PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Was ist mit mir los....?


10.09.2003, 01:56
Hallo Ihr lieben,

ich schreibe euch, weil ich verzweifelt bin, über mich selbst.
Ich habe ganz viele Beiträge von euch gelesen, wie ihr mit der Trauer fertig werdet und ich muss mich fragen..... was stimmt nicht mit mir?

Kurz zur Vorgeschichte:
Meine Mutter hat seit 17 Jahren Krebs, irgendwie bin ich damit aufgewachsen. Es gab immer wieder Chemo, Bestrahlung etc, volles Programm halt, ich kenne es auch gar nicht anders (bin 29).

Leider geht es meiner Mutter seit einem Jahr sehr schlecht. Vor einem Jahr ist sie mit Atemnot zu Hause zusammen gebrochen und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Damals sagten mir die Ärzte, dass es jetzt sehr schnell gehen wird, Krebs im Endstadium. Ich war zu der Zeit total fertig, die Tatsache dass ich einen kleinen Sohn habe für den ich "funktionieren" muss hat es nicht leichter gemacht. Doch das Wunder geschah... nach sehr langer Zeit Intensivpflege ging es meiner Mutter plötzlich besser. Als sie aus der Reha kam war sie kaum wiederzuerkennen. Meine Mutter krank? Man hatte ihr es weder angemerkt noch angesehen, sie fühlte sich gut.
Seit zwei Monaten hat es wieder angefangen. Meiner Mutter geht es Tag für Tag schlechter. Sie hat offene Metastasen, eingeschränkte Lungen und Herzfunktion und ist nur noch Haut und Knochen.

Heute morgen ist sie ins Krankenhaus gebracht worden

Vielleicht täuschen sich die Ärzte wieder, aber dieses mal weiß ich, dass es das Ende ist. Irgendwie spüre ich es.

Ich habe all eure Beiträge gelesen..... es war für euch wichtig bei euren Angehörigen zu sein und euch von Ihnen zu verabschieden. Warum habe ich dieses gefühl nicht? So brutal es sich jetzt anhört, am liebsten wäre mir wenn mein Vater mich irgendwann anrufen würde dass es vorbei ist. Ich will keine Verabschiedung, nicht ihre Hand halten, ich will einfach nur in Ruhe gelassen werden, nichts davon mitbekommen. "Sag mir wenns vorbei ist" würde es gut treffen.

Ich muss dazu sagen ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meiner Mutter, ich liebe sie sehr, sie war immer für mich da. Umso mehr frage ich mich warum ich jetzt nicht für sie da sein will. Es ist nicht so, dass ich es nicht kann, ich will es auch nicht.

Ich weiß echt nicht mehr weiter, bin ich Gefühlskalt? Ein egoist?
Hat jemand von euch vielleicht auch dieses Gefühl gehabt?
Bitte helft mir, ich bin über mich selbst verwirrt.

Gruß,
Christine

10.09.2003, 10:15
Liebe Christine, gefühlskalt bist du sicherlich nicht, sonst würde dich das ganze nicht beschäftigen.Kann es sein, das du und deine Mutter nie über euer inniges Verhältnis gesprochen habt? Hast du Angst davor , wenn du dich verabschiedest, das du in Tränen ausbrichst? Angst Gefühle zu zeigen...?? Ich denke einfach das ist deine Art, du wurdest so erzogen,deine Mutter hat vielleicht auch nie zu dir gesagt das sie dich liebt .Du weißt aber trotzdem das sie es tut.Das was ich schreibe vermute ich nur, ich kann sicherlich auch falsch liegen.
Ich habe mir gerade überlegt , wenn meine Mutter am sterben liegen würde....... ich weiß nicht ob ich mich verabschieden könnte???? Bei uns zu Hause ist auch nie so innig über Gefühle geredet worden.Ich mag meine Mutter sehr,ich telefoniere täglich mit ihr, gehe 2 mal die Woche mit ihr einkaufen.Am Wochenende sind wir immer zusammen, aber verabschieden?....... ich weiß es ehrlich nicht, ich bräuchte sicherlich eine große Überwindung dazu. Ich denke nicht das meine Mutter das von mir erwarten würde.Ist das wirklich so wichtig?? wichtiger ist doch, du bist zu lebzeiten für sie da.... oder? Ich werde mal mit meiner Schwester darüber reden, wie sie das sieht. Das Thema beschäftigt mich jetzt auch.Darüber habe ich vorher nie nach gedacht.
Ich wünsche dir für die weitere Zeit viel Kraft.
Liebe Grüsse Diana!

Patricia
10.09.2003, 11:58
Hallo Christine!
Jeder geht mit der Trauer und den Schmerzen anders um.
Als mein Papa im sterben lag, habe ich mich auch manchmal gefragt wann endlich der Anruf kommt das alles vorbei ist.
Und ich musste auch manchmal mit mir kämpfen, das ich zu Ihm gefahren bin.
Ich denke das jemand irgendwann das Leiden nicht mehr ertragen kann.
Also ist es völlig in Ordnung wenn Du mal in Ruhe gelassen werden willst.

15.09.2003, 11:01
Christine!!!
Alles so vertraut.... .
Meine Mutter starb im Mai, dass erste Mal war der Krebs 1994 da. Als es im Februar klar war, dass keine Therapie mehr anschlägt, habe ich das nicht wahrhaben können- sie hat das doch immer irgenwie (bis dahin) geschafft. Ich hatte Angst,sie sterben zu sehen und gleichzeitig das Gefühl, dass ich sie mit einem Abschied sofort aufgeben würde. Ich wollte das einfach nicht!!
Wir waren jedes Wochenende da, manchmal auch innerhalb der Woche (100 km Entfernung). Aber für mich waren das immer Besuche, ganz normale Besuche. Mehr wollte ich darin nicht sehen.
An ihrem letzen Sonntag (den Sonntag darauf starb sie, nachdem sie seit Freitag nicht mehr selber reagieren konnte, aber sie hatte uns noch bemerkt), da gab es so etwas wie eine Verabschiedung, allerdings haben wir nicht über den Tod geredet, nur hatten wir anscheinend beide das Gefühl, dass es das letzte mal sei, an dem wir miteinander sprechen könnten.
Ich bin dann am Freitag zu ihr gefahren, als mein Vater sagte, wie es ihr ginge. Das da sein war plötzlich völlig normal, obwohl ich vorher so eine Angst hatte. Sie war zu Hause und wir waren rund um die Uhr bei ihr (mein Vater und wir 3 Geschwister) und das hat uns Zeit gegeben, uns wirklich zu verabschieden. Wir haben ihr gesagt, dass sie gehen kann... .
Ich kann Gefühle nicht besonders gut zeigen (ich hasse z.B. diese "Abschiedsumarmungen", bei einigen wenigen Leuten geht das) und ich glaube inzwischen, dass ich mich da auch nicht verbiegen brauche. Aber gerade in den letzen 2 Tagen meiner Mutter merkte ich, dass ich ihr gegenüber das plötzlich konnte. Vielleicht wird es Dir auch so gehen....- ganz sicher bin ich, dass es meiner Mutter sehr gut getan hat, dass wir da waren.
Nimm doch die Besuche bei Deiner Mutter einfach als "Besuche" und versuche nicht, das als "Abschied" zu sehen. Ihr werdet beide wissen, wann es soweit ist und dann das Richtige tun.
Denn es gibt nicht "DAS RICHTIGE VERHALTEN" sondern nur das für DICH und DEINE MUTTER richtige und was das sein wird, werdet ihr selber herausfinden, da bin ich mir ganz sicher.
Ich grüße Dich, elka