlechte" Mutter habe. Das wird wohl noch Zeit brauchen... ja, Brigitte, vielleicht bin ich doch lernfähig...:-)

Ja, Burgi, meine Therapie hilft mir sehr, allerdings auch nicht immer... für mich war sie damals die Rettung. Und mittlerweile bin ich seit mehr als 3 Jahren in Therapie und es wird immer effektiver. Man muss einfach Geduld haben. Was mir sehr schwer fällt, will auch immer alles möglichst sofort erreichen. Du bist aber sicher nicht zu blöd für Therapie...:-) Jeder muss halt für sich die geeignete Form und auch TherapeutIn finden. Und das ist nicht einfach. Hab da auch meine Erfahrungen gemacht.

Liebe Brigitte,
Dein Beispiel von Deiner Schwester ist mir auf den Magen geschlagen. Mich hat dabei aber eher die Reaktion Deiner Mutter geärgert. Da falle ich gleich wieder in meine Haltung... Wie kann ich als Mutter....? Ja, ich hab vielleicht auch gut reden, denn ich hab keine Kinder. Es ist sicher nicht einfach, Eltern zu sein. Aber genau aus diesem Grund, weil ich es mir nicht zutraue, meine Kinder "gut" zu behandeln, habe ich mich entschieden, nicht Mutter zu werden. Ich weiß, dass ich keine gute Mutter wäre.
Was meine Mutter betrifft, Brigitte, im Moment ist meine Wut etwas im Hintergrund, ich bin einfach nur unendlich traurig, dass meine Mutter mir keine Liebe geben konnte und kann. Es gelingt mir jetzt etwas besser, die Betrachtung von außen...:-)
Aber ganz tief drinnen steckt halt immer noch die Wut...

Liebe Grüße an euch alle hier,
Conny

15.05.2003, 16:01
Hallo Conny,

das kannst Du schon einmal überhaupt nicht sagen, dass Du eine schlechte Mutter wärst - nein, das glaub ich nicht.
Du hast Dich entschieden keine Mutter zu sein, hast Du das echt so geplant?
Magst Du Kinder?
Eine meiner Schwestern sagt das auch immer so wie Du, weißt, wenn sie dann aber mit meinen Kindern spricht und diskutiert, da denk ich schon, sie wäre eine ganz liebe Mama und auch meine Söhne mögen sie sehr gern!
Ich freu mich, dass Du die für Dich geeignete "Tante" gefunden hast, Du hast recht, dafür und dann noch lange viel Geduld . . ich bin einfach viel zu ungeduldig, wenn ich nicht gleich Erfolg sehe, dann hör ich wieder auf.
So, jetzt passts eh grad wieder, stell Dir vor, ich bin ja in der Firma, vor fünf Minuten läutet das Telefon - Mutti!
Grantig wie nur was erklärt sie mir, dass der Arzt überhaupt nicht kommen braucht (er hat vorgestern angerufen und ihr gesagt, dass er sie anschauen will), weil er gibt ihr ja eh nichts gegen ihre schweren Beine.
Ich mein was soll das?? Der Arzt kümmert sich und macht und tut und Mutti??
Kaum geht es ihr nicht ganz ganz schlecht, wird sie so egoistisch und ungerecht - Deine Betrachtung von außen bräuchte ich jetzt!
Wie hast Du das lernen können, besser wie lernst Du?
Ich weiß nicht, ich bin lieber wütend als traurig, wie gehts Dir da?
Wenn ich wütend bin, löst sich da irgendwas, wenn ich traurig bin, dann bekomme ich so einen Ring um mein Inneres - kennst DU das?
Gut, dann werd ich mal zu Mutti fahren und schaun, ob sich Madams Laune gebessert hat!
Dir noch einen schönen Tag und nicht traurig sein, ok:-)

15.05.2003, 18:17
Liebe Burgi,
was meine Betrachtung von außen betrifft, ich hab das glaub ich noch kein bißchen gelernt... Ich hab da sehr viel von Brigitte gelesen, die das so super in Worte fassen kann, was sie meint...(Danke, Brigitte...:-)) Sagen wir mal, ich versuche es... aber es klappt nicht wirklich gut, weil meine Gefühle mir da einen Strich durch die Rechnung machen...
Ich bin auch lieber wütend als traurig, denn Trauer tut so weh. Mit Wut kann ich die Trauer besser "zudecken". Den Ring um das Innere kenne ich auch. Ich dachte bisher immer, dass es Angst ist, aber vielleicht ja auch Angst vor der Trauer. Puh, ist das kompliziert...:-)
Ich kenne ein ähnliches Verhalten an meiner Mutter. Ihr geht es komischerweise aber immer nur schlecht, wenn sie etwas machen soll, wozu sie keine Lust hat. Z. B. hatte ich sie vor ein paar Jahren mal gebeten, mich ins Krankenhaus zu begleiten, weil ich operiert werden musste. Sie sagte dann, dass ihr die Uhrzeit zu früh ist, so früh könne sie nicht aufstehen... Jetzt hat sie einen neuen Partner, der viel im Ausland ist, da steht sie mitten in der Nacht auf, um zu ihm zu fahren - stundenlange Bahnfahrten machen ihr da nichts mehr aus. Solche Beispiele könnte ich dutzende aufzählen. Ja, was soll das? Frag sie doch, wenn Du das kannst. Ich hatte den Mut bisher noch nicht, meine Mutter zu konfrontieren. Leider.

Ja, ich mag Kinder sehr. Aber ich hab so viele Probleme, komme mit Ach und Krach mit mir selber zurecht (mehr schlecht wie recht...), wie soll ich da meinem Kind zeigen, wie man selbstbewußt und fröhlich leben kann? Nein, das traue ich mir nicht zu. Ich möchte nicht, dass es so aufwachsen muss wie ich. Ich hatte das schon immer klar, dass ich keine Kinder haben kann, das war keine Überlegung. Dazu kommt, dass ich große Probleme mit Körperlichkeit habe, und ein Kind in meinem Bauch, das könnte ich nicht aushalten. Zu nah, zu eng mit mir verbunden... Klingt schrecklich, ich weiß nicht, ob Du das verstehen kannst. Hast vielleicht meine Geschichte gelesen. Ich möchte nicht, dass sich das alles auch noch in die nächste Generation weiterzieht. Wäre besser, wenn sich meine Familie nicht mehr weiter vermehren würde, um das mal zu unterbrechen bzw. zu stoppen. Könnt ihr das nachvollziehen? Oder bin ich vielleicht nicht ganz dicht? Könnte auch sein...:-)
Ich drück Dir die Daumen, dass sich die Laune Deiner Mutter gebessert hat und Du trotzdem noch einen schönen Abend hast. Denk auch an Dich und lass es Dir gutgehen.
Liebe Grüße,
Conny

15.05.2003, 18:47
Liebe Conny,
also erstens glaube ich dass Du ganz normal bist, von wegen nicht dicht?Das mit dem zu eng und zu nah, ich weiß nicht, ich möcht Dich einmal was fragen, magst Du Dich??
Es gibt sicher Frauen, die keine eigenen Kinder wollen, ja ich denk für mich halt immer, so Kinderlachen, so ehrliche kleine Lebewesen und das Wissen, diese liebenswerten Zwergerln sind Familie das ist schon was ganz Besonderes - obwohl wenns größer werden - manchmal raste ich aus!!
Aber gut, ich denk Du hast für Dich so entschieden und wenn DU das so sagst, dann wird es in Ordnung sein.
Ich weiß nicht wie jung Du bist, was ist aber, wenn Du irgendwann mit Dir als Ganzes doch zufrieden wirst, wenn Du all das, was Du in Deiner Therapie erreichen willst, erreicht hast - dann hast Du doch die Stopptafel - dann hast DU unterbrochen.
Ich wünsch es Dir sehr, dass Du dieses Dir gesteckte Ziel erreichst und wer weiß was da noch alles auf Dich zukommt!!
Du machst doch alles dafür, DASS Dein Leben anders, lebensfreudiger weitergeht, Du hast erkannt - alleine schaffe ich es nicht - NOCH nicht und das allein verdient meinen Respekt!
Ja, es stimmt Brigitte fasst das immer so auf den Punkt in Worte - manchmal direkt unangenehm und doch wahr!
Von außen betrachten, das hört sich gut an, ich kanns nicht richtig für mich umsetzen - zu viele Emotionen im Innern!
Angst vor Trauer, vor Traurigkeit - ja könnte was dran sein - Angst?
Das mit dem Krankenhaus ist wieder typisch - Deine Mutter macht es für einen wildfremden Mann, super Mama - und meine macht für die kleine Schwester einfach alles - jetzt nicht mehr, jetzt kann sie ja nicht - ich glaub, das ist auch ein Punkt der ihr zu schaffen macht.
Ich war heute nicht lange bei ihr, ich mein, sie regt sich über den Arzt auf, der ist so nett und macht eh alles, was soll er denn machen, wenn ihre Füße so schwach sind??
Die Mistel mag sie nicht, die Vitamine und Selen und Zink das liegt alles im Laderl und dann sagt sie er gibt ihr nichts??
Soll sie alleine weiterjammern - ihr tut nichts weh und fürs SChimpfen über gerade diesen Arzt bleib ich nicht bei ihr.
Vielleicht ist Mutti morgen besser aufgelegt!
Ich wünsch Dir und allen hier einen schönen Abend!

15.05.2003, 18:53
Hallöchen Ihr Lieben,

hi, liebe Burgi, Du weisst, gell, dass ich Dich nicht hab' wütend machen wollen, ich versuche ja nur, Dir die "Kehrseite" aufzuzeigen, und zwar jene der Krebsbetroffenen.
Warum versuche ich das? Weil ich weiss, dass sich ein Nicht-Krebsbetroffener nur schlecht in einen Krebsbetroffenen einfühlen kann. Und warum soll ich Euch nicht versuchen, zu erklären, WIE das ist, oder sein kann? Auch wenn ich mit meinen Worten ringe, so bringe ich sie wenigstens einigermassen zustande. Es ist sehr schwierig darüber zu sprechen, ALS Krebsbetroffener, weil man da oftmals merkt, wieviele Missverständnisse schnell mal herrschen. Aber man will (zumindest ich) es aussprechen, weil das Nichtverständnis von den Angehörigen uns Krebsbetroffene manchmal eben so sehr belasten kann. Ich wiederhole nicht umsonst immer wieder die blossen Worte: "Das DA-Sein ist wichtig, das Begleiten, das gemeinsame Weinen, das gemeinsame Lachen." - Das ist eigentlich das kleinste, das wichtigste, ohne eine Frage des wie und warum, des wer ... oder eines "aber".
Wenn ich die "Kehrseite" versuche zu erklären, Burgi, dann will ich nicht gleichzeitig für jemanden eine Entschuldigung suchen, weil er so oder so ist. Sondern ich meine es dann ganz simpel einfach aus der Sicht: Mensch und Krebs!

Wegen Christels Eintrag ist mir nämlich noch ein Gedanke dazu gekommen, den ich Euch mal versuche zu beschreiben:

Das ICH, hm? Das ICH ist so verschiedenartig, wie die Sternchen am Himmel. (Grins! So herzig wollte ich das jetzt eigentlich gar nicht beschreiben, aber das kam jetzt halt so.)
"Das ICH ist ein ICH nur für mich, aber für jeden anderen bin ich ein DU, und jeder andere ist für mich ein Du.", kennst Du ja schon, gell Burgi?
Das ICH ist also einzigartig, denn es gibt für jeden Menschen nur EIN Ich.
Ich bin ein ICH, Du, liebe Burgi, bist ein ICH, und auch Deine Mutter ist ein ICH.
Jedes ICH hängt ja aber auch mit seinem eigenen Leben zusammen, mit seiner Vergangenheit, seiner Gegenwart, und seiner möglichen Zukunft, stimmt's? Also alles ganz einzigartige ICH's! (Lach!)

Wenn nun ein ICH mit einer Krebsdiagnose konfrontiert wird, so denkt das ICH ... zuerst mal an SICH! Denn dem ICH geht es um's ICH!
Das ICH macht da eine ganze Menge durch, denn das ICH steht vor einer Türe, die das mögliche Ende des ICH's bedeuten kann.
KANN, muss aber nicht. Aber das ICH weiss das ja nicht. Tatsache ist einfach, dass die Türe jetzt ziemlich NAHE vor einem steht.
Das ICH ist verzweifelt. Das ICH hat ANGST. Das ICH kann wütend werden über diese Situation. Das ICH kann aggressiv werden. Es kann beschämt sein über seine ganze Vergangenheit, weil das ICH weiss, dass das ICH nicht alles so richtig gemacht hat. Das ICH ist auch wütend, weil es findet, es ist noch nicht Zeit für das Ende des ICH. Und es kann auch wütend werden, weil niemand erkennen will, dass das ICH so verletzt ist. Das ICH kann wütend sein, wenn niemand das ICH sieht. Das ICH strampelt, weil jedes andere DU ihm sagt, was es zu tun hat, wie es sich verhalten soll, und auch wie es sich verändern soll. Das ICH weiss, dass es nicht alles richtig gemacht hat, oder noch immer nicht richtig macht, aber das ICH will da jetzt gar nichts daran ändern, denn schliesslich ist das ICH ein ICH!
Das ICH ist unzufrieden, es kann schimpfen und zetern. Nichts ist ihm recht, aber es GIBT auch nichts mehr so richtig, WAS ihm wirklich recht sein könnte. Denn das ICH hat KREBS.

Heute denkt das ICH an Sonnenschein und Blumen. Morgen denkt das ICH bereits nicht mehr daran, denn das ICH denkt wieder an die Türe, vor welcher es steht.
Das ICH kann jede Minute jetzt geniessen. Aber genau auch so verfluchen, wenn es NICHT so kommt, wie das ICH es will. Das ICH nimmt sich das Recht, weil das ICH vor dieser Türe steht.
Das ICH verändert sich, aber das ICH merkt es nicht. Das ICH wird intensiv, wenn es hasst, es wird aber auch intensiv, wenn es liebt. ALLES ist intensiver. Warum auch nicht, denn das ICH steht vor dieser Türe.
Das ICH fordert. Es fordert intensiv. Es muss so fordern, weil es vor dieser Türe steht.

Das ICH ist müde. Das ICH denkt nach. Das ICH sieht, dass das ICH nicht das einzige ICH ist, welches so leidet und welches vor dieser Türe steht. Das ICH merkt, dass das ICH vergänglich ist. Dass alles im Leben vergänglich ist. Das ICH denkt an die Vergangenheit. Intensiv. Das ICH denkt an das Heute. Intensiv. Das ICH will nur noch leben, WEIL es vor dieser Türe steht. Das ICH will das DA-Sein aller Du's geniessen. Das ICH will lachen können, weil das ICH vor dieser Türe steht. Das ICH kämpft. Intensiv ...


So ähnlich, liebe Burgi, manchmal mehr vermischt, manchmal mehr nur jenes, ... durchlebt so ein ICH mit Krebs.
Krebs ist wie ein Erdbeben in einem Menschenleben. Es verkürzt alles, die Zeit, den Tag, den Augenblick. Mit Krebs will man sich nämlich eigentlich überhaupt nicht aufregen müssen. Jedes einzelne Aufregen kann der Gesundheit nur schaden. Trotzdem kann man sich sehr schnell mal aufregen. Da herrscht plötzlich ein ... Zeitdruck des Lebens. Dieser Druck kann einen ganz kirre machen.
Und jenes, was einem schon immer nicht gepasst hat, das will man selber vielleicht AUCH ändern, aber schafft es nicht. Das kann einen zünftig aufregen.
Man kann aber auch sehr "ruhig" sein, so ruhig, dass es für Aussenstehende sehr sonderbar scheint. Man kann auch sehr dankbar sein, für jedes einzelne, liebe Wort. Das ist so ein wunderbares Geschenk, man nimmt das so intensiv auf, wie ein Schwamm das Wasser aufsaugt.
Man kann aber auch bereits so "weit" im Leben sein, dass man merkt, dass das ICH eigentlich gar nicht so wichtig ist, weil es schon genug gesehen, erlebt und gelernt hat.
Man kann aber auch einfach nur Angst haben, und wagt es nicht, anderen zur Last zu fallen.

So verschieden die ICH's halt sind, so verschieden können die entsprechenden Reaktionen sein, vermischt mit mal dieser Reaktion, mal mit jener. Und weil's so viele mögliche Reaktionen sind, ist es ... (seufz) eben so schwer zu erklären, WARUM man so oder so reagiert.
ABER man reagiert. Und es gibt keinen einzigen Menschen, welcher NICHT darauf reagieren würde.

Uff! Jetzt mache ich für heute einen Punkt hinter all meinen Sätzen, mein Kopf ist jetzt total leer ... :-)
Bis später, Ihr Lieben!
Liebe Grüssli
von der "krassen" Brigitte

15.05.2003, 23:28
Liebe Burgi,
danke, dass Du mich für normal hältst...:-)
Das ist eine schwere Frage: Magst Du Dich? Ich denke schon, dass ich mich im großen und ganzen mit mir angefreundet hab...aber es gibt sicher noch Dinge, die ich nicht an mir mag...es geht ja auch alles nur in kleinen Gänseschrittchen voran. Ich denke schon, dass ich auch dieses Problem mit dem Ekel vor Körperlichkeit noch in den Griff bekomme, aber was ein Kind betrifft, man kann es ja nicht einfach ausprobieren...

Was Du geschrieben hast, darüber hab ich auch schon nachgedacht. Mag natürlich sein, dass ich es in ein paar Jahren, wenn es mir vielleicht besser geht und ich es mir zutrauen würde, bereuen werde, dass ich keine Kinder habe. Dieses Risiko muss ich eingehen. Ich kann nur vom hier und jetzt ausgehen und die biologische Uhr tickt ja auch...
Also ich bin 37 und hatte bisher noch keinen Hauch eines Wunsches nach einem Kind. Auch typische "Mutterwunschgefühle" sind mir völlig fremd. Ich weiß aber, dass das bei MB-Opfern "normal" ist und mache mir darüber nicht allzu viele Gedanken.

Was Du über Deine Mutter schreibst macht mich auch nachdenklich. Hört sich so an, als wäre sie ein sehr unzufriedener Mensch, jetzt mal völlig unabhängig von ihrer Krankheit. Gibt es jemanden, der ihr etwas recht machen kann?
Kennst Du sie fröhlich, lachend und ausgelassen? Gab es mal solche Zeiten? Vielleicht wird ihr das jetzt auch besonders bewußt, dass sie zuwenig Zeit für die guten Sachen genutzt hat. Ich kenne sie nicht, sind nur meine unsortierten Gedanken... Wenn es nicht passt, dann vergiss es einfach, ok?

Liebe Brigitte, puh, da hast Du uns ja wieder eine knackige Kost gegeben. Hab gerade mal versucht, das alles zu sortieren, bin aber jetzt zu müde zum Denken. Werde noch darüber nachdenken. Ich finde es sehr gut, dass Du uns damit die Sicht der Betroffenen spiegelst, es bringt viel Klarheit. Kann ich zumindest für mich sagen. Als mein Schwager damals erkrankt ist, sind viele Dinge abgelaufen, die ich von ihm nicht erwartet hätte und mich des öfteren zum Weinen brachten (er hat mir sehr viel bedeutet). Man denkt als Angehöriger, dass man sooo wichtig für den anderen ist, für den sind aber erstmal nur seine Gedanken, seine Krankheit... wichtig. Und das tut weh, weil man ja auch als Angehöriger die Zeit "nutzen" möchte. Puh, jetzt muss ich aufhören, ist gerade zu heftig...

Liebe Jutta, ich hoffe, Dir gehts soweit gut. Ich weiß ja, dass Du mitliest und schick Dir ganz liebe Grüße.

An euch alle alles Liebe - ich drück euch -
Guts Nächtle,
Conny

16.05.2003, 06:04
Guten Morgen Ihr Lieben,

@ Conny: auch ich halte DICH für NORMAL :-). Bittschön, was ist UNNORMAL? Das sind einfach 2 Worte, die in kein messbares Schema passen. Schau mal in den Spiegel? (ja Gabi hab ich Dir auch empfohlen), und was siehst Du? Ein Monster? Nein, ein Mensch, der leidet, der vom Leben ein enorm dickes Paket aufgedrückt bekam. Ein Mensch, der die darum gebundenen Taue ganz langsam angeht, um an das zu kommen, was da ganz tief drinnen versteckt ist. Nämlich, ein Mensch, der ganz normal ist!! Ein Mensch, der in dem heilosen Durcheinander einen Sinn versucht zu finden. Und das liebe Conny, ist auch "normal". :-) :-) :-)
Was ich aber bewundere, ist Deine Nicht-Norm, Dein eigenes Leben anzugehen, Deine Entschlüsse zu ziehen, wie Du was handhaben wirst, z.B. keine Kinder zu bekommen. Die Ehrlichkeit zu sagen, ich möchte kein Kind, weil ich dies und jenes nicht ertragen könnte. Denn meistens wird doch die eigene Sehnsucht auf das Kind übertragen, und so oft geht es vollkommen daneben, ein teuflischer Kreis, der sich nie schließen wird.

Man ist wichtig als Angehöriger. Meine persönlichen Erfahrungen sind, daß man begreifen muß, in die Entscheidungen des Betroffenen nicht einzugreifen, sich selbst zurücknehmen und einfach nur da sein und zuhören, was zwischen den Zeilen gesagt wird. Es ist eine Gratwanderung zwischen dem Wunsch "ich muß doch etwas zu tun" und dem Wunsch "was wird gewünscht, was sollich tun". Eine Hand reichen, und es dem Anderen zu überlassen, nimmt er sie an, ergreift er Besitz des ganzen Armes, oder weist er sie zurück.

ganz liebe Grüße an Euch
Jutta

16.05.2003, 07:34
Guten Morgen,

war fast die ganze Nacht wach und hab über ICH und Krebs nachgedacht - ich Alleswisserin, immer alles kontollierende - ich dachte doch wirklich mich ganz und gar mit dem DU-Krebs indentifizieren zu können.
Ich werde da einmal ganz schnell meine Abstriche machen - Deine Erklärungen sind mir ganz, ganz nahe gegangen und ich weiß, ich werde oft wütend, wenn ich im Unrecht bin . .
Es war damals einfach so, dass mein ICH mit seinem ICH so stark verwurztelt war, dass ich sein ICH nicht mehr als eigenständig sehen konnte - und doch ist es so wie Du schreibst - er war ein DU für mich - ein DU mit Krebs.
Und ich hab mein DU begleitet, ich war da - immer - bis zuletzt - und mein DU war für mein ICH da bis zuletzt - jeder so gut er es eben konnte.
Deine Erklärungen helfen mir nun doch, manche Dinge mit Augen des DU und Krebs zu sehen.
Mir schwirrt der Kopf, aber das passt schon so!!

Hallo Conny,
hoffe Du hattest eine gute Nacht und Du hast wohl recht, ich hab meine Mutter niemals ausgelassen und fröhlich lachen gehört, es war immer so ein gezwunges Lachen, ich hab niemals ein richtig, vom Herzen kommendes Lachen wahrgenommen.
Und seit sie mit Vati nicht mehr GrandDame spielen kann, seit dem ist das natürlich noch viel schlimmer geworden.
Es war schon lange vor ihrer Diagnose, sie ist schon lange unzufrieden und von Lebensfreude merk ich nicht viel bei Mutti, jetzt ist es verständlicher, klar, und wenn ich nur daran denke, dass sie noch unleidlicher wird . . nein nur nicht zuviel ans Morgen denken.
Ich hab seit 15 Jahren Bulimie (wusste lange gar nicht, dass es einen Namen für diese Krankheit? gibt und da frag ich mich auch manchmal, ob ich mich und meinen Körper mögen kann - manchmal denk ich ja dann wieder nein. . jetzt gehts zwar so halbwegs und ich weiß auch nicht, warum ich gerade hier da zu reden beginne, vielleicht weil Du schreibst, Dir hilft Therapie in doch vielen Bereichen.

Hallo Jutta,
ich finde es auch total gut, wenn Frauen, so wie Conny dazu stehen, einfach aus verschiedenen Gründen keine Kinder zu bekommen.
Für mich ist es nicht so klar,dass sich diese teuflischen Kreise dann nie schließen - wenn gerade so wie bei Conny EIN Mensch den Mut hat zu verändern - wird dann nicht NEU begonnen?

Danke für Deine Zeile - Angehörige sind auch wichtig und die Gratwanderung das ist echt im wahrsten Sinn eine!
Ist mir heute nacht noch mal richtig ins Bewusstsein gekommen, immer wenn ich mir so sicher bin, zu verstehen - jaja, ich sollte mir nicht immer so sicher sein - wer bin ich denn, ein ICH und niemals kann auch nur irgendwer ICHDU sein - selbst ich nicht:-)

Schönen Tag Euch allen!!

Jutta
16.05.2003, 07:56
Nochmals guten Morgen,

was ich mit dem nie schließenden Kreis meinte:
es gibt viele Frauen, die aus Sehnsucht nach der nicht erhaltenen Liebe der Meinung sind, ich bekomme Kinder und die müssen mir diese Liebe einfach geben. Dazu sind sie verpflichtet. Das läuft aber nicht in der bewußten Schiene ab, sondern die unbewußte Sehnsucht steuert dies. Und sie wissen nicht, was sie ihren Kindern damit antun können. Deshalb kann sich der Kreis nie schließen, da er von neuem mit wiederkehrenden Sehnsüchten beginnt.

Und Conny hat den Mut, hat dies erkannt und handelt, das bewundere ich!

Grüßle,
Jutta

Kerstin63
16.05.2003, 11:34
Hallo Conny,

ich will Dir nur mal eben zum Thema Kinder / Probleme mit Körperlichkeit was erzählen.... ich war auch nie "wild" auf Kinder, hatte bis Mitte 30 immer gedacht das ist nicht mein Ding... schon allein wenn ich bei Freundinnen mitbekommen habe wenn die ihre Kinder gewickelt haben (puuh, STINK,ekel... dachte das KANN man ja einfach nicht aushalten, ECHT UNMÖGLICH für mich...jeden Tag MEHRMALS......), dann das Gesabber und Triefnasen...bäh....

Dann wurde ich schwanger (nicht geplant) und habe mehr mit Argwohn als mit Begeisterung die weitere Entwicklung beobachtet, wie ich dicker wurde... das erste leichte Zappeln im Bauch hatte ich noch ganz neugierig bemerkt aber als es später dann deutlich bis heftig wurde (so dass man es am Ende von aussen sehen konnte) kam es mir mehr vor als häte ich einen Alien verschluckt... nix von Mutterinstinkt, wie man es überall liest in diesen entzückenden Schwangerschaftsbüchern, oder wie man es (mit SCHLECHTEM GEWISSEN !!!) bei "richtigen" Müttern beobachtet... wie es eben sein MÜSSTE.....

Na und dann rate mal warum ich nicht gestillt habe (ich als Mutterkuh ???? - nix da....).. nicht wegen der Figur... ich KONNTE es einfach nicht.....

Ein paar Jahre später habe ich mir das zweite Kind gewünscht und auch die Schwangerschaft ganz anders erlebt, allerdings trotzdem nicht gestillt so weit konnte ich dann doch nicht gehen. Aber ich habe gelernt es mir nach meinen Vorstellungen einzurichten auch wenn ich fast überall gehört habe "ach KÖNNEN Sie nicht stillen...Sie ARME...."... habe gelernt dazu zu stehen.... ich bin immer noch nicht die geborene Fulltime-Mutter, bin wohl recht egoistisch und die Kinder müssen sich auch mal nach mir richten, aber es ist schön und toll, besser als ich es je gedacht hätte. Ich glaube nicht dass ich versuche durch die Kinder "unerfüllte" Liebe zu erlangen/erzwingen... natürlich lieben (und brauchen) sie einen einfach so ohne dass man was machen muss... aber ebenso liebt man die Kinder ohne dass SIE was machen müssen.... beiderseits vollkommen bedingungslos .....

Ich will Deine Entscheidung natürlich NICHT in Frage stellen aber ich wollte Dir nur sagen es gibt wahrscheinlich VIEL mehr Frauen die nicht diese Bilderbuch-Gefühle haben als man denkt, .....und es ist dann eben trotzdem OK. Ich habe auch Probleme mit mir......., aber ich denke Kinder zu haben kann möglicherweise auch ein Weg sein die Kette zu durchbrechen....ohne dass man die Kinder deswegen "benutzt"...... ich sehe nur dass ich in der Lage bin manches (nicht alles...)bewusst anders zu machen, und bin auch stolz darauf wenn es klappt....

Alles Gute!
Kerstin

16.05.2003, 14:57
Liebe Burgi, liebe Jutta, liebe Kerstin,
danke, Ihr Lieben, für Eure netten Worte. Da hab ich ja ganz unbeabsichtigt ein Thema in den Raum gestellt und freu mich über Eure Resonanz.
Jutta, Du hast das mit dem "Teufelskreis" sehr gut ausgedrückt, genauso meinte ich das. Ich hab dazu aber auch noch andere Gedanken. Teufelskreis, was die Familiengeschichte betrifft, was sich über Generationen wiederholt und wovor ich einfach Angst habe. Was Du über die unerfüllten Sehnsüchte gesagt hast, Jutta, sehe ich genauso. Meine Mutter hat mich bekommen, damit sie aus ihrem Elternhaus raus konnte. Aus diesem Grund hat sie auch meinen Vater geheiratet. Alles auf meine Kosten, so sehe ich das eben. Das war ihr sicher nicht bewußt, auch nicht, dass sie mich dafür "opfert". Und ich bin in dieser Familie aufgewachsen, habe viele Jahre nicht gelernt, Probleme auch anders zu lösen, selbstbewußt zu sein, ein Selbstwertgefühl aufzubauen. Ich lerne das jetzt erst. Wie soll ich denn mein Kind zu einem selbstbewußten Menschen, der sich wehren kann, erziehen? Ich tappe ja selber noch ständig in die Fallen. Ich denke, das kann ich meinem Kind nicht antun.

Kerstin, ich kann Dich da gut verstehen, würde mir wohl ähnlich gehen. Nur, was soll ich machen, wenn ich mich vor meinem Kind im Bauch ekle? Dann ist es zu spät. Ich hab da große Angst vor und möchte das nicht "ausprobieren".
Wie meinst Du denn, dass man gerade mit Kindern die Kette durchbrechen kann? Das ist mir nicht so klar. Ich glaub auch nicht, dass ich mein Kind bewußt benutzen würde, aber was passiert da unbewußt, ich kann es nicht einschätzen.

Ich find es toll, dass Du Dich für Kinder entschieden hast, das will ich auch keinesfalls in Frage stellen. Du bist sicher eine gute Mutter, gerade weil Du Dir diese Gedanken machst und ehrlich mit Dir selber bist. Das find ich gut.
Aber für mich und das weiß ich ganz sicher, ist es eben nicht das richtige, da muss ich noch ein großes Stück mit mir vorankommen und bis dann hat der biologische Wecker wahrscheinlich schon längst geklingelt. Ich sehe es eben als mein "Schicksal", kann aber gut damit leben...:-)

Liebe Burgi, interessant, was Du über Deine Mutter schreibst. Es scheint ihr schwer zu fallen, ihr Leben zu genießen, das Gute zu sehen und zu schätzen. Kein Wunder, dass sie jetzt mit der Krankheit so verbittert ist. Vielleicht hat sie nur einen Blick auf die "negativen" Seiten des Lebens. Daran wirst Du nicht viel ändern können, aber vielleicht hilft es Dir ja, sie aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.
Super, dass Du hier zu reden begonnen hast. :-) Tu es ruhig weiter, ich freu mich darüber und hör dir gern zu.

Alles Liebe - Euch allen noch einen schönen sonnigen Tag -
Conny

16.05.2003, 14:59
Liebe Brigitte,
auch an Dich liebe Grüße. Knacke immer noch an Deinen ICHs...:-) Hat mir sehr zu denken gegeben.

Sonnengrüße von Conny

16.05.2003, 20:02
Hallo Ihr Lieben!

Das was Jutta da mit Sehnsucht nach Liebe schreibt und dass das Unterbewusstsein diese auf dann eben die eigenen Kinder projeziert, das kann ich dann schon irgendwie verstehen, ich dachte halt auch so ähnlich wie Kerstin - was kann dann diesen Kreis unterbrechen?
Heißt das, dass alle Frauen, denen das so bewußt ist wie Conny, das diese Frauen keine Kinder bekommen sollten?
Oder dann eben nur die Frauen, denen das Ganze so voll bewusst ist wie eben Conny?
Überlege mir gerade, ob es so gesehen (und natürlich NUR so) für mich gut war, Kinder zu bekommen?
Dann denk ich doch, gut, dass ich beide Male gar nicht so darüber nachgedacht hab, sonst hätte ich vielleicht keine Kinder.
Muss aber doch dazusagen, dass Conny sehr verantwortungsbewusst an die Sache rangeht und das zeigt schon, liebe Conny, dass Du Deinen Weg richtig gehst . .
Ich bin sicher auch keine Bilderbuchmutter Kerstin, da hast recht und doch kann ich für mich sagen, ohne Kinder hätte ich erst sehr spät im Leben gewusst, was bedingungslose Liebe geben und bekommen können für ein Geschenk sein kann . .
Der Blickwinkel Menschen und deren Handlungen anders sehen zu können, genau da muss ich (oder wir?:-))noch viel lernen - wir sind doch auf dem besten Weg, oder?

Wo bist Du, krasse Brigitte Du??
Mir gehts wie Conny, die ICH-Knackerei schwirrt im Kopf - und Du hast hoffentlich Spass mit Deinen Bademeistern!!

Viele liebe Grüße!

16.05.2003, 23:52
hallo zusammen,

so viele eurer worte kann ich so verdammt gut nachvollziehen...leider :-( denn genau solche gedanken gehen mir in den letzten tagen immer häufiger durch den kopf...wenn es doch nur endlich vorbei wäre...ihr leiden...ihre qualen...wenn sie doch nur endlich einschlafen würde...könnte...für immer.sie,das ist meine jüngere schwester die ich...wir seit wochen zuhause pflegen.
und dann kommt direkt wieder der moment wo ich mich für meine gedanken schäme und ich angst habe,daß sie für immer einschläft,denn ich will sie ja auf keinen fall verlieren.wie oft habe ich auf der arbeit angehörige den satz sagen hören:wenn es doch nur endlich vorbei wäre.als pflegepersonal ist man doch viel weiter außen vor als wenn man direkt betroffen ist(familie...freundeskreis ect)und jetzt denke ich selber solche sachen...schluck...dabei bin ich doch für jeden tag froh und dankbar,den meine schwester noch bei uns ist...aber unter diesen qualen für sie ist das so schwer mit dem empfinden was ist richtig und was falsch...das reinste gefühlschaos.
grübelnde grüße
hilde

17.05.2003, 01:09
Hallo Ihr Lieben,
ich komme noch schnell zur späten Nachtstunde.

Liebe Burgi, liebe Conny, Euch schwirrt der Kopf wegen der ICH-Knackerei? - Ja, mir auch! (Lach!) Echt, als ich diese ICH-Betrachtungen hier aufgeschrieben habe, war ich hinterher total geschafft. Weiss nicht, aber ich glaube, ich habe da gaaaaanz tief in mir gewühlt, um das zu beschreiben. Und ich wollte NICHTS auslassen, obwohl ich hinterher doch noch das Gefühl hatte, dass da doch BESTIMMT noch was fehlt!
Ich glaube, ich habe jede einzelne "Ich-Reaktion", die ich da beschrieben habe, selber irgendwie erlebt. Vielleicht manchmal nur kurz, aber ... jede der erwähnten Reaktionen kam mir - an mir selber - sehr bekannt vor. Vom schlimmsten Wutanfall, bis zum total ruhigsten Augenblick. Von den Gedanken an früher, bis zum Gedanken an diese nahestehende Türe. Vom Nicht-Erkennen bis zum endlichen Erkennen. Vom verzweifelten, ängstlichen Moment, bis zur Panik. Vom Denken an die Sonne, bis zum Denken an den Tod. Von der Müdigkeit, bis zum andauernden Kampf ...
Hm, alles schon mal dagewesen, bei mir. (Vielleicht können deswegen Krebspatienten andere Krebspatienten so gut verstehen?)

Doch diese "Beschreibung" des ICH (und Krebs) war ja nur der Grundgedanke. Weil sich mit dem ICH ja jeder identifizieren kann, nicht wahr?
Das ist ein sehr wichtiger Grundgedanke (wenn man es verstehen mag), aber ... Burgi, das bedeutet nicht, dass Du gleich im Unrecht warst.
Denn Du bist ja das ICH für Dein ICH, und Du stehst da als Angehörige mit Deinem ICH.
Als Angehörige hast Du die Schwierigkeit des Umgangs mit einem Krebspatient auf Deinen Schultern lasten, und das ist ja auch nicht gerade sehr einfach. Weil Du da nach Lösungen suchst, weil Du nach Hilfsmöglichkeiten suchst, ... aber eigentlich selber auch kaum welche findest. Und Du stehst genau so unter dem "Zeitdruck", es ist einfach ein "Zeitdruck" eines möglichen Abschiednehmens von einem Du.
(Beim Krebspatienten ist es in erster Linie der "Zeitdruck" eines möglichen Abschiednehmens des eigenen ICH's. - Die anderen DU's kommen halt noch hinzu für den Abschied. Das ist doppelt krass, und das ist eben auch der Unterschied.)

Naja, jedenfalls tut's mir leid, wenn Euch wegen den ICH's die Köpfe so schwirren, das war eigentlich nicht meine Absicht. (Grins!) - Hier helfen halt dann wieder Entspannungsübungen ... lach!

Schlaft gut, Ihr Lieben!
Es grüsselet die "krasse" Brigitte

Biggy44
17.05.2003, 10:09
Hallo Hilde,
ich nenne so etwas Spagat zwischen Gefühl und Verstand...
Mir geht es ebenso. Für Sekunden denke ich manchmal, meine Mutti möge nicht mehr leiden, und was hat sie denn noch von diesem Leben... nichts, außer Schmerzen, Unwohlsein, keine Freude daran...
Aber wenn es ihr dann besser ging habe ich gedacht, es ist so schön, noch mit ihr reden zu können. Sie ist da, einafch noch da.
IOch denke, das sind dann eher egoistische Gedanken, es sind "unsere" gefühle, es ist unsere Angst, etwas nicht verlieren zu wollen.
Heute geht es meiner Mutter noch schlechter als gestern, so schlecht wie noch nie. Und ich habe Angst, was passiert... Sie ist sos chwach, sie isst nicht, sie schläft und sie stöhnt, jammert.
Es ist ein Elend, sie so zu sehen und doch denke ich dann wieder, sie lebt noch, ich kann ihr noch etwas mitteilen...
Mein Vater hat fast die ganze Nacht wieder nicht schlafen können und ich war auch laufend wach.
Ich bin sofort munter, wenn sich oben um Haus etwas rühert und renne dann hoch. Mein Vater weiß nicht recht, was er machen soll, ich gebe dann meist Arznei zusätzlich, wenn sie Schmerzen hat.
Aber heute früh ist sie gar nicht aufgestanden. Sie lässt sich fallen in der Krankheit, in ihre Schwäche, ihre Depressionen.
Dabei ging es ein ganz klein wenig aufwärts, nachdem sie aus dem KH kam vor 4 Wochen. Es schien so....
Ist es jetzt der Abfall vor dem Ende?

17.05.2003, 11:23
Hallo Hilde und Biggy,

diesen "Spagat" zwischen Gefühl und Verstand kenne ich auch nur zu gut. Einerseits hatte ich meiner Ma gewünscht, dass sie nicht so lange leiden soll, anderseits wollte ich sie nicht auch noch verlieren. Verdammte (Entschuldigung - ist aber so) Zwickmühle! Ausserdem kommt ja da auch noch der "schlimme" Gedanke dazu: nicht nur das Leiden des lieben Angehörigen soll aufhören, sondern auch das eigene "mitleiden", dieses hilflose "mit ansehen müssen", die damit verbundene eigene "Belastung" - und das "schlechte Gewissen", gerade wegen dieses (egoistischen) Gedankens... Ich vermute mal, dass auch Ihr damit zu kämpfen habt?

Es ist wahnsinnig schwer, einen lieben Menschen gehen zu lassen :-( ....
Ich wünsche Euch alle erforderliche Kraft dafür...

Ganz liebe Grüsse von
Gabi

Kerstin63
17.05.2003, 14:14
Liebe Conny,

damit dass ich sagte mit Kindern könne man evtl. auch die Kette durchbrechen meinte ich nur: man bekommt ja irgendwie auch eine riesige Chance die Dinge anders (besser ???) zu machen... aber es ist auch so dass ich für viele Dinge jetzt erst auch Verständnis gegenüber meinen Eltern entwickle gerade WEIL manche Dinge auch so ähnlich laufen... wahrscheinlich immer wieder gleich sind von Generation zu Generation...

Nur mal das banale Beispiel wie es einen als Teenager immer nervt wenn die Eltern einem etwas verbieten und man nie einsehen sollte warum (Mofa fahren, spät nach Hause kommen, bestimmter "Umgang"...) jetzt erlebe ich selbst welche Ängste man um seine Kinder ausstehen kann... meine sind noch klein da sind die Sorgen anders... aber wir (mein Mann und ich) können uns jetzt schon bildhaft vorstellen wie es wird wenn die Kleine mit 14 (oder früher ??) in die Disco will, usw. Ich sehe bei den Teenie-Kindern meines Bruders was da abgeht, wie WEIT die heutzutage in dem Alter schon sind....wie gesagt ein banales Beispiel aber es gibt viele solche Dinge bei denen ich meine Eltern auch jetzt erst lerne rückblickend ein wenig besser zu verstehen... ich sehe auch wie schwierig Erziehung ist und dass sie bei allen "Fehlern" bestimmt nur unser Bestes wollten und dass ich genauso wenig davon frei bin auch Fehler zu machen weil man es manchmal nur so und so machen kann, und es dann eben so ist...

Ich wollte auch keinesfalls Deine Entscheidung in Frage stellen, ich wollte Dir wirklich nur sagen dass es bei MIR eben trotz aller Probleme mit der Körperlichkeit zwar nicht "bilderbuchmässig" ablief, aber eben doch "OK" war und am Ende sogar schön .... vor allem sobald ich anfing dazu zu stehen in welchem Masse ich mich darauf einlassen konnte (z.B. eben nicht zu stillen, trotz aller mitleidigen bis missbilligenden Reaktionen......). Ich denke ein Teil meines Problems damit war dass ich immer dachte ich müsste so bilderbuchmässig empfinden, und mit würde etwas nicht stimmen wenn ich anders empfinde....

Ich finde es gut dass wir uns hier darüber ausgetauscht haben, wie gesagt denke ich es gibt viel mehr Mütter/Frauen die auch so zwiespältig empfinden als man denkt, aber das ist in der Öffentlichkeit echt ein Tabuthema....

Kerstin

18.05.2003, 11:42
Mörgelchen Ihr Lieben,

ich denke, ich weiss, was Du meinst, liebe Kerstin, denn Tatsache ist ja auch, dass man - bevor man Kinder kriegt - da seine zünftigen Ängste hat. Und je nach dem WIE man geprägt ist von der eigenen Kindheit, seiner eigenen Erziehung, kann das schon sehr viel Angst machen. Wenn's dann aber DOCH eintrifft, dass man Kinder bekommt, so kommt da eine Art ... "Umkehreffekt", denn man steht jetzt selber in der Rolle der Mutter und sieht, wie schwierig, aber auch wie schön das mit Kindern sein kann.
Man macht zwar oftmals die selben Fehler wie die eigene Mutter, oder vielleicht wieder NEUE Fehler, aber gleichzeitig IST es auch eine Chance, es besser oder anders zu machen, da hast Du recht. Und würden wir Frauen alle jetzt aus Angst keine Kinder haben wollen, würden diese neuen Chancen nicht DA sein, so würde unsere Menschheit bald mal ... naja, futschi-weg sein. Grins!

Doch ich kann Connys Entscheidung auch sehr gut verstehen. Wahrscheinlich ist es das "Mass", welches zählt.
Es hat ja nicht unbedingt was damit zu tun, dass man Kinder nicht gern hat, denn da gibt's ja verschiedene "Denkformen". Manche Frauen sagen ja z.B. dass sie keine Kinder wollen, weil Kinder sie "stören" oder zu lärmig sind, oder was weiss ich.
Doch zu entscheiden, dass man keine eigenen Kinder will, weil man selber eine sehr schlimme Kindheit durchgemacht hat, ist - finde ich - wieder ein bisschen was anderes.

Ich hab auch keine Kinder, und interessant ist, meine Schwester hat auch keine. Wir wurden beide ziemlich "verprügelnd" von unserer Mutter erzogen. Das prägt natürlich, und das ist auch eine Art von Missbrauch.
Aber es gibt noch andere Arten von Missbrauch, das kann dann der psychische Missbrauch sein, z.B. die Form von "Machtspielchen" oder Unterdrückung oder was es da alles Schlimmes gibt. Das prägt genau so.

Jetzt fand ich selber den "psychischen Missbrauch" meiner Mutter schlimmer, als die dauernde Verprügelei. So gesehen stand ich und meine Schwester gerade noch am "Rande" für die Entscheidung, ob wir Kinder haben wollen oder nicht. Weder von meiner Schwester noch von mir hörte man jemals den ausgesprochenen Wunsch: "Ich will Kinder haben!", aber man hörte von uns auch nie die Worte: "Ich will keine Kinder haben!"
Nun, es kam eben wie es kam. Da meine Schwester immer Partner hatten, die KEINE Kinder wollten, blieb auch sie kinderlos, und nahm über zwanzig Jahre lang die Pille.
Und da ich dauernd das Gefühl hatte "Ich fühl' mich noch nicht richtig erwachsen", und viele Jahre auch Single blieb, ... blieb halt auch ich Kinderlos.
Rückblickend gesehen muss ich jedoch zugeben, dass es NICHT so ganz nur "es kommt wie es kommt" war, sondern dass da halt bestimmt auch ... eine Art "Blockade" in uns war. Die "Blockade" hat uns zwar nicht zu einer Entscheidung geholfen, aber ... zu einem unbewussten Handeln wahrscheinlich. - Weisst Du, wie ich meine?
Man kann sich auch fragen: Warum hat sich meine Schwester immer Männer ausgesucht, die KEINE Kinder wollten?
Oder: Warum habe ich oft so viel Spass am Single-Leben gehabt?

Also weder meine Schwester noch ich bereuen es heute irgendwie, dass wir KEINE Kinder haben. Irgendwie empfinden wir das als "gut" so.
(Aber dafür können wir auch nicht sagen, WIE es wäre, WENN wir Kinder hätten! - Diesen Teil kennen wir nicht, und wir haben auch nie die Chance gehabt, das Schöne an Kindern mitzuerleben und es vielleicht besser zu machen.)

Wenn aber jemand von vorneherein sagen kann "Ich will keine Kinder", so wie Conny, so ist dies MEHR Entschluss, ... als wie ich es und meine Schwester getan haben. - Ich weiss nicht, WAS besser ist, aber ich bewundere Connys direkte Entscheidung auch. Denn sie spricht jenes aus, was ich z.B. früher immer nur gedacht habe: "Ich fühle mich noch nicht Erwachsen!" Und das ist ein ganz wichtiges Argument.
Wenn heute dreizehnjährige Mädchen schon Babys kriegen, sagen die Leute ja auch: "Kind, Du bist doch noch selber ein Kind!"
Genau so kann man sich - je nach eigener Erziehung - selbst mit dreissig Jahren noch nicht Erwachsen fühlen. Wenn man da weiss, dass man nicht bereit ist, eine Verantwortung für ein Kind zu tragen, weil man noch am lernen ist, die eigene Verantwortung für SICH zu tragen, so ist die Entscheidung des "Nein's" eine sehr gute Entscheidung.
Hingegen kann sich die Entscheidung - zum richtigen Zeitpunkt - dann ja auch wieder ändern.

Auch ich kann noch immer Kinder kriegen. Mit meinen 42 Jährchen. - Tja, wer weiss?;-)

Sind nur so meine Gedanken zum Thema.
Bis späterchen, Ihr Lieben.
Es grüsst die "krasse" Brigitte

18.05.2003, 13:14
liebe gabi,

genau das ist es.man fühlt dich hilflos,man kann nichts machen und will irgendwann nur noch daß es endlich aufhört.man will daß dieser so sehr geliebt mensch nicht mehr so leiden muß.

wie oft habe ich genau diese gedanken in den letzten drei tagen gehabt.aber zuhause habe ich die natürlich nicht ausgesprochen.die familie hängt sich an jede minute.und ich will mich davon natürlich nicht ausnehmen.auch ich hänge mich an jeden noch so kleinen moment.denn so oft ich inzwischen denke und hoffe,daß meine schwester endlich "erlöst" wird...genauso oft denke und hoffe ich,daß sie "jetzt" noch nicht gehen muß.daß ich sie jetzt noch nicht verliere.
hmm..das sind heute ziemlich wirre gedanken von mir :-(

gruß von hilde

18.05.2003, 15:46
Liebe Hilde,

Deine Gedanken sind nicht "wirre"! Es ist dieser Zwiespalt der Gefühle - und ich denke, dass wohl jeder in dieser Situation so empfindet. Bist Du Dir eigentlich sicher, dass Du die einzige in Deiner Familie bist, die so fühlt? Könnte es nicht sein, dass die anderen genauso denken und fühlen wie Du? Es genau aus den gleichen Gründen wie Du aber auch nicht aussprechen? Wäre es dann ggf. nicht viel besser, wenn einer (Du?) mal den Anfang machen würde, damit ihr Euch gegenseitig trösten und stützen könntet?

Liebe Hilde, komm her, wann immer Dir danach ist - und lass Deinen "wirren" ( ;-) ) Gedanken freien Lauf, mach Dir Luft, so oft Du es brauchst.
Ich nehme Dich jetzt einfach mal ganz lieb in die Arme und drücke Dich..... Liebe Grüsse
Gabi

18.05.2003, 17:19
Hallo Susy,
ich würde sagen, man kann einen Menschen nicht mit einem anderen aufwiegen. Wenn jemand stirbt, wird eben DIESE Person fehlen, egal, in welchem Alter sie ist. Es hängt nun auch noch davon ab, welches Verhältnis man zu dieser Person hatte, wie nahe sie einem stand.Wenn ich jetzt sage, eine Mutter z.B.!!!! hat man nur ein Mal. Sie kann nicht wirklich ersetzt werden, aber einen Mann kann man wieder finden, viele tauschen den Partner heutzutage einfach aus.
Nun fallen vielleicht gleich alle über mich ehr.. Das sind nur meine Gedanken. Gedanken, die ich AUCH habe. Aber wie gesagt, wie sehr jemand einen Menschen vermisst, das hängt auch von anderen Faktoren ab.
Dass Eltern im Normalfall vor ihren Kindern "gehen", das weiß man. Das ist eben einfach so. Und trotz dieses Wissens und trotz dieser Tatsache, die man im Grunde genommen theoretisch einsieht, ist der Schmerz groß, möchte man es nicht wahr haben, wenn es dann so weit ist.
Die meisten wollen ihre Eltern auch noch nicht verlieren, wenn diese 90 sind und ein erfülltes Leben hatten. Wer will schon jemand hergeben, den er liebt?!
Ich verstehe von der Sache her deine Gedanken. Sie sind brutal, aber sie sind auch ehrlich und aus der Überlegung her, dass jeder alte Mensch mal stirbt, auch nicht so verkehrt.
Ob du auch so denken würdest, hättest du deine Eltern nicht mehr, das weißt du sicher nicht.
Es ungerechter und schlimmer zu empfinden, wenn ein jüngerer Mensch, der einem nahe steht, oder wenn gar ein Kind geht, was sein Leben noch nicht einmal gelebt hat, das erscheint mir also einfach normal.
Wenn du, meine Mutter hat Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium, mich jetzt fragen würdest, ob ich es weniger schlimm sehe, dass meine Mutter 74 ist, weil ich ja einsehe und weiß, meine Eltern sterben irgendwann einmal, und ich werde das höchstwahrscheinlich miterleben... dann sage ich ja und nein. Das eine ist die Theorie, das andere die Praxis. Weil ich antürlich meine Mutter auch noch nicht hergeben will, das aber sicher auch in 20 Jahren nicht anders sehen würde.
Aber ich fidne es schon schlimmer vond er Sache her, wenn ich hier lese, dass viele schon ganz jung gestorben oder Krebskrank sind oder aber um einiges jünger als meine Mutti.
Hoffentlich habe ich nicht zu verworren geschrieben, bin in Eile, meine Mutter ruft nach mir!
Viele grüße!

Mail von mir erhalten, Brigitte`???

18.05.2003, 21:59
liebe gabi aus b

ich bin mir manchmal fast sicher daß viele aus der direkten verwandschaft so ähnliche gedanken haben wie ich...ich habe eben lange mit meinem schwager in der kh-kaffeeteria gesessen und geredet...heute abend geht es ihm wie mir manchmal..oder auch oft...das leiden ist unmenschlich...ihre qualen höllisch und die möglichkeiten der ärzte begrenzt...zu hohe schmerzmitteldosen sind gegen das gesetz...die vorschriften..grrr...sie muß diese höllenschmerzen aushalten und wir können nur dabei stehen..ihre hand halten...mehr nicht...da wäre es besser sie könnte einschlafen....nicht für uns besser oh nein...sondern für meine schwester...ich glaube die einzige die heute nicht diese schlimmen gedanken hat ist meine kleine nichte...wie auch...sie von so situationen bewußt verschont...wir haben sie heute extra nicht mit ins kh genommen...sie hofft als einzige noch daß ihre mama wieder gesund wird...obwohl sie die warheit weiß..aber kinder verlieren niemals den glaubenan ein wunder..sie geben die hoffnung niemals auf...drum haben sie auch nicht diese schlimmen gedanken wie wir erwachsenen...manchmal beneide ich die kleine so sehr...um ihre ungezwungene art an wunder glauben zu können...
im moment geht es mir echt so...ich hoffe meine schwester muß nicht noch so einen tag durchstehen..und gleichzeitig hoffe ich daß sie morgen noch bei uns ist..und übermorgen usw...das reinste gefühlschaos mal wieder...fürchterlich.
so jetzt habe ich mal wieder alles von mir geschrieben..besser gesagt einen teil der mich gerade sehr beschäftigt/belastet

lieben dank fürs zulesen...verstehen...drücken

hilde

18.05.2003, 22:31
Ja, liebe Hilde,

den kindlichen Glauben an ein Wunder, diese Art von "Selbstschutz", haben wir als Erwachsene (leider) nicht mehr. Wir sind gezwungen, den Tatsachen ins Auge zu sehen und müssen irgendwie damit fertig werden. Nichts ist schlimmer, als einen geliebten Menschen leiden zu sehen und nicht helfen zu können, ausser für ihn da zu sein...

Ich weiß, was Du durchmachst und bin in Gedanken bei Dir, versuche Dir Kraft zu senden..... und ganz viele http://www.websmileys.de/liebe43.gif . Liebe Grüsse von
Gabi

18.05.2003, 23:09
Hallöchen Ihr Lieben,

hallo Hilde, ich weiss jetzt nicht, ob Du schon die ersten Seiten dieses Threads gelesen hast? Da war ja genau jener Gedanke da, den Du jetzt hast. Dieses Gefühl von "schlechtem Gewissen", weil man will, dass der liebe kranke und so leidende Mensch doch besser sterben soll, aber ... andererseits will man ja nicht, dass er stirbt.

Weisst Du, dass ich als Krebsbetroffene es lieber hätte, dass - sollte ich mal SO sehr wegen meinem Krebs leiden - mich Menschen wie Du mit Deinem Gedanken eher trösten, als jene, ... die mich um jeden PREIS am Leben erhalten wollen?
Ich weiss, das ist Ansichtssache und jeder denkt da anders darüber, aber ich wollte Dir diese Seite gerne noch aufzeigen, weil sie halt von mir als Krebsbetroffene kommt. - So sehr zu leiden, dass es unerträglich wird (auch für die Angehörigen) ist eine sehr grosse Belastung für alle Seiten. Der Gedanke, dass man hier am liebsten eine "Erlösung" hätte, ist verständlich, und wer weiss, für den Krebspatienten ist dieser Gedanke ja vielleicht auch da.
Natürlich möchten Angehörige auch von dem eigenen Leid, nämlich dem Anblick über das Leid des anderen, ebenfalls erlöst werden, aber ich denke, das ist eben AUCH verständlich, denn es zeigt ja nur, wie viel Anteilnahme da gebracht und gezeigt wird.
Also belaste Dich nicht all zu sehr mit diesem Gedanken, Du brauchst deswegen bestimmt kein schlechtes Gewissen zu haben, gell? Ich schätze und bewundere Deine Begleitung, Deine Anteilnahme und Dein Mitgefühl. Aus Dir spricht Liebe, das merkt man.
Ich drück Dich ganz fest und wünsche Deiner Schwester das Allerbeste, ohne Leid und ohne Schmerz.

Hallo Biggy, ja, hab' Deine Mail bekommen, werde Dir bald ein paar "Schreib-Zeilen" senden. ;-)
Du hast in Deinem Eintrag oben das "Alter" des Menschen erwähnt, gell, und egal ob Theorie oder Praxis, so stimmt es schon so.
Wo ich beispielsweise auf der einen Seite finde, mit meinen 42 Jährchen ist es zu früh, um schon Krebs zu kriegen, ist es eben auf der anderen Seite eben auch wieder recht spät.
Betrachte ich Kinder, so finde ich, dass DIESE doch viel zu jung für so eine schlimme Krankheit sind. Und für Kinder bin ICH ja schon sehr alt.
Hingegen hatte mich bei meinem letzten Klinikaufenthalt eine über 70jährige Frau (mit Magenkrebs) voller Mitleid angesehen und mir gesagt: "Aber SIE sind doch noch soooo jung für Krebs!"
Tja?

Ich drück Dich auch und grüssele Deine Mutter von mir, ja?

Gut's Nächtle, Ihr Lieben.
Die "krasse" Brigitte

19.05.2003, 01:31
liebe brigitte

lieben dank für deine zeilen.genau DAS ist es was meine schwester auch immer zu mir gesagt hat...worum sie mich immer angefleht hat:keine unnötige lebensverlängerung,keine verlängerung ihres leidens,keine verlängerung der qualen wenn diese unerträglich werden.ich respektiere ihren wunsch und ich habe ihr versprochen,daß ich mein bestes geben werde um ihr unnötige schmerzen zu ersparen.ja,und jetzt kann ich es ihr nicht ersparen...oder besser gesagt ich kann es ihr nicht abnehmen,ich kann sie nicht davon befreien.wie schon geschrieben es ist dieses fürchterliche hin-und hergerissensein.sie so leiden zu sehen wie die letzten beiden tage geht mir/uns allen an die nieren und der wunsch,daß sie doch ENDLICH gehen darf...daß sie endlich erlöst wird,,,daß sie ihren verdienten frieden bekommt und findet...dieser wunsch ist im moment unsagbar groß.aber gleichzeitig ist diese angst da...die angst vor dem moment wenn sie geht...die angst vor der zeit "danach"...die "neue" zeit...das andere leben...ein leben ohne sie.ja,diese angst ist fast genauso groß.
ich möchte sie endlich gehen lassen können und kann es doch nicht wirklich.aber diese unnötigen qualen hat kein mensch,aber wirklich auch "niemand" verdient.
ich drücke dich auch ganz fest und wünsche dir nur das allerbeste...von ganzem herzen!!!
lg,hilde

19.05.2003, 07:46
Ihr Lieben alle,
liebe Brigitte, vielen Dank für Deine Worte zum Thema Kinder. Du hast nochmal genau das ausgedrückt, was ich meine. Auch was das Thema Mißbrauch und "Sich noch nicht erwachsen fühlen" betrifft. Ich stecke halt immer noch oft in schweren Phasen, in denen ich meine ganze Energie und Kraft in mich investieren muss. Das ist für Kinder meiner Meinung nach auch nicht zumutbar. Man sollte schon einigermaßen mit sich im Klaren sein. So sehe ich das. Übrigens, Brigitte, meine Schwester hat auch keine Kinder. Obwohl sie eigentlich immer welche wollte, aber immer mit Männern zusammen war, die keine Verantwortung übernehmen wollten und die Beziehungen dann nach einiger Zeit zerbrachen. Ja, das Unbewußte. Was es uns damit wohl sagen will...

Liebe Kerstin, ich finde es gut, wenn man trotz der Ängste, die sicher jede werdende Mutter hat, auf das "Abenteuer" Kinder einlassen kann. Ich bewundere alle Frauen, die das schaffen. Sicher macht man auch Fehler, Eltern sind ja auch "nur" Menschen. Aber es gibt eben Fehler, mit denen man dann auch umgehen kann aber leider auch Verbrechen, die man an seinen Kindern verübt und die bewußt geschehen. Wie eben in meinem Fall. Das begleitet einen dann das ganze Leben, mal weniger mal mehr.

So, ich muss jetzt gleich arbeiten. Wünsch euch allen einen schönen Tag.
Liebe Grüße an euch alle hier,
Conny

Biggy44
19.05.2003, 14:36
Oh ja Hilde, ich verstehe dich auch sehr sehr gut.
Wenn ich meine Mutti sehe...wie elend sie aussieht, wenn sie vor Schmerzen jammert, weint, sie will nicht mehr leben, warum Gott sie so quält, wenn ich merke, wie sehr sie das Sprechen anstrengt manchmal... dann denke ich: Welchen Sinn hat das alles noch, diese Quälerei, ich ertrage das auch nicht mehr lange und warum muss sie sich so quälen. Eigentlich hat alles immer einen Sinn, manchmal erkennt man ihn nur nicht oder erst später. Hier sehe ich keinen.
Aber wenn es ihr dann einw enig besser geht, dann bin ich erleichtert, dass sie noch lebt, dann hoffe ich, ein klein wenig könnte es doch noch bergauf gehen.. dabei bin ich meist ein absoluter Pessimist. Ich habe Angst, sie lange und noch schlimemr leiden zu sehen, aber ich habe ebensolche Angst, sie zu verlieren.
Wenn nur noch Schmerzen sind, es sich nur noch hinauszögert, dann ist es aber sicher der bessere Wunsch, den Menschen gehen zu lassen, aus Liebe...

Hallo Brigitte!
OK ich warte auf dein Zeichen per mail. :-)
Das stimmt schon, wie du schreibst. Für Jugendliche ist eine 30jährige " die Alte" :-).
Wenn ein Kind stirbt, dann hat es noch nichts vom Leben gehabt, es durfte so viel nicht tun und erleben, ausprobieren... Eine 40jährige hat schon etwas vom Leben gehabt. Aber auch eine 40jährige ist zu jung, um zu gehen, und das nicht nur in den Augen einer 80jährigen, denke ich.
Weil es im Grunde genommen normal sit, mit Mitte 70 zu sterben, auch wenn viele Menschen immer älter werden, ist es doch ein Alter, wo das eher dazu gehört. Du bist in der Blüte deines Lebens, in der Mitte erst und das ist immer zu jung, gleich aus welcher Sicht.
Ob es als Trost hilft, wenn man sich bewusst macht, dass jemand der über 70 Jahre alt geworden ist und dann geht, sein Leben im Prinzip ja gelebt hat, wo doch andere so jung schon sterben müssen, das weiß ich nicht... Ich denke es ist immer schlimm, wenn jemand geht, weil man den Partner, die Eltern, die Geschwister auch mit 80 am liebsten noch nicht verlieren möchte.
Man kann das halt von zwei Seiten betrachten. Ich bin ein Mensch, dem es zwar theoretisch gelingt das einzusehen, aber mit der Praxis hapert es, da ich ein sehr sehr emotionaler Mensch bin, der leicht aus den Schuhen kippt....
Aber natürlich finde ich es, als Außenstehende ohnehin, immer viel schlimmer, wenn ich in der Zeitung lese, dass ein kleines Kind gestorben ist oder jemand in meinem Alter, als wenn die Todesanzeigen das Geburtsjahr mit 1917 oder 1927 beziffern...

Grüße an alle!

19.05.2003, 22:16
Hallo Ihr Lieben,

Brigitte hat das ausgesprochen, was ich nur gedacht - aber nicht gewagt habe, es zu schreiben. Gerade bei Deinen Worten, liebe Hilde: "das leiden ist unmenschlich...ihre qualen höllisch und die möglichkeiten der ärzte begrenzt...zu hohe schmerzmitteldosen sind gegen das gesetz...die vorschriften.." - da musste ich an meinen Pa denken und an die glücklicherweise verständnisvollen Ärzte um ihn herum. Pa hatte sich zum Schluß auch so gequält, die Ärztin kam und gab ihm eine Spritze - innerhalb weniger Minuten ist er friedlich eingeschlafen..... Meine Ma und ich waren - bei allem Schmerz, dass wir ihn "verloren" hatten - so froh darüber!

Danach hatten Ma und ich uns sehr oft darüber unterhalten, was wir "im Fall der Fälle" möchten oder auch nicht möchten. Meine Ma hatte eine Patienten-Verfügung unterschrieben und mich als ihren Patienten-Anwalt eingesetzt. Ich wusste genau, was ich zu tun hatte, als es bei ihr so weit war - und habe mich daran gehalten, auch wenn ich mit den Ärzten manchmal diskutieren musste und es mir nicht gerade leicht gefallen ist. Es war schliesslich in IHREM SINNE.

Ich (als ebenfalls Krebsbetroffene) habe wiederum viele Gespräche mit meiner Freundin geführt, die mein Patienten-Anwalt sein wird. ICH möchte auch keine lebensverlängernden Maßnahmen, wenn keine Aussicht auf Heilung besteht. Ich möchte in diesem Fall, dass mir nur meine Schmerzen genommen werden und nehme bei einer evtl. Überdosierung den Tod billigend in Kauf (so steht es in der Patienten-Verfügung). Damit befreie ich die Ärzte von Ihren Vorschriften und zwinge sie, meine Wünsche zu berücksichtigen. Wenn sie das trotzdem nicht tun wollen, droht ihnen eine Klage auf Körperverletzung. Das würde dann die DGHS (Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben e.V.) in die Wege leiten, da ich dort Mitglied bin.

Leider wissen viel zu wenig Menschen von diesen Möglichkeiten, oder machen sich erst zu spät Gedanken darüber. Wenn ihr dazu noch Fragen haben solltet, beantworte ich sie gerne.

Uff, schwere Gedanken zur Nacht....
Viele Grüsse an Euch alle und ganz liebe "drücker" http://www.websmileys.de/liebe43.gif von
Gabi

20.05.2003, 22:50
Hallo Ihr Lieben,
konnte ein paar Tage nicht schreiben, weil mein Mann den Pc umgebaut hat. Dafür ist er jetzt viel schneller ;-).
Ihr wart ja ganz schön fleißig. Mußte jetzt ganz schön lange lesen um wieder auf dem neusten Stand zu sein.

Liebe Hilde,
kann dich gut verstehn, bin auch Krankenschwester und haben schon ganz viele Patienten bis zu Schluß begleitet. Auch wenn mir das schon immer sehr nahe ging, Patienten sind nochmal etwas ganz anderes wie wenn es die eigene Familie betrifft. Vorallem wenn es dann auch noch die kleine Schwester ist.
Ich schicke dir ganz viel Kraft und wünsche euch, das ihr es bald überstanden habt und sie nicht mehr leiden muß.

Liebe Brigitte,
deine "Ich´s" haben mir auch ganz schön zu denken gegeben und wenn ich ehrlich bin, knabber ich da immer noch dran. Die Sache hat bei uns nur einen kleinen Hacken: Bei meiner Ma ist das schon immer so. Sie kann wunderbar austeilen, aber kein bischen selber einstecken! Es wird dann auch einfach nicht mehr davon geredet und wenn man es doch versucht blockt sie total ab oder man hat gleich den nächsten Krach.
Ich versuch mich jetzt einfach ein bischen zurück zu nehmen und vielleicht auch nicht mehr ganz soviel Gefühl zu investieren (soweit das geht :-().
Merke einfach das ich sonst an meine Grenzen komme. Da sind ja auch noch meine Schwiegereltern. Meinem Schwiegervater geht es ja auch ganz schlecht. Da brauch ich ja auch Kraft um für sie und auch für meinen Mann da zu sein. Er unterstützt mich ja auch wo es nur geht.
Dann sind da noch meine 3 Kids die ihre Mama ja auch brauchen. Grad an der Kleinen (sie ist erst 2 1/2) merk ich doch sehr, wie auch die Kinder leiden. Sie hängt wie eine Klette an mir und macht nichts mehr ohne mich.

Morgen fahren wir nach Hammelburg zu Opa. Mal sehn, wenn Oma mich läßt, bleib ich ein paar Tage bei ihnen und löse sie etwas ab. Sie ist jetzt schon eine Woche dort und ich merke halt das sie ziemlich fertig ist.

Liebe Gabi,
die Patienten-Verfügung ist wirklich eine gute Sache. Meine Ma hat bei ihrem Hausarzt auch eine hinterlegt, weil sie nicht an Apparate angeschlossen werden will und so.
Werde bei Gelegenheit auch mal mit meiner Schwiegermutter reden ob Opa sowas schon hat.

So, jetzt muß ich aber Schluß machen, muß noch ein paar Sachen für morgen zusammen packen.
Liebe Grüße an euch alle
Christel

20.05.2003, 23:35
Hallöchen Ihr,
bin leider ein bisschen im Stress, aber ich will trotzdem noch ein paar Zeilen hier schreiben.

Hi Biggy (ich melde mich noch per Mail bei Dir, gell, bin halt gerade im Stretsch! - Ist es überhaupt okay für Dich im Moment? Du sagst es mir, ja?)

Du hast geschrieben:
"Ich denke es ist immer schlimm, wenn jemand geht, weil man den Partner, die Eltern, die Geschwister auch mit 80 am liebsten noch nicht verlieren möchte."
Ja, das stimmt. Und es ist auch für jeden Menschen IMMER schlimm wenn, WENN er Krebs bekommt.
Aber das "ICH" mit Krebs (jetzt komm ich wieder mit den ICHs) guckt ja SICH an. Es guckt sich an und zählt sein Alter. Es guckt nach vorne, wo ältere Menschen sind, und es guckt zurück, wo jüngere Menschen sind. Und SO gesehen kann das ICH je nach dem ein bisschen besser die Krankheit akzeptieren. Weisst Du, wie ich meine?

Also bei mir hat's auch eine ganz Weile gedauert, (und ich bin noch immer am kämpfen und akzeptieren lernen), aber so einigermassen KANN ich akzeptieren, dass ich - vielleicht - ein kürzeres Leben habe. Das heisst also, ich kann sagen, okay, da hab' ich ja schon eine Menge durchgemacht, durchgelebt, ... ich hatte eine Menge Chancen im Leben UM zu leben, (was ein Kind eben NICHT hat), also: Okay!
Genau so kann auch jemand dieses "Akzeptieren" haben, wenn er bereits im Pensionsalter ist.
Das ist ja eigentlich nichts schlimmes, sondern es ist nur eine Akzeptanz über das Leben und wie es halt so kommt im eigenen Leben.
Aber das heisst ja nicht, dass man sterben WILL, egal wie alt man ist. Man kämpft da trotzdem ganz wild dagegen. - Eigentlich interessant, gell? Wie wir alle doch so am Leben hängen!

Hi liebe Christel, Du knabberst noch an den ICHs? Was gibt Dir denn so zu knabbern? Das ICH Deiner Ma? Weil sie gut austeilen, aber schlecht selber einstecken kann?
Da muss ich jetzt ehrlich zugeben: Mit Krebs kann man nur SEHR SCHLECHT was einstecken! (Jedenfalls am Anfang oder während man noch immer am verarbeiten ist.)
Damit will ich Krebspatienten nicht für alles entschuldigen oder sie als Heilige sehen, aber ... es IST schwer, mit Krebs auch noch alles weitere einstecken zu müssen, ehrlich!
Der Krebs "umschwirrt" das ICH so heftig, dass alles andere, was man einstecken muss, nur noch INTENSIVER ist. - Tja, und je MEHR man zum Krebs AUCH noch einstecken muss, ... um so mehr teilt man selber wieder den anderen aus. (O ja, ich kenne das! Grins!)

Hi liebe Gabi, ich will Dich auch noch lieb grüssen, ich melde mich später wieder, ja? (Morgen ist wieder Bademeister-Tag, Du weisst schon ...!)

Liebe Grüsse an Euch alle und eine dicke Umarmung
von der "krassen" Brigitte

Biggy44
21.05.2003, 15:01
Hi Brigitte,
ja klar, schreibe mir, wenn du zeit und Muße dafür hast. Ist schon okay, wenn ich nicht antworten kann oder möchte, dann teile ich dir das schon mit... Es ist auch Abwechslung, ich kann mich ja nicht nur mit meiner Mutter und der Sache beschäftigen.Ich tus ja ohnehin fast ständig...
Ja wenn du das aus dem Blickwinkel betrachtest mit dem Alter und der Krankheit, dann hast du recht. Es ist bewundernswert, wenn du das so sehen kannst. Ich habe es eher als Außenstehende und allgemein betrachtet. Trotzdem ist 40 noch jung, viel zu jung... Aber du schaffst das schon, ich wünsch's dir...
Bis bald
Biggy

22.05.2003, 14:15
Hallo Christel,
hast Du für Dich selbst auch schon an eine Patienten-Verfügung gedacht? Theoretisch kann doch schließlich jedem Menschen jeden Tag etwas passieren, auch wenn man noch so "gesund" ist (Autounfall, Dachziegel auf Kopf, etc.). Meinen Freundeskreis habe ich auch schon motiviert, beizeiten darüber nachzudenken. Einige machen sich auch tatsächlich Gedanken und waren eigentlich sogar froh über meine "Anregung".

Hi, liebe Brigitte,
hatte schon befürchtet, dass Dein "Leih-Puter" nun auch wieder vom Blitz getroffen wurde. Bin schon gespannt auf das aktuelle "Bademeister-Drama" - oder wird es diesmal eine Komödie, vielleicht sogar eine erotische ....???

Hallo Biggy,
das mit dem Alter und der Krankheit sehe ich genauso wie Brigitte. Wenn ich kleine, an Krebs erkrankte Kinder sehe, bin ich immer wieder froh, dass es mich erst so "spät" erwischt hat, dass ich so "lange" verschont geblieben bin. Klar, ich bin auch manchmal traurig, wenn ich Leute so um die 80 sehe und daran denke, dass mein Pa nur 63 und meine Ma nur 65 werden durften ... und ich vermutlich auch nicht viel älter werde (wenn überhaupt so "alt") als meine Eltern. Dann hole ich mir immer wieder die "kleinen armen Mäuse" vor Augen - ist halt immer alles relativ.

Liebe Grüsse und Umarmungen an alle - von
Gabi

23.05.2003, 10:07
Hallöchen Ihr,
hab leider nicht so viel Zeit, aber ... liebe Gabi, Dir möcht ich doch noch schnell erzählen, was es Neues in Sachen Bademeister gibt:

Diesmal war's einer mit einem netten Schnurrbart. Da ich jeweils immer nur den Kopf der Bademeister im Glashäuschen erkennen kann, kann ich leider nicht beurteilen, ob die Männer da auch schöne Waschbrettbäuche haben. Tjaaaa?
Also dieser hier, mit dem netten Schnurrbart, ... hat GESCHRIEBEN und gleichzeitig telefoniert!
Ah, eine neue Tätigkeits-Variante eines Bademeisters, gell?
Immerhin: Als er telefoniert hat, guckte der doch ENDLICH mal zum Wasserbecken hin! Zu MIR!
Hihi, ich konnte mir ein symphatisches Lächeln NICHT verkneifen! (Naja, nach SECHS Bademeister, die mich einfach ignoriert haben?) Lach!

Bis späterchen, ich habe dieses Wochenende mein Mal-Studium.
Es grüsselet ganz lieb
die "krasse" Brigitte

23.05.2003, 18:36
Hi, liebe Brigitte,

ist ja WAHNSINN - die Bademeister-Erfolgsquote ist somit zumindest ein wenig gestiegen (lach!). Der Schnurrbart scheint echt intelligenter als die anderen zu sein - hat er denn wenigstens zurück gelächelt - oder ist DAS jetzt schon wieder zuviel verlangt (grins) ?

Vielleicht tut sich ja was an dem Mal-Studium-Wochenende (nettes Modell?), für das ich Dir viel Spass und Erfolg wünsche! Hoffentlich bis bald - liebe Grüsse von
Gabi

23.05.2003, 23:56
Hallo Brigitte,
ich glaub irgendwie hast du mich nicht so ganz verstanden. Ich hab damit nicht gemeint daß sie jetzt auch noch "einstecken" muß. Ist mir schon klar, das das in ihrem Zustand nicht einfach ist.
Aber wenn sie uns wegen irgendwelchen Kleinigkeiten anmeckert und du ihr nichts, aber auch gar nichts recht machen kannst und dir dann auch mal ne passende Antwort rausrutscht, sollte sie das meiner Meinung nach auch verstehen, oder akzeptieren oder eben auch einstecken können. Wir schlucken schon sooooo viel runter, gerade weil wir wissen, sie ist diejenige die Krebs hat! Sie ist diejenige die am meisten zu leiden hat!
Obwohl ich finde, als Angehörige leidet man ja auch mit. Und wenn ich dann meinen Vater sehe, wie er dagessesen hat und geweint hat, dann sehe ich halt auch sein "Ich", das unsagbar leidet. Sein "Ich" muß auch damit leben, vielleicht bald alleine zu sein. Wenn ich dann sehe, er reißt sich bald ein Bein aus um ihr alles recht zu machen. Er springt, kaum das sie gerufen hat. Und ich kann dir sagen, sie hält ihn ganz schön auf Trab! Wenn er dann auch noch wegen Kleinigkeiten angemeckert wird, ich kann dir sagen, daß tut mir sooooooo weh! Er schluckt alles runter, er sagt eigentlich nie etwas, egal wie unfair er manchmal behandelt wird. Er sagt, er muß halt schlucken, sie ist ja die Kranke. Aber wie lange kann er das mitmachen? Hab Angst, daß er daran zugrunde geht.
Mein Nervenkostüm ist halt im Moment auch nicht grade das allerbeste, durch die Situation bei meinem Schwiegervater. Irgendwie steht es in den letzen zwei Wochen ständig auf der Kippe. Da denke ich, könnte ich doch auch ein klein wenig Verständniß von ihr erwarten.
Im Moment ist es sowieso wieder, als wäre nichts gewesen. Wie halt früher auch schon immer. Erst ein Riesen-Streit meist wegen Kleinigkeiten. Und ich kann euch sagen ich weiß manchmal zuhause schon nicht mehr was eigentlich der Auslöser war. Ich sitz dann da und überlege, hab Schuldgefühle, weil ich den Streit ja eigentlich auch nicht wollte. Sie ist dann ne zeitlang beleidigt, weil sie ja keine Schuld hat und dann wird nicht mehr darüber geredet. Es wird einfach so getan, als wäre nichts gewesen. Das ist das, was mir am meisten zu schaffen macht. Es wird nichts geklärt, es bleibt irgendwie alles offen. Das einzige was immer bleibt, ist ein ungutes Gefühl, zumindest bei mir. Ich hab dann Tage, da geh ich dann so ungern und nur meinem Vater zuliebe hin.
Weiß auch nicht, ob ich das jetzt so richtig erklären konnte, und ob ihr versteht wie ichs meine...
Eigentlich hätt ich sooooo gern ne richtig schöne Mutter-Tochter-Beziehung, oder wenigstens sowas wie ne Freundin. Aber langsam glaub ich das wird ein Wunschtraum bleiben.
Liebe Grüße
Christel

24.05.2003, 00:01
Hallo Gabi,
ich hab schon seit fast 20 Jahren einen Organspender-Ausweiß. Ich denke das ist fast genauso gut. Aber es ist richtig, je früher man sich auch über solche Dinge informiert, desto besser.
Lieb Grüße
Christel

24.05.2003, 11:04
Hallo Christel,

so eine richtig schöne Mutter-Tochter-Beziehung hatte ich mir auch immer gewünscht, und noch mehr eine "Mutter-und-Tochter= Freundinnen"-Beziehung. Es ging nicht, da meine Ma eben eine ganz andere Vorstellung davon hatte. Erst nachdem Pa nicht mehr war und Ma (als es ihr schlechter ging) nur noch auf mich angewiesen war, hatten wir es geschafft, uns wieder "anzunähern". Ich kann mir daher ganz gut vorstellen, wie es Dir diesbezüglich geht.
Meiner Ma konnte ich auch nie was recht machen (ausser ganz zum Schluss, da war sie froh, dass sie mich hatte) und als es ihr gesundheitlich sehr schlecht ging, war sie oft sehr, sehr ungerecht, unleidlich, grantig, verletzend usw. Ich hatte in dieser Zeit viel "eingesteckt" und "geschluckt" - aber immer war mir das auch nicht möglich. Hin und wieder ist MEIN Unmut (über ihr Verhalten mir gegenüber) auch schon mal aus mir herausgerutscht. Es tat mir zwar dann auch gleich wieder leid - aber ich bin eben auch nur ein Mensch, mit Gefühlen und meinem ICH. Nun ja, sie hat sich dann eine Zeit lang in ihren "Schmollwinkel" verzogen und ist irgendwann wieder kommentarlos zur "Tagesordnung" übergegangen, als ob nix gewesen war. Ich denke, ganz tief in ihrem inneren wusste sie schon, dass sie sich manchmal nicht richtig verhalten hatte - aber DARÜBER reden oder DAS gar offen zugeben? Nein, diesen "inneren Schweinehund" konnte sie auch nicht bekämpfen. Vielleicht ist dieses "so zu tun als wäre nichts gewesen" einfach nur ihre Art der "Entschuldigung". Ich habe dann jedenfalls immer versucht, es so zu sehen.

Ja, der Organspende-Ausweis ist auch eine gute Sache. Dafür war ich auch immer - heute will nur keiner mehr meine (evtl. mit Krebs "verseuchten") Organe. Aber mit einer Patienten-Verfügung kann man das nicht vergleichen. Mit dem Organspende-Ausweis gibst Du ja nur zu verstehen, dass nach Deinem zweifelsfrei festgestellten Hirntod Organe entnommen werden dürfen. Mit der Patienten-Verfügung regelst Du hingegen, was VORHER mit Dir passieren soll oder eben auch nicht passieren soll - ob Du (auch unter fast aussichtslosen Umständen) an Maschinen angeschlossen bleiben möchtest, ob in jedem Fall eine Magensonde gelegt werden soll, etc. - oder ob Du lediglich möchtest, dass Dir die Schmerzen genommen werden und Du auf humane Art und Weise sterben kannst, wenn eine Heilung oder dauerhafte Verbesserung ausgeschlossen werden kann.

Liebe Grüsse und ein "streitloses" Wochenende...
Gabi

25.05.2003, 13:47
Hi Ihr Lieben,

hallo Christel, nein, ich hab' Dich schon richtig verstanden, und kann's auch nachvollziehen und verstehen.
Hm, wie soll ich's beschreiben, wie ich's meine?
Ich nehm' am besten mal MEIN Beispiel (lach!). Du denkst Dir ja bestimmt, dass ich bestimmt nicht grantig bin oder die ganze Zeit am meckern, gell? Oder dass mir nie was recht ist. Bestimmt nicht bei mir, oder?
Das stimmt eigentlich auch.
Aber ... es stimmt nicht, wenn ich mich persönlich mit meinem Krebs sehe, und was ICH da alles "einstecken" muss. Denn DA werd' ich grantig, da werd' ich ungemütlich für andere, da werd' ich gehässig und unzufrieden. NICHTS ist mir recht!
Und da kann ich nicht mal was dafür, denn ich seh' mein ICH ja als ICH. Da kommt alles von Aussen auf mich los, auf mich zu, konfrontiert mich, belastet mich, fordert und zwängt mich ein. Von den dauernden Arztbesuchen, den Ängsten, bis zu den immer gutgemeinten Ratschlägen meiner Leute (selbst manchmal auch die gutgemeinte Hilfe meiner Leute).
Und wenn ich mal grantig bin, dann darf ich nicht grantig sein, denn dann muss ich doch Verständnis für die anderen haben. Und wenn ich was fordere - WEIL ich Krebs habe - dann DARF ich NICHT fordern, denn man fordert einfach nicht so frech, wie ich es tue!
Dafür fordert alles um mich herum so manches von mir, nämlich jenes: Ich hab so zu sein wie früher, ich hab gefälligst nichts zu fordern (denn Gesunde dürfen schliesslich auch nicht MEHR fordern), ich hab zu lachen und nicht traurig zu sein, ich hab nicht zu schimpfen sondern zu akzeptieren, und ich ARME habe gefälligst zu tun, was andere mir sagen.

Das sind so ein bisschen die "Grund-Forderungen", die können natürlich jede mögliche Form und Art haben. Sei es z.B. auch nur die Forderung, dass ich "freundlich zu anderen" sein muss.
Jetzt KANN ich natürlich auf all diese Forderungen eingehen, oder sie tun, weil sie nicht mehr als richtig sind, (z.B. freundlich zu anderen sein), ... aber jedwelche NOCH so kleine Forderung (oder eben Erwartungshaltung) stresst mich zusätzlich! Wenn mir also jemand sagt: "Du bist so verdammt krass zu mir! Das hab ich nicht verdient!", dann muss ich dem zwar vielleicht recht geben, aber ... mein ICH hat Krebs und mein ICH nimmt sich dieses Recht, so zu sein, wie es will. Wenn es wütend ist, dann will es das auch SAGEN! Das ICH weiss nicht, wie lange es noch Zeit hat! Mein ICH steht unter einem Druck.

Weisst Du, wie ich meine? Mit Krebs ist einem oftmals schnell mal alles andere egal. Nein, nicht egal, aber es kommt erst später, oder an zweiter Stelle. Zuerst kommt das ICH. Das eigene RECHT. Man denkt: Wenn andere wegen mir jetzt Probleme haben, ist es IHR Problem, aber nicht meines. ICH hab Krebs, und das ist vorerst mal MEIN Problem. DAS gilt es zu lösen. (Oftmals gibt's da aber leider nicht viel zu lösen, und das macht einen dann nur um so wütender!)

Ich denke aber eigentlich gar nicht daran, dass andere "Probleme" wegen mir haben könnten, wenn ich mal grantig bin. Ich BIN's einfach. Und WENN ich's bin, kann ich keine Rücksicht auf andere nehmen, denn da bin ich so in mir selber verstrickt, in meiner Angst, in meiner Ohnmacht, ... dass ich mir eben das Recht nehme, grantig zu sein. Ich KANN gar nicht anders.
Manchmal tut's mir hinterher leid, manchmal auch nicht.

Das Grantig-Sein kommt aber wiederum auch wegen den vielen Forderungen.
Nicht nur wegen dem Krebs-Wissen, der Angst vor dem möglichen nahen eigenen Tod, dem Stress, ... diese Situation ist so schon erbärmlich und leidend genug, ... nein, da kommt noch hinzu, dass eben auf jedes Einmal-Grantig sein wieder eine neue Kritik von Aussen kommt, dann ist man selber wiederum grantig auf DIESE Kritik, und so läuft die Kette immer schön weiter. So ist man dann schnell mal IMMER grantig.

Damit meine ich jetzt nicht, dass man Krebspatienten wie ein rohes Ei behandeln soll, denn ein BISSCHEN können wir schon auch vertragen, hm-hm! Aber das alleinige RECHT, dass man grantig ist, dass man am schimpfen ist und einem nie was recht ist, das NIMMT man sich zwischendurch. Schliesslich hat man Krebs!
Dieses Recht, oder dieses Grundbedürfnis, welches ein Krebspatient hat, sollte man ihm gewähren lassen.

Jetzt kommt's natürlich darauf an, WAS man da als Krebspatient so schimpfend raus lässt.
Sind es persönliche Beleidigungen? Verletzungen?
Oder ist es bloss ein Gezeter über jede Kleinigkeit?
Oder ist es eine Nörgelei an anderen?
Oder ist es ein Geschimpfe, weil man keine Hilfe annehmen will?

Ich persönlich bin schnell mal am Nörgeln bei meinen lieben Leuten, wenn sie mir "Sprüche" sagen, die eigentlich gut gemeint sind.
Da braucht mir nur jemand zu sagen "Das wird schon wieder!",
da kommt gleich mein Contra: "Was weisst Du denn schon MEHR, als meine Ärzte?"
Und je nach dem fühlt sich derjenige verletzt, weil er mich doch eigentlich trösten wollte, aber mein TON in den Worten hat ihn geärgert. Also sagt er schnell mal: "Du solltest positiver denken!"
Und ich kontere wieder gehässig: "Das ändert auch nichts am Krebs!"
Und schon heisst's schnell mal: "Ja wenn Du SO denkst, musst Du Dich nicht wundern, wenn Du wieder mal Krebs kriegst!"

Sachlich gesehen, klingen diese Worte verständnisvoll, aber sie sind: Eine Forderung, positiv denken zu müssen. Und sie sind: Eine Angst-Drohung, denn wenn ich nicht das tue, was der andere sagt, wird DAS eintreffen, was der andere sagt. - Diese Worte sind MEHR Frechheit, als meine ursprünglich logische Antwort: "Was weisst Du denn schon MEHR als meine Ärzte?"
Reiner Kreislauf, denn auf solche Gespräche werde ich meist stinkewütend und werde dann selber sehr grantig.
Der andere aber, der Angehörige, weiss nicht mehr weiter, und denkt, er weiss mit meiner Grantigkeit nicht umzugehen. - Möglich, dass er hinter meinem Rücken mit anderen spricht und ihnen sagt: "Die Brigitte ist seit ihrem Krebs unausstehlich geworden!" ??

Man sitzt da als Krebsbetroffener drin, weiss genau, dass man da manchmal heftig übertreibt mit dem Grantig sein, aber man kann nicht anders, man will es auch nicht anders, und zudem hat man ja auch ein Recht dazu. Rücksicht auf andere nehmen ist oft sehr schwer, zumal in schweren Stunden oder am Anfang der Diagnose, wenn man unter Schock steht.
Da gibt's manchmal Momente in meinem Leben, wo ich mir denke: "Das hab ich nicht verdient, ich bin Krebspatientin!". Das können manchmal (grins!) die alltäglichsten Dinge sein, selbst das simple WARTEN im Wartezimmer einer Arztpraxis! Echt, da kann ich wütend werden! (Wo ich früher doch soooo ein geduldiger Mensch war!) Ich kann dann also so wütend werden, dass es mir völlig egal ist, wenn ich hinterher dem Arzt meine erfrischend krasse Meinung sage! (Wegen sowas Simplen!) Und diese "Beleidigung" meiner Person, WEIL ich so lange hab' warten müssen, geht mir dann zünftig nahe! Jede Stunde meines Lebens ist mir kostbar, und die will ich nicht mit der Warterei in einer Ärztepraxis verschleudern!
Hach! Da ist so eine Empfindlichkeit, ... die kann ich nur schwer beschreiben.
Jetzt kommt's natürlich darauf an, wie der Arzt auf mein Gezeter reagiert! (Somit geht die Geschichte ja weiter, hm?) Ärzte sind zwar in der Regel da "geschult" und wissen, wie sie auf sowas reagieren können, aber ... je nach dem kann so ein Arzt natürlich auch "negativ" darauf reagieren und mir sachlich sagen: "Sie sind jetzt halt empfindlich wegen Ihrem Krebs!"
Dieser Satz ist ja nicht gelogen, aber er ärgert mich MEHR (diesmal weil ich so als die ARME KRANKE behandelt werde), als wenn er einfach gesagt hätte: "Tschuldigen Sie, wir haben ein bisschen viel Betrieb im Moment!"


Kann ich Dir mit diesen Beispielen ein bisschen helfen, Christel? Ich möchte Dir ja nur die Empfindlichkeit eines Krebsbetroffenen aufzeigen, und vielleicht hilft es Dir, da ein bisschen tiefer rein zu blicken.
Ich will Deine Mutter nicht entschuldigen, WEIL sie so ist, aber ich kann's natürlich sehr gut verstehen. Und ich weiss auch, dass es für Dich nicht einfach ist, denn das ist ja eine ganz schön happige Belastung. Persönliche Vorwürfe und Verletzungen brauchst Du sicher nicht einfach zu "schlucken", aber alles, was Situationsbedingt ist und wo Deine Mutter dabei schimpft und unzufrieden ist, ... hat seine Gründe, und da kann sie nicht anders.

Dicke Drücker an Dich!

Ganz liebe Sonntags-Grüsse
von der "krassen" Brigitte

25.05.2003, 20:07
Hallo Gaby,
da haben wir ja einige Gemeinsamkeiten ;-).
Wenn ich hier so lese, bin ich ja nicht die einzige, die Probleme mit ihrer Mutter hat. Das beruhigt irgendwie auch schon wieder etwas. Wenn man sieht das es auch anderen so geht, sieht die Sache doch schon etwas anders aus.

Hallo Brigitte,
Danke für die Drücker, tun richtig gut!
Muß dir mal sagen, ich finde es richtig klasse, wie du hier versuchst alles zu erklären. Das hilft richtig gut.

Im Moment ist es bei uns richtig friedlich, es ist aber auch ziemlich viel passiert die letzten Tage. Leider nur Negatives :-(!
Der Vater meiner Mutter (also mein Opa) ist gestorben. Mir macht das zwar nicht so viel aus, weil wir eigentlich schon seit Jahren keinen Kontakt mehr hatten. Er hatte seit einigen Jahren kein Interesse an uns, nicht mal an seinen Ur-Enkelkindern.
Auch meine Mutter hatte nicht mehr viel Kontakt, war alles etwas schwierig, aber würde jetzt zu weit ausholen müssen um das zu erklären. Auf jeden Fall macht es ihr jetzt aber doch zu schaffen, daß sie ihn nicht mehr hat sehen können. Besonders ihre Geschwister machen ihr da ziemliche Vorwürfe, obwohl alle wissen, das es ein Ding der Unmöglichkeit war und auch jetzt ist, 300 Km zu fahren in ihrem Zustand.
Außerdem geht es meinem Schwiegervater immer schlechter. Letzten Donnerstag haben sie ihm noch die Gallen-Drainage gelegt. Da hieß es schon, wenn das wieder nicht klappt, können die Ärzte nichts mehr tun. Es hat zwar geklappt, aber leider arbeitet die Leber immer noch nicht wieder richtig. Die Leberwerte werden einfach nicht besser. Er schläft fast nur noch. Hat zwar den Vorteil, das er keine Schmerzen hat, aber...
Oma sitz den ganzen Tag bei ihm am Bett und ist bald am Ende ihrer Kräfte. Ich hatte ihr ja letzte Woche Mittwoch schon vorgeschlagen, mit meiner Kleinen ein paar Tage bei ihr zu bleiben um sie etwas zu entlasten oder einfach nur beizustehen. Leider hat sie es abgelehnt.
Am liebsten würde ich ins Auto steigen und hin fahren. So nach dem Motto, wenn ich da bin, wird sie mich schon nicht mehr wegschicken.
Mal sehn was sie heute Abend erzählt. Vielleicht mach ich das einfach.

Liebe Grüße
Christel

26.05.2003, 12:24
Hallo Ihr Lieben!

Brigitte Du erklärst uns immer sehr verständlich, WIE man sich mit Krebs fühlt und viele Dinge kann ich dann auch anders sehen, ich danke Dir sehr dafür!

Christel und Gabi, es tut irgendwie gut, wenn man weiß, man ist nicht alleine mit einer nicht so tollen Mutter-Tochterbeziehung.
Mein Mann und ich sind für ein paar Tage weggefahren und ich musste mir mehrmals am Tag sagen "nur keine Schuldgefühle" - aber ich kann und werde nicht alles schlucken, ich bin nicht verantwortlich für Muttis Krankheit, das sag ich mir auch hundertmal am Tag.
Es ist ok, wenn sie mich braucht und ich ihr helfen kann, ich weiß schon SIE hat Krebs und doch ist es manchmal so schwer die Krankheit als Ursache für diesen bestimmenden Ton, für dieses, nur mehr ICH bin wichtig zu sehen.
Vor allem wenn dann noch drei Geschwister da sind und hier die Beziehung doch um einiges inniger war - solange bis Mutti mich brauchte.
Ich hör lieber auf, bin vielleicht ungerecht oder ich hab eben schon wieder nur mein ICH im Kopf - ich weiß nicht!
Wünsche Euch allen einen schönen Tag!

26.05.2003, 18:22
Hallöchen Ihr Lieben,

ja, das ICH ist immer wichtig. Euer ICH als Angehörige, und das ICH der Krebsbetroffenen. Jetzt muss man halt schauen, welches ICH in grösserer Not ist, nicht wahr?

Kam da gestern Abend gerade so ein guter Film im TV mit der Merilyn Streep (schreibt man's so?). Habt Ihr ihn gesehen?
Die Streep spielte eine krebskranke Mutter. Der Mann war Literaturprofessor an der Uni, und die Tochter wollte Journalistin werden. Kaum war jedoch die Mutter krank, verlangte der Vater von der Tochter, dass diese sich um die Mutter kümmern sollte, weil er selber keine Zeit hätte (beruflich).
Die Tochter hatte jedoch ebenfalls gerade einen sehr wichtigen Job gefunden, welcher ihre ganze Zukunft entscheiden würde. - Aber der Mutter NICHT beizustehen, hätte sie - aus pflichtgefühlen - auch nicht gekonnt. Also fügte sie sich (widerwillig) dem Willen des Vaters und "begleitete" nun die Mutter.
Dabei war die Tochter jedoch sehr unzufrieden, denn für ihr ICH war es ihr auch wichtig, ihren Job richtig zu machen und ihre Zukunft zu sichern. Sie sass sozusagen zwischen "Liebe-Pflicht" für die Mutter und eigener "ICH-Lebens-Verantwortung". WAS war nun wichtiger?
Nun, jedenfalls hatte sich die Tochter da lange "durchgequält", ... bis sie am Ende jedoch eingesehen hatte, dass die eigene Familie, die eigenen Lieben, immer wichtiger sind als alles andere.

Manchmal, find ich, haben diese amerikanischen Filme auch ein bisschen einen kitschigen Touch, naja, doch immerhin war dies jetzt der erste Krebs-Film, den ich gesehen habe, wo das Problem der Angehörigen deutlich gezeigt wurde, nämlich das Problem des Umgangs mit so einer Krebssituation, und wie das ICH dabei hin und hergerissen wird.
Die Streep hingegen als krebskranke Mutter erschien mir während ihrer ganzen "gespielten" Krankheitszeit ein bisschen ZU fröhlich und aufgeweckt (okay, sie wollte halt so funktionieren wie früher und immer lachen, das gibt's ja auch), aber ... immerhin bekam sie gegen den Schluss ihren typischen Wutanfall (ähnlich wie ich's oben beschrieben habe), und da wurde das Ganze ein bisschen realistischer. - Für mich jedenfalls.

Nicht alle "Krebs-Filme" sind gut, manchmal wird gezeigt, wie jemand Krebs bekommt, aber der "Umgang" damit im Film erscheint mir oftmals unglaubwürdig. Manchmal hat man sogar den Eindruck, da wird NUR ignoriert und verdrängt, so als geschähe der Krebs nur am "Rande".
So gesehen war der gestrige Film also recht gut, finde ich.

Na, dies alles nur so nebenbei erwähnt.


Liebe Christel,
tja, auch Deine Mutter hat nur EINEN richtigen Vater, und wie immer auch ihr Verhältnis zu ihm gewesen ist, so würde sie sich halt doch gerne von ihm verabschieden können.
Jetzt geht's ihr aber auch noch selber schlecht, und dann kommen da noch Vorwürfe der Geschwister ("hättest du doch" und "warum hast du nicht"), so dass sie ganz verzweifelt sein muss. Da fühlt sie sich auch hin und her gerissen zwischen Verpflichtung und Vater-Liebe und eigenem Nicht-Können und eben Doch-Müssen.
Das darf man nicht unterschätzen, da ist Trauer und gleichzeitig Wut.
Hm, hast Du nichts, was Du ihr von ihrem eigenen Vater schenken könntest? Irgendwas Kleines, aber was Persönliches? Eine Uhr? Ein Notizbuch? Damit sie ... von ihm Abschied nehmen kann, wenn sie eh nicht so weit reisen kann?

Ich glaube, das ist sehr wichtig für sie im Moment. Zumindest wenn sie ihn lieb gehabt hat.
Jetzt ist sie selber hilflos, und KANN nichts tun. Sie KANN nicht handeln.
Hilf ihr zu handeln und frage sie, was sie tun möchte. Lasse es nicht zu, dass ihre Geschwister jetzt noch für zusätzliche Schuldgefühle bei ihr sorgen. Das ist brutal.

Ja ich weiss, es kommt immer alles faustdick zusammen. Ich finde es sehr schön von Dir, dass Du auch Deine Oma entlasten willst wegen des Schwiegervaters, ... aber versuch zwischendurch auch ein bisschen Pause für Dich zu machen, gell?


Hallo liebe Burgi,
na, da bin ich froh, bist Du ein bisschen weg gefahren. Hast Du Dich ein bisschen erholen können? Ohne Schuldgefühle? ;-)
Wer hat denn jetzt während dieser Zeit Deine Mutter begleitet? Jemand von Deinen Geschwistern?

Du brauchst Dir das übrigens nicht hundertmal am Tag zu sagen, dass Du NICHT verantwortlich für Deine Mutter bist, denn ... Du BIST es nicht! Das einzige, was Du tun kannst, das ist Hilfe und Begleitung, und diese sollte eigentlich von Dir selber aus kommen, hm?
Weisst Du, wenn mir jemand sagt, er sei "verantwortlich" für mich, WEIL ich Krebs habe (egal, ob das jetzt mein Vater oder meine Schwester wäre), so würde ich ihm sofort sagen: "Ich bin für mich selber verantwortlich! - Aber wenn Du mir helfen willst und mich begleiten willst, so nehme ich Deine hilfreiche Hand gerne an!" - Das ist ein Unterschied, hm-hm! Alles andere klingt irgendwie nach "Geschäft"!

- Tschuldige, ich glaube, jetzt war ich ein bisschen krass. - Naja, Krebs-Krass eben! ;-)

Guck nicht auf Deine Geschwister, Du steckst da noch immer im Liebes-Neid-Kampf mit ihnen. DU bist DU, Burgi, und DU bist was ganz Besonderes! Echt! Merkst Du's nicht? Drei Geschwister gegen EINE BESONDERE! Yeah, sei stolz auf Dich! :-)

Ich grüssele Euch ganz lieb und sende Euch eine gaaaaaanz dicke Umärmelung.
Die "krasse" Brigitte

27.05.2003, 12:16
Brigitte, Du bist spitze!!
Burgi, ich kann mich Brigittes Worten nur anschließen. Würde mich auch interessieren, wie es Dir ging, als Du weggefahren bist. Konntest Du die Zeit mit Deinem Mann genießen? Ich denke, Du hast ein weiteres Schrittchen geschafft. Kompliment.

Ganz liebe Grüße,
Conny

27.05.2003, 14:52
Hallo Brigitte, hallo Conny und alle anderen Lieben!

Ja, die Streep die war fast bis zum Ende des Films für mich viel zu kitschig, da hast recht, denn im Leben spielt das anders und erst zum Ende dachte auch ich, dass es realistisch wird.
Und wie immer hast Du Deine krassen Worte losgelassen und wie immer die Tatsachen hergeknallt.
Jedesmal wenn ich so die Wahrheit höre mit wer ist in größerer Not, das ICH, oder das DU . .Du HAST recht, es ist bei mir eben das DU . .sag mal musst immer das letzte Wort haben??:-)
Ja, ich habe mich erholen können - ohne Schuldgefühle und ich bin dann gleich als wir wieder da waren zu Mutti gefahren und sie war richtig nett zu mir!
Keine Vorwürfe, kein Blick, der mir sagt, Du hast mich alleine gelassen.
Eine liebe Nachbarin war jeden Tag bei Mutti und auch meine SChwestern kamen zu ihr . . störts mich vielleicht, dass es auch ohne mich gelaufen ist - was bin ich für ein Idiot!
Es hat dann nicht lang gedauert, da hat sich Mutti beschwert, dass der Hausarzt zwar kommt und für sie da ist, aber er macht ja nichts für sie!!
Warum hab ich einen Arzt und bin immer noch so schwach?
Das kann doch nicht so weitergehen, nein nein, jetzt kümmer Dich einmal um einen Therapieplatz(?) für mich, was soll das, wenn der Arzt immer sagt, ich kann essen was ich will, weiß der nicht einmal was ich vertrage und was nicht??
Was soll das, dass er immer sagt, ich muss geduldig sein, wielange denn noch, ich kann grade mal zur Toilette und wieder ins Bett - nein so kanns nicht weitergehen!
So Brigitte, und was bitte soll ich da drauf sagen???
Kaum beginne ich ganz vorsichtig, mit Mutti das Schwitzen und das Schwächegefühl gehört zum Krankheitsbild und von der Chemo bist ja auch noch geschwächt . . so weit komm ich meistens gar nicht . . es folgen Tiraden . .und das Wort Krebs wird sowieso nicht ausgesprochen!!
Gut ich ruf den Arzt an, frag ihn, wo es was gibt und ich hab ihm auch erzählt, wie Mutti über seine Behandlungsmethoden denkt!
Er hat mir ganz ruhig erklärt, diese Phase ist ganz natürlich und er wird ihr Selen verschreiben und da gibt es dann nochwas ganz Neues, das wird er ihr auch besorgen . .hat mir dann einen Therapieplatz vorgeschlagen für ganzheitliche Behandlung, hab da auch angerufen und der Oberarzt war echt nett, nur erklärte er mir, wenn die Motivation nicht da ist sich mit Krebs auseinandersetzen zu wollen, sollten wir das doch überdenken und noch dazu gibt es dort keine "Pflegerinnen" in dem Sinn und ob Mutti ein Pflegefall ist??
Ist sie einer?? An manchen Tagen ist sie ganz schlecht und dann wieder hat sie gute Tage - MUTTI aber sagt immer, das ist nur die Schwäche, sonst ist sie ganz gesund und sie erinnert mich dann immer daran, dass ich doch dabei war, als der Arzt im KH sagte, ihr Darm ist gesund und die Brust ist gesund . . also alles was gesund ist, wurde aufgezählt!
So ich schreib und schreib und wollte eigentlich nur sagen, dass das mit Verantwortung und Geschäft bei immer verschwimmt . .hast mir wieder einmal geholfen klarer zu sehen!!
Geschäft möcht ich nämlich wirklich nicht machen und ich begleite Mutti trotz allem und weil es meinem ICH anders nicht möglich wäre, weil ICH mich dafür entschieden habe, auch wenn dieser Liebes-Neid-Kampf in mir tobt, ich kann diesen Teufel nicht besiegen - noch nicht:-)
Ja, Du bist krass - eine ganz liebe Krasse und wärest DU nicht so wie DU bist, würde ICH das gar nie kapieren - also bitte bleib nur krass!!
Noch was möcht ich euch gerne sagen, wäre ich nicht auf diese schlimmen Gedanken gestoßen - nie im Leben wäre ich weggefahren - seit Vati krank ist und Mutti mich auf diese oder andere Weise brauchte und das sind immerhin 5 Jahre, seit dem war ich höchstens mal für eine Nacht weg vom Dörfle!!
Ja, unser Urlaub war wunderschön!!

Christel, ich wünsch Dir wirklich ganz viel Kraft und hör auf Brigittes Worte - vergiss nicht auf Dich!

Conny, wie gehts Dir??
Hast Du auch immer nach Brigittes Worten das Gefühl, da zeigt uns jemand, wos langgeht??:-)

Ich grüß Euch ganz lieb und umarme Euch mal alle ganz fest - ob ihr das jetzt wollt oder nicht!!:-)

27.05.2003, 18:36
Hallo Ihr Lieben alle,
Liebe Burgi,
ja, mir geht es auch so, dass mir Brigittes Texte sehr helfen, die Dinge auch aus einer anderen Perspektive zu sehen. Ich hab zwar nicht direkt mit einer krebskranken Mutter zu tun, aber die "Theorien" von Brigitte kann man auch für andere Situationen anwenden. Danke Dir, Brigitte.

Wies mir geht? Das weiß ich im Moment gar nicht so genau... Bin immer noch abwechselnd in der Wut- und Trauerphase was meine Mutter betrifft. Und hab es immer noch nicht geschafft, mit ihr in Kontakt zu treten. Meine Schwester hat ihr wohl gesagt, dass es mir nicht gut geht, aber - wie erwartet - kommt da nichts von ihr. Bin zur Zeit etwas deprimiert. Aber ich lese hier täglich mit, kann nur im Moment nicht so viel beitragen.
Ganz liebe Grüße - und auch von mir eine dicke Umarmung, :-)
Conny

27.05.2003, 23:05
Hallöchen Ihr,

Eure lieben Worte und die Umarmungen sind angekommen, haben sogar den schweizer Zoll überwunden :-) ha, dankeschön!

Liebe Burgi, Du hast eine gute Frage gestellt, und ich denke, das interessiert andere Angehörige bestimmt auch:

"Es hat dann nicht lang gedauert, da hat sich Mutti beschwert, dass der Hausarzt zwar kommt und für sie da ist, aber er macht ja nichts für sie!!
Warum hab ich einen Arzt und bin immer noch so schwach?
Das kann doch nicht so weitergehen, nein nein, jetzt kümmer Dich einmal um einen Therapieplatz für mich, was soll das, wenn der Arzt immer sagt, ich kann essen was ich will, weiß der nicht einmal was ich vertrage und was nicht??
Was soll das, dass er immer sagt, ich muss geduldig sein, wielange denn noch, ich kann grade mal zur Toilette und wieder ins Bett - nein so kanns nicht weitergehen!
So Brigitte, und was bitte soll ich da drauf sagen???"

Nichts, liebe Burgi.
Jede "Erklärung", die Du versuchst zu geben, wird für Deine Mutter weitere Fragen und weitere Verzweiflungsworte auslösen. Denn wenn sie mal im "Schwung" ist, dann ist sie im Schwung. (Ich kenne das, götterchen ja!)
Versuch's mal in so einer Situation mit:
"Ja, ich verstehe Dich. - Möchtest Du, dass ich etwas für Dich tue?"
Wenn sie nicht auf Deine Frage eingeht und weiter "schimpft", hör ihr einfach zu und zeige ihr, dass Du sie verstehst.
Du kannst sie ja auch direkt fragen (wenn sie über den Arzt schimpft), ob sie lieber den Arzt wechseln möchte?
Stelle Fragen, Burgi, denn darauf wirst Du in der Regel Antworten bekommen und weisst in etwa, was Deine Mutter braucht und wünscht. Wenn Du dies weisst, so kannst Du auch besser darauf reagieren und handeln.

Andererseits glaub ich jetzt weniger, dass dieser Arzt ein schlechter Arzt ist, denn er hat Recht, wenn er von einer "normalen Phase" spricht. Zudem hat er ja auch bereitwillig einen guten und geeigneten Therapieplatz für sie ausgesucht. Und auch Selen ist immer gut, hm-hm.

Sie "schimpft" auch darüber, weil der Arzt ihr sagt, sie solle geduldig sein.
Wichtiger Punkt: Bei Krebs verliert man die Geduld. Zeitdruck. Lebensdruck. Die "Tür da oben" steht so nahe. Einfach nur rum liegen zu müssen, es gerade mal zur Toilette zu schaffen, benötigt Geduld, aber die hat man nicht. Ist alles eine Art Zeitverschwendung, zudem ist es nicht "lebensgerecht", man ist da in allem völlig eingeschränkt. - Da nützt es nichts, wenn man gesagt bekommt, man müsse halt ein bisschen Geduld haben. - Es ist die reine Verzweiflung über die Situation.

Der Arzt ist für sie da, sagt sie, aber er macht ja nichts! - Das ist die Sehnsucht, die Hoffnung, so schnell wie möglich geheilt zu werden. Wenn aber NICHTS geschieht, und es so LANGE dauert ... da fragt man sich echt, WAS der Arzt eigentlich noch hier tut!

Ein Therapieplatz für ganzheitliche Behandlung finde ich gut, Burgi.
Jetzt sagt ja der Oberarzt dieser Klinik, dass die Motivation, sich mit der Krankheit auseinander setzen zu müssen, bei Deiner Mutter da sein sollte, gell?
Ich denke mal, wenn sie Dir schon sagt, dass Du jetzt bitte doch endlich einen Therapieplatz für sie suchen solltest, ... dass sie das dann auch WILL.
Sie sollte jedoch vorher vollständig darüber aufgeklärt werden, wie es für sie dort in der Klinik sein wird und was sie allgemein dort erwartet. Sie wird dann schon entscheiden können. - Aber dass sie den Willen überhaupt dazu hat, sehe ich weniger als "Verdrängung", sondern eher als "den richtigen Ort für die Genesung suchen".

Ob sie jetzt sehr pflegebedürftig ist, könntest Du ja mal mit ihrem Hausarzt abklären. Vielleicht fällt ihm sonst noch ein anderer Therapieplatz ein? - Aber möglicherweise sieht dieser Deine Mutter gar nicht so als "pflegebedürftig" an, so dass - seiner Meinung nach - dieser Therapieplatz jetzt genau das Richtige für sie wäre?

Wie bist Du mit dem Oberarzt dort verblieben? Vielleicht kannst Du noch ein paar Prospekte der Klinik einverlangen, so dass sie Deine Mutter in Ruhe studieren kann?
Guck auf ihre Reaktionen, wenn sie die Prospekte anschaut, dann wirst Du merken, ob sie sich vor dem Auseinandersetzen mit der Krankheit scheut.
- Hm, das glaube ich jetzt zwar weniger. Der Kopf kann zwar verdrängen und wegschieben, ... aber nie das Herz oder die Seele.

Lass Dich nicht täuschen, wenn das Wort "Krebs" nie erwähnt wird. (Zumindest bei jemandem, der selber Krebs hat.) Es ist erstens mal ein Sch...wort, zweitens zieht's einen selber immer gleich mit runter. Es hat so einen ... negativen Nachgeschmack. Das muss also nicht unbedingt eine Verdrängung sein. Und ... man will das Wort manchmal auch gar nicht erst aussprechen, weil's einen dauernd daran erinnert. Manchmal ist man wirklich froh, wenn man mal Augenblicke hat, wo man NICHT daran denkt. Besonders dann, wenn man im Bett liegt und eh kaum was Gescheites machen kann.
Da sind eben kleine "fröhliche" Momente sehr oft willkommen.

Man will gesund sein. So schnell wie möglich. Man will lachen können. Man will nicht rum liegen müssen. Und man will auch nicht "gepflegt" werden müssen ...
Das sind so krasse Veränderungen im Leben, die KANN und MUSS man zwar akzeptieren, aber man WILL sie nicht. Und der Wille ist da oftmals stärker, als das "können" und "müssen". - So ist dies dann keine Verdrängung, sondern eher ... eine Weigerung. Es ist ein NEIN zur Krankheit. - Doch das gehört auch zum akzeptieren lernen, das kann sich ändern, liebe Burgi.

Versuche also, sie zu einem Therapieplatz gehen zu lassen, wenn sie es gerne WILL. Es sollte ihr dort einfach gefallen, damit sie sich wohl fühlen kann. Wenn sie vorher weiss, wohin sie kommt und was sei dort erwartet, dann wird sie sich bestimmt auch darauf freuen können.

Hey, ich wünsche Dir ein recht gutes Nächtle, gell?
Liebe Grüsseli
von der "krassen" Brigitte

PS. Ganz liebe Schweizer-Grüsseli auch an Conny!

29.05.2003, 15:37
Hallo Ihr Lieben!

Heute mal ganz ohne schlimme Gedanken!
Liebe Brigitte, Du hast mit Deinen Worten wie immer soo recht, wir haben mit Mutti und dem Arzt gesprochen wegen dem Therapieplatz und all das was Du schreibst, was sie will, was sie nicht will - all das stimmt.
Leider gibt es dort keine Pflegehilfe und Mutti ist dann doch zu schwach für diesen Aufenthalt. Ich hab am Mittwoch nach langen Hin-und Hertelefonieren endlich einen guten Physiotherapeuten gefunden, der ins Haus kommt.
Wir spritzen auch wieder die Mistel und gestern hab ich vom Arzt auch noch Selen bekommen, das trinkt Mutti auch. Ja auch diese von mir bezeichnete Verdrängung ist kein wirkliches Verdrängen - heute sagte sie zu mir, das bittere Aufstossen, das ist sicher von der Leber und heute sagte sie auch, die Müdigkeit wird immer schlimmer - die Leber mag nicht mehr so richtig.
Auf alle Fälle machen wir es jetzt so, dass sie zu Hause versucht, ihr Immunsystem wieder ein bisschen zu stärken und wenn sie ein bisschen kräftiger ist, dann kann sie noch immer nach Tirol fahren.
Manchmal denke ich mir, es wäre für uns alle besser, der Arzt hätte uns nicht diese 3, maximal 6 Monate gesagt - hab Dein Posting über Prognosen gelesen und stimme da voll zu!
Will nicht daran denken und immer wieder höre ich die Stimme des Arztes - bin echt froh, dass Mutti das nicht gehört hat.
Was soll das?
Ein Arzt weiß das genausowenig wie wir und das ist das, was ich mir auch immer wieder sage - vielleicht hat Mutti doch noch ein paar schöne Jahre und ich wünsche es ihr so sehr!
Sie hat nach wie vor keine Schmerzen, warum warte ich darauf, kann doch glücklich sein, dass sie KEINE hat!!
Und ich bin es auch und das einzige was zählt, ist die nächste Stunde, der nächste Tag - und ich mag das Wort Krebs immer weniger aussprechen - ein Sch . . wort!

Grüß Dich ganz lieb und wünsch Dir noch einen schönen Tag!

Conny, auch Dir natürlich viele liebe Grüße!