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14.06.2003, 23:26
Hallo,

Ich besuche dieses Forum sehr oft und doch weiss ich nicht, ob ich hierhin gehöre. Wenn ich die Postings lese, dann fühle ich mich manchmal richtig schuldig, weil wir so viel "Glück" haben, was den meisten leider nicht vergönnt ist und ich wünschte so sehr es wäre anders (also das alle so viel "Glück" haben könnten).
Und doch möchte ich die Geschichte meines Vaters erzählen um vielleicht anderen etwas Hoffnung zu geben, auch wenn es nicht die Geschichte einer Wunderheilung ist.
Bei meinem Vater wurde ein Gehirntumor diagnostiziert. Er hat die Form einer Spinne und war zum Zeitpunkt der Diagnose schon so groß, dass er als inoperabel klassifiziert wurde. Der Arzt meinte, dass man zwar eine Bestrahlung oder Chemo versuchen könne, sie aber sinnlos wäre und mehr Leid als Nutzen verursachen würde. Er solle das Leben, was er noch vor sich hat geniessen. Er gab ihm 3 Monate, höchstens ein Jahr.
Also taten wir das, was wir nur tun konnten: Nichts.
Und wir genossen jeden Tag mit ihm. Und die Tage vergingen, die Monate vergingen. Das Jahr verstrich.
Mittlerweile sind schon fast 9 JAhre vergangen, seit dem die Diagnose kam. Und mein Vater ist glücklicherweise noch bei uns.
Wir wissen nicht, wie groß der Tumor mittlerweile ist. Wahrscheinlich ist er gewachsen, denn seine Sprache hat in den neun Jahren kontinuierlich nachgelassen (richtig schreiben und lesen kann er schon seit mindestens vier Jahren nicht mehr), doch ein Aussenstehender würde trotzdem nicht sofort bemerken, dass er krank ist. Und es geht ihm gut. Er hat keine Schmerzen, ist meistens fröhlich und geniesst das Leben.
Natürlich denken wir manchmal, jetzt geht es los; doch bisher sich immer wieder gefangen. Auch ist das Leben mit seiner Krankheit nicht jeden Tag einfach, doch sie gehört mittlerweile zum Alltag dazu. Sie ist und war noch nie ein Feind, den wir bekämpft haben, denn die Ärzte haben uns deutlich gemacht, dass dieser Kampf nur verloren werden kann.
Und so leben wir mit ihm in den nächsten Tag hinein. Natürlich könnte der morgige Tag sein letzter sein - doch das will keiner hoffen.
Die geschichte von meinem Vater soll nur zeigen, dass Ärzte auch manchmal Unrecht haben können. Und das "nichts tun" nicht immer gleichzusetzen ist, mit "aufgeben".

Ich drücke euch alle ganz lieb!

Evelyn

Rudolf
15.06.2003, 01:30
Liebe Evelyn,
Deine Geschichte, die Geschichte Deines Vaters gehört genau hierhin. Sie gibt Hoffnung, und das brauchen wir.
Hoffnung ist auch der Grund, weshalb ich hier manchmal schreibe.
Was mich besonders freut, ist, daß Ihr diese Krankheit nicht als Feind seht. Sie hat euch gelehrt, das Leben mehr zu achten und euch daran zu erfreuen. Genau so habe ich meine Erkrankung auch verstanden.
Ich habe mich aber nie schuldig gefühlt, daß ich geheilt wurde, während viele andere daran sehr leiden und auch sterben, oft genug nutzlos leiden. Natürlich freue ich mich über jeden Heilungsbericht, das gibt ja auch Kraft für den eigenen Weg.
Aber ich nehme ja niemandem etwas weg, wenn ich geheilt werde. Ich würde mich eher schuldig fühlen, wenn ich von meiner Freude und Hoffnung nichts weitergeben würde.
Ich versuche, meine Gedanken, Gefühle und Erlebnisse während meiner Krankheit aufzuschreiben unter dem Motto: "Mein Krebs - Versuch einer Freundschaft". Ich habe nicht gegen den Krebs gekämft, sondern für das Leben.
Ich habe neun Monate dem langsamen Wachsen der Metastasen zugesehen, bevor ich ein mildes Arzneimittel zuhilfe genommen habe, um den Krebs schließlich doch zu "entlassen".
Klar, medizinisch bin ich geheilt, aber mein Bewußtsein hat sich geändert. Und so wird er mich lebenslänglich begleiten.
Ich wünsche euch allen noch viele schöne und gute Tage, Wochen, Monate, Jahre miteinander.
Liebe Grüße
Rudolf

15.06.2003, 10:59
Hallo Rudolf, gefällt mir, was du schreibst! Magst Du das 'milde Arzneimittel' nennen, das Dir geholfen hat?(evtl. per mail:bicolor-sun@lycos.de) Liebe Grüße

Rudolf
15.06.2003, 12:02
Hallo Hildegard,
das milde Arzneimittel, das für mich ohne Nebenwirkungen war und ist, heißt Mistel.
Aber so mancher reagiert allergisch darauf, mehr psychisch als physisch, nämlich auch dann, wenn er es nicht benutzt. Das könnte man Fernwirkung nennen.
Ich grüße die zweifarbige Sonne.
Rudolf

15.06.2003, 19:11
Hallo Rudolf, stimmt Mistel ist ok, spritze ich mir auch 2 x wöchentlich seit mehr als vier Jahren. Deshalb geht es mir vermutlich auch so gut. Liebe Grüße