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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?


Pfalzadler
18.01.2010, 00:50
Hallo, Sterbehilfe ist in Deutschland verboten. Wie ist eure Meinung dazu? Sollte diese eingeführt werden? Ich meine, es gibt Fälle, bei denen der Patient kein normales Leben mehr führen kann und nur noch in Qualen dahinvegetiert. Sollte man in diesen Fällen die Sterbehilfe nicht lieber genehmigen, anstatt den Patienten in einen brutalen Selbstmord zu treiben oder einfach leiden zu lassen? Mich würden eure Meinungen dazu interessieren.

LG

christa-48
18.01.2010, 01:01
hallo pfalzadler,
das ist ein sehr kritisches thema das du hier aufwirfst,
du hast nach meinungen gefragt.
Meine meinung ist , dass sterbehilfe in D eingeführt werden sollte.
Es sollte aber immer der Patient noch selber eintscheiden können,
was er selber möchte.
Es gibt da so nen spruch: tiere werden eingeschläfert um von ihrem leiden
erlöst zu werden,,,,,Menschen müssen manchmal "elendig" krepieren.
Das war nun meine meinung zu dem thema
lg christa

Wolfgang008
18.01.2010, 02:32
Ich versuche einmal ganz vorsichtig zu formulieren, denn solch ein sensibles Thema wird oft pers. genommen.

Sieht man sich einmal um in der Welt, den Streit, Zank, Neid, allgemein die Gemeinheiten und Boshaftigkeiten zu denen der Mensch aus Gier, Habsucht fähig ist, würde ich niemals für die Sterbehilfe plädieren.
Denn zu viele Menschen gehen schon mit Gesunden miserabel um, wird da bei Todkranken "Halt" gemacht, ich glaube es nicht!

Auntie Little
18.01.2010, 08:58
Ja, es ist tatsächlich ein sehr sensibles Thema.

Möchte mich Christa anschließen. Der/die Betreffende sollte bereits zu "gesunden" Zeiten diesen Wunsch geäußert und am besten auch schriftlich fixiert haben.

Wir haben gerade das Thema bei einem Hund daheim. Er ist alt, hat einen RIESENtumor und die Operation steht in keiner Relation zu dem Leiden das er haben würde und seiner weiteren Lebenserwartung. Ganz zu schweigen von der Lebensqualität, die eh kein Mensch beurteilen kann. Wir haben uns gegen die OP entschieden. Noch ist er munter, aber sobald er kleinste Symptome zeigt werden wir handeln.

Liebe Grüße
Birgit

PS: Ich habe in meiner Patientenverfügung aufgenommen, dass ich bei Transportfähigkeit bitte nach Benelux oder die Schweiz gebracht werde.

ABER das muss jeder für sich entscheiden. Für gläubige Menschen kommt das sicher nicht in Frage.

PetraK
18.01.2010, 13:36
Hallo Pfalzadler,

ich bin auch eigentlich für Sterbehilfe, weil selbst für einen selbst gewählten Selbstmord sind die Betroffenen dann ja oft schon zu schwach.... Es wird allerdings schwer sein, wo man die Grenzen ziehen soll, in welchen Fällen es erlaubt sein dürfte, vor allem, wenn keine Angehörigen vorhanden sind. Jeder sollte wirklich rechtzeitig eine Patientenverfügung und alles, was dazugehört, schreiben...
Ich persönlich hatte das "Glück", dass die Ärztin meiner Mutter(nach einem Gespräch mit mir) schon vor 10 Jahren etwas "nachgeholfen" hat, als es meiner Ma durch ihren Magen-Ca so schlecht ging, dass sie um den Tod bettelte....., bei meiner Schwiegermutter ging es ähnlich....aber ich denke, dass solche Ärzte leider sehr selten sind, eben weil sie sich ja auch noch strafbar machen....

Liebe Grüße

Petra

beatex
18.01.2010, 13:51
Hallo Pfalzadler,

Ich Antworte jetzt auch nur ganz Vorsichtig...
Es kommt auf die Situation an,und in wie weit wirklich nichts mehr für einen Menschen getan werden kann,nur dann denke ich sollte man auch selber entscheiden sein Leid ein ende setzen zu dürfen!!!
Meine Mama hätte es selber gewollt,wie oft sagte sie das der Herr Gott sie doch endlich holen sollte,das sie einfach nicht mehr kann...
Aber so ist es leider hier in Deutschland,man muss leiden bis zum Schluss!!!

Wolfgang008
18.01.2010, 22:33
Ich bin sehr dafür das die Sterbehilfe freiwillig angewendet darf, nur gesetzlich ist das nicht zu regeln, denn es müßten Ausnahmereglungen geschaffen werden, die ganz sicher nicht hilfreich wären, was wir anhand von Kinkerlitzchenpharagrafen täglich feststellen können.

Ebenso bin ich der Meinung, würde mehr Menschen in die Altersheime gucken, ich meine die Sozialstationen,(nicht die die ihre Kur im Ausland verbringen, Reinemachefrauen beschäftigen etc etc, sondern die die kaum noch Kleidung zum wechseln haben)) dann bin ich sicher, sie würden die Fürsprache noch einmal gründlich überdenken, denn solch ein Gesetz darf ja niemals aus egoistischen Gründen zur Geltung kommen.
Es ist oft alltäglich das die Heimbwohne 1 Mal im Monat Besuch erhalten, so meist zum 3.herum, nicht ungewöhnlich das sie lange Wochen allein gelassen werden, kurz die Fürsorge sich auf einem tiefen Niveau befindet.

Das der Gesetzgeber nicht, wie Einzelpersonen darüber hinweg sehen darf und kann, aber auch nicht die deutsche Mentalität aus dem Auge verlieren darf, ist im Grunde nicht erstaunlich, im Gegenteil, viele Menschen können froh sein das dieses Gesetz keine Gültigkeit bekommt.

Gesetze sind allgemeingültig und sich etwas heraus picken geht nun mal nicht, also müssen wir uns noch damit abfinden, der Gedanken eventuell Menschen dadurch geschützt zu haben, selbst wenn es nur einer ist, tut aber irgendwie auch gut..

illian
19.01.2010, 15:03
Haben wir denn das Recht/Pflicht über einen anderen Menschen zu entscheiden ob er leben darf oder nicht? Es ist sehr schwierig dass zu sagen. Nehmen wir an wir würden bestimmen, dass ein Komapatient keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr bekommt (wenn man es dürfte!!!), dann wüssten wir nicht ob wir ihm damit helfen oder ob wir ihm damit sein vielleicht weiteres leben zerstören würden!

Und ich persönlich könnte es mir niee vorstellen, so etwas zu bestimmen. Es käme für mich teilweise mit Mord gleich! Selbst wenn der Patient den Wunsch vorher geäußert hat, dass er sterben möchte, wer weiß wie sich seine Chancen dann in der folgenden Zeit verändert hätten! Zu sagen dass es aus gutem Grund geschieht oder weil Gott es will, wäre aber genauso falsch, denn es wäre nur ein Fluchtversuch!

Ich fände es nicht in Ordnung zu sagen, ja freiwillige Sterbehilfe ist erlaubt! WAs würde dass bedeuten? Bzw. könnte dann jeder sagen, ich will sterbehilfe! Und den Grad zu unterscheiden wer sie wirklich "verdient" hätte, weil er so schwer krank ist (sprich vll nur noch ein Jahr zu leben hätte und nur noch unter unterträglichen Schmerzen) und dem der eigentlich Kerngesund ist nur nicht mehr leben will ist unmöglich festzulegen! Ich könnte es mir beim besten willen nicht vorstellen wie das funktionieren sollte!!

bitte nicht persönlich nehmen, ist nur meine Meinung!

Andorra97
19.01.2010, 17:23
Ich persönlich sehe das Wort "Sterbehilfe" sehr eng. Es soll für mich eine Hilfe erlaubt sein, aber keine aktive Tötung. D.h. ich verlängere das Leben nicht durch künstliche Mittel, wenn keine Aussicht auf Heilung besteht, ich nehme dem Patienten soweit wie möglich durch Medikamente alle Schmerzen und alle Angst, aber über Tod oder Leben entscheidet immer noch Gott.

Ich muss auch sagen, dass ich jetzt in gesundem Zustand nicht entscheiden kann, ab wann mein Leben nicht mehr "lebenswert" ist. Mein Opa hat 3 Jahre im Bett gelegen, konnte sich nicht mehr rühren, ja nicht einmal selbst am Kopf kratzen. Sprechen konnte er auch nur noch ganz schlecht, man konnte ihn fast nicht verstehen.
Trotzdem hatte ich immer den Eindruck, dass er noch "Lebensfreude" hatte. Wenn man ihm etwas erzählte, dann hat er gelächelt und er wusste genau, was in der Familie passierte. Er guckte den ganzen Tag Sport im Fernsehen und kriegte da alles ganz genau mit.

Oft haben wir gesagt "meine Güte, der arme Opa, das ist doch kein Leben mehr!", weil es für UNS unvorstellbar war, dass man das überhaupt so aushalten konnte, aber ich hatte nie den Eindruck, dass er unglücklich war. Er hat nie gejammert, sagte immer "Danke", wenn man etwas für ihn tat und hatte wirklich nie schlechte Laune.

Ich persönlich würde mir also die Entscheidung über mein eigenes Leben jetzt schon nicht zutrauen. Über das Leben eines anderen schon mal gar nicht!

Ich denke auch, dass aktive Sterbehilfe einfach zu gefährlich ist, um sie zu legalisieren. Die Möglichkeiten des Missbrauchs sind zu groß.

Barbara_vP
22.01.2010, 22:15
hallo und guten abend
ich finde es ein sehr sensibles Thema.
Eine aktive sterbehilfe mittels Pillen/cocktails oder spritzen dürfte rechtlich schwierig sein....jedoch bin ich dafür im falle eines Falles die apparative Medizin abzustellen.
dem patienten schmerzmittel und sedierung zu geben und dann abzuwarten.... keine zusätzliche medikamente zu geben....
lg
Barbaar

sanne2
23.01.2010, 20:56
Hallo,
ich sehe es wie Andorra, und praktiziert wird es in auswegslosen Situationen wie von Barbara gewünscht!
In unserem Krankenhaus und nach Absprache mit den Angehörigen.
Das finde ich vollkommen in Ordnung.
Es soll und muss niemand mehr leiden!
Ich habe noch Krankenhauszeiten erlebt, in denen die Schwerstkranken selbst in der Sterbephase mit allen Mitteln am Leben erhalten wurden.
Das ist einfach Menschenunwürdig.
Heute erhalten Menschen im Endstadium Morphin und Flüssigkeit, werden von den Aparaturen befreit, kommen zu uns auf eine somatische Station, bis sie sanft einschlafen. Allerdings immernur dann, wenn sicher ist, dass das Sterben kurz bevorsteht.
Das ist Menschenwürdig.
So durfte auch meine Mutter sanft einschlafen und so würde ich es für mich auch wünschen.
Gegen aktive Sterbehilfe hätte ich allerdings auch einiges einzuwenden, aber das würde hier den Rahmen sprengen.
Viele Grüße,
Sanne

Stefans
24.01.2010, 11:11
Hallo Illian,

Ich fände es nicht in Ordnung zu sagen, ja freiwillige Sterbehilfe ist erlaubt! WAs würde dass bedeuten? Bzw. könnte dann jeder sagen, ich will sterbehilfe! Und den Grad zu unterscheiden wer sie wirklich "verdient" hätte
Eben. Genau so soll es sein: die Selbstbestimmung eines Menschen über sein Leben _und_ über seinen Tod ist eines der höchsten Güter in unserer Gesellschaft.

Gegenfrage an dich: was würde es bedeuten, "freiwillige" Sterbehilfe (damit meinst du was genau?) zu untersagen. Du nimmst jedem Menschen sein Selbstbestimmungsrecht - und andere entscheiden, was der "verdient" hat oder nicht. Die Situation haben wir heute schon. Da wird in Ethikkommissionen endlos diskutiert, ob / wann Patientenverfügungen akzeptiert werden. Es diskutieren: Pfarrer, Politiker, Ärzte, Philosophen usw. Nur die Betroffenen bleiben aussen vor. Deren Wille wird ignoriert. Nach BGH-Grundsatzurteil von anno tobak dürfen Ärzte passive Sterbehilfe, die in Patientenverfügungen verlangt wird, nur leisten, wenn die Krankheit des Patienten "zwangsläufig zum Tode führt" (hallo Richter: das ganze Leben ist eine Krankheit, die irgendwann zwangsläufig zum Tode führt). Oder hat sich die Rechtslage inzwischen verändert?

Du machst m.E. einen schweren Denkfehler: es kommt bei der Frage der Sterbehilfe im Grundsatz überhaupt nicht darauf an, ob jemand wirklich todkrank ist oder nur "flüchten" will. Jeder Mensch hat das Recht auf Suizid. Sich selbst beim Sterben zu helfen. Auch passive Sterbehilfe von privat ist in D nicht strafbar (anders als in A, da geht man für sowas in den Knast). Du kannst jedem den Giftcocktail auf Verlangen auf den Nachttisch stellen. Ob der nun eine Grippe hat oder Krebs. Genau darum geht es bei der jahrelangen Diskuassion um Patientenverfügungen: Ziel ist die verbindliche Anerkennung von Patientenverfügungen, auch wenn eine Krankheit nicht zwangsläufig zum Tode führt.

Ich finde diese ganze politisch-ethisch-religiöse Diskussion um das Thema ausgesprochen verlogen. Denn jeder, der im Medizinbereich arbeitet, weiss, dass in D selbstverständlich tagtäglich passive Sterbehilfe praktiziert wird. Redet allerdings niemand öffentlich drüber, weil kein Arzt und keine Krankenschwester mit einem Bein im Knast stehen will. Das Perserve daran ist m.E.: es passiert andauernd, aber es entscheiden Ärzte und Schwestern nach gutdünken. Bei einem Stationsarzt dürfen die Schwestern alle mal schnell eine rauchen gehen, wenn die lebenserhaltenden Systeme versagen. Beim anderen Arzt müssen sie alles tun, um den Patienten noch bis morgen früh rüber zu retten.

Das ist die deutsche Lösung: Mediziner entscheiden nach Gutdünken über Leben und Tod. Und das mist m.E. das Schlimmste, was passieren kann. Gerade im Hinblick auf unsere Vergangenheit.

Viele Grüße,
Stefan

Stefans
24.01.2010, 11:32
Hallo,

Sterbehilfe ist in Deutschland verboten.
Ist sie nicht generell. Und ich finde die Formulierung etwas unglücklich undifferenziert gewählt.

Wenn es um Sterbehilfe geht, welche meinst du dann? Passive Sterbehilfe von privat ist in Deutschland nicht strafbar, genausowenig wie Suizid. Aktive Sterbehilfe ist grundsätzlich strafbar. Sowas gibt es in Europa meines Wissens nur in Holland und der Schweiz, und auch da nach sehr strengen Kriterien.

Passive Sterbehilfe bei Patienten, die sich selbst nicht mehr äußern und ihr Leben nicht mehr selbst beenden können, ist von medizinischer Seite nur erlaubt, wenn der Patient das in einer Patientenverfügung wünscht _und_ seine Krankheit zwangsläufig zum Tod führt.

Soweit ist die Rechtslage ziemlich klar. Welche Sterbehilfe meinst du? Grundsätzlich geht es bei der Diskussion natürlich immer nur um die Sterbehilfe, die der Patient ausdrücklich wünscht. Er muss diesen "letzten Willen" schriftlich niedergelegt haben, sonst wird er selbstverständlich medizinisch versorgt und am Leben erhalten. Die Panikmache von wegen "aber da könnte ja Missbrauch getrieben werden" finde ich nicht ganz nachvollziehbar. Das haben die Holländer auch in den Griff bekommen, dafür macht man Gesetze.

Es geht _niemals_ um Sterbehilfe in dem Sinne "Ach, der ist todkrank, hat aber nichts festgelegt - töten wir den jetzt oder nicht?". Das fordert niemand, auch wenn bestimmte Politiker und Kirchen die Diskussion gerne unlauter in diese Richtung diffamieren wollen, indem sie die Horrorvision einer Euthanasiebewegung wie im 3. Reich beschwören. Wobei man vielleicht nicht vergessen sollte: es waren damals Politiker, Ärzte, Philosophen und auch Theologen, die Euthanasie toll fanden. Nicht die Betroffenen.

Meine Meinung dazu: ich bin für die (auch aktive) Sterbehilfe, wenn der Patient das wünscht. Egal, ob er tödlich krank oder "nur" chronisch krank ist. Das Argument, das heute immer herangezogen wird, um Patientenverfügungen zu ignorieren, ist: ach, das hat der ja vor 15 Monaten geschrieben. Vielleicht hat er seine Meinung geändert oder sich das schlecht überlegt. Fragen können wir ihn nicht mehr, also ignorieren wir seinen Wunsch.

Was soll das? Wenn ich ein Testament mache, kann das 28 Jahre alt sein, selbstverständlich wird es befolgt. Und mein Organspendeausweis kann auch so alt sein, wie er will. Klar hält man sich dran. Halten Ärzte, Politiker und Pfaffen die Menschen wirklich für so blöd, dass sie nicht in der Lage sind, eine Entscheidung zu treffen, die ihr Leben betrifft? Scheinbar ja :cry:

Meine Frau ist an BK gestorben, und sie wollte keinesfalls als Pflegefall enden. Also waren wir, ausgiebig besprochen, in Sachen Sterbehilfe vorbereitet. Und ich hätte sie getötet, wenn sie das gewünscht hätte. Ungeachtet der Rechtslage (wo kein Kläger, da kein Richter). Zum Glück ist uns das erspart geblieben.

Viele Grüße,
Stefan

Auntie Little
27.01.2010, 09:50
Gebt Euch keine Mühe. Auch hier wird er bestimmt nicht mehr schreiben.

Komischer Vogel????

illian
27.01.2010, 16:59
Eben. Genau so soll es sein: die Selbstbestimmung eines Menschen über sein Leben _und_ über seinen Tod ist eines der höchsten Güter in unserer Gesellschaft.

Gegenfrage an dich: was würde es bedeuten, "freiwillige" Sterbehilfe (damit meinst du was genau?) zu untersagen.

ich möchte in keinster weise jmd sein selbstbestimmungsrecht nehmen, aber wenn jeder das recht hätte zum Arzt zu gehen und zu sagen lass mich sterben (obwohl er vll gar nicht krank ist, bzw. es nur ein kurzes leiden ist), frag ich mich wie viele Menschen die eig. keinen ausweg mehr sehen dies dann nutzen würden. Natürlich hat jeder das Recht zu sterben, aber dies von einem Arzt zu verlangen oder von einer anderen Person ist mein Punkt an dem ich sage stopp!!! WEnn der Arzt dazu "verpflichtet" wäre einen Menschen zu töten, könnte er es glaub ich kaum mit seinem Gewissen vereinbaren

Stefans
29.01.2010, 11:21
aber wenn jeder das recht hätte zum Arzt zu gehen und zu sagen lass mich sterben (obwohl er vll gar nicht krank ist, bzw. es nur ein kurzes leiden ist), frag ich mich wie viele Menschen die eig. keinen ausweg mehr sehen dies dann nutzen würden.
Die Menschen, die noch in der Lage sind, zum Arzt zu gehen, betrifft das überhaupt nicht. Die machen ihre Sterbehilfe selbst: In D begehen nach konservativer Statistik jährlich etwa 10.000 Menschen Suizid - jede Stunde einer. Bei hoher Dunkelziffer, z.B. Verkehrs"unfälle". Wer noch in der Lage ist, sich ohne fremde Hilfe zu töten, braucht keine Sterbehilfe.

"Nutzen" tun die Menschen diese Möglichkeit sowieso, egal ob todkrank oder nicht. In den westlichen Industrieländern seit Jahrzehnten auf ähnlichem Niveau.

Natürlich hat jeder das Recht zu sterben, aber dies von einem Arzt zu verlangen oder von einer anderen Person ist mein Punkt an dem ich sage stopp!!! WEnn der Arzt dazu "verpflichtet" wäre einen Menschen zu töten, könnte er es glaub ich kaum mit seinem Gewissen vereinbaren
Auch darum geht es beim Thema Sterbehilfe überhaupt nicht. Die Forderung, dass Ärzte dazu "verpflichtet" werden sollen, hat noch niemand gestellt. Wird auch nicht passieren.

Es geht beim Reizthema Sterbehilfe nur um den Fall, dass jemand krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, sich selbst zu töten, aber den Wunsch äußert, getötet zu werden, und dass sich dann ein Mediziner findet, der das ohne Strafandrohung mit Zustimmung des Patienten tun kann. Mehr nicht. Und Mediziner in D dürfen das eben (noch) nicht. Privatmenschen dürfen das (passiv), und der Patient selbst darf das natürlich auch.

Eine beträchtliche Anzahl von Patienten wählt in der Situation aus der Not heraus das, was Mediziner als "passiven Suizid" bezeichnen: sie hören auf zu essen und verhungern irgendwann. Ob das humaner ist...

Viele Grüße,
Stefan

illian
29.01.2010, 13:31
hi,

ok jetzt fass ichs nochmal schnell zusammen irgendwie hab ich da nicht alles richtig durchdacht glaub ich...ok zurück zur Urfrage

aktive Sterbehilfe: fände ich in keinster Weise in Ordnung (wie schon gesagt) ist ja die aktive Einwirkung zur Lebensverkürzung. Bei einer Legalisierung würde einfach die Hemmschwelle für Eingriffe in menschliches leben gesenkt und es gäbe Missbrauchsgefahren. Und das meinte ich dann auch mit freiwillger (<-- unglücklich formuliert), denn bei aktiver wären ja dann auch gesunde Menschen mit einbezogen, quasi selber sagen dass sie umgebracht werden wollen. Zum Thema Suizid ich denke es macht für einen Menschen in so einer Situation einen Unterschied ob er sich selber umbringt oder die Möglichkeit/Recht hat zu jmd. zu sagen er soll ihn umbringen ohne rechtliche Konsequenzen.

Indirekte Sterbehilfe: Nebenfolge von einer Therapie die das Leben verkürzt. Mit Zustimmung seh ich dem eig. nichts entgegen, obwohl man eben nicht weiß ob man ihm damit einen Gefallen tut oder ob er vll in zwei jahren wieder eine gute lebensqualität hätte, aber halt länger zur Genesung brauchen würde(auch so ähnlich formuliert) ohne Zustimmung ähm ne auf keinen Fall, das wäre ja dann fast schon Gott spielen

Passive Sterbehilfe: Verzicht/ Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen mit Zustimmung OK wobei ich hier auch wieder unterscheiden müsste wie schwer krank der Mensch ist. Ohne Zustimmung ist es schwer, auch hier kommt es wieder darauf an wie schwer krank.

Nochmal zum Thema selbstbestimmung: Es wird doch auch psychisch kranken in Psychiatrien ihr Selbstbestimmungsrecht genommen, und ein Mensch der Sterbehilfe verlangt, ist ja wie gesagt die Unterscheidung ob er wirklich krank ist (körperlich) oder ob er einfach keinen Sinn mehr sieht.

lg

Stefans
29.01.2010, 15:08
Hallo,

Passive Sterbehilfe: Verzicht/ Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen mit Zustimmung OK wobei ich hier auch wieder unterscheiden müsste wie schwer krank der Mensch ist.
Wieso müßtest _Du_ das? Der Kranke weiss am besten, ob er sterben oder am Leben erhalten werden möchte. Der hat ganz sicher lange darüber nachgedacht. Du maßt dir an, Gott zu spielen, wenn du dir zutraust, seine Entscheidung je nach Ergebnis deiner "wie krank ist der wirklich"-Überlegungen abzulehnen oder anzunehmen.

Es wird doch auch psychisch kranken in Psychiatrien ihr Selbstbestimmungsrecht genommen
Da hast du wohl zu viele schlechte Filme gesehen :cry:

Also, zur Versachlichung: Du meinst mit "Psychiatrie" sicher die sog. "geschlossene" Psychiatrie, wo Patienten ohne Zustimmung des Personals nicht raus können - und gegen ihren Willen zwangsbehandelt werden. Das ist eine kleine Minderheit. Ansonsten kann jeder in einer psychiatrischen Klinik seine Sachen packen und nach Hause gehen, wann er will.

Bei der "geschlossenen" gibt es 2 Möglichkeiten, dahin zu kommen. 1. mit Einwilligung der Patienten (und das ist der Normalfall - die Leute weisen sich selbst ein und sagen "schützt mich bitte vor mir selbst"!), 2. gegen den Willen des Patienten. Bei 2. geht das in D nur unter sehr strengen Kriterien. Voraussetzung sind 1. Selbst- oder Fremdgefährdung, also z.B. nach misslungenem Suizidversuch. Oder, wenn du durch die Gegend läufst und mit einem Messer jeden bedrohst, der dir über den Weg läuft. 2. ist diese Zwangsbehandlung nur im akuten Gefährdungsfall zulässig. Spätestens am nächsten Werktag muss ein Richter die Zwangseinweisung bestätigen (nachdem er persönlich beim Patienten war); und auch das gilt nur temporär.

So einfach wird in D also niemandem sein Selbstbestimmungsrecht genommen - die Hürden dafür liegen extrem hoch. Und niemand wird hierzulande in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen, weil er öffentlich sagt "ich will nicht mehr leben" oder " ich bringe mich morgen um".

Gefährlicher in Sachen Zwangsbehandlung leben Menschen, deren Recht auf Selbstbestimmung per Gesetz eingeschänkt ist. Das betrifft 1. Minderjährige (da entscheiden Eltern und Psychiater) und 2. gesetzlich betreute (früher: entmündigte) Menschen. Bei denen entscheiden Psychiater und gesetzlich bestimmter Betreuer. Natürlich auch da der Richter, aber der wird im Zweifelsfall auf die gesetzlich bestimmten Betreuer und Ärzte hören.

und ein Mensch der Sterbehilfe verlangt, ist ja wie gesagt die Unterscheidung ob er wirklich krank ist (körperlich) oder ob er einfach keinen Sinn mehr sieht.
Nochmal: das ist eben nicht die Unterscheidung! Willst du im Einzelfall über Leben und Tod anderer entscheiden, indem du selektierst zwischen "wirklich krank" oder "sieht einfach keinen Sinn mehr"?

Was qualifiziert dich (oder irgendjemanden sonst) zu so einer Entscheidung?

Viele Grüße,
Stefan

Andorra97
29.01.2010, 17:10
Eben weil ich nicht Gott spielen will, würde ich keinen Menschen töten, ob er es nun verlangt oder nicht. Insofern lehne ich aktive Sterbehilfe ab.

illian
30.01.2010, 12:54
na ja das Beamtungsgerät müsst immer noch der Arzt abstellen. Und wenn ich es als Arzt machen müsste, trotz der Zustimmung des patienten wüsste ich nicht ob ich es kann.
Aber es ist eben genau der Punkt, wenn es abgestellt wird, er stirbt, kann keiner sagen ob es ihm vielleicht in einem Jahr besser gegangen wäre. Das meine ich mit meiner "wie schwer krank er ist"

mti der psychiatrie meinte ich ja die geschlossene, aber dass sollte nicht auf Sterbehilfe bezogen sein sondern einfach ein Beispiel dass es manchmal trotzdem kein Selbstbestimmungsrecht gibt.

zu der Entscheidung wer "sie haben darf und wer nicht" ist keiner fähig, was das thema eben noch schwieriger macht.

Stefans
31.01.2010, 12:15
Hallo Illian,

Aber es ist eben genau der Punkt, wenn es abgestellt wird, er stirbt, kann keiner sagen ob es ihm vielleicht in einem Jahr besser gegangen wäre.
Das ist nicht _der_ Punkt, sondern dein ganz persönlicher. Für das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen über sein Leben und seinen Tod spielt es überhaupt keine Rolle, ob es ihm "vielleicht in einem Jahr besser gegangen wäre".

Entweder respektiert man den Willen des Patienten oder nicht. Und wenn man ihn nicht respektiert, kann man das durch tausend gute (Gewissens)Gründe rechtfertigen.

Nur: wenn man den Willen anderer Menschen nicht respektiert und sich darüber stellt, aus welchen Gründen auch immer, dann sollte man sich darüber klar sein, wie man da handelt und welches Grundverständnis von Selbstbestimmung und Autonomie des Menschen man hat.

Und anderen Menschen vorzuschreiben, wie sie (nicht) zu sterben haben, sondern weiterleben müssen, obwohl sie das nicht wollen... das finde ich sehr mutig - damit möchte ich nicht schlafen gehen.

zu der Entscheidung wer "sie haben darf und wer nicht" ist keiner fähig, was das thema eben noch schwieriger macht.
Dazu ist sehr wohl jemand fähig, und nur der: der Kranke. Die an der Sterbehilfe Beteiligten sollen diese Entscheidung doch gar nicht treffen, das verlangt niemand von ihnen. Sie sollen nur den Willen des Kranken befolgen. Was ist daran schwierig?

Viele Grüße,
Stefan

Wolfgang008
31.01.2010, 13:15
Geht es wirklich nur um den Willen des Patienten?

Es wird gedanklich einfach ausgeklammert, dass sich auch Gefahren hinter der Euthanasie verbergen.
Wir Menschen sind nun einmal keine Heilige, so mache Schwäche würde für einen Kranken, selbst wenn er sich für die Sterbehilfe entscheiden würde, auch bedeuten können, dass er früher geht als gedacht.
Wenn dabei sogar ausser Acht gelassen wird, wie Mitmenschen mit den Schwächsten, auch Kranke gehören dazu, umgehen, kann der Staat garnicht die Sterbehilfe befürworten, denn der Schutz der Kranken steht nun einmal moralisch, wie menschlich an erster Stelle!

Stefans
31.01.2010, 13:52
Geht es wirklich nur um den Willen des Patienten?
Ja, natürlich! Bei jeglicher Sterbehilfe, ob aktiv oder passiv, ist Voraussetzung, dass der Betroffene das will. Sterbehilfe ohne klare Zustimmung des Patienten ist und war niemals in der Diskussion! Jeder, der nicht ausdrücklich Sterbehilfe verlangt, wird natürlich wie gehabt medizinisch so versorgt, als würde er um jeden Preis am Leben bleiben wollen.

Mir ist völlig unklar, wieso das immer durcheinander gebracht wird. Vergleiche es mit der Organspende: Solange du nicht den selbst unterschriebenen Ausweis bei dir trägst, der die Ärzte zur Organspende ermächtigt, bleibst du unversehrt. Wo ist das Problem?

Im Moment ist das Problem leider, dass in der Intensivmedizin Ärzte solche Entscheidungen in einer rechtlichen Grauzone treffen. Unabhängig von Patientenverfügungen, sondern je nach Gusto. Die wären heilfroh, wenn sie ein verbindliches "ja" oder "nein" vorliegen hätten und sich danach richten könnten - und nicht Gott spielen müßten.

so mache Schwäche würde für einen Kranken, selbst wenn er sich für die Sterbehilfe entscheiden würde, auch bedeuten können, dass er früher geht als gedacht.
Von wem "gedacht"? Und dass er evtl. früher geht als medizinisch möglich, ist jedem Patienten klar, der für sich Sterbehilfe möchte. Der ist ja nicht blöd und hat sich seine Entscheidung schon gut überlegt.

Viele Grüße,
Stefan

Wolfgang008
31.01.2010, 14:08
Stefans,

es wird ganz bewußt die Dunkelziffer der durch die Sterbehilfe gedeckten Morde ausgeklammert.

Ich jedoch bin der Meinung, eh`ein Mensch unfreiwillig zu früh stirbt,

(einer wäre schon zu viel, man darf doch wohl nicht menschliche Opfer bringen um selbstbestimmend wirken zu können)

sollte die Schmerzforschung intensiviert werden, denn die meisten Menschen haben Angst, berechtigterweise, vor einem qualvollen Tod.
Wenn diese Angst genommen werden kann, wird sich der Ruf nach selbstbestimmten Tod sehr schnell minimieren!

Andorra97
31.01.2010, 14:53
sollte die Schmerzforschung intensiviert werden, denn die meisten Menschen haben Angst, berechtigterweise, vor einem qualvollen Tod.
Wenn diese Angst genommen werden kann, wird sich der Ruf nach selbstbestimmten Tod sehr schnell minimieren!

Danke, Wolfgang. Das entspricht genau meiner Meinung!

PetraK
31.01.2010, 15:51
Hallo Wolfgang, Nicole, Stefan und alle anderen,

ich lese hier jetzt seit ein paar Tagen mit, hatte auf der ersten Seite auch schon mal was dazu geschrieben. Irgendwie finde ich, dass die meisten verständliche Ansichten haben, aber nur wenige (z.B. Stefan oder ich selbst) waren schon in so einer Situation, dass man einem Menschen, den man sehr liebt, daliegen sieht und ihm helfen möchte, menschlich zu sterben, weil er es auch selber will. Wolfgang schrieb hier über bessere Schmerztherapie, meine Mutter hatte aber z.B. dank Morphinpflastern keine Schmerzen, aber sie würgte und hustete über Wochen unerträglich, bekam Lungenentzündungen, konnte nur liegen (hatte einen künstlichen Mageneingang nach Magen-CA, aber da es keinen Ausgang gab, waren ständig die Windeln voll). Jeden Tag, wenn sie sprechen konnte (geistig war sie völlig klar) flehte sie mich an, ihr zu helfen zu sterben. Und ehrlich, hätte ich nicht die nette Ärztin gehabt (siehe mein erster Beitrag), ich hätte es getan. Aber ich hatte ja eine kleine Tochter, die noch keine 4 Jahre alt war und die brauchte mich doch......

Vor dieser Situation war ich auch eher gegen Sterbehilfe, aber inzwischen hab ich einige Fälle kennengelernt, wo es eine Gnade wäre oder war, die meistens haben gottseidank Möglichkeiten gefunden und mein Wunsch ist, dass ich, wenn nötig, auch einen menschlichen Weg finde....

Liebe Grüße

Petra

illian
31.01.2010, 21:33
hallo

ja es stimmt es ist eig. alles sehr theoretisch geschrieben hier, aber verständlich. ich habe zum Glück noch nie so eine Situation miterlebt und wüsste auch nicht ob sich meine Meinung ändern würde, wenn ich es miterleben müsste wie jemand so leiden muss.

lg

Andorra97
31.01.2010, 22:16
Völlig theoretisch ist es bei mir nicht. Ich habe es schon bei einigen Menschen erlebt (meine beste Freundin ist an Krebs gestorben und beide Großeltern starben bei uns zuhause). Zum Glück ging es im Endeffekt bei allen dann doch immer sehr gnädig.
Trotzdem.
Ich bleibe dabei, dass ich passiv alles an Hilfe befürworte, was nur irgendwo möglich ist, aber aktive Sterbehilfe ablehne. Das habe ich auch in meiner eigenen Patientenverfügung so festgehalten.

Stefans
01.02.2010, 12:38
Hallo Wolfgang,

es wird ganz bewußt die Dunkelziffer der durch die Sterbehilfe gedeckten Morde ausgeklammert.
Wenn ich das nicht für eine (Verzeihung) ziemlich dumme Bemerkung halten soll, musst du erklären, was du damit meinst: durch Sterbehilfe "gedeckte" Morde ?!?! Aber bitte konkret.

Sterbehilfe folgt allein dem klar geäußerten Willen des Patienten. Alles andere ist eine Straftat. Und in der Praxis passieren solche Straftaten jetzt schon in großer Zahl. Aber nicht, wenn Patienten Sterbehilfe für sich verlangen. Sondern, wenn sie sich dazu nicht geäußert haben, mangels Pateintenverfügung, und der Chefarzt der Intensivmedizin halt nach "Laune" entscheidet. Oder wenn sie als Dauer-Pflegefall Zuhause liegen und völlig verzweifelte und überforderte pflegende Angehörige keinen anderen Ausweg mehr wissen, als die zu Pflegenden passiv oder aktiv zu töten.

Das ist beides ein Skandal, stimmt. Hat aber mit Sterbehilfe nichts zu tun.

sollte die Schmerzforschung intensiviert werden, denn die meisten Menschen haben Angst, berechtigterweise, vor einem qualvollen Tod.
Wenn diese Angst genommen werden kann, wird sich der Ruf nach selbstbestimmten Tod sehr schnell minimieren!
Nein. Die Schmerzforschung hat da kein Defizit. Die abgestufte palliative Schmerzbehandlung mit (in der Regel) Novalgin als Basis und Morphium zusätzlich nach Bedarf - was der Patient dank mobiler Morphinpumpe auch selbst dosieren kann, um akute Schmerzen per "Bolus" schnell zu bekämpfen - ist Stand der Praxis. Das ist heute üblich, selbst im letzten Kreiskrankenhaus.

Wer glaubt, dass ein schmerzfreies Sterben automatisch nicht qualvoll ist, sollte ein Praktikum in Altersheim, Hospiz oder auf der Onkologie-Station eines Krankenhauses machen. Ich glaube, die meisten Menschen wollen _in Würde_ sterben. Und das ist nicht gleichbedeutend mit Schmerzfreiheit. Was das bedeutet, muss jeder Mensch für sich entscheiden dürfen.

Viele Grüße,
Stefan

Wolfgang008
01.02.2010, 15:11
Hallo Wolfgang,


Wenn ich das nicht für eine (Verzeihung) ziemlich dumme Bemerkung halten soll, musst du erklären, was du damit meinst: durch Sterbehilfe "gedeckte" Morde ?!?! Aber bitte konkret.




@ Hallo Stefans, da ich weiß das du klare Worte bevorzugst, macht es mir vieles leichter auch klar zu antworten.
Natürlich liegen in Altersheimen auch alte Menschen ,die über eine Patientenverfügung verfügen, sowie auch die Sterbehilfe, als Ausweg ihres Leidens ansehen.
Jedoch,und das unter langjähriger Beobachtung, würde keiner, aber auch keiner meiner Kollegen, so wie ich, dem je zustimmen, denn das Verhalten der Angehörigen nimmt manchmal Aussmasse an, die allen Grund zulassen, zu befürchten das die Großmutter, der Großvater doch ENDLICH erlöst sein sollte.
Nach Hinterfragen, sich konkretem auseinandersetzen der Argumente von Angehörigen, kam es sogar vor, dass es bitte termingerecht(also Nahrungszufuhr dementsprechend absetzen, etc geschehen sollte. Möglichst noch im alten Jahr, wir hatten den 27. Dez 2008, denn erbrechtlich wäre das von Nutzen gewesen.
Das nur als kleines Beispiel, denn ich möchte niemanden zumuten die ganze Palette der (un)menschlichen Ideen über sich ergehen zu lassen.






Nein. Die Schmerzforschung hat da kein Defizit. Die abgestufte palliative Schmerzbehandlung mit (in der Regel) Novalgin als Basis und Morphium zusätzlich nach Bedarf - was der Patient dank mobiler Morphinpumpe auch selbst dosieren kann, um akute Schmerzen per "Bolus" schnell zu bekämpfen - ist Stand der Praxis. Das ist heute üblich, selbst im letzten Kreiskrankenhaus.




@Sicherlich wirst du dich erinnern, dass es erst seit ein paar Jahren möglich ist , dass alle Patienten Zugang zur Palliativmedizin bekommen können, eine Selbstverständlichkeit ist es nicht gewesen.

Noch heute gibt es Krankenhäuser die sich nur minimal mit der Palliativmedizin auseinander gesetz haben, denn die Kostenfrage stht immer im Raum...
Erst durch die Forschung, noch immer leiden Menschen unter Schmerzen, weil die Medizin für ihn pers nicht ausreichend ist, wird die Bandbereite von Medikamenten erhöht werden können.
. Novalgin wird zwar oft angewand, jedoch wer allergisch darauf reagiert, was zunehmend passiert, bin selbst damit behaften, und einen anaphylaktischen Schock möchte ich nicht noch einmal erleben müssen,, dem schließen sich schon Türen.

http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/33370/





Wer glaubt, dass ein schmerzfreies Sterben automatisch nicht qualvoll ist, sollte ein Praktikum in Altersheim, Hospiz oder auf der Onkologie-Station eines Krankenhauses machen. Ich glaube, die meisten Menschen wollen _in Würde_ sterben. Und das ist nicht gleichbedeutend mit Schmerzfreiheit. Was das bedeutet, muss jeder Mensch für sich entscheiden dürfen.


@Die Würde bekommt aber einen großen Knacks, wenn die Schmerzfreiheit nicht gegeben ist.Selbstverständlich versteht jeder unter Würde etwas anderes, doch ist es würdevoll sich quälend vor Schmerzen von eine Seite auf die andere zu wälzen.
Ich glaube die Würde kann nur empfunden werden, wenn der Schmerz das Fühlen, Denken noch zuläßt, dem ist leider meistens nicht so.
Und würde man einen Kranken fragen, was willst du, Schmerzfreiheit , oder Würde...was meinst du wofür er sich entscheidet?

Natürlich hat die Würde viele Facetten, jedoch hat wohl bei den meisten Menschen das Schmerzempfinden die höchste Prioriät.Wie sprechen ja nicht von Zahnschmerzen, doch auch die möchte ich nicht kleinreden.

Viele Grüße,
Stefan



Gruß
Wolfgang

Stefans
02.02.2010, 14:10
Hallo Wolfgang,

vorab: ja, in der Palliativemdizin hat sich in den letzten Jahren einiges getan, zum Glück. Und leider kann man immer noch in eine Klinik geraten, wo die Kompetenz in der Hinsicht mangelhaft ist. Aber da gibt es ja große Auswahl. (Wobei man dann u.U. schon einen interessierten und kompetenten Angehörigen braucht, der einen da rausholt und woanders hin bringt.) Und sowas wie Novalgin gibt es bei der Ersteinnahme unter ärztlicher Aufsicht, damit im Falle des allergischen Schocks schnell erste Hilfe geleistet werden kann. Sollte aber eigentlich üblich sein.

Natürlich liegen in Altersheimen auch alte Menschen ,die über eine Patientenverfügung verfügen, sowie auch die Sterbehilfe, als Ausweg ihres Leidens ansehen.
Jedoch,und das unter langjähriger Beobachtung, würde keiner, aber auch keiner meiner Kollegen, so wie ich, dem je zustimmen, denn das Verhalten der Angehörigen nimmt manchmal Aussmasse an, die allen Grund zulassen, zu befürchten das die Großmutter, der Großvater doch ENDLICH erlöst sein sollte.
Nach Hinterfragen, sich konkretem auseinandersetzen der Argumente von Angehörigen, kam es sogar vor, dass es bitte termingerecht(also Nahrungszufuhr dementsprechend absetzen, etc geschehen sollte. Möglichst noch im alten Jahr, wir hatten den 27. Dez 2008, denn erbrechtlich wäre das von Nutzen gewesen.
Das nur als kleines Beispiel, denn ich möchte niemanden zumuten die ganze Palette der (un)menschlichen Ideen über sich ergehen zu lassen.

Meinetwegen nicht nötig, ins Detail zu gehen. Meine Frau war im Erstberuf Krankenschwester und hat auch in Altenheimen gearbeitet, meine Schwester ist Fachschwester Intensivmedizin, und eine grute Freundin arbeitet neben ihrem Krankenschwesterjob in der ambulanten Hauspflege.

Ich weiss von daher - wenn auch nur aus zweiter Hand - sehr gut, was du da erlebst (meine Frau hat auch deswegen ihren Job geschmissen). Und wie absolut widerlich es ist, wenn Verwandte / Erben schon am Sterbebett die Kasse klingeln sehen und den Kranken lieber heute als morgen höchstpersönlich umbringen würden (wenn das nicht bestraft bzw. man dabei garantiert nicht erwischt werden würde), weil er von allein einfach nicht schnell genug den Löffel abgibt. Da kommt mir auch das Kotzen. Solchen Menschen die Entscheidung über Leben und Tod anderer zu überlassen, wäre der Rückfall in die Barbarei.

Aber: die Entscheidung über Sterbehilfe treffen ja nicht diese Leute, sondern der Patient. Per schriftlicher Verfügung oder wiederholt mündlich unter Zeugen. Wobei die Zeugen Ärzte und Pflegepersonal sind, nicht die Erbschleicher und Aasgeier. Und im Notfall, wenn es bei dem breiten Interpretationsspielraum so einer Verfügung Streit gibt, entscheidet ein Gericht.

Insofern ist mir deine Bemerkung "durch Sterbehilfe gedeckter Mord" immer noch rätselhaft.

über eine Patientenverfügung verfügen, sowie auch die Sterbehilfe, als Ausweg ihres Leidens ansehen.
Jedoch,und das unter langjähriger Beobachtung, würde keiner, aber auch keiner meiner Kollegen, so wie ich, dem je zustimmen
Da kommen jetzt nochmal ganz klare Worte:

Nach aktueller Rechtslage bist du (bzw. dein vorgesetzter Arzt) gesetzlich verpflichtet, dem in einer Verfügung oder sonstwie klar geäußerten Willen des Patienten zu folgen. Sicher, da gibt es oft einen großen Ermessensspielraum.

Aber wenn du ernsthaft meinst, dass dich die Rechtslage generell nicht interessieren muss, sondern du aus deiner Berufserfahrung und deiner persönlichen moralischen Instanz heraus es besser weisst und deswegen bewußt gegen das Gesetz verstößt, indem du den Willen eines Kranken ignorierst...

Dann kann ich nur hoffen, dass ich nie als Patient in deiner "Obhut" lande. Und finde, dass du deinen Job schnellstmöglich kündigen solltest, wenn er mit deinem Gewissen nicht zu vereinbaren ist. Und wenn du das nicht tust, sollte man dir sofort kündigen. Ich erwarte von niemandem, dass er den ethischen Konflikt in so einem Beruf bewältigt. Aber ich erwarte, dass er das Handtuch wirft, sobald er seine persönlichen Wertsetzungen über Recht und Gesetz stellt. Bzw. das Handtuch geworfen bekommt, wenn er das nicht einsieht.

Die Würde bekommt aber einen großen Knacks, wenn die Schmerzfreiheit nicht gegeben ist.Selbstverständlich versteht jeder unter Würde etwas anderes, doch ist es würdevoll sich quälend vor Schmerzen von eine Seite auf die andere zu wälzen.
Ich glaube die Würde kann nur empfunden werden, wenn der Schmerz das Fühlen, Denken noch zuläßt, dem ist leider meistens nicht so.
Wenn dem meistens nicht so ist, besteht wohl wirklich noch Nachholbedarf in der Palliativmedizin. Andererseits hat auch die (relative, ganz ist ab einem gewissen Punkt praktisch ohne Dauer-Rausch nicht möglich) Schmerzfreiheit hren Preis, das wirst du wissen. So ab 500, spätestens 1.000 mg Morphium IV täglich ist nämlich mit "Fühlen und Denken" auch nicht mehr viel los. Das Kurzzeitgedächtnis ist längst weg, das Sprachvermögen leidet (man "findet" die richtigen Worte einfach nicht mehr), mitunter kommen Halluzinationen dazu, Alpträume, chronische Verstopfung, dauernde Übelkeit und Kotzerei.

Jedenfalls, meine Frau hat unter Würde nicht Schmerzfreiheit verstanden - die war durch gute Schmerzbehandlung gegeben, soweit möglich - sondern ein Leben ohne dauerhafte fremde Hilfe. Mir ist das sehr verständlich, anderen vielleicht nicht. Es gibt Menschen, die finden es würdelos, die Grundfunktionen ihres Körper nicht mehr kontrollieren zu können und mit Blasenkatheter und gewindelt in ihrem Kot liegen zu müssen, bis endlich jemand kommt und sie sauber macht. Und können nichtmal mehr den Notruf-Knopf auf dem Telefon treffen oder gar sagen, was sie gerne hätten. Klar, in so einem Zustand kann mensch noch jahrelang leben; und je nach Qualität der Pflege 2 oder 20 Stunden hilflos im eigenen Kot liegen.

Aber wer will das? Und wer will sich anmaßen, Menschen, die das nicht mehr wollen, diesen Zustand dauerhaft gegen ihren Willen aufzuzwingen?

Viele Grüße,
Stefan

Andorra97
02.02.2010, 14:28
Auch ein Aspekt: Ist es zumutbar für Ärzte etc auf Verlangen zu töten?

Für mich undenkbar.

Auf der anderen Seite gibt es ja genug Ärzte die Abtreibungen vornehmen. Auch eine Tötung auf Verlangen. Diese wären dann vielleicht auch bereit aktive Sterbehilfe zu leisten.

Stefans
02.02.2010, 15:09
Hallo Andorra,

Auch ein Aspekt: Ist es zumutbar für Ärzte etc auf Verlangen zu töten?

Für mich undenkbar.
"Zumutbar" ist das für denjenigen, der es mit seinem Gewissen vereinbaren kann.

Wer das nicht kann, ist an diesem Arbeitsplatz halt verkehrt. Kein Mensch ist hierzulande gezwungen, als Arzt oder Pflegekraft zu arbeiten, wenn er sich persönlich aus ethisch-moralischen Gründen ausser Stande sieht, dem Gesetz zu folgen und Patientenverfügungen ernst zu nehmen. Ich würde auch viele Jobs "aus Gewissensgründen" nicht machen...

Das ist aber ein individuelles Problem. Auch ein gelernter Mediziner kann Taxi fahren, Bio-Bauer werden oder von Hartz IV leben, wenn es ihm damit psychisch besser geht als in seinem erlernten Beruf.

Viele Grüße,
Stefan

Wolfgang008
02.02.2010, 16:07
StefanS,

du klammerst die Schwächen der Menschen bewußt aus und rettest dich in die Patientenverfügung, dass obwohl oftmal, diese sogar eingeklagt werden muß!
Wir können, bei unserem gesichtlichen Hintergrund froh sein, dass die aktive Sterbehilfe verboten ist, wie ich pers. meine auch bleiben sollte.
Da wir auch hier nur unsere pers. Ansichten wiedergeben können, ist es von Vorteil das die Regierung sich damit auseinander setzen muß. In deren Haut möchte ich nciht stecken, jedenfalls bei diesem Thema nicht.

P.S

Pflegepersonal etc sind auch nur Menschen, wenn ich nur an die Schläge in Heimen zurück denke.
Es ist kein Privileg Krankenschwester , Arzt zu sein, schon garnicht sind deren Stimmen gewichtiger, denn auch beim Personal stehen Kostenfaktoren etc an erster Stelle, diesem Druck sind sie ausgesetzt. Wer da nicht mitziehen kann, gegen seine Überzeugung arbeiten muß, der geht kaputt, oder sieht sich nach Menschlicherem um.

Wolfgang008
02.02.2010, 16:21
StefanS,

du klammerst die Schwächen der Menschen bewußt aus und rettest dich in die Patientenverfügung, dass obwohl oftmals, diese sogar eingeklagt werden muß!
Wir können, bei unserem gesichtlichen Hintergrund froh sein, dass die aktive Sterbehilfe verboten ist, wie ich pers. meine auch bleiben sollte.
Da wir auch hier nur unsere pers. Ansichten wiedergeben können, ist es von Vorteil das die Regierung sich damit auseinander setzen muß. In deren Haut möchte ich nicht stecken, jedenfalls bei diesem Thema nicht.
Jedoch befürchte ich, dass die Patientenverfügung falsch verstanden werden kann, denn die läßt ebenfalls keine aktive Sterbehilfe zu.

http://patientenverfuegung-jetzt.de/faq/patientenverfugung-und-sterbehilfe

P.S
Da Ärzte , Schwestern, das Pflegepersonal keine gewichtigere Aussage für sich in Anspruch nehmen können, als Mitglieder von Familien, die oftmals auch unter diesem Personal leiden, sollten wir zumindest die Annahme relativieren, wer mehr med. Kräft. im Hause hat, der hat auch eher Recht. Dafür sind mir die Schläge in den Heimen noch zu sehr bewußt.

Stefans
02.02.2010, 17:07
Hallo Wolfgang,

du klammerst die Schwächen der Menschen bewußt aus und rettest dich in die Patientenverfügung, dass obwohl oftmals, diese sogar eingeklagt werden muß!
Hm... wenn das so angekommen ist, habe ich mich ganz missverständlich ausgedrückt. Die Schwächen der Menschen sehe ich sehr wohl. Es gibt auch in meinem Umfeld nur wenige, denen ich so vertraue, dass ich mein Leben in ihre Hände legen würde (und genau die haben eine Vorsorgevollmacht von mir).

Aber was heisst "rettest dich in die Patientenverfügung"? Die Patientenverfügung _ist_, wenn keine aktuellere, persönliche Äußerung des Kranken vorliegt, nunmal das Dokument, an das sich die Behandler zu halten haben. Oder habe ich da grundlegend etwas falsch verstanden?

Ich "rette" mich nicht irgendwohin. Sondern bestehe nur darauf, dass Menschen, die - wie du? - von Berufs wegen mit der Pflege und medizinischen Versorgung von Kranken betraut sind, sich an Recht und Gesetz halten.

Du hast hier gesagt, dass du (und deine Kollegen) in deiner Position den Willen der Kranken grundsätzlich missachten ("keiner meiner Kollegen, so wie ich, dem je zustimmen"). Damit machst du dich - wenn du deine Position in der Praxis umsetzt - strafbar. Das ist dir schon klar, oder?

So ein Verhalten finde ich völlig inakzeptabel. Ich möchte auf den Rechtstaat vertrauen können. Auch als schwer kranker Patient, der Ärzten und Pflegern hilflos ausgeliefert ist. Aber wenn die schon vorher öffentlich bekannt geben, dass ihnen die Gesetze in diesem Land am A*sch vorbei gehen... dann liege ich mit meiner Vorstellung vom persönlichen "final exit" wohl doch nicht so ganz verkehrt :cry: Meine Frau wußte als Krankenschwester schon sehr genau, warum es ihr größter Horror war, im Krankenhaus oder Pflegeheim zu sterben. War mir zwischenzeitlich entfallen, bis ich mal wieder statements wie deines gehört habe.

Jedoch befürchte ich, dass die Patientenverfügung falsch verstanden werden kann, denn die läßt ebenfalls keine aktive Sterbehilfe zu.
Ja, und die Grenzen zwischen passiv und aktiv sind fliessend. Das berührt aber das Thema im Grundsatz nicht.

Viele Grüße,
Stefan

PS: Zu deiner infamen Behauptung "durch Sterbehilfe gedeckter Mord" hat du dich immer noch nicht geäußert. Kommt da noch irgendwas?

Wolfgang008
02.02.2010, 17:34
Stefans


@Du hast hier gesagt, dass du (und deine Kollegen) in deiner Position den Willen der Kranken grundsätzlich missachten ("keiner meiner Kollegen, so wie ich, dem je zustimmen"). Damit machst du dich - wenn du deine Position in der Praxis umsetzt - strafbar. Das ist dir schon klar, oder?



Natürlich werde ich mich nicht an aktiver Sterbehilfe beteiligen, sondern setze immer noch die Gewichtigkeit dahin, den Menschen Leid ersparen zu wollen, werde die künstliche Ernährung nicht frühzeitig absetzen, keine Spritze zu viel verabreichen .
Wenn ich mich dann schuldig gemacht haben sollte, dann werde ich es weiter tun, denn mit meinem Gewissen muß ich leben .Und das sagt mir, erst alle Hilfen, vorausgesetzt der Patient leidet durch die nicht, im vollen Umfang anbieten, denn auch da wird gern , weil es eine Priesfrage ist, geschludert.


Die Antwort auf die Mordfrage würde wieder einmal eine Diskussion herauf beschwören, denn auch Mord hat schleichende Übergänge, gerade in der Gesundheitsmedizin. Oder ist dir auch entgangen ,dass viele Morde nicht aufgedeckt werden, was schon oft beklagt wurde?!

Tut mir leid, du pickst dir Rosinen raus, doch dir Herauslösung eines Parameters ist keine Lösung, man muß das Ganze sehen.

Zum Abschluß!


http://www.sueddeutsche.de/panorama/275/445012/text/


Die Dunkelziffer der zu früh Versorbenen ist mir zu hoch, alsdass ich einen Freifahrtsschein dafür ausgestellt sehen möchte.
Mir ist das Risiko einfach zu groß, die kriminellen Energien sind mir zu ausgeprägt , weshalb ich froh bin ,wenn kein einziger Mensch wegen pers .Ansichten zu früh gehen muß.

Stefans
03.02.2010, 11:19
werde die künstliche Ernährung nicht frühzeitig absetzen, keine Spritze zu viel verabreichen .
Also, Klartext, konkretes Beispiel:
Meine Frau ist an Krebs gestorben. Sie hat schriftlich, durch notariell beglaubigte Patientenverfügung, als auch mündlich in der Klinik, gegenüber Pflegepersonal, Stationsarzt, Onkologin, Oberarzt wiederholt klaren Geistes geäußert, dass sie die parenterale ("künstliche") Ernährung für sich nicht will. Patientenverfügung war nicht aktuell, weil sie geistig völlig klar war. Ebenso klar war, dass sie auf dieser Art passiver Sterbehilfe besteht. Sie wollte langsam aber sicher verhungern. Und als Krankenschwester war ihr auch völlig klar, was das für sie bedeutet.

Sie hat ihre Entscheidung zu einem Zeitpunkt gefällt und geäußert, der dir sicher als "frühzeitig" erscheinen mag. Zu dem die Ärzte sagten: "wir sind medizinisch noch lange nicht am Ende, wir können noch ganz viel für sie tun. Aber sie hat NEIN gesagt. Obwohl sie weitmöglichst schmerzfrei war und klar im Kopf. Sie konnte sogar noch allein auf den WC-Stuhl, konnte mit Besuchern sprechen, telefonieren, lachen usw.

Nach dem, was du hier über deine Berufsauffassung gesagt hast, hättest du meine Frau in dieser Situation gegen ihren Willen parenteral ernährt. Sehe ich das richtig?

Wenn ich mich dann schuldig gemacht haben sollte, dann werde ich es weiter tun, denn mit meinem Gewissen muß ich leben .Und das sagt mir, erst alle Hilfen, vorausgesetzt der Patient leidet durch die nicht, im vollen Umfang anbieten, denn auch da wird gern , weil es eine Priesfrage ist, geschludert.
_Anbieten_ kannst du gerne. Aber du sprichst nicht von 'anbieten', sondern von "gegen den expliziten Willen des Patienten zwangsverabreichen". Ob du dich damit 'schuldig' machst, ist eine Frage deines Gewissens. Auf jeden Fall machst du dich eindeutig strafbar. Eine Behandlung gegen den Willen des Patienten ist Körperverletzung und wird strafrechtlich auch so behandelt.

Und wenn meine Frau auf ihrem Leidensweg jemandem wie dir - dem die Rechtslage nach eigenem Bekunden völlig egal ist und der sein "Gewissen" über den erklärten Willen seiner Schutzbefohlenen stellt - als Pflegepersonal begegnet wäre, dann hätte ich alles daran gesetzt, dass du nicht nur umgehend deinen Job verlierst, sondern wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung bestraft wirst. Das ist doch wohl völlig klar.

Die Antwort auf die Mordfrage würde wieder einmal eine Diskussion herauf beschwören, denn auch Mord hat schleichende Übergänge, gerade in der Gesundheitsmedizin. Oder ist dir auch entgangen ,dass viele Morde nicht aufgedeckt werden, was schon oft beklagt wurde?!
Du hast den Begriff hier eingeführt, nicht ich! Dass es Tötungen von Pflegefällen mit großer Dunkelziffer gibt, ist mir nicht entgangen, sondern ich habe es in meinem posting vom 1.02. explizit angesprochen. Darfst du gerne nachlesen.

Mir ist das Risiko einfach zu groß, die kriminellen Energien sind mir zu ausgeprägt
Der einzige, der in diesem thread unzweifelhaft ausgeprägte kriminelle Energie zeigt, bist du. Bei der Vorstellung, als Pflegefall von deinem Gewissen abhängig zu sein, läuft es mir eiskalt den Rücken runter...

Zum Glück war meine Frau in einer guten Klinik, wo niemand ihren Willen in Frage gestellt hat. Ich hielt das damals für selbstverständlich. Aber wenn ich dich so reden höre, wird mir langsam klar, dass ich für diesen Glücksfall wohl ziemlich dankbar sein sollte.

Viele Grüße,
Stefan

Wolfgang008
04.02.2010, 01:33
Stefans

Bist du dir sicher, das hier keine Mißverständisse aufkommen können, dass das Gegenüber anders verstanden werden kann, als es gemeint hat?
Nun ich bin nicht unfehlbar und entschuldige mich dafür ,dass ich dir ein Bild bot, dass ich so wie du mich wohl verstehen musstest, nicht lebe, gearbeitet und es auch nie gewollt hätte.

Mit freundlichem Gruß

Wolfgang

sanne2
04.02.2010, 11:39
Ich möchte mich auch noch einmal an diesem Thema beteiligen!
Stefan gebe ich in allen Punkten vollkommen recht.
Einen Menschen im "Endstadium" noch "künstlich zu ernähren geht schon mal gar nicht!
Der Körper kann die Nährstoffe nicht mehr umsetzen, ebenso muss mit Flüssigkeiten aller Art begrenzt umgegangen werden, da der Körper das ebenfalls nicht mehr umsetzen kann und es im Körper einlagert.
Die Folge ist häufig ein Lungenödem mit Luftnot, oder es wird im Körper eingelagert, mehr werde ich dazu nicht schreiben, denn die Folgen sind nicht schön anzusehen.
Ich bin nur froh das ich in einer Klinik arbeite, die den sterbenden Menschen das nicht antun.
Patientenverfügungen werden IMMER berücksichtigt, es wird immer als erstes danach gesehen, ob diese vorhanden ist.
Nur wer einen geliebten Menschen auf seinem letzten Weg begleitet hat, mit all den unschönen Begleiterscheinungen (von Stefan bereits beschrieben), kann sich in so eine Situation hineinversetzen.
Bis heute bin ich froh, dass wir dafür gesorgt haben, dass meine Mutter würdevoll einschlafen durfte. Sie hatte Lungenkrebs im Endstadium, mit Luftnot, Erstickungsanfällen und panische Angst vor dem was noch kommen könnte. Die Stationsärztin und ich haben dafür gesorgt, dass meine Mutter friedlich einschlafen durfte, alles im rechtlichen Rahmen.
Nachdem sie bereits nicht mehr ansprechbar war, sollte sie noch einen Shunt erhalten da die Krebszellen den Liquorabfluss verhinderten. Danach hätte sie, mit viel Glück, vielleicht noch ein paar Tage oder wenige Wochen überlebt.
Die Frage ist nur WIE?
Ich habe dieen Eingriff verweigert und die Ärztin gab mir vollkommen recht.
Wenige Stunden später verstarb meine Mutter, ganz ruhig und friedlich.
Das ist passive Sterbehilfe und damit kann ich sehr gut leben.
Meine Mutter durfte würdevoll gehen und genau das wünsche ich jedem sterbenden Menschen!!!

Andorra97
04.02.2010, 11:59
Irgendwo habe ich den Faden in der Diskussion verloren.
Es ging doch um aktive Sterbehilfe, oder?
Passive Sterbehilfe, wie sie durch die Patientenverfügung bestimmt wird, ist doch gar nicht das Thema, oder?? :confused:
Wer redet denn jetzt hier von aktiver und wer von passiver Sterbehilfe?

Dirk1973
04.02.2010, 12:12
Hier geht es global um Sterbehilfe. Und zu meinem besonderen Erstaunen auch recht sachlich. Schön, wenn es dabei bliebe. ;)

Stefans
04.02.2010, 14:52
Hier geht es global um Sterbehilfe.
Ja, und das ist m.E. auch Teil des Problems, was das (Miss-)Verstehen angeht. Wie z.B. offenbar zwischen Wolfgang und mir (Wolfgang: bei mir braucht sich niemand entschuldigen, ist doch deine Meinung - aber für eine Klärung, wo das Missverständnis liegen könnte, wäre ich dankbar).

Derjenige, der diesen thread eröffnet - und sich dann sofort zurückgezogen - hat, hat den Begriff halt pauschal verwendet. Und dann denkt sich eben jeder seinen Teil. Und jeder aus seiner eigenen Erfahrung. Der eine, weil er krebskrank ist und den Medizin-Apparat als Patient kennt. Der andere, weil er Angehöriger ist und das Leid geliebter Menschen mit ansieht. Der dritte, weil er im Gesundheitswesen arbeitet und deshalb natürlich ethisch-moralisch von der (überspitzt formulierten) Frage "abschalten oder nicht" ganz praktisch betroffen ist. Der andere, weil...

Das Thema ist nicht nur hier unübersichtlich und schwierig. Wenn man sieht, wie lange und mit welchen endlos langen "Geburtswehen" die Politik (und die Medizin, und die Kirche, und die Moralphilosophen, und und und...) daran herum gedoktert hat, das Thema in Paragraphen zu fassen. Und dass das Ergebnis immer noch nicht zufriedenstellend eindeutig ist (das wird wohl mal wieder ein BGH-Grundsatzurteil in x Jahren klären müssen...).

Das Thema Sterbehilfe direkt anzufassen, darum hat man sich in D bis heute erfolgreich gedrückt. Geändert hat man letzten September die Regelung zur Patientenverfügung ("Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts"). Aber auch die neuen Formulierungen dazu sind immer noch "wachsweich". Und überlassen die Verantwortung in der Praxis wie vorher Medizinern und gesetzlichen Betreuern, sofern vorhanden. Das einzig wichtige, was sich zu früher verändert hat: Eine Patientenverfügung ist auch dann zu befolgen, wenn die Krankheit des Patienten nicht zwangsläufig zum Tode führt. Die klassische Streitfrage aber bleibt bestehen: ob "die (in der Patientenverfügung) getroffenen Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen". Und nur wenn "ja", muss diese Verfügung von den Verantwortlichen befolgt werden.

Was in der Praxis heisst: Eine "wasserdichte" Patientenverfügung kann ich eigentlich nur in Kenntnis meiner aktuellen Krankheit und nach ausführlicher fachlicher Beratung verfasssen. Die "aktuelle Behandlungssituation" für alle Fälle vorab in eine Verfügung zu fassen, geht schlichtweg nicht. Ob künstliches Koma nach Verkehrsunfall oder Schlaganfall... diese Situationen kann niemand voraussehen. Müßte er aber, damit seine Verfügung in jedem Fall wirksam ist. Weil pauschale statements wie die Ablehnung jeglicher lebenserhaltender Maßnahmen im Einzelfall halt unwirksam oder zumindest strittig sind. Und im Notfall eine gerichtliche Klärung erforderlich ist.

Insofern ist das subject "Sterbehilfe" in diesem thread auch nicht ganz passend zur Diskussion, die sich daraus entwickelt hat. Von der Rechtslage in D her und in der medizinischen Praxis besteht Unsicherheit nur in dem Fall, dass der Patient sich selbst nicht mehr klar äußern kann. Und in dem Fall entweder eine Patientenverfügung hat oder nicht.

Kann sich der Patient noch klar äußern, ist die Sache einfach: Aktive Sterbehilfe ist in D verboten, Mediziner stehen dafür mit einem Bein im Knast. Wer das als Patient von Ärzten verlangt, muss nach Benelux zur Behandlung. Privat ist die aktive Sterbehilfe natürlich auch verboten. Wird aber in der Praxis häufig vorkommen - in der privaten häuslichen Pflege, und da oft ohne Zustimmung der Kranken. Da landen wir dann sofort wieder bei der "Euthanasie-Angst" (die so unberechtigt nicht ist - ich hätte auch Angst um mein Leben, wenn ich darauf angewiesen wäre, dass Aasgeier und Erbschleicher mich Zuhause pflegen und mir hoffentlich die richtigen Tabletten zur richtigen Zeit und in der richtigen Dosis geben). Sprich: solchen Angehörigen, wie sie Wolfgang und jede Krankenschwester/-pfleger aus dem Alltag kennt, will wohl niemand auf Leben oder Tod ausgeliefert sein.

Passive Sterbehilfe auf Wunsch des Patienten ist in D grundsätzlich straffrei, ob von privat oder von Ärzten. Ob das nun ein Behandlungssabbruch (z.B. keine künstliche Ernährung mehr) oder "Beihilfe zum Suizid" ist (z.B. das Glas mit dem Giftcocktail auf den Nachttisch stellen - nur es in die Hand nehmen und trinken muss der Patient selbst). Wenn der Patient eine Behandlung nicht wünscht bzw. abbrechen will, obwohl er damit seinen Tod herbeiführt oder beschleunigt, ist das nicht nur für den Behandler straffrei, sondern im Gegenteil Pflicht. Weil jegliche Behandlung eines Patienten gegen seinen erklärten Willen in D Körperverletzung ist und strafrechtlich verfolgt wird.

Dass sowas in der medizinischen Praxis trotzdem sehr problematisch sein kann, weiss jeder, der in dem Bereich arbeit. Vielleicht hat der eine oder andere auch letzten Sonntag in der ARD den Beitrag "schaltet mich ab" aus der Reihe "Gott und die Welt" gesehen? Einfach der Fall einer alten Patientin, die keine Dialyse mehr wollte. Hat sie nicht mehr bekommen und ist nach einigen Wochen an Nierenversagen gestorben. Schwierig der Fall einer alten Patientin, die nur dank Beatmungsgerät leben konnte. Und immer wieder gefordert hat, das abzuschalten. Was ist das nun, wenn der Arzt dem folgt? Ein "passiver" Behandlungsabbruch? Oder "aktive" Sterbehilfe, weil er dafür ja den Schalter umlegen bzw. den Schlauch abstöpseln muss? Und warum macht die Patientin das nicht selbst, wenn sie das immer wieder fordert? Schließlich reicht sie mit dem Arm locker an die Schläuche und den Power-Knopf des Gerätes... Tja, sie will halt nicht qualvoll ersticken, was verständlich ist. Das ist eine der schlimmsten Todesarten überhaupt, weil sich der Körper dagegen instinktiv wehrt und mit letzter Kraft um sich schlägt, um das zu verhindern. Ihr per Beatmungsgerät Stickstoff oder Helium statt Sauerstoff zu geben wäre human. Aber von Seiten des Personals als aktive Sterbehilfe verboten. Und selbst aufstehen, sich die Gasflasche kaufen und anschließen kann die gute Frau halt nicht mehr. Und nun ?!?!

Nun kommt der typisch deutsche und grausame "Kompromiss". Man wartet einfach, bis der Patient sich eine "neue" Krankheit zuzieht, die dann seinem Wunsch gemäß unbehandelt bleibt. Dann darf er irgendwann z.B. an Lungenentzündung sterben, und alle sind fein aus der Verantwortung raus. Das ist das traurige Ergebnis der Rechtsunsicherheit und x fallspezifischer Sitzungen der Klinik-internen Ethik-Kommission zu diesem "Fall". Und zutiefst unmenschlich - aber es ist nunmal für alle Beteiligten "rechtsicher" :eek: Dass Mio Menschen in D eine Patientenverfügung haben, um für sich genau sowas zu verhindern... wen interessierts? Hauptsache, uns kann keiner am Zeug flicken, ob ethisch, religiös oder strafrechtlich.

Und solange sich die Legislative erfolgreich um dieses Thema herumdrückt, wird das wohl in D leider ein Problem bleiben, das sich privat individuell oder im Gesundheitswesen in einer großen Grauzone "erledigt". Wenn niemand petzt, kann man vieles tun oder unterlassen. Wo kein Kläger, da kein Richter.

Ich war mir mit meiner Frau einig, dass das Selbstbestimmungsrecht über das eigene Leben und den eigenen Tod für uns unantastbar ist. Und ich hätte sie aktiv und human getötet, wenn sie das von mir verlangt hätte. Darüber hatten wir schon lange vorher Klartext geredet, und die Vorbereitungen dafür waren getroffen. Strafrechtliche Konsequenzen waren mir dabei völlig egal. Es hätte sowieso niemand bemerkt.

Für mich habe ich aus dem langsamen Krebstod meiner Frau und ihren stationären Behandlungen vorher den Schluss gezogen, dass ich, sobald ich an der Reihe bin, wenn ich es irgendwie verhindern kann, nicht in Klinik, Hospiz oder gar Pflegeheim sterben werde, sondern Zuhause, wenn ich es will. Und weil bei mir niemand da ist, der mir diesen Gefallen tun wird, bin ich auf den "final exit" vorbereitet. Klar, eine Patientenverfügung habe ich auch. Aber das Vertrauen, dass die auch in meinem Sinne befolgt wird... das habe ich nicht :cry:

Viele Grüße,
Stefan

Andorra97
04.02.2010, 17:00
Stefans,
ich kann Dir in vielen Dingen zustimmen. Ich bin allerdings immer noch der Meinung, dass es etwas anderes ist, ob Du als Ehemann Deiner Frau so und so entscheidest, oder ob Du eine Entscheidung von einem Mediziner verlangst.

Dafür MUSS es einfach eine Rechtsgrundlage geben, die möglichst allen Seiten gerecht wird. Die keinen bis wenig Raum für die "Aasgeier" bietet und trotzdem den Willen des Patienten an erste Stelle setzt.

Ich selbst bin der Meinung, dass wir da in Deutschland schon auf einem guten Weg sind. Immerhin hat sich ja viel getan in den letzten Jahren. Dass nicht alles von heute auf morgen umsetzbar ist, ist normal. So etwas dauert.

Aber grundsätzlich ist doch mit der neuen Regelung, dass Patientenverfügungen überhaupt bindend sein sollen schon ein Stein ins Rollen gebracht worden, der noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen wäre.

Wolfgang008
05.02.2010, 00:56
Stefans

Sicherlich können wir uns dahigehend einigen, dass das Thema, der Tod, das Sterben meist erst in den Focus gestellt wird, wenn man in/direkt davon betroffen wird.
Jeder Mensch hat seine pers Ansichten darüber wie es vonstatten gehen soll, wünscht sich einen qualfreien Tod, der möglichst dann schnell eintreten möge.
Verständlich, denn wer fürchtet sich nicht vor Schmerzen.
Doch eine wichtige Tatsache wird oft ausgeklammert, das Menschliche, was mir sehr wichtig erscheint und meist im Klinikablauf ins Hintertreffen gerät.
Deshalb stellte ich mir immer die Frage, wenn jemand den Wunsch äusserte freiwilllig aus dem Leben scheiden zu können, waren wir unaufmerksam, hatten wir zu wenig Zeit, hätten wir mehr tun können, müssen, damit dieser arme Mensch nicht den Wunsch nach einem vorzeitigen Sterben äussern würde.

Ich weiß es nicht, bin mir aber nicht sicher, da wir die Kranken nicht so lange kennen wie ihre Verwandten, ob wir den richtigen Zeitpunkt zur Erlösung finden würden. Sich ausschließlich auf Verwandt zu berufen, womit ich kriminelle Energien meinte, ist auch eine schwere Entscheidung, die sicherlich nicht immer zu aller Zufriedenheit getroffe werden kann.
Auch wir sitzen in einer Zwickmühle, denn es ist beim Sterben nicht anders als im normalen Alltag, 3 Leute vier Meinungen und wir werden dadrunter zermalen.
Ich hoffe hiermit ein bische dargestellt zu haben welche Meinung ich vertrete und hoffe nun damit ein Mißverständnis ausgeräumt zu haben, denn wenn ih schrieb, ich werde keine Spritze zusetzlich geben, die künstliche Ernährung nicht VORZEITIG, auf Anraten von Verwandten beenden, meinte ich doch eher den Kranken zu schützen, denn leider sind die Anforderungen, die von den Familienangehörigen an uns gestellt werden, nicht immer freundlicher Art.
Letztendlich entscheidet ein Arzt, kein Pfleger, dennoch , so denke ich darf dieser auch eine Meinung haben.

Hier noch einmal meine Vorstellung, die niemand übernehmen muß, , sondern nur meine Denk-, und Handelrichtung andeutet.

http://www.focus.de/politik/deutschland/standpunkt-menschliche-zuwendung-statt-aktiver-sterbehilfe_aid_168964.html

Gruß
Wolfgang

Stefans
05.02.2010, 12:31
Hallo,


ich kann Dir in vielen Dingen zustimmen. Ich bin allerdings immer noch der Meinung, dass es etwas anderes ist, ob Du als Ehemann Deiner Frau so und so entscheidest, oder ob Du eine Entscheidung von einem Mediziner verlangst.
Tue ich nicht. Die Entscheidung sollte beim Patienten liegen. Der Mediziner hat sie nur zu befolgen, wenn er sich damit im Rahmen des Gesetzes bewegt. Wenn er das mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, muss er sich halt einen anderen Job suchen, mit dem er ruhig schlafen kann.

Dafür MUSS es einfach eine Rechtsgrundlage geben, die möglichst allen Seiten gerecht wird.
Ja, eben. Und die gibt es nicht, weil sich die Gesellschaft seit langem darum herumdrückt. Obwohl das Problem offenkundig ist und stetig größere Ausmaße annimmt.

Doch eine wichtige Tatsache wird oft ausgeklammert, das Menschliche, was mir sehr wichtig erscheint und meist im Klinikablauf ins Hintertreffen gerät.
Deshalb stellte ich mir immer die Frage, wenn jemand den Wunsch äusserte freiwilllig aus dem Leben scheiden zu können, waren wir unaufmerksam, hatten wir zu wenig Zeit, hätten wir mehr tun können, müssen, damit dieser arme Mensch nicht den Wunsch nach einem vorzeitigen Sterben äussern würde.
Das sehe ich ähnlich. Wenn jemand sterben möchte, heisst das nicht automatisch, dass er nicht mehr leben will. Aber er will _so_ (unter diesen Umständen) nicht mehr leben. Und als Schwer-/Todkranker in Würde zu leben/sterben, ist halt nicht so einfach (und Würde ist mehr als Schmerzfreiheit, da finde ich dich etwas "eingleisig"). Über 90% der Menschen möchten in D Zuhause sterben. Tatsächlich stirbt jeder 2. in der Klinik. Dass daraus mitunter die Entscheidung reift: "bevor ich _so_ ende, bringe ich mich lieber um bzw. möchte getötet werden, wenn ich das selbst nicht mehr kann" - wer will den Kranken das verdenken.

Vor über 10 Jahren gab es in einer ostdeutschen Großstadt, wo ich damals gearbeitet habe, ein Pilotprojekt: Palliativmedizin Zuhause statt in der Klinik, wo medizinisch möglich. Das kam super an, die Patienten waren begeistert - Zuhause bei Familie, Haustieren, in der gewohnten Umgebung. Die Angehörigen waren ebenso erfreut. Und es war nur halb so teuer wie die Palliativmedizin im Krankenhaus. Aber nach Ende des Projekts ist das sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden. Weil formale Gründe das nicht zuließen. Liegt man in der Klinik, zahlt die Kasse alles. Ist man Zuhause, ist aus finanzierungsversicherungsrechtlichen Gründen keine gute Versorgung möglich. Ist dann halt Sache der Pflege-, nicht der Krankenversicherung. Und das reicht hinten und vorn nicht. Das ist doch (mit Verlaub) zum Kotzen.

Beim Thema in Würde sterben geht es halt m.E. zum großen Teil gar nicht um Ethik oder Moral, sondern schlichtweg um Profit. Jeder verteidigt da seine Pfründe mit Zähnen und Klauen, natürlich auch die Krankenhaus-Lobby. Eine Klinik-AG muß möglichst hohe Rendite erwirtschaften, das ist ihre Existenzberechtigung. Nichts anderes. Ob da nun todkranke Menschen versorgt oder Fernseher produziert werden, ist für die Bilanz völlig egal. Und ob eine Klinik eine Palliativstation einrichtet, erhält oder schließt, hat nichts damit zu tun, ob das medizinisch oder aus Sicht der Patienten wünschenswert ist - sondern ausschließlich damit, ob diese Station Gewinn erwirtschaftet oder nicht. OK, wenn die Klinik sich ein humanistisches Feigenblatt-Image zulegen möchte, wird sie dank Mischkalkulation querfinanziert auch einen defizitären Bereich eine zeitlang mittragen. Aber nicht seer lange.

Natürlich war es massiv schwierig, meine Frau zum Sterben nach Hause zu holen - schließlich verliert die Klinik da ein paarhundert EUR pro Tag, und das wird vom controlling gar nicht gerne gesehen. Und natürlich wird intern evaluiert, und wenn die Bettenauslastung nicht stimmt, wird die Personalbesetzung nach unten angepasst. Böse ausgedrückt: auch dein Job in der Klinik oder im Pflegeheim hängt letztlich daran, dass Menschen möglichst lange stationär am Leben erhalten werden. Ob sie das wollen oder ob sie das als würdig empfinden, ist nachrangig. Vorrangig ist, dass sie in der Pflege weniger kosten als für sie bezahlt wird. Und sie, wenn das so ist, möglichst lange dazubehalten.

Sicher, auch ein Goldesel sollte in Würde sterben dürfen. Aber solange er noch Dukaten scheisst... "Würde" im Falle stationärer Behandlung richtet sich nunmal leider zu einem Teil nach Fallpauschalen. Insofern ist vielleicht der Kostendruck im Gesundheitswesen gar nicht so verkehrt. Wenn die Fallpauschalen genug sinken, müssen Todkranke nicht mehr darum kämpfen, Zuhause sterben zu dürfen. Dann werden sie kurzerhand frühzeitig rausgeworfen. Natürlich nicht, weil sie sich nicht rentieren. Sondern weil man, leider leider, in der Klinik plötzlich medizinisch nichts mehr für sie tun kann. Letztes Jahr konnte man medizinisch noch ganz viel für sie tun - da war aber der Abrechnungsschlüssel gegenüber den Kassen auch noch anders...

Sich ausschließlich auf Verwandt zu berufen, womit ich kriminelle Energien meinte, ist auch eine schwere Entscheidung, die sicherlich nicht immer zu aller Zufriedenheit getroffe werden kann.
Auf Verwandte zu hören, würde ich (wenn ich an meine Verwandschaft denke) spontan konsequent ablehnen, was Sterbehilfe betrifft. Die haben formal aber doch gar nicht mitzureden? Es sei denn, sie sind in einer Vorsorgevollmacht/Betreuungsverfügung als Betreuer benannt. Und selbst dann gibt es im Streitfall immer noch die gerichtliche Instanz.

Viele Grüße,
Stefan

Angelainge
04.03.2010, 14:38
Ich versuche einmal ganz vorsichtig zu formulieren, denn solch ein sensibles Thema wird oft pers. genommen.

Sieht man sich einmal um in der Welt, den Streit, Zank, Neid, allgemein die Gemeinheiten und Boshaftigkeiten zu denen der Mensch aus Gier, Habsucht fähig ist, würde ich niemals für die Sterbehilfe plädieren.
Denn zu viele Menschen gehen schon mit Gesunden miserabel um, wird da bei Todkranken "Halt" gemacht, ich glaube es nicht!

Hallo,
zum letzten Satz will ich was zufügen.
Nicht nur, dass man durch solch schlimme Krankiheit geplagt ist, ich erhalte Unverständnis und Neid von Gesunden , wenn ich einen sog. Freifahrtsschein MVV des Versorgungsamts gg. Gebührenerstattung bekomme.
Nicht nur, dass man durch solch schlimme Krankiheit geplagt ist, ich erhalte in der Arbeit neue Kollegen, die ich für meinen Job einlernen soll, die ein besseres Gehalt und Zuwendungen bekommen in der Hoffnunf, dass mein Gehalt bald wegfällt.
Leider kann ich zum Thema Sterbehilfe wenig beitragen, meine Mutter starb krank und kämpfte bis zuletzt und auch ich werde es tun.
Da es aber kein Zurück gibt, würde ich mir das mehr als genau überlegen.
Gruß
Angela

derIgel
24.03.2010, 13:01
Zum Thema eine mutiger Beitrag eines Mediziners:
"Was ist so schlimm am Sterben?"

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,684976,00.html

Gruss
derIgel

chaoskatze
24.03.2010, 19:05
Interessante Diskussion...


Meine Meinung: Sterbehilfe - JA! Unter bestimmten Bedingen natürlich...


1. passive Sterbehilfe: Sowieso, also, wie sie jetzt ausgeführt wird, mittels Petientenverfügung etc.
Wobei man nicht vergessen sollte, dass es hier inzwischen ein neues Gesetz gibt, dass den Bevollmächtigten stärker miteinbezieht. Muss ich noch ändern.

2. aktive Sterbehilfe: ja, unter bestimmten Umständen.
Will heißen: wenn der Betroffene sich selbst aktiv dafür entscheidet und bestimmte Bedingungen gegeben sind. Zum Beispiel, dass er psychisch vollständig gesund ist und aufgrund seiner körperlichen Krankheiten das Leiden vermeiden möchte bzw in Würde sterben will.
Oder bei psychischen: wenn der Patient über mehrere Jahre hinweg trotz mehrfacher psychischer Behandlungen verschiedener Richtungen immer wieder bei einem dafür ausgebildeten Psychologen bestätigt hat, dies durchgehend zu wollen.
Ich weiß, dafür werd ich jetzt wahrscheinlcih von einigen halb gekreuzigt, aber ich denke, es ist das Recht eines jeden, zu entscheiden, ob er leben will. Suizid ist eine recht schwierige Lösung - vor allem, weil es größtenteils schief geht. Die Statistik zeigt, dass ein Großteil derer, die den ersten Versuch hatten, danach in Behandlung gehen und keinen weiteren Versuch begehen bzw nicht mehr begehen wollen, während der kleine andere Teil oft mehrfach versucht, bis es irgendwann klappt.
Der Punkt ist - "spontaner" Suizidwunsch (psychisch) darf selbstverständlich nicht unterstützt werden. Aber wenn jemand sich wirklich umbringen will und körperlich dazu in der Lage ist, wird er es irgendwann auf die Reihe bekommen. Ich bin auch nicht mal wegen der Suizidgefährdeten für solch eine Lösung, sondern für die, die die Leiche finden würden... Sichere Suizidmöglichkeiten sind vorwiegend nicht besonders nett anzusehen und es gibt zu viele Leute, die einfach zufällig in der Nähe waren und daraufhin selbst psychisch sehr zu leiden haben. Erinnere mich an ein13jähriges Mädel, die zufällig bei der Ubahn stand und sich jemand direkt vor ihr davor geschmissen hat. Ganz toll....

Der Punkt ist, die Menschheit ist aufgrund ihrer Entwicklung dabei, sich vom Mensch-Sein zu emanzipieren. Vor Ewigkeiten angefangen liegt es der aktiven Veränderung der Umwelt und letztendlich sich selbst gegenüber. Es ist absehbar, dass man sich damit beschäftigen muss, genauso wie mit Genmanipulation und künstlicher Intelligenz.

Meiner Meinung nach sollte man das Problem auch von einem ganz anderen Punkt angehen: der Betrachtung des Sterbens bzw. des Todes, der in der westlichen Welt so gerne ignoriert wird. Ist euch schon mal aufgefallen, dass Kinder sehr gut mit natürlichen Todesfällen umgehen können? Erst, wenn wir älter werden und Zeit an sich mit anderen Augen betrachten, verändert sich die Sichtweise.
Ich finde, es sollte bereits sehr früh von diesem Thema gesprochen werden, zb in der Schule. Tod ist etwas natürliches und prinzipiell nichts schlimmes. Schrecklich ist es für die Hinterbliebenen, nicht für die Person an sich! (betone: der Tod, das Sterben an sich ist natürlich eine andere Geschichte)
Daran sollte man zwischendurch auch erinnern.
Unsere Gesellschaft ist einfach der Entwicklung nicht hinterher gekommen. Einerseits hat man sehr viele Möglichkeiten in vielen Gebieten, andererseits wird immer noch gepredigt, was sich in jahrhunderterlanger Entwicklung ergeben hat. Obwohl man es irgendwann neu betrachten muss. Es gab Zeiten, wo diverse Religionen sicherlich sinnvoll waren, um die Gesellschaft zu leiten (wobei man ja eher sieht, wie die Gesellschaft sich die Religion zurechtgeredet hat ^^), die ZEiten sind inzwischen schon längst vorbei. Die Gesetze können es nur teilweise übernehmen - ethische Ansichten werden nicht genug weiterentwickelt bzw. verbreitet. Spielt es doch kaum eine Rolle (zumindest in der westlichen Gesellschaft).

Und ganz ehrlich - ich werde nicht zulassen (zumindest nicht, wenn es für mich möglich ist), dass ich am Ende gafernd im Bett liege und nur noch darum bettel, endlich gehen zu dürfen. Dafür bin cih ganz einfach zu stolz.
Es gibt schlimmere Sachen als zu sterben.

Stefans
24.03.2010, 19:29
Der Punkt ist - "spontaner" Suizidwunsch (psychisch) darf selbstverständlich nicht unterstützt werden. Aber wenn jemand sich wirklich umbringen will und körperlich dazu in der Lage ist, wird er es irgendwann auf die Reihe bekommen.
Aha. Die übliche Differenzierung, die überall getroffen wird, die ich aber nie verstanden habe. Jemand mit einer "physischen" Krankheit darf sich umbringen, bzw. dem darf man dabei helfen. Aber jemanden, der "nur" psychisch krank ist, natürlich keinesfalls. Auch wenn so jemand 20, 30 oder 40 Jahre mit so einer Krankheit lebt und jeder inkl. ihm selbst schon lange weiss, dass es dafür keine Heilung gibt... nein, "selbstverständlich" darf so jemand in seinem Willen nicht unterstützt werden.

Ich finde das immer wieder bemerkenswert. Und immer wieder vollkommen ignorant. Die Ignoranz bzw. Inkompetzenz zeigt sich z.B. eindeutig, wenn jemand den "psychischen" Suizidwunsch mit "spontan" gleichsetzt. Dem ist nicht so. Wenn du dir die Suizid-Statistik in D genau ansiehst, dann wirst du merken, dass die Vielzahl der "psychischen" Suizide keinesfalls "spontan" sind. Sondern sehr überlegt, in der 2. Lebenshälfte, und sehr effektiv. Dieses Klischee von "Suizid als Hilfeschrei, war ja gar nicht so gemeint, und es gibt doch Hilfe" trifft sicher oft auf junge Menschen zu, die in ihrer ersten schweren Lebenskrise sind. Aber nicht auf die mit hinreichend Lebenserfahrung, die die Mehrzahl der Suizid-Toten in D sind. Die wissen genau, was sie tun und warum, und sie tun es sehr erfolgreich. Die wollen sich "wirklich" selbst töten, nicht im "Affekt" oder aus einer vorübergehend schlechten Stimmung heraus.

Und ganz ehrlich - ich werde nicht zulassen (zumindest nicht, wenn es für mich möglich ist), dass ich am Ende gafernd im Bett liege und nur noch darum bettel, endlich gehen zu dürfen. Dafür bin cih ganz einfach zu stolz.
Es gibt schlimmere Sachen als zu sterben.
Tja, das ist genau das, was sich z.B. schwer depressive Menschen denken, die sämtliche Behandlungsmöglichkeiten durch haben. Und denen billigst du ihren "final exit" nicht zu?

Viele Grüße,
Stefan

chaoskatze
24.03.2010, 20:20
Hm, willst du dann nach Altersklassen unterscheiden? Das wäre Blödsinn, gibt es doch immer wieder ältere Menschen, die nie über die Teenagerphase hinweggekmmen sind...
Und wenn du mein Posting weitergelesen hast, da steht groß und breit, dass ich auch Suizid bei psychischen Erkrankungen unterstützen würde, wenn nachgewiesen ist, dass diese fortwährend vorhanden sind und nicht durch Therapie, soweit das aus menschlicher Sicht möglich ist, geheilt werden können.
Es gibt spontane Suizidversuche - habe erst vor kurzem mit jemandem gesprochen, der es nach nem Streit versucht hat, natürlich totlal unlogisch, mit ein paar Schlaftabletten und Alk... er hat selbst gesagt, dass er es nie wieder tun würde. Dass es seine Art und Weise war, sich selbst bewusst zu machen, dass er Hilfe braucht.
Dein Posting ist unlogisch - es bringt eine Argumentation, die ich genau so hingeschrieben habe. Ich zitiere: "Oder bei psychischen: wenn der Patient über mehrere Jahre hinweg trotz mehrfacher psychischer Behandlungen verschiedener Richtungen immer wieder bei einem dafür ausgebildeten Psychologen bestätigt hat, dies durchgehend zu wollen."

Boxerhund1
25.03.2010, 02:37
hallo miteinander,

habe mir grad mal das ganze Thema durchgelesen.

Also... erstens... wenn jemand argumentiert, daß wir aufgrund unserer "deutschen Vergangenheit" dieses oder jenes nicht dürfen, dann krieg ich - ehrlich gesagt - Pickel! Himmel nochmal... diese Vergangenheit ist jetzt ein dreiviertel Jahrhundert her - und wir leben nicht mehr in der Nazi-Zeit. :mad: Heute noch damit zu argumentieren - noch dazu bei so einem Thema - ist völlig daneben. :mad::mad:

Daß es geldgeile Angehörige gibt, wissen wir wohl alle. Aber auch die sind hier nicht wirklich relevant, denn die haben normalerweise - es sei denn, sie wären als Generalbevollmächtigte eingesetzt - eh nichts zu sagen. Daß ich solche Leute absolut zum kotzen finde, brauch ich wohl nicht extra zu betonen!?

Worum es doch geht, ist, ob man am Ende das Leben noch verlängert oder nur noch das Sterben. Und haben wir als Angehörige, Ärzte oder sonstige Personen das Recht, das Sterben zu verlängern? Haben wir das Recht, Menschen bis zum bitteren Ende, bis zum letzten Zucken zu quälen, bis dann der Körper endgültig nicht mehr weiter kann und aufgibt?

Und bitte... wo endet die passive Sterbehilfe, die ja inzwischen wenigstens weitgehend akzeptiert ist, und wo fängt die aktive an? Ist es denn nicht auch schon fast eine aktive Sterbehilfe, wenn wir Patienten so unter Morphium und Sedativa stellen, daß sie hinüberdämmern - ohne Schmerzen, ohne Angst, ganz friedlich? Wir wissen doch ganz genau, daß es auf diese Weise früher passiert - vielleicht nur ein paar Stunden oder Tage - aber früher als es die Natur tun würde.
Wenn man also die aktive Sterbehilfe ablehnt, dann muß man auch die terminale Sedierung ablehnen - und den sterbenden Menschen bei u.U. vollem Bewußtsein leiden lassen, sich bis zur Erlösung quälen zu lassen.
Und wer mag da daneben stehen und zusehen, wenn es um einen geliebten Menschen geht? Ich jedenfalls ganz sicher nicht - und ich würde es für mich auch nicht wollen.

Ich bin ebenfalls der Meinung, daß es jedem Menschen freigestellt und erlaubt sein muß, über sein Leben UND auch seinen Tod selber zu entscheiden. Und wenn dieser Mensch sich für den Tod entscheidet aufgrund seiner Situation, aber es körperlich selber nicht mehr kann, man ihm auf seinen Wunsch hin dabei helfen dürfen muß.

Erst vor ein paar Tagen - ich weiß nicht mehr wo - habe ich einen Artikel gelesen über einen "beatmeten Kopf", der um seinen Tod gefleht hat. Am ganzen Körper gelähmt, nicht mehr fähig zu irgendwas, leidend ohne Ende - aber selber nicht mehr fähig, dieses Ende selber herbei zu führen.
Wie grausam und unmenschlich ist es, diesem Menschen zu erklären, daß man seinem Willen nicht folgen darf und auch nicht will, was noch schlimmer ist. Werden da Ärzte, Angehörige, Juristen, Ethikkomissionen nicht zu Folterknechten?

Wer gibt uns Menschen das Recht, einen Menschen zum Leiden zu verdammen? Wie gnadenlos und selbstgerecht ist das denn dann?
Kein Tier würde man so leiden lassen - Menschen aber schon!?

Ja... unter bestimmten Umständen bin ich durchaus auch für aktive Sterbehilfe - dann nämlich, wenn der unermesslich leidende Mensch es so wünscht. Und nur sein Wille sollte dann zählen - und nichts anderes.

suze2
25.03.2010, 10:43
ihr lieben, liebe cori,
nein, diese argumentation mit "nazi-zeit" kann wohl verdeutlichen, wozu menschen fähig sind, sein können. und dass auch ärzte nicht über diesen dingen standen. also - niemand ist davor gefeit, "böses" zu tun.

und wenn man denkt, dass vor ein paar jahren - entschuldigung - ich habe die quelle vergessen, zitiere aus dem gedächtnis, also dass an häftlingen ohne deren wissen medikamente getestet wurden... dass es "organhandel" gibt, nieren beispielsweise mehr oder weniger zwangsweise entnommen werden (es gibt eine doku über ein ganzes dorf, wo die menschen nur eine niere haben und die wurde verkauft - bittere not, schlechte medizinische betreuung) -
also
mir macht beides angst:
am leben erhalten zu werden und nichts machen zu können
aber auch
ausgeliefert zu sein und nicht zu wissen, was "wirklich" die motive meiner "helfer" sind.

die möglichkeiten der medizin stellen uns mitunter vor fragen und entscheidungen, denen ich mich nicht wirklich gewachsen fühle.
also höchste vorsicht!

im zweifelsfall möchte ich aber lieber keine sterbehilfe im gesetz verankert wissen. gerade in der diskussion um steigende gesundheitskosten und teure krebsmedikamente würde mir das angst machen, eben nicht selbst entscheiden zu können, ob und wielange ich chemo machen will.

alles liebe
suzie

Dirk1973
25.03.2010, 11:07
Sorry, aber das Dritte Reich hat nun wirklich nichts in einer sachlichen Diskussion über legale und vor allem gesetzlich verbindlich geregelte Sterbehilfe zu suchen.

Also: zurück in die heutige Zeit und auch die aktuellen Aspekte der Sterbehilfe diskutieren.

Vielen Dank !

Silleke
25.03.2010, 13:46
Hallo Dirk,
Habe bisher nur lesend verfolgt, weil das Thema für mich persönlich unproblematisch ist. Ich lehne für mich aus meinem Glauben heraus aktive Hilfe ab .
Als Krankenschwester wunderte mich immer nur , wie oft Angehörige wollten, dass man nachhilft . Das war eklatant häufiger der Fall als bei Betroffenen. Und noch mehr wunderte mich, mit welcher Selbstverständlichkeit dafür das medizinische Personal herhalten sollte. Bei Patienten, die lange wussten ,todkrank zu sein und Zeit hatten, eigene Entscheidungen zu treffen. Das fand und finde ich inakzeptabel. Denn einen anderen Menschen aktiv zu töten, wäre eine mir unvorstellbare Belastung gewesen. Zur Würde gehört, den eigenen Weg selbstbestimmt zu gehen ,egal wie der aussieht . Nur in Ausnahmefällen ,bei völlig unerwarteten Lebensentwicklungen, von denen hier nicht die Rede war, ist das unmöglich .

Was mich aber eigentlich veranlasste , zu antworten: Nein Dirk, die Entwicklung damals hat jede Menge mit der heutigen Debatte zu tun. Die Euthanasie ist auch 1933 nicht vom Himmel gefallen, sie wurde Schritt für Schritt LEGAL eingeführt. Eine Diskussion über aktive Sterbehilfe darf nicht ignorieren, unter welchen Umständen und mit welchen Motivationen damals die Gesetzeslage sich veränderte. Das alles passierte auch nicht illegal, sondern beginnend schon hundert Jahre früher wurde krankes und behindertes Leben mehr und mehr bemitleidet. Nicht zufällig parallel mit der größer werdenden Zahl der wirtschaftlich unbrauchbaren Menschen. Niemals waren solche Debatten frei von wirtschaftlichen Erwägungen , auch wenn das für uns zunächst nicht das Argument ist. Wer heute Sterbehilfedebatten führt, muss zumindest wissen, wie veränderbar Gesetze sind. Und zu allen Zeiten wurden diese Ausgrenzungen, die bis im Morden endeten, begonnen mit dem Mitleid. Mit der Frage, ob ein so krankes oder behindertes Leben dem Betroffenen zumutbar sei.
Meine dringende Bitte wäre, dass nie wieder eine Allgemeinheit darüber debattiert, ob man Krebskranke und andere schwerstbeeinträchtigte Menschen töten darf, um Leiden zu vermeiden. Lasst jeden Einzelnen darauf die eigene Antwort finden. Patientenverfügungen sind mittlerweile bindend geworden. Wir haben die Möglichkeit, unseren eigenen Weg in Würde zu gehen.
Ich sage audrücklich Suze 2 Danke für ihren Einwurf.

liebe Grüße
Silleke

Stefans
25.03.2010, 18:51
Und wenn du mein Posting weitergelesen hast, da steht groß und breit, dass ich auch Suizid bei psychischen Erkrankungen unterstützen würde, wenn nachgewiesen ist, dass diese fortwährend vorhanden sind und nicht durch Therapie, soweit das aus menschlicher Sicht möglich ist, geheilt werden können.
Genau das ist mein Punkt: Was veranlasst dich zu dieser Wertsetzung? Bzw. wieso glaubst du, die wäre OK.

Erinnert mich an den ewigen Streit um die Patientenverfügung. Früher war es (nach BGH-Grundsatzurteil) so, dass eine Patientenverfügung nur dann akzeptiert werden musste, wenn die Krankheit des Patienten zwangsläufig zum Tode führt (also nicht behandelbar ist). Dank Frau Zypries und nach endlosen Jahren ist die Rechtslage heute endlich so, dass Patientenverfügungen auch akzeptiert werden müssen, wenn die Krankheit nicht zwangsläufig zum Tode führt.

Ein nierenkranker Patient, der die Dialyse zum Überleben braucht, kann heute sagen: will ich nicht mehr! Das wird akzeptiert, und er stirbt nach 1-2 Wochen an Nierenversagen. Obwohl er mit dieser Krankheit Jahrzehnte leben könnte, die effektive Behandlungsmöglichkeit ist ja da. Diesem "physisch Kranken" wird das zugestanden. Dem "psychisch Kranken", für den es analog eine Heilung gäbe, stehst du dieses "ich will nicht mehr" aber nicht zu ?!?!

Ich zitiere: "Oder bei psychischen: wenn der Patient über mehrere Jahre hinweg trotz mehrfacher psychischer Behandlungen verschiedener Richtungen immer wieder bei einem dafür ausgebildeten Psychologen bestätigt hat, dies durchgehend zu wollen."
Dieses "wenn" ist ebenso ignorant wie unverschämt. Was ermächtigt dich (oder irgendjemanden), einen "psychisch kranken" Patienten einer Art dauerhafter differenzierter "Gewissensprüfung" zu unterziehen?

Mehrere Jahre, mehrere Behandlungen, mehrere "Richtungen", mehrere "ausgebildete" Psychologen als Gutachter... noch höhere Hürden fallen dir nicht ein? Ich kann dir da nur einen Blick in die ersten Artikel unseres Grundgesetztes empfehlen. Das Selbstbestimmungsrecht des Menschen über das eigene Leben und den eigenen Tod ist bei uns Gottseidank eines der höchsten unantastbaren Güter. Und niemand braucht eine von irgendwem "abgesegnete" Rechtfertigung dafür, wenn er nicht mehr leben will. Wenn du glaubst, dass es dieser bedarf, dann solltest du mal deinen ethisch-moralisch-religiösen background gründlich hinterfragen.

Viele Grüße,
Stefan

Zu dem verlinkten Artikel:
Ja, der Herr Ridder spricht eingie wichtige Dinge an. ABER: er als Rettungsmediziner spricht aus der Theorie. Vieles schon erlebt, aber noch nie selbst Sterbehilfe geleistet. Ja, da läßt es sich schön über Kollegen lästern, die in der Intensivmedizin arbeiten und selbstverständlich angst haben, bei einer falschen Entscheidung mit einem Bein im Knast zu stehen.

Meine Schwester arbeitet seit Jahrzehnten in der Intensivmedizin, die kennt diese Konflikte ganz genau. Und ja: da wird passive Sterbehilfe praktiziert, Tag für Tag. Allerdings in einer rechtlichen Grauzone. Entscheidet der Stationsarzt, der gerade Dienst hat. Wenn das Arzt A ist und die lebenserhaltenden Systeme beim Patienten Alarm geben, sagt Arzt A: OK, Schwestern, ihr geht jetzt mal alle für 10 Min. raus, eine rauchen. Wenn Arzt B Dienst hat, sagt der: schnellstmöglich alle lebenserhaltenden Maßnahmen ergreifen, warum auch immer!

Und das ist m.E. der eigentlich Skandal. Es wird in D seit Jahrzehnten über Sterbehilfe (passiv, um aktiv geht es ja gar nicht, ist strikt verboten) diskutiert, mit aller Vehemenz. In "Ethik-Kommissionen", wo Politiker, Ärzte, Pfaffen usw. rumsitzen. Aber während die endlos diskutieren, werden in der Praxis der Intensivmedizin alltäglich "Nägel mit Köpfen" gemacht. Und zwar nicht nach dem Willen das Patienten, sondern nach Gusto des zuständigen Arztes. Und das ist unfassbar. Wir diskutieren ewig lange über Ethik und Moral, und legen die praktische Entscheidung über Leben und Tod in die Hände von Medizinern, die in ihrer Grauzone tun dürfen, was sie für richtig halten.

Und natürlich passiert dann als Dauerzustand das, was Herr Ridder als Beispiel nennt: "Keine Wiederbelebung, wir machen nichts mehr. Eine absolut verantwortliche Entscheidung. Aber in der Akte steht was anderes: "Wiederbelebung nach 25 Minuten eingestellt." Die Kollegen wollten sich absichern. Weil sie die Hand des Staatsanwalts auf ihrer Schulter zu spüren glauben."

Wundert das noch irgendwen? Das einzige, was mich wundert, ist Hr. Ridders Formulierung "die Hand des Staatsanwalts (...) zu spüren glauben". Nee, die verantwortlichen Mediziner "glauben" nicht, die zu spüren, die ist da. Ganz konkret. Kennt sich Herr Ridder offenbar nicht mit aus. Wenn er jemals als Arzt in der Situation gewesen wäre, selbst zu entscheiden "Keine Wiederbelebung, wir machen nichts mehr"... und sich danach der Klageandrohung Angehöriger ausgesetzt gesehen hätte, die ihn dafür drankriegen wollen, dass er nichts mehr "gemacht hat"... dann hätte sein Artikel unter Garantie eine andere Perspektive.

Viele Grüße,
Stefan

Stefans
25.03.2010, 19:28
die Entwicklung damals hat jede Menge mit der heutigen Debatte zu tun. Die Euthanasie ist auch 1933 nicht vom Himmel gefallen
Nein, das stimmt. Und man darf auch nicht vergessen, dass die "Euthanasie"-Diskussion damals (in " ", weil der eu-thanatos, der "gute Tod", etwas völlig anderes ist als das Morden, das im 3. Reich daraus gemacht wurde) nicht auf dem Mist der Nazis gewachsen ist. Auf diese Idee kam nicht der kleine, arbeistlose Anstreicher aus Österreich oder seine Gefolgschaft.

Noe - auf die Idee, wie man sich in einer Gesellschaft den nutzlosen und lebensunwerten Menschen-Existenzen möglichst elegant entledigt, kamen in den westlichen Industrieländern studierte und höchst ehrenvoll dekorierte Anthropologen, Philosophen, Mediziner, Theologen, Historiker usw. schon Jahrzehnte vor der Machtergreifung.

Und was heute ungern zugegeben wird: die westliche Wissenschaftswelt hat damals die deutschen Täter der Euthanasie _beneidet_ - weil die Akademiker-Kollegen in D endlich legal tun durften, was in den USA und anderswo wegen kleinkarierter moralischer Bedeknen von Gesetz wegen verboten war. Und die Sache war auch ganz oben angesiedelt. Bei T4 (= das Euthanasieprogramm zur Vernichtung lebnensunwerten Lebens) hat des Führers Leibarzt Dr. Brandt höchstpersönlich die ersten Irren in der Landesklinik Brandenburg abgespritzt - weil das ja eine "medizinisch wissenschaftliche" Angelegenheit war, das durfte damals (noch) nicht jeder Hiwi. Und dem Führer gemeldet, wie selig die Opfer entschlafen sind.

Das Schlimmste an der Sache war aber m.E., dass T4 von Seiten der Politik nach einigen Jahren gestoppt wurde, weil es im Ausland einfach schlechte Kritiken gab. Aber dieser Stopp war nicht durchzusetzen. Die Krematorien in den Klapsmühlen rauchten, die Belegschaft feierte den 1.000 Vergasten mit Sektumtrunk... und die Ärzte, Schwestern und Pfleger haben einfach weiter gemordet - trotz ausdrücklichem Verbot der Reichsregierung in Berlin.

Das sollte einem zu denken geben, wenn man heute zum Arzt geht. Wer in der Nachkriegszeit in D mit seinem Kind zum Prof. in der Uni-Klinik gegangen ist, hatte gute Chancen, von einem Massenmörder behandelt zu werden. Selbstredend ist kein Mediziner in D jemals dafür zur Verantwortung gezogen worden (wie auch kein Jurist - das haben die Berufe gmeinsam). Jedenfalls, zum Thema "Mediziner und Ethik" (oder gar Gewissen): dass ich nicht lache.

Trotzdem hat Dirk m.E. recht, dass die Sterbehilfe-Diskussion heute mit der "Euthanasie" damals nichts zu tun hat. Beim wichtigsten Aspekt: wenn wir über Sterbehilfe reden, dann ausschließlich nach dem Willen des Patienten. Jemand möchte keine Behandlung mehr. Damals war das anders, da haben Bürokraten entschieden, wer sterben muss, weil er "lebensunwert" ist. Und so schwierig die Sterbehilfe-Dikussion in D wegen unserer Vergangenheit auch ist. Es kann wirklich niemand unterstellen, dass dieser Aspekt hier eine Rolle spielt. (Natürlich, bei Angehörigen, die ihre Oma lieber heute als morgen tot sehen wollen - aber die verabschieden zum Glück keine Gesetze und setzen sie auch nicht um).

Viele Grüße,
Stefan

Boxerhund1
25.03.2010, 23:40
@ Suzie :-)

hallo Suzie,

worum es mir persönlich geht, ist einzig und alleine, daß der Wille des Patienten über allem steht.
Der Patient entscheidet, ob er eine Therapie will oder abbricht - und alleine der Patient entscheidet, ob er Hilfe will in welcher Form auch immer, wenn es um's Sterben geht. Egal ob es um Krebs geht - oder ob es um ein Unfallopfer geht, bei dem alleine nur noch der Kopf funktioniert.

Siehst, ich trage seit Jahren einen Organspenderausweis mit mir herum. Als ich den ausgefüllt habe, da kam mir auch mal das ungute Gefühl... was wäre wenn... wenn ich tatsächlich als Unfallopfer eingeliefert würde, noch nicht tot aber so schwer verletzt, daß eine Heilung zumindest fraglich ist. Was wäre dann wenn.... wenn meine Organe grad recht kämen, bekäme ich dann noch die optimale Versorgung oder würde ich, wenn ich Pech habe, gleich nur noch als Organlieferant betrachtet.
Diese Fragen beschäftigen einen - das ist doch ganz klar.
Und ähnlich ist es auch mit der Sterbehilfe.

Es ist eine Frage des Vertrauens - und ich meine, man kann meist doch Vertrauen haben. Sonst hätte ich keinen Organspenderausweis und auch keine Patientenverfügung.

Wieso die passive Sterbehilfe immer noch manchmal nicht funktioniert - von der aktiven red ich noch gar nicht - ist doch, weil einige Ärzte einfach Angst haben vor der Strafverfolgung - oder aber - und das ist auch ein Thema - weil es Ärzte gibt, für die ein sterbender Patient eine persönliche Niederlage bedeutet.
Eine gesetzliche Regelung könnte einfach dahingehend sein, daß der Wille des Patienten maßgebend ist. Was bisher bei der passiven Sterbehilfe grad mal anfängt zu funktionieren, könnte genauso für die aktive gelten: Der Wille des Patienten zählt - und NUR DER!!!

Und ich wiederhole - aktive und passive Sterbehilfe wird schon lange praktiziert, auch und gerade bei Krebspatienten in der präfinalen oder finalen Phase - nur redet keiner drüber. Und die Grenzen zwischer aktiver und passiver Sterbehilfe sind absolut fließend.

Deine Angst ist - und das völlig verständlich - daß irgendein Bürokrat entscheidet, ob du leben sollst oder sterben. Das würde ich auch vehement ablehnen.
Aber ... auch das geht am eigentlichen Thema vorbei, wenn man den Willen des Patienten selber als höchste Instanz einsetzt, wenn man es gesetzlich regelt.
Nur eben dann hat auch der heute noch gesunde - oder auch der schon kranke - Mensch hier eine Bringschuld: die Patientenverfügung!!!
Man sollte da erstmal eine klare Definition schaffen - was ist definitiv noch passiv - und was ist schon aktiv.

Aktiv? Ausreichende Schmerzbekämpfung und Sedierung? Aktiv die Maschinen abstellen? Aktiv nicht mehr zu reanimieren? Oder erst aktiv, wenn man eine letzte Spritze setzt, falls der Patient es so wünscht?

Das Thema ist so vielschichtig, daß man es auf dieser Ebene sicher nicht zu einer für alle zufriedenstellenden Lösung bringen wird.

Aber... von der hohen ethischen und moralischen Warte aus alles abzulehnen, ist für mich nicht tragbar - vorallem dann nicht, wenn man selber nicht betroffen ist als Kranker oder Angehöriger.
Unser aller oberstes Gebot sollte die Menschlichkeit sein. Wenn jemand unsagbar leidet, wo bleibt dann die Menschlichkeit, wenn man ihm einen gnädigen Tod verweigert aus - vermeintlich - ethischen Erwägungen heraus?

chaoskatze
25.03.2010, 23:48
Bitte, wenn es geht, nicht beleidigend werden, ja?

Der Punkt ist, man kann nicht einfach Suizidmöglichkeiten im Supermarkt für 3 Euro verkaufen. Das hätte üble Folgen - zum Beispiel, dass jemand, der nur einen kurzen Austicker hat oder vielleicht einfach gerade Drogen nimmt, sich umbringen will und das ohne Probleme machen kann. Oder jemand, der höflich gebeten wurde, selbiges zu machen...

Ich glaube, dass das, was du als meine persönliche Ignoranz hinstellst (da könnte man fast darauf hinweisen, dass deine Angriffsmethoden auch nicht gerade unverletzend sind), eher eine Sache der Wahrscheinlcihkeit wäre. Nämlich möglichst statistisch die höchstmöglichste Wahrscheinlichkeit wissenschaftlich zu erforschen (wie gesagt, soweit möglich), dass die betreffenden Personen eine Entscheidung getroffen haben, die unter Bewusstsein und über längere Dauer gefällt wurde.
Nicht nur um der Personen willen, sondern vielmehr um das der Hinterbliebenen.
Dazu kommt: ein psychisch Kranker ist in einem sehr hohen Prozentsatz in der Lage, sich selbst zu töten. Dennoch lassen es viele aus Furcht vor den eventuellen Folgen - Fehlversuche etc..., aber auch aus fehlender Entschlossenheit. Das würde sich rabiant ändern, wenn es die Möglichkeit gäbe, ohne Probleme das man schnell zu erledigen.
Das wäre dasselbe, als würde ich sagen, wenn ein Alkoholiker nicht trinken will, muss ers ja nicht, dann macht es ja auch nichts, wenn ich ihm ein paar Schnappes hinstelle...

Und noch mal: es geht nicht darum, grundsätzlcih alle psychisch instabilen am Suizidwunsch abzuhalten. Es geht darum, zu verhindern, dass sie aufgrund eines kurzen Rückfalls, einem Gefühl der Hilflosigkeit uä sich töten.

Anders gefragt: wenn du zufällig mitbekommst, dass sich jemand töten will, den du noch nie gesehen hast - würdest du ihn davon abhalten oder nicht? Wenn du schon von den Gesetzen anfängst....

Und bitte, wie gesagt, nicht so verletzend. Nur Argumente gegen meine Argumente, wenn du mich persönlcih angreifst, können wir die Diskussion gleich lassen. Dafür bin ich zu verletzlich, umso mehr, dass mich das Thema ja auch betrifft, ungewiss der Tatsache, wann..

Boxerhund1
26.03.2010, 01:38
Sorry, aber das Dritte Reich hat nun wirklich nichts in einer sachlichen Diskussion über legale und vor allem gesetzlich verbindlich geregelte Sterbehilfe zu suchen.

Also: zurück in die heutige Zeit und auch die aktuellen Aspekte der Sterbehilfe diskutieren.

Vielen Dank !

hallo Dirk,

gebe ich dir völlig recht. Das Problem bei uns in Deutschland ist aber, daß genau das immer wieder auftaucht - unsere "Vergangenheit" und die Verbrechen, die damals passiert sind. Da kommen sofort die selbsternannten Gutmenschen und schreien .... "neiiinnnn... das haben doch schon die Nazis gemacht" :mad: - vollkommen undifferenziert und völlig am Thema vorbei.
Auch der Wolfgang008 argumentiert ja damit - und genau das finde ich einfach völlig daneben.

Es geht um heute - um unsere heutige Gesellschaft und unsere heutige Rechtsprechung - und da sollte diese dunkle Vergangenheit wirklich keine Rolle spielen dürfen.

Worum es heute geht, sind die leidenden und sterbenden Menschen, deren Willen man respektieren muß - an die oberste Stelle setzen muß. Es geht EBEN NICHT um die Vernichtung "unwerten Lebens" wie bei den Nazis - es geht um Menschlichkeit und die Gnade eines friedlichen, angst- und schmerzfreien Sterbens, wenn es dann mal soweit ist.

Ich verstehe nicht, wieso das so ein Problem ist für manche - einfach menschlich zu handeln. Wenn die selber einmal betroffen sind, werden sie genau das für sich selber einfordern. Solange man selber allerdings nicht betroffen ist, kann man sich leicht auf das ethische hohe Roß setzen. Und das ist für mich Heuchelei pur. :mad:

Wolfgang008
26.03.2010, 02:43
@Das Problem bei uns in Deutschland ist aber, daß genau das immer wieder auftaucht - unsere "Vergangenheit"


Wen ich lesen und höre wie heute über Mio Menschen offiziell hergezogen werden darf, sich niemand dagegen erhebt, sondern die Mehrheit der Bürger noch in die selbe Kerbe, eines Sarrazin, Metzger, Westerwelle schlagen, dann bitte schön kommt der Gedanke an früher schon einmal auf.
Wir haben in Deutschland immer noch die Vorliebe der Ausgrenzung, wie lange musste Behinderte kämpfen , eh sie überhaupt in ein öffentliches Gebäude kamen, wie oft machen KK einem einen Strich durch die Rechnung, Renter als Sündenböcke hingestellt..Aufzählungen ohne Ende.
Natürlich kann man überall darüber hinweg sehen, auch das ist ein typisch deutsches Phänomen.

Es verwundert nichts mehr, genauso war das Verhalten auch festzustellen, abwinken, Thema ausklammern, man tat es später einfach nur.
Da hat sich doch nichts geändert!
Nein bei solcher Vorbedingung würde ich niemals die Sterbehilfe gelockert sehen wollen.

Die Medizin sollte dahingehend weiter erforscht werden, sodass die Angst vor Schmerzen verloren gehen kann, denn dann löst sich das Problem der Sterbehilfe von ganz allein.

P.S

Niemand muss meine Meinung teilen, dennoch habe ich das Recht auf eine eigene, denn darin fleisst ausschliesslich pers Erfahrung mit ein.
Wer es ignoriert das Verwandte etc unwahrscheinlich drängend sein können, wie ich schon einmal schrieb, sogar mit Datumangabe, dann wird einem nur noch übel.!
Die Politiker können garnicht einer Lockerung der Sterbehilfe zustimmen, denn sie sind für alle verantwortlich und werden nicht die Helfer derer werden, die ihren Sterbenskranke ein bischen eher los werden wollen, auch das ist die Realität Man kann nicht für die Sterbehilfe plädieren und bewusst dabei in Kauf nehmen, das einige Menschen deshalb eher gehen müssen!.

Dirk1973
26.03.2010, 07:32
Oha, langsam schaukeln sich die Wellen hoch. So stelle ich mich mal in die Flut und betätige mich mal als Wellenbrecher.

Grundsätze zu dieser Diskussion

Bisher las ich nur sachliche Beiträge. Zugegeben klang hier und dort auch mal die eigene Befindlichkeit durch. Das ist gut und richtig so, aber auch nur solange es nicht persönlich wird. Ich konnte bisher keinen Ausrutscher in´s Persönliche erkennen, also gibt es da auch nichts zu bemängeln. So darf es weitergehen. Glaubt mir, ich schaue mir die Beiträge hier schon sehr genau an. Dafür ist das Thema einerseits zu wertvoll, wie aber auch zu sensibel. Entsprechend niedrig ist hier meine Schwelle zum Editieren bzw.Löschen in diesem Thread. War bisher nicht nötig und so wünsche ich mir das auch weiter.
Mir ist es egal, ob die Diskussionsteilnehmer hier betroffen, angehörig oder "fachfremd" sind. Die Frage der Sterbehilfe wird in ganz Deutschland bereits diskutiert: Da macht es keinen Sinn, hier den Kreis einzugrenzen.

Drittes Reich

Hier sehe ich es wie Cori. Das Vernichten menschlichen Lebens in dieser Zeit hat nichts mit einer Sterbehilfe der heutigen Zeit zu tun. Damals wurden Menschen heimtückisch auf Grund einer, aus heutiger Sicht völlig inakzeptablen, Weltanschauung und vor allem GEGEN IHREN WILLEN getötet. DAMALS sahen es viele Menschen anders. Zum Glück sind wir heute schlauer und haben aus den Fehlern der damaligen Zeit gelernt.
Heute wollen wir unheilbar erkrankte Menschen legal von ihrem Leiden erlösen, wenn DIESE MENSCHEN es wollen. Es geht darum, diesen Menschen und Ihre Behandler eine rechtsverbindliche Möglichkeit zu schaffen das zu tun, was ja jetzt schon unter dem Deckmantel der alltäglichen Arbeit gemacht wird. All das hat mit den Nazis nichts zu tun. Diese mordeten aus Hass. Die heutige Sterbehilfe soll Erlösung von Leiden sein.

Zum Dritten Reich werde ich keine weiteren Postings mehr zulassen und ggf. editieren und löschen.

Aktueller Stand der Sterbehilfe in Deutschland

Wie viele von Euch bereits geschrieben haben, wird sie bereits heute tagtäglich praktiziert. Und zwar von mutigen Menschen die die vorhandenen Grauzonen mal recht, mal schlecht ausreizen. Auch ich kenne aus meiner beruflichen Tätigkeit einige Situationen, in denen für den klar geäußerten Willen alles Mögliche eben nicht getan wurde. Mit diesem Vorgehen fühlt sich aber niemand wirklich wohl. Daher gibt es auch viele Mediziner, die es eben nicht machen und auf Deibel komm raus den Körper am Leben erhalten, bis es halt tatsächlich nicht mehr geht. Auch wenn vorher schon klar ist, dass es nur noch eine Verlängerung von Leid und Schmerzen ist.

Es geht hier nicht darum, dass Oma Krawuttke sich für eine Handvoll Euro Ihre Zyankali-Kapsel in der Apotheke kaufen kann. Es geht darum, den Ärzten einen Handlungsspielraum zu schaffen, in dem sie sich in Abstimmung mit dem mündigen Patienten auch legal bewegen können.
Es geht nicht um den Suizidwillen psychisch Erkrankter. Es geht hier ausschließlich um die Sterbehilfe bei unheilbar Erkrankten, die auch ohne weiteres Zutun, nur dann halt langsamer und qualvoller, in absehbarer Zeit sterben werden.

Also: sachlich und in der heutigen Zeit darf es dann weitergehen. ;)

Lalesus
26.03.2010, 08:36
Guten morgen Ihr Lieben,

wollte nur mal kurz von uns berichten. Ich bin Mama einer zweimal krebserkrankter Tochter (der es heute aber gut geht).

Vor fünf Wochen musste ich eine Entscheidung treffen und ich habe Gott sei dank das Richtige getan. Aber von vorne. Es geht um meine Oma (70) sie hat Diabetis und ein nicht mehr ganz so starkes Herz und ist seit Jahrzehnten Raucherin. Es kam wie es kommen musste, Ihre Lungen und Ihre Nieren machten schlapp, sie wurde in die Uni eingeliefert. Man musste sie intubieren und eine Stunde später wäre sie tot gewesen wenn wir Sie nicht hätten einweisen lassen. Da ich die Betreuungsvollmacht für den Fall habe das Sie nicht mehr selber entscheiden kann wurde mir gesagt, man könnte auch einfach nichts machen und sie einschlafen lassen...Ich habe mich dagegen entschieden, da ich der Meinung war meine Oma schafft das... Ich wurde müde belächelt, sie wäre ja so alt etc... Die ganze Behandlung möchte ich Euch mal ersparen, nur so viel die Todgesagte Oma kommt heute ohne Folgeschäden, ohne Sauerstoffgerät etc. nach Hause und Ihr geht´s gut.

Mir wurde die passive Strebehilfe fast aufgezwungen und in mehreren Gesprächen immer gesagt das sie so alt wäre etc. Wenn ich mir meine Oma jetzt ansehe bin ich froh, daß ich nicht auf die Ärzte gehört habe. Ich werde nur jetzt mit meiner Oma eine detaiitere Patientenverfügung aufsetzten, denn ich finde niemand als der Betroffene selber hat zu entscheiden wann, wie und ob er gehen will....

Ich wünsche euch einen schönen Tag

LG Susanne

Silleke
26.03.2010, 08:36
Worum es heute geht, sind die leidenden und sterbenden Menschen, deren Willen man respektieren muß - an die oberste Stelle setzen muß. Es geht EBEN NICHT um die Vernichtung "unwerten Lebens" wie bei den Nazis - es geht um Menschlichkeit und die Gnade eines friedlichen, angst- und schmerzfreien Sterbens, wenn es dann mal soweit ist.

Ich verstehe nicht, wieso das so ein Problem ist für manche - einfach menschlich zu handeln. Wenn die selber einmal betroffen sind, werden sie genau das für sich selber einfordern. Solange man selber allerdings nicht betroffen ist, kann man sich leicht auf das ethische hohe Roß setzen. Und das ist für mich Heuchelei pur. :mad:

Guten Morgen Cori,
Dein Posting finde ich fast schon verwirrend. Meines Wissens wehren sich am lautesten gegen aktive Sterbehilfe Behinderte selber. Während Nichtbetroffene ,oft sind es Angehörige, vehement das Leiden beenden wollen. Im großen ganzen scheint mir das auch hier im Thread so zu sein .

Mir macht es Angst ,mit welcher Selbstverständlichkeit man Kranken unterstellt, ihr Leiden nicht tragen zu wollen oder zu können. Warum soll denn Sterben unbedingt friedlich, angst-und -schmerzfrei sein ? Ist das dem Ereignis angemessen ? Was meint es, den Willen Leidender zu respektieren ? Das kann doch nur bedeuten,das zu respektieren, was der Betroffene will. Wenn ich als Betroffene nicht entscheide, mir mein Leben zu nehmen, mache ich auch klar, was ich will. So richtig verstehe ich nicht, wieso all die vielen Kranken, die sich mit klarem Verstand und dem Wissen um den Fortgang der Krankheit gegen ein vorzeitiges Ende entscheiden, später dann Objekte der Gnade werden sollen.

Mein Behindertenverband spricht sich, wie so etwa alle, gegen aktive Sterbehilfe aus. Und ringt gleichzeitig darum, dass Behinderte teilhaben dürfen. Wolfgangs nüchterne Feststellungen zu Rechten Behinderter und der Diskriminierung auch anderer Randgruppen sollten wir bedenken. Auch ich mache mir wesentlich mehr Sorgen darum, wie lange unsere Gesellschaft , auf einem ungeheuren Schuldenberg sitzend,noch bereit sein wird, behindertes Leben zu finanzieren. Stefan hat darauf hingewiesen, dass die Vernichtung der "Ballastexistenzen" keine eigentliche Erfindung der Nazis gewesen ist. Sondern vielmehr ihren Ursprung hatte in gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen vieler Jahrzehnte. Ich stimme ihm nur in einem wichtigen Detail nicht zu. Es sind nicht irgendwelche ominösen Theologen, Ärzte, Philosophen gewesen. Nein, das war die Entwicklung einer Zeit, eines ganzen Volkes. Und so verabschieden Angehörige ,die die Oma nicht mehr pflegen wollen , den psychisch kranken Verwandten verleugnen , und Arbeitslose faul finden, natürlich keine Gesetze . Aber sie gehen wählen.

Heute angesichts der Wirtschaftskrise ,angesichts der immer größer werdenden Zahl der Kaputten, Kranken, Behinderten, die nicht mehr leistungsfähig genug sind , keine Sorgen zu haben vor neuer Ausgrenzung, vor neuer Euthanasie, getarnt als Mitleid , das ist mir unbegreiflich. Für mich als Behinderte sind diese Befürchtungen Alltag. Und das einzige Argument , was die Politik noch abhält, deutlicher zu werden, ist die Erinnerung. Aber ich bekomme auch heute keine Reha .Barrierefreie Klinikplätze werden an Privatpatienten vergeben .Ich verzichte auf bestimmte ärztliche Untersuchungen, weil nicht erreichbar. Ich ertrage genervte Ärzte, weil jeder Termin mit mir länger dauert , und das ist nicht im Budget drin. Ich akzeptiere, dass man mit dem Geld der Pflegekasse nicht jeden Tag sauber gewaschen sein kann.
Ich weiss schon, wir sind hier in einem Krebsforum, nicht in einer Organisation für Behinderte. Aber auch Krebs kann dauerhaft behindert machen, und eine so schwierige Thematik wie die der Sterbehilfe kann man nicht beschränken auf bestimmte Personenkreise. Wenn aktive Sterbehilfe gesellschaftsfähig würde, so würde sie gerade Schwerstbehinderte besonders bedrohen. Die Sichtweise der Behindertenverbände dazu ist eindeutig, und sie ist es nicht zufällig . Das mindeste, was ich von jedem Befürworter der aktiven Sterbehilfe erwarte, ist, sich auch für mein Recht auf Leben einzusetzen. Ich habe mich nämlich für das Leben und für das Leiden am Leben entschieden .Für ein Leben, das öfter von Aussenstehenden abgewertet wird. Natürlich sind die Leute nicht so direkt, mir gleich zu sagen, man wolle mich erlösen . Zumal ich meist vergnügt und nicht leidend aussehe. Aber wenn ich bekenne, den Fortgang meiner Krankheit im Gottvertrauen gelassen hinnehmen zu wollen, obwohl ich weiss, was voraussichtlich kommen wird, so wird mir gerne mal leichte geistige Verwirrtheit attestiert.Nun, ich bin ja nicht gezwungen, meine Sichtweise von Lebenssinn anzupassen an die gesunden Leistungsträger der Gesellschaft. Nur was passiert, wenn die bemerken, dass mein angeblich erbärmliches Leben auch noch jede Menge Geld kostet ? Während uns die Staatspleite droht.

Verzeiht mir meinen persönlichen Einwurf, aber Theorie ist manchmal zu theoretisch.

liebe Grüße
Silleke

chaoskatze
26.03.2010, 08:43
*gg* Ok, wir sind dann auch wieder alle brav :D


So. Passive Sterbehilfe: sowieso, auch in Patientenverfügung festgelegt, seit einigen Jahren schon.
Aktive Sterbehilfe: auch - ich persönlich möchte einfach nicht riskieren, dass ich irgendwann nur noch sabbernd rumsitze, mich ständig betatschen lassen muss etc und vor allem nicht das ausleben kann, was ICH BIN...
Mein Wunsch ist es, noch recht lange weiterzuleben (sozusagen die Statistik platt zu machen ;) ) und dann innerhalb von ein paar Tagen friedlich zu sterben. Auch, dass es für meine Leute einfacher ist, sich zu verabschieden.

Silleke
26.03.2010, 08:57
Hallo Dirk,
Lese gerade deinen Beitrag. Eins fehlt mir da aber. Du arbeitest im Gesundheitswesen. Du müsstest wissen,dass wir längst auch heimliche Rationierung haben aus Kostengründen. Sozusagen so was wie unerwünschte und meist von den Patienten nicht bemerkte Sterbehilfe. "Sterbehilfe "wird keinswegs nur praktiziert von mutigen Menschen in rechtlichen Grauzonen, sondern tagtäglich bei den Kosten-Nutzen-Bewertungen, bei den Entscheidungen der Krankenkasse, ja durch Verwaltungsleitungen von Kliniken.
Das Thema völlig abzukoppeln von finanziellen Entwicklungen, entspricht doch bereits heute nicht mehr der Realität . Die entscheidende Frage ist, wie verhindern wir, dass finanzielle Interessen an die ethischen angehängt werden. Darauf hat keiner eine Antwort . Und wenn es dir noch so wenig gefällt, diese Frage darf und muss man auch stellen angesichts der Geschichte. Und angesichts von Philosophen wie Singer . Wenn aber einmal ein Arzt wie neulich ein Ärztepräsident offen über notwendige Rationierung medizinischer Leistungen spricht, so brechen wir aus in scheinheilige Empörung.

liebe Grüße
Silleke

Wolfgang008
26.03.2010, 11:55
Silleke, dem Bericht ist nichts hinzuzufügen, denn diese Tatsache ist überall festzustellen, nur meist wird weg geguckt.


Wenn ich an die Altersbegrenzung der Implantation eines künstlichen Hüftgelenkes denke, muss man sich doch fragen, soll der Mensch weiterhin schmerzvoll unter Coxarthrose leiden, oder ist es besser ihm mitleidig zu einem Ende zu raten, denn ihm blieben nur chronischen Schmerzen die mit Medikamente zwar eingedämmt werden können, jedoch sollte dabei die Unterversorung nicht aus dem Auge verloren gehen.

Hatte da nicht auch so mancher Prof, Arzt recht laut gedacht, wollten sie den Menschen das zumuten?.
Das so viel zur KK.!

Noch einmal zum Verhalten des Volkes.
Liest man einmal die Schlagseiten seriöser Journale, fällt es immer wieder auf, dass Arbeitslose viele Prozesse gegen die Argen gewinnen, was heisst, die Schreibtischtäter, die Willkür ausüben sind enorm seit 2005 gestiegen.
Auch da wird zugeguckt, wenn Elend, wie ohne Licht leben, Wohnungsverlust etc entsteht, dass um Gelder einzusparen, im Gegeteil der Tenor lautet, die erhalten genug, sollen arbeiten gehen, "jetzt kosten sie uns auch noch Rechtanwälte, Gerichte etc.

Nein es ist erschreckend wie viel Gleichgültigkeit, Neid besteht, da sollte sich jeder im Voraus dafür entscheiden, wann er gehen will, oder auch nicht

Dem Gesetzgeber und den Ausführenden würde ich mein Leben nicht anvertrauen wollen.

suze2
26.03.2010, 14:05
guten tag an alle!
worum es mir persönlich geht, ist einzig und alleine, daß der Wille des Patienten über allem steht. ja, boxerhund, also cori, das ist ja okay AABER...
-zwischendurch gesagt ad organspende: in Ö brauchen wir keinen organspenderausweis, da wir die regelung haben, dass wir alle organspneder sind - es sei denn wir widersprechen. finde ich gut. so gibt es bei uns mehr organspenden meine organe sind aber "dank" krebs wohl nicht mehr zu gebrauchen.

aber cori, was ist der "freie willen".
ein beispiel: bei uns in Ö bekommen alle versicherten einen zettel zugeschickt, wieviel sie "gekostet haben", also eine auflistung der bezahlten leistungen. stand ich in der apotheke, kam eine frau rein, fragte, wieso das so viel war, was sie bekam, sie war ganz geknickt, dass sie der gesellschaft so teuer kommt. entsteht nicht auf diese art ein geisser druck auf die einzelnen?
ist der freie wille überhaupt möglich oder "nur" ein ziel, auf das wir uns immer hinbewegen, ohne es zu erreichen?
was ist der freie wille in einer gesellschaft, die dir vermittelt, dass du eine last bist? dass auf dein bett schon der/die nächste wartet? (mein vater war im pflegeheim, da war es so).
so gesehen IST das gefühl, wie man leben, wie man sterben kann, nichts naturgegebenes, sondern etwas menschengemachtes.

silleke, danke für diesen satz Das Thema völlig abzukoppeln von finanziellen Entwicklungen, entspricht doch bereits heute nicht mehr der Realität .

Das mindeste, was ich von jedem Befürworter der aktiven Sterbehilfe erwarte, ist, sich auch für mein Recht auf Leben einzusetzen. Ich habe mich nämlich für das Leben und für das Leiden am Leben entschieden .großer respekt vor dir, silleke.

grüße an euch alle, ja, ein schönes wochenende.

alles liebe
suzie

HelmutL
26.03.2010, 15:16
Guten Morgen,

so langsam kommts auf den Punkt. Ich denke, dass da verschiedene Ängste von Bedeutung sind.

- die Angst vor dem Tod
- die Angst vor dem Sterben
- die Angst vor dem Wie
- die Angst, von den Wertevorstellungen anderer abhängig zu sein (ein sehr weites Feld quer durch die Gesellschaft mit tausenden von Aspekten)

Was kann man da tun? Wie beschreibe ich meinen persönlichen Willen und wie lässt er sich durchsetzen? Das Beschreiben ist relativ einfach: eine Patientenverfügung und am besten noch gleich eine Vorsorgevollmacht, damit eine Person meines Vertrauens das Recht hat, meine Absichten und Wünsche im Fall des Falles auch durchzusetzen. Rechtlich ansich festgezurrt, auch wenn da bestimmt noch Handlungsbedarf besteht. Insoweit bin ich dann abgesichert.

Das beste Beispiel dazu ist die von Susanne beschriebene Situation. Diese Ärzte handelten übrigens nicht in einer Grauzone, sondern standen eigentlich mit beiden Füssen bereits im Gefängnis: sie hätten sich ganz eindeutig der Unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht. Nach der Schilderung von Susanne. Das ist nämlich genau das, was eine Patientenverfügung auch verhindern sollte. Sie bedeutet nämlich nicht, auf erste Hilfe im Notfall zu verzichten. Sie darf erst dann greifen, wenn diese geleistet ist.

Ein ganz anderes Thema ist die aktive Sterbehilfe. Wie das Wort bereits sagt ist hier ein Handeln und Tun Anderer vonnöten um den Sterbewilligen bei wachem Bewusstsein vom Leben zum Tod zu befördern. Die Ängste sind annähernd die gleichen wie oben. Für den Helfer ist es eine absolute Gewissensentscheidung. Niemand, auch nicht der Kranke, darf das von ihm verlangen. Das ist der gewaltige Unterschied zwischen passiver und aktiver Sterbehilfe und der Helfer muss, sofern er/sie nachgeholfen hat, sich gefallen lassen, dass seine Entscheidung in Zweifel gezogen wird. Entweder dadurch, dass seine Entscheidung hinterher überprüft oder indem im Voraus ein Rahmen geschaffen wird, in dem er sich bewegen kann. Gewissen ist eben nicht Gewissen. Hier ist der Gesetzgeber gefordert.

Im ersten Fall lässt man es zu, dass ein Mensch bei möglichst würdigen Bedingungen sterben kann. Im Zweiten Fall wird ein Mensch getötet. Mit mehr oder weniger Hilfestellung.

So sehe ich diese Diskussion. Das von mir Geschilderte beinhaltet keine Wertung der beiden Arten der Sterbehilfe. Das ist eine andere Geschichte. Meine Patientenverfügung incl. Vorsorgevollmacht hab ich bereits erledigt. Ich glaube auch, dass ich bei meiner Frau zum gegebenen Zeitpunkt aktive Sterbehilfe hätte leisten können. Ich weiss, dass der Gesetzgeber mir in dem Moment dann vollkommen gleichgültig gewesen wäre. Wie ich hinterher damit hätte leben können, keine Ahnung.

Es geht bei dieser Diskussion ganz sicher nicht darum, einen Wert für das Leben zu finden. Das braucht es nicht. Der Wert des Lebens steht über jeder Diskussion. Genau das ist der Punkt. Der Wert des Lebens ist für mich so hoch, dass ich für mich entscheiden möchte, wann dieses Leben zu Ende gehen darf. Das gleiche Recht gestehe ich allen anderen zu. Für andere entscheiden? Ja, wenn es sein muss, jedoch nur mit Bauchweh. Gleichgültig wie die Gesetzeslage dazu aussieht.

Ich denke gerade an die Menschen, welche aus falsch geleitetem Verständniss, irrer Idiologie und unter aller Brutalität in der Vergangenheit ermordet wurden. Ihnen "verdanken" wir, dass wir uns heute entscheiden können, darüber offen und ehrlich zu diskutieren. Das ist ihr Vermächtnis an uns und für uns Verpflichtung. Gott sei ihrer Seele gnädig.


Helmut

hjansen565
27.03.2010, 18:39
Hallo ihr lieben.

Mit großem Interesse habe ich eure Beiträge gelesen und komme nicht drum hin meine erfahrung und meine Meinung beizutragen.
Ich habe schon mehrfach Menschen auf dem letzten Weg begleitet und stehe nun zu der schwersten begleitung.
Meine Frau mit der ich 40 Jahre verheiratet bin steht vor ihrem letzten Weg.
Trotzdem halte ich nichts von Sterbehilfe da es mit der Patientenverfügung ein Mittel gibt, das den Humanen Tot ermöglicht. Sehr wichtig ist, mit dem betroffenen zusammen dessen vorstellungen zu Papier zu bringen.
Es wurde geschrieben, Krankenhäuser würden Patienten aus Kostengründen länger behalten. Dem kann ich mich nicht anschließen liegt es nicht ehr daran das nicht mehr zuhause gestorben wird? Bei mir gehört der Tot zum Leben und wenn gestorben wird dann im Kreis der Familie. Meine Frau hat Lungenkrebs mit etlichen Metastasen im Kopf. Sie kann sich jetzt nicht mehr Artikulieren da die Metastasen im Sprachzentrum ihr unwesen treiben.
Sie wird auch zunehment Dement daher bin ich froh das wir vorher bei klarem Verstand über den letzten Weg gesprochen haben bis hin zur Beerdigung.
Ich kann nur jedem Raten, zuerst über eine Patientenverfügung zu sprechen als über Sterbehilfe.
Allen betraffenen viel Kraft Helmut

chaoskatze
28.03.2010, 00:06
Kurze Anmerkung: Hab noch mal nachgefragt, im September 2009 wurde ein neues Gesetz verfasst, der den Bevollmächtigten eine andere, eine aktivere Rolle zuteilt.
Will heißen:

Jeder, der vor dem letzten September eine Patientenverfügung bzw. Bevollmächtigung ausgestellt hat, sollte diese neu auf diesen Paragraphen formuliert ausfüllen! Die älteren sind nur noch bis zu einem gewissen Teil geltend!
Handelt sich um § 1904 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 BGB.

Stefans
29.03.2010, 16:06
Hallo Chaoskatze,

Bitte, wenn es geht, nicht beleidigend werden, ja?
Schwierig :confused: Werde ich, wenn mir der Gaul durchgeht, weil ich auch selbst betroffen bin. Sonst hätte ich keinen Grund, mich aufzuregen. Ich bitte um Entschuldigung dafür. Falls es dir was nutzt: darfst mich auch beleidigen. Wie sagt man da, wo ich herkomme. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich (und ist nicht nachtragend) :cool:

Der Punkt ist, man kann nicht einfach Suizidmöglichkeiten im Supermarkt für 3 Euro verkaufen.
Nein, das würde ich auch nicht wollen. Seconal / Nembutal rezeptfrei wäre für mich klasse, dann gäbe es das "Beschaffungsproblem" nicht... aber generell lehne ich das auch ab. Aber nicht, weil sich die Leute damit schnell selbst töten können. Sondern weil ich Angst habe, dass damit Menschen andere Menschen töten, z.B. die pflegebedürftige Oma, die ihnen schon lange auf die Nerven geht. Ich fürchte da nicht Suizid, sondern Mord. Den gibt es auch so an Schutzbefohlenen / Abhängigen schon oft genug mit extrem hoher Dunkelziffer. Muss man nicht noch fördern.

Dazu kommt: ein psychisch Kranker ist in einem sehr hohen Prozentsatz in der Lage, sich selbst zu töten.
Stimmt, und damit zurück zum Thema des threads: Sterbe-Hilfe haben psychisch Kranke in der Regel gar nicht nötig - die machen das einfach selbst. Sind insofern von dieser Diskussion gar nicht betroffen.

Dennoch lassen es viele aus Furcht vor den eventuellen Folgen - Fehlversuche etc..., aber auch aus fehlender Entschlossenheit. Das würde sich rabiant ändern, wenn es die Möglichkeit gäbe, ohne Probleme das man schnell zu erledigen.
Das glaube ich nicht (dass sich das ändern würde). Denn bei mangelnder Entschlossenheit ist es egal, welche Mittel zur Verfügung stehen. Wer Nägel mit Köpfen machen will, tut das so oder so. Wiegesagt, statistisch ist das klar. Frauen begehen doppelt soviele Suizid-Versuche wie Männer, aber Männer sind doppelt so oft erfolgreich. Weswegen 4 mal mehr Männer an Suizid sterben als Frauen. Effektiven Suizid begehen Leute ab Mitte 40. Die auch oft "rationalen" Suizid begehen. Also kein "Hilferuf" mehr, sondern konsequent, im ersten Versuch erfolgreich, als "Lebensbilanz": lohnt sich nicht, reicht mir.

Solche Leute brauchen keine "Möglichkeit, ohne Probleme...". Weil es die Möglichkeiten gibt. Ich habe Depris seit ca. 30 Jahren, auf und ab, hin und wieder akut suizidal. Nein, mein Leben lohnt sich nicht. Und ich finde es auch nicht wichtig. Und ich werde nie wieder in die Klapsmühle oder zum Psychotherapeuten gehen. Diese Art "Hilfe" will ich nicht mehr. Und natürlich bin ich vorbereitet. Ich muss mich nur ins Bett legen, die Kopfhaube aufsetzen und den Gashahn aufdrehen - dann bin ich in 30 Sek. bewusstlos und in 5 Min. tot. Entspannt, schmerzfrei, human, als Suizid nicht nachweisbar (sofern jemand nachher so nett ist und das Equipment weg räumt, bevor der Arzt kommt). So what? Wer's tun will, tut's sowieso.

Und noch mal: es geht nicht darum, grundsätzlcih alle psychisch instabilen am Suizidwunsch abzuhalten. Es geht darum, zu verhindern, dass sie aufgrund eines kurzen Rückfalls, einem Gefühl der Hilflosigkeit uä sich töten.
Das sehe ich doch ähnlich. Mir wird auch immer ganz anders, wenn sich junge Menschen in ihrer ersten schweren Lebenskrise zwischen Pubertät und erwachsen umbringen. Da denke ich immer: mensch, doch nicht sofort, es gibt doch Hilfe, warum sagt denen das keiner. Aber es gibt halt auch die anderen, langjährigen, Therapie- und Psychiatrieerfahrenen, die irgendwann einfach die Schnauze voll haben. Und genau wissen, was und warum sie es tun.

Viele Grüße,
Stefan

Stefans
29.03.2010, 16:28
Hallo Silleke,

Du müsstest wissen,dass wir längst auch heimliche Rationierung haben aus Kostengründen.
Ja, unbestritten. Aber das ist m.E. wieder ein anderes Thema. Weil es dabei nicht um Sterbehilfe geht (= das, was der Patient wünscht, weil _er_ sterben möchte), sondern um eine Art "unterlassene Hilfeleistung" bzw. "wir tun nicht alles, was machbar ist, weil uns das zu teuer ist".

Bsp.: in meinem Bundesland wurde vor x Jahren die Zahl der Rettungsleitstellen radikal reduziert. Aus Kostengründen. Seither sind die Rettungswagen viel länger unterwegs, und statistisch ist klar: das Risiko, in meiner Region an einem Herzinfarkt zu sterben, statt gerettet zu werden, hat sich um den Faktor x erhöht. Das ist traurig. Aber mit Sterbehilfe (= dem Willen des Patienten) hat es nichts zu tun.

Und das ist m.E. der Punkt, wo Sterbehilfe / Kosten-Nutzen-Fragen / Nazi-Vergangenheit immer leicht durcheinander geraten. Im 3. Reich (und nicht erst / nur da !!!) hat man auch mit Kostengründen argumentiert, da gab es diese berühmten Rechenaufgaben in Schulbüchern. Was "leistet" ein arbeitsfähiger gesunder Mensch, was "kostet" ein kranker / behinderter... - wer ist also "nützlicher" usw., usw. Das ist nichts anderes, als was Versicherungen seit jeher machen. Ein Haus mit einem Reetdach (hohes Risiko) versichert man ungern bzw. teuer. Ein brennendes Haus gar nicht. Wer raucht oder Übergewicht hat, zahlt bei der Risiko-Lebensversicherung exorbitant hohe Prämien. Bei der privaten Rentenversicherung bekommt er dagegen großzügigen Rabatt.

Das ist sicher alles ganz schlimm und unmenschlich... hat aber mit der Sterbehilfe-Diskussion nichts zu tun, wie Dirk schon schrieb.

Viele Grüße,
Stefan

Stefans
29.03.2010, 16:38
Hallo Suzie,

in Ö brauchen wir keinen organspenderausweis, da wir die regelung haben, dass wir alle organspneder sind - es sei denn wir widersprechen. finde ich gut. so gibt es bei uns mehr organspenden
So unterschiedlich ist das in verschiedenen Ländern. In A ist Organspende Standard, in D die Ausnahme. Aber für passive Sterbehilfe geht man in A als Angehöriger ganz sicher in den Knast, in D ist die für Private straffrei (zum Glück). Wenn ich in D meiner todkranken Frau/Vater/Mann/Mutter die Tabletten auf den Nachttisch lege und ein Glas Wasser daneben stelle, ist das völlig OK. Wenn ich das in A tue, sehe ich mir für ein paar Jahre die nächste Justizvollzugsanstalt von innen an.

Woran man allenfalls sieht, dass Sterbehilfe weniger eine Frage von Ethik und Moral ist (falls doch, scheinen sich die Menschen in D und A da wohl ganz grundlegend zu unterscheiden), sondern eine Frage der Regelungen der Justiz.

Viele Grüße,
Stefan

Boxerhund1
30.03.2010, 01:20
Dein Posting finde ich fast schon verwirrend. Meines Wissens wehren sich am lautesten gegen aktive Sterbehilfe Behinderte selber. Während Nichtbetroffene ,oft sind es Angehörige, vehement das Leiden beenden wollen. Im großen ganzen scheint mir das auch hier im Thread so zu sein .

hallo Stilleke,
Behinderte sind hier doch gar nicht das Thema. Das ist doch eine völlig andere Geschichte!!
Ich verstehe nicht, wie man das Endstadium eines Krebsleidens mit dem Leben von Behinderten gleichsetzen kann!?!?!?
Was ist das denn für eine Denkweise? :confused:

Ich war Angehörige, und ich habe gehofft und gebetet - bis ich sehr schnell einsehen mußte, daß es für meine Mutter keine Rettung mehr gab. Ich kannte die Einstellung und den Willen meiner Mutter - und als es zu Ende ging, habe ich dieses Ende nicht mehr hinausgezögert, sondern dafür gesorgt, daß es ruhig und friedlich war.
Jetzt bin ich Hinterbliebene. Muß ich mich jetzt dafür rechtfertigen, daß ich meine Mutter nicht bis zum letzten Atemzug sich habe quälen lassen ohne Hilfe, sondern daß ich sie in Frieden und ohne Angst habe gehen lassen? Macht mich das in deinen Augen zu einem schlechten Menschen, der als Angehöriger das Leiden nicht bis zum Ende hat leiden lassen?
Wer gibt dir das Recht, über Angehörige so zu richten, die ihre Lieben nicht ohne Not leiden lassen wollen, wenn sie den Willen ihrer Lieben respektieren?

Was weißt du von meinen Zweifeln, meiner Verzweiflung, als ich anfing zu begreifen? Was weißt du von meinen durchweinten und durchwachten Nächten? Was von meiner Trauer? Was weißt du davon, wie es mir ging, als ich für meine Mutter die Nahrung abgestellt habe und nur noch Flüssigkeit und Sauerstoff und Analgetika und Sedierung gegeben habe? Was weißt du davon, wie weh es mir getan hat, das alles so zu akzeptieren und es so zu tun, weil ich nicht wollte, daß meine Mutter in ihren letzten Tagen und Stunden noch leiden muß?

Deine Selbstgerechtigkeit macht mich wirklich böse. :mad: Ja... die bösen Angehörigen, die ihre Kranken doch nur umbringen wollen. :mad:

Weißt du, was es bedeutet, zu lieben? Daß Liebe auch heißt, loslassen zu können ... gehen zu lassen, wenn das Festhalten für den Festgehaltenen nur noch Leid und Schmerz und Angst bedeutet! Ich habe meine Mutter geliebt, und genau deswegen habe ich sie gehen lassen, als ich ihr anders nicht mehr helfen konnte. Ja... ich bin eine böse Angehörige! :mad:


Mir macht es Angst ,mit welcher Selbstverständlichkeit man Kranken unterstellt, ihr Leiden nicht tragen zu wollen oder zu können. Warum soll denn Sterben unbedingt friedlich, angst-und -schmerzfrei sein ? Ist das dem Ereignis angemessen ? Was meint es, den Willen Leidender zu respektieren ? Das kann doch nur bedeuten,das zu respektieren, was der Betroffene will. Wenn ich als Betroffene nicht entscheide, mir mein Leben zu nehmen, mache ich auch klar, was ich will. So richtig verstehe ich nicht, wieso all die vielen Kranken, die sich mit klarem Verstand und dem Wissen um den Fortgang der Krankheit gegen ein vorzeitiges Ende entscheiden, später dann Objekte der Gnade werden sollen.

Ja... es kann nur sein, den Willen des Betroffenen zu respektieren!!! Genau das habe ich immer geschrieben und zwar als oberste Prämisse.
Und es bleibt dir unbenommen, für dich selber anders zu entscheiden - das ist dann DEIN Wille, der ebenso respektiert werden muß, wie der Wille derer, die vorallem Angst haben vor Schmerz und Atemnot und Angst, und denen man durch diese Angst helfen kann mit entsprechenden Medikamenten.
Der Wille des Patienten muß über allem stehen - und zwar genau mit dieser Selbstverständlichkeit. Wenn der Patient seinen Willen erklärt hat, dann hat man sich dem zu beugen!

HelmutL
30.03.2010, 11:11
Guten Morgen,

meine Frau wurde mit akuter Atemnot in die Klinik eingeliefert. Pleuraerguss. Der Notarzt gab noch Cortison und das Atmen fiel ihr leichter. Auf der Intensivstation versuchte man alles, um diesen Pleuraerguss zu lösen. Erfolglos und unmöglich, ich hab die Röntgenbilder gesehen. Man muss nicht Arzt sein, um das zu verstehen.

Man erklärte mir sehr genau im Klartext, was die weitere Gabe von Medikamenten zur Linderung der Atemnot bedeutet. Das Problem für sie war nämlich nicht, nicht genug Sauerstoff zu bekommen, sondern das Ausatmen. Das heisst CO2 wird nicht genügend ausgeatmet, was wiederum heisst, es reichert sich im Blut an und sie vergiftet sich dadurch im Endeffekt selbst. Das ist Fakt und nur eine Frage der Zeit. Ohne Medikamente eine grausame Art zu sterben, langsam, bei Bewusstsein, mit allen Begeliterscheinungen der Atemnot und absolut sicher.

Das heisst im Klartext: je mehr Sauerstoff meine Frau einatmet, um so schneller wird sie sterben. Wobei niemand sagen konnte, dauert es nur Stunden oder werden es Tage. Da die Medikamente die Sauerstoffzufuhr begünstigten, brauch ich nicht zu erläutern, welche Wirkung das hatte.

In Sekunden musste ich als medizinischer Laie entscheiden, was zu tun ist. OK, ich hab es zugelassen, dass sie Medikamente gegen ihre Atomnot zur Verhinderung ihrer Qualen bekam. In dem Wissen, richtig zu entscheiden, nach ihrem Willen.

Eine Frage möchte ich in dem Zusammenhang mal gerne stellen. Jeder hat das Recht selbst zu entscheiden, wie er sterben möchte. Wer sich gegen Medikamente entscheidet, OK, das ist sein Wille und dem muss Rechnung getragen werden.

Woher will irgendjemand wissen, was er dann später will, wenn es soweit ist und er sich nicht mehr artikulieren kann? Wer kennt die Schmerzen, Qualen, Ängste zu diesem Zeitpunkt denn am eigenen Körper? Muss ich als Angehöriger dann tatenlos daneben stehen und zusehen? Weiss der- oder diejenige, was er/sie ihren Angehörigen, die zusehen müssen, zumutet?

Ich würde in diesem Fall nicht tatenlos daneben stehen. Da bin ich sicher. Ich würde in diesem Fall den Willen des Sterbenden ignorieren. Cori hat es geschrieben, warum. Ich würde ihm oder ihr zu helfen versuchen dann doch friedlich gehen zu dürfen.

Einen schönen Tag

Helmut

suze2
30.03.2010, 18:35
lieber helmutL,
Woher will irgendjemand wissen, was er dann später will, wenn es soweit ist und er sich nicht mehr artikulieren kann? Wer kennt die Schmerzen, Qualen, Ängste zu diesem Zeitpunkt denn am eigenen Körper? Muss ich als Angehöriger dann tatenlos daneben stehen und zusehen? Weiss der- oder diejenige, was er/sie ihren Angehörigen, die zusehen müssen, zumutet?
also der letzte satz erschreckt mich - ich meine ich möchte nicht das gefühl haben, das ich meinen lieben etwas ZUMUTE, wenn ich leide. und ich weiß natürlich NICHT, niemand weiß, was "später" ist und wie schmerzhaft alles ist. aber dies gilt für beide richtungen: ich kann auch nicht wissen, ob ich nicht doch aushalten kann, will. deswegen ist es ja so schwierig und ehrlich gesagt glaube ich auch nicht, dass jemand andrer das WISSEN kann, was in mir vorgeht.

liebe cori, ja, böse angehörige, das will doch niemand jemand anderem unterstellen, um himmels willen, wir haben doch wirklich genug durchgemacht, als kranke, als angehörige, um einander zu respektieren, also -
ich möchte wirklich respekt haben allen meinungen und vor allem auch erfahrungen, die hier beschrieben werden.

trotzdem ist "freiwilligkeit" ein sehr schwieriges thema.

und trotzdem - krankheit und behinderung sind nicht das gleiche, da gebe ich dir recht, aber sie berühren einander. wer schwer krank ist, ist "behindert", kann nicht für sich sorgen, nicht alle handlungen selbstbestimmt ausführen. nicht alle behinderten sind krank, manche aber schon.

ich hab einfach nur die sorge, dass wir vor entscheidungen stehen, für die es kein richtig oder falsch gibt und die einfach in jeder hinsicht allzuviel von uns verlangen.

liebe grüße
suzie

Silleke
31.03.2010, 07:52
Hallo Cori,
Du verstehst mich ziemlich falsch. Ich sage nicht anderes, als dass der Wille der Erkrankten respektiert werden muss. Von einer Verweigerung der Sterbebegleitung einschließlich lindernder Medikation habe ich kein Wort geschrieben.
Worum es mir ging, ist nur, dass tatsächlich der Wille des Betroffenen maßgeblich sein muss, und nicht Leiden und Verzweiflung Angehöriger. Nochmal gesagt: Fast alle unheilbar Krebskranken haben die Möglichkeit, selber Entscheidungen zu treffen . Seit einigen Monaten ist das auch gesetzlich so klar geregelt, dass es wirklich realistisch ist. Wenn daher ein Krebspatient selbst nichts tut, um sein Leben und Leiden vorzeitig zu beenden, so steht es Angehörigen nicht zu, aktive Sterbehilfe zu wünschen.

Deine familiäre Lage kenne ich nicht. Wenn du sicher weisst,dass du im Sinne deiner Mutter gehandelt hast, ist doch alles in Ordnung. Mein Problem wäre, dass ich es nicht sicher wüsste. Denn Wahrnehmungen verändern sich .Was unerträglich ist, beurteilt man wahrscheinlich vorher anders als im Eintreten. Das erlebe ich persönlich aufgrund schwerer fortschreitender Behinderung, und ich habe es auch oft bei Krebserkrankten erlebt. Ein Beispiel,was eigene Entscheidungen betrifft: In meiner Patientenverfügung steht ausdrücklich, dass ich nicht auf künstliche Ernährung verzichten will . Das überrascht viele, denn ich lehne die allermeisten verlängernden Maßnahmen ab. Aber ich empfinde die Vorstellung als grauenhaft ,langsam verhungert zu werden. Genau das aber wird immer so dargestellt wie ein Akt der Barmherzigkeit, der Standard der Menschlichkeit sozusagen . Andere mögen es als Gnade empfinden, für mich ist es furchtbar. Schon mein eigener Vater kannte meine Haltung tatsächlich nicht. Er hat das verblüfft zur Kenntnis genommen, heute denkt er nach, selber entsprechend vorzusorgen.

Aus solchen Erfahrungen heraus traue ich mir nicht zu, ohne vorausgegangene intensive Gespräche mit meinem Angehörigen irgendetwas in seinem Sinne zu regeln . Wenn ich aber mit ihm rede, muss ich ihn ermutigen, selber Regelungen zu treffen. Sofern mein betroffener Verwandter nicht klar festlegt, was er möchte, wäre ich unsicher. Wie schnell man als Angehöriger angesichts großen Leidens eigene Unerträglichkeit verwechseln kann mit dem Wunsch des Betroffenen, hat gerade HelmutL geschrieben. So viel Liebe und bester Wille auch dahinter steht, aber das darf nicht sein. Den Willen des Sterbenden ignorieren und die Zumutbarkeit für Angehörige in Frage stellen, das sind genau die gefährlichen Entwicklungen, vor denen viele Betroffene Angst haben.
Und wir reden hier ja nicht über private Fragen, sondern über gesetzliche Vorgaben, die von Krebs ,seelischer Krankkeit, körperlichem Leiden , Alter, bis zu sogar vorgeburtlichen Behinderungen alle Formen des Leidens am Leben umfassen müssen. Und die von der liebevollen Tochter bis zum Erbschleicher jedem Angehörigen die Maßstäbe setzen.

LG Silleke

Esmiralda
31.03.2010, 22:13
Hallo,eigentlich wollte ich mich nicht zu diesem Thema äußern, aber die meisten Beiträge finde ich sind doch sehr Ich-bezogen, daher hier meine Meinung zu diesem etwas brisanten Thema.
Wie Stefan schon schrieb, gibt es seit einiger Zeit eine recht eindeutige gesetzliche Regelung, drum wundere ich mich, warum bestimmte Angehörige hin und her gerissen werden, um zu einem objektiven Standpunkt zu kommen.
Ich will hier niemanden bejahen oder verneinen, finde aber, es ist doch recht einfach, eine Regelung zu finden.
Z.B. habe ich in meiner Patientenverfügung eindeutig festgelegt, ich zitiere: wenn eine aktive Teilnahme am Leben - und unter Leben verstehe ich denken, fühlen, selbständig sein und schmerzlos - und der Tod aufgrund des Erkrankungszustandes absehbar und von 3 unabhängigen Ärzten bestätigt, absehbar ist, dann lehne ich alle lebensverlängernden Maßnahmen ab. Das ist mein eindeutiger Wille und mit dieser Entscheidung entbinde ich meine Verwandten, die Ärzte und das Pflegeperson von einer Entscheidungsfindung. Die in meiner Vorsorge- und -Versorgungsvollmacht benannten Personen sind verpflichtet, diesen meinen e i n de u t i g e n Willen zur Durchsetzung zu verhelfen.
ich bin der Auffassung, daß das ganze Thema von der verkehrten Seite angefaßt wird. Es gibt eine gesetzliche Regelung, aufgrund dessen haben wir z.B. in unserem Stadtteil in allen Seniorenklubs, Kieztreffpunkten und den Selbsthilfegruppen mit informierten Personen der Krankenkasse und einem Rechtsanwalt Beratungen durchgeführt und dargelegt, wie wichtig die Anfertigung einer Patientenverfügung ist. Das Ergebnis hat uns recht überrascht, viele Menschen beschäftigen sich nicht mit diesem Thema (es erinnert ja immerhin an den Tod, womit man sich nicht gern auseinandersetzt), aber es erfolgte eine sehr gute Resonanz und die meisten!!! sahen die Notwendigkeit der Darlegung ihres eigenen Willens ein. Es kam zu vielen entsprechenden Festlegungen.
Wenn in unserer Gesellschaft so vorgegangen werden würde, hätten Angehörige nicht die Last der Entscheidung und der Betroffene weiß, daß nach s e i n e m Willen gehandelt wird.
Da alle 2 Jahre diese Patientenverfügung erneut als noch gültig vom Verfasser untersc hrieben werden muß, wird ausgeschlossen, daß eine inzwischen erfolgte Denkungsänderung eingetreten ist.
Eine meiner Nichten (sie ist scchwer Astmahkrank) hat schon vor 3 Jahren ihre Patientenverfügung geschrieben, obwohl sie damals erst 33 Jahre alt war und einen 6 jährigen Sohn hat. Dem Sohn hat sie gleichzeitig einen Brief geschrieben, der ihm im Falle des Falles zur Kenntnisnahme überreicht wird. Unsere Familie findet diese Handlungsweise richtig.
Sicher bedeutet es eine ungeheure Aufklärungsarbeit, aber bisher beschäftigen sich nur die Krankenkassen mit diesem Thema, in den Zeitungen, Zeitschriften usw. wird über allen möglichen Mist wochenlang geschrieben, warum eigentlich nicht über dieses so wichtige Thema?
Soviel dazu, nun könnt ihr mich entweder verstehen oder zerreißen, es ist nun mal mein persönlicher Standpunkt und Meinung. Hier zu diskutieren ist eine Seite, besser wäre es, im jeweiligen Fall mit den akut Betroffenen zu reden und deren Willen zu erfahren.
Esmiralda

Dirk1973
31.03.2010, 22:22
Leute, bleibt bitte sachlich und werdet nicht persönlich. Ich möchte das Thema hier nicht schließen müssen.

HelmutL
01.04.2010, 01:29
Hallo Esmiralda,

warum sollte dich jemand zerreissen, weil du deine Meinung geschrieben hast? Das tun doch alle. Stefan, suzie, Silleke, Tante Emma, Cori die ihre und ich die meine.

Im allgemeinen denke ich so.

Das grosse Problem dabei ist anscheinend doch, dass zwar alle ihre Meinung schreiben (mich eingeschlossen), diese aber eine jeweils ganz persönliche Auffassung der Sachlage beschreibt. Aus der eigenen Situation heraus eben. Und genau das ist meiner Auffassung der Knackpunkt: das lässt sich nicht unter einen Hut bringen. Nicht an dieser Stelle.

Prinzipiell ist es doch mal so: man sollte/muss den letzten Wunsch des Sterbenden respektieren. Ich muss ihn jedoch nicht gutheissen. So differenziert die Meinungen in diesem Thread sind, so unterschiedlich sind die Auffassungen auch neben dem Sterbebett. Es liegt am Gesetzgeber, dem Sterbenden die Sicherheit zu geben, dass alles genauso abläuft, wie er das vorausbestimmt hat.

Will jemand Hilfe haben, so soll er sie auch bekommen. Mit allen Begleiterscheinungen. Möchte er diese Hilfe nicht, so soll er auch auf diese Weise sterben dürfen. Mit allen Begleiterscheinungen. Das ist heute bereits möglich.

Was aber, soweit ich mich erinnere, bis jetzt niemand ernsthaft in Betracht gezogen hat: wie geht es dem Angehörigen, wenn er den Willen des Sterbenden durchsetzen soll!

Jetzt wieder was persönliches.

Um es vielleicht deutlicher auszudrücken, was ich mit meinem letzten Beitrag ausdrücken wollte: gehen wir davon aus, meine Frau hätte sich gegen jegliche Art der Sterbehilfe ausgesprochen. Der Gesetzgeber schreibt dann vor, wie ihr geäusserter, freier Wille durchgesetzt wird und ich habe keine Möglichkeit das zu ändern.

Dann hab ich nur 2 Möglichkeiten. Ich bleibe bei ihr, erlebe und muss tatenlos zusehen wie qualvoll ein langsamer Erstickungstod ist oder .......... ich gehe! Niemand, auch nicht der Sterbende, kann mich zwingen dabei zu zu sehen. Meine Frau hätte es dann irgendwann hinter sich gehabt. ICH müsste jedoch für den Rest meines Lebens damit klarkommen, wie meine Frau mit Schrecken und Qualen gestorben ist, ohne dass ich ihr helfen konnte/durfte. Da ich meine Frau jedoch über alles liebe, hätte ich, für mich ganz allein, meine persönliche Konsequenz gezogen. Und damit hätte ich leben können und sie einigermassen friedlich sterben.

Genau das ist meine absolut persönliche Auffassung, die niemand zu verstehen oder zu akzeptieren braucht. Meine persönliche Auffassung, welche auch nur zu diesem ganz speziellen Fall passt. In einer anderen Situation könnte sie durchaus anders sein. Ich muss Kritik daran weder zulassen noch abwehren ..... sie interessiert mich in diesem, einzigartigen Fall überhaupt nicht.

Worum es mir geht? Um den einen Satz da oben: wie geht es dem Angehörigen. Ein Aspekt, welchen man allzu gerne unter den Tisch fallen lässt. Wie man das nun wieder unter einen Hut bekommt? Keine Ahnung. Noch ne Frage, mal von der anderen Seite: wer hat schonmal die Entscheidung fällen müssen, bei einem geliebten Menschen die Maschinen abzuschalten und damit zu sagen: "Du stirbst jetzt!"? Denn so einfach, wie ihr euch das vorstellt, geht das nicht. Auch da sind die Bevollmächtigten und die Hinterbliebenen gefragt.


Alles Liebe

Helmut

Änderung: in dem Satz "Auch da sind die Bevollmächtigten und die Hinterbliebenen gefragt." ist der Begriff "die Hinterbliebenen" natürlich durch "die Angehörigen" zu ersetzen.

Boxerhund1
01.04.2010, 02:30
hallo miteinander,

ich stimme Helmut absolut zu. Und Esmi - danke für deinen Beitrag, er hat mir ein paar zusätzliche Tips gegeben, an die ich noch gar nicht gedacht hatte.

Wie geht es den Angehörigen? Schlecht - normalerweise! Egal, was und wie man als Angehöriger entscheidet, man stellt sich für den Rest seines Lebens die Frage, ob es richtig war. Auch wenn der Verstand und das Herz sagt, daß es richtig war - die kleinen fiesen Zweifel im Hinterkopf bleiben immer. Und das neben dem Schmerz und der Trauer.
Wobei... wir als Angehörige/Hinterbliebene leben weiter und müssen irgendwie damit klarkommen. Niemand nimmt uns unseren Schmerz ab, wenn unsere Lieben ihre Schmerzen längst hinter sich gelassen haben. Das ist unser Schicksal als Angehörige und Hinterbliebene. Und damit müssen wir leben, leben lernen und fertig werden.

Und bitte... wir reden hier immer um das Thema eines Finalzustandes! Ein Zustand, der ohne jede Chance auf Rettung ist. Wir reden NICHT davon, Leben zu erhalten oder zu verlängern, wir reden davon, das Sterben irgendwann zu akzeptieren und NICHT zu verlängern.

Ich war 40, als ich wieder mit dem Motorrad fahren anfing. Ich hatte Freude dran, aber ich wußte auch um die mögliche Gefahr. Meine Eltern waren damals auch schon nicht mehr die Jüngsten - und drum machte ich mir Gedanken, was im schlimmsten Fall passieren könnte - und wie man das dann absichert - für mich und auch für meine Eltern, daß sie im Zweifelsfall versorgt wären.
Diese Gedanken waren für mich sehr schwierig, aber das.. was wäre wenn.. .das hat mich doch beschäftigt, auch wenn ich nicht damit gerechnet hatte, daß es wirklich eintritt. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod hat etwas wirklich Frustrierendes - wer macht sowas schon gerne?
Meine Mutter hätte mich fast erschlagen, als ich wieder ein Motorrad gekauft habe - aber wir haben dann irgendwann mal ein vernünftiges Gespräch geführt - und dann kam die Patientenverfügung und die Generalvollmacht, die damals meine Mutter innehatte.
Und im gleichen Termin beim Notar haben meine Eltern ebenfalls dann eine Generalvollmacht für mich ausgestellt.
Für mich ging es damals um einen möglichen Unfall mit allen dramatischen Folgen - und daß ich unter keinen Umständen als "beatmeter Kopf" enden will, ohne daß mich dann jemand gehen läßt. Ich habe für den absoluten Extremfall vorgesorgt - der ist Gott sei Dank nie eingetreten. Aber im Zuge dieser Gespräche wußten wir alle, was wir in so einem Extremfall dann für uns selber wollen.

Inzwischen ist meine Mutter an ihrem 4. Karzinom gestorben - und heute ist für mich das ebenfalls ein Thema. Wer weiß schon, was in einem wächst, bis es sich dann zeigt? Ich habe meine Mutter im Sterben begleitet, so gut es mir möglich war. Es kam so grausam schnell, daß ich kaum mit dem Begreifen nachkam - für meine Mama war es eine Gnade, für mich war es fürchterlich.
Aber gerade auch deswegen weiß ich, was ich für mich defintiv NICHT will. Und das ist mein ganz persönlicher Egoismus - wenn es keine Rettung mehr gibt, dann will ich nicht leiden! Und die Ursache dieses Finalzustandes ist dann für mich nur noch nebensächlich - ob es Krebs ist oder ein Unfall - wenn ich nicht mehr leben kann, dann will ich auch sterben dürfen.

Heute hat mein Cousin die Generalvollmacht. Da er Anwalt ist außerdem, wird er meinen Wunsch durchzusetzen wissen, falls es je soweit kommen sollte.

Silleke
01.04.2010, 08:16
Guten Morgen,
1. Nein, Tante Emma, so meinte ich das nicht. Man kann auch mutwillig falsch verstehen. Um ein paar wenige Wochen Lebensverlängerung macht man schon so viel. Ich glaube daher bloß nicht, dass man sich als Nichtbetroffener tatsächlich in den Willen des Betroffenen hineinversetzen kann und beurteilen kann, wann eine Situation untragbar wird .
2. Esmiralda hat auf den Boden der Wirklichkeit zurück geholt . Die Verfügungen sind seit September rechtsverbindlich. Manche Debatte ist überflüssig, denn der Patientenwille entscheidet heute. Und man könnte ja drüber nachdenken, wie der Patientenwille aussieht, wenn der Patient nichts verfügt. Meine Angehörigen und ich wissen, ohne einen ausgedrückten Willen dürfen wir gegenseitig nicht Entscheidungen gegen das Leben treffen. Ich widerhole mich: Es ist jedem Menschen zumutbar, selber vorzusorgen.
3. Helmut, du hast recht, es kann für Angehörige sehr schwer werden. Ich denke schon, das klang hier auch an. Ich habe aber niemals einen Patienten erlebt, der erleichternde Maßnahmen abgelehnt hätte. Und die Palliatvmedizin kann viel Leiden lindern. Die Angst, unvorstellbares Leid mit ansehen zu müssen, verschwindet meist, wenn der Betroffene gute Ärzte hat. Ich habe wirklich viele Patienten und Angehörige begleitet auf diesem Weg. Und immer wieder sagten mir Angehörige später, dass diese letzte Zeit des Abschieds auch kostbar war für sie, das sie die Zeit brauchten. Voraussetzung ist dafür aber eine gute Palliativmedizin.
4. Cori,nein, du liegst wirklich falsch. Es geht nicht nur um das Finalstadium, sondern um den Grundsatz. Ein Apalliker ist defintiv nicht im Finalstadium , er ist nicht beatmet und kann in diesem Zustand Jahrzehnte leben. Und ab wann bin ich im Finalstadium ? Definier das doch mal bitte. Wenn die Atmung aussetzt ? Oder schon,wenn die Blase gelähmt ist,wenn ich nicht sprechen kann, den PC nicht bedienen kann, dement werde ? Ich bin heute schon so dran, dass ich Ärzten deutlich sagen muss, trotzdem alle Krebstherapien bekommmen zu wollen. Für mich persönlich klingen die Sorgen darum, übertherapiert zu werden, merkwürdig, denn ich gehöre zu denen, die umgekehrt aufpassen müssen. Tja, aber vielleicht ist das echt unvorstelbar,wenn man fit ist.
Das Gesetz ist jedenfalls weiter als du, es billigt das Recht auf die eigene Entscheidung jedem Bürger zu seit letztem Jahr. Nicht nur im Finalstadium, sondern gerade auch Menschen wie mir.

Entweder man hat also Krebs oder was anderes , oder wie ? Ihr könnt ja nicht einmal wahrnehmen, wie persönlich betroffen ich von diesem Thema bin. Auch wenn ihr es unverschämt findet, aber um ein Krebssterben mache ich mir weniger Gedanken. Das passiert, wenn es passiert. Aber wie gehe ich damit um, eine jahrelange Zukunft als Schwerstpflegefall zu ertragen ? Für mich grotesk , das Thema zu beschränken auf Finalsituationen. Vergesst dabei bitte nicht,ich habe selbst Krebserkrankungen . Bin einigermaßen sprachlos und entsetzt über so viel Ignoranz.

Silleke

Dirk1973
01.04.2010, 09:00
Ich hoffe, dass wir jetzt hier vernünftig weitermachen können.

Bitte postet nur noch neutral, sachlich und lasst Persönliches aussen vor.

Wenn das nicht funktioniert, werde ich endgültig schließen. Dieses Thema ist mir einfach zu wichtig und sensibel, als dass ich es durch Unterschwelliges vermurksen lasse.

Stefans
02.04.2010, 18:42
Hallo Helmut,

Was aber, soweit ich mich erinnere, bis jetzt niemand ernsthaft in Betracht gezogen hat: wie geht es dem Angehörigen, wenn er den Willen des Sterbenden durchsetzen soll!
(...)
Dann hab ich nur 2 Möglichkeiten. Ich bleibe bei ihr, erlebe und muss tatenlos zusehen wie qualvoll ein langsamer Erstickungstod ist oder .......... ich gehe!
Ja, so ist es. Du schaust dabei zu, oder du leistest Sterbehilfe (kann auch aktiv sein, wird bei einem Krebskranken im Endstadium nachher kaum auffallen bzw. nachweisbar sein, wenn du entsprechend vorsichtig handelst), oder du gehst, wenn du das mit deinem Gewissen nicht vereinbaren kannst.

Mir ist dein letztes posting schon aufgefallen, aber ich habe nicht geantwortet, weil ich deine Frage erstmal "nebensächlich" finde. Wenn jemand stirbt, geht es um den Sterbenden. Wie die "Überlebenden" im nachhinein mit ihrem Gewissen umgehen, ist m.E. allein deren Problem.

Sie können schließlich die einfache Variante wählen: Rückzug antreten, den Sterbenden allein lassen. Wie du so richtig schriebst: "Niemand (...) kann mich zwingen dabei zu zu sehen". Dann geh' halt, wenn du es für richtig hältst. Aber egal, wie du dich entscheidest: du wirst damit leben müssen.

Wie du mit deiner Entscheidung weiterleben kannst, ist m.E. aber kaum dem Sterbenden anzulasten. Der hat ganz andere Probleme.

Ich habe mit meiner Frau auch tabulos über Sterbehilfe gesprochen (abseits der gesetzlichen Regelungen, sondern privat - ich für sie). Sie wusste nicht, ob sie das wollen würde, ich wusste nicht, ob ich das tun würde. Wir waren vorbereitet, aber Gottseidank war die Frage dann nicht aktuell. Meine Frau ist "rechtzeitig" von selbst gestorben, bevor sie zum Pflegefall wurde. Insofern spreche ich auch nur aus der Theorie heraus.

Trotzdem finde ich: der Serbende hat ein Recht darauf, dass nach seinem Willen gehandelt wird. Wie die Hinterbliebenen damit umgehen, muss ihn nicht interessieren. Nichts wäre schlimmer, als dem Todkranken deswegen noch ein schlechtes Gewissen zu machen. Und wie du gsagt hast: wer als Angehöriger diesen Konflikt nicht aushält... dem steht es jederzeit frei, zu gehen.

Niemand zwingt einen, einem geliebten Menschen in seinen letzten Stunden beizustehen, wie der sich das wünscht - so what?

Viele Grüße,
Stefan

Norma
03.04.2010, 01:53
Sterbehilfe ist und bleibt für mich tabu.
Ich bin nicht Herr über Leben und Tod; auch nicht, wenn es um mein eigenes Leben geht.

Norma, bekennende Christin

Ingrid50
04.04.2010, 22:09
Habe bis jetzt nur bei euch mitgelesen,
aber ich hatte das Glück daß ich vor 15 Jahren als mein ersterMann starb auf der Palliativstation einen Prof. hatte der Mensch war. Mein Mann lag da Bspk im Endstadium das Immunsystem war zusammengebrochen nach der 3. Chemo.
Nach 5 Tagen fragte ich wie lange er noch daliegen müßte, er war nicht mehr ansprechbar, wundgelegen und nur noch ein Häufchen Elend und das mit 47 Jahren. Der Prof. erklärte mir daß ich die Morphiumdosierung selber regeln könnte und genau das habe ich damals auch gemacht. Ich hatte kein schlechtes Gewissen denn wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre hätte ich es nicht anderst gewollt.
Nun ist mein 2. Mann an Kehlkopfkrebs gestorben auch er war die letzten 24 Stunden im KH. die Ärztin kam und hat gefragt ob sie den Port abhängen und auf Mophium einstellen solle. Ich habe eingewilligt. Er ist friedlich eingeschlafen. Es war mir klar daß es keinen letzten Abschied geben würde, nur ein Hinüberdämmern. Aber was gesagt werden mußte haben wir lange vorher geklärt, es tut weh wenn man so etwas entscheiden muß, aber wenn es bei mir soweit ist wünsche ich mir daß ein Mensch dabei ist der genau so denkt.

annika33
04.04.2010, 22:25
Hallo an alle (und jedem ein frohes Osterfest:)),

ich würde auch gerne etwas zu diesem Thema beitragen.

Ich bin seinerzeit als Angehörige in das Forum gekommen. Meine Mutter, 2008 unheilbar an Lungenkrebs erkrankt, verstarb im Septemper vergangenen Jahres.

Sie, wie auch ich, und alle die in ihr Krankheitsgeschehen involviert waren, haben uns häufig auch nach dem "wie" gefragt. Mama hatte Angst leiden zu müssen. Ich hatte Angst, dass sie leiden würde müssen, aber auch davor, dieses hilflos mit ansehen zu müssen. Wie schützt man sich davor? Wie geht man da heran, um sich bestmöglich abzusichern? Der legale Weg, der jedem von uns offensteht, ist einmal die Patientenverfügung. Gut, sie regelt natürlich nur bis zu einer gewissen "Toleranzgrenze" die eigenen Belange.

Da möchte ich gerne das Beispiel meiner Großmutter aufgreifen. März 2009 - mehr oder minder unerwartet (wenn man mit 83 Jahren von unerwartet sprechen darf/kann), versagten die Nieren. Oma hatte eine Patientenverfügung, dem Herrgott sei Dank. Medizinisch gesehen wäre es so gewesen, dass man sozusagen "auf Biegen und Brechen" in der Verpflichtung gestanden hätte, auch noch das letzte Quäntchen Leben, welches keines mehr gewesen wäre, zu erhalten. Dialyse, so die Ärzte, sei unter der gesundheitlichen Vorgeschichte keine Option mehr gewesen. Wäre aber eben diese Verfügung nicht existent gewesen, wären wir als Angehörige in der Verpflichtung - , mein Vater u. ich, angesichts dieser Extremsituation gnadenlos überfordert und nicht in der Lage objektiv zu entscheiden, was hätte geschehen können? Ich war froh, dass Oma Zeit ihres Lebens selbstbestimmt und klar orientiert, genau festgelegt hat, soundso hat das zu laufen. Oma verstarb und ich möchte behaupten, dass sie schmerzfrei war dabei, und "sanft" entschlief.

Mama war dann mit ihrem Mann auch bei einem Notar und hat per Patientenverfügung geregelt, was man im Rahmen der Gesetzgebung für sich regeln darf u. kann. Das ist bei weitem nicht alles, was man da regeln kann u. darf, aber doch schon einiges.

Womit ich (endlich! :)) den Übergang zur aktiven Sterbehilfe gefunden habe. Aktive Sterbehilfe sollte meines Erachtens immer dann legitim sein, wenn das Leben eines Patienten im Endstadium einer unheilbaren Erkrankung an die Grenzen dessen stößt, was im Grundgesetz unserer Verfassung ausdrücklich geregelt ist. Nämlich, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Wenn ein Leben nicht mehr als selbiges zu bezeichnen ist, sondern nur noch als das Warten auf Erlösung. Und ich denke wenn dann, nur mal angenommen das würde Gültigkeit finden als Vorschlag, für das "rechtliche Prozedere" 2 Mediziner unabhängig voneinander befinden, dass das Leben alsbald endet, unumkehrbar - dann sollte auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten hin, mündlich oder vorher in Schriftform (da wäre die PV wieder im Spiel), dessen Wunsch Akzeptanz finden. Wenn dieser eben lautet, den Prozess des Sterbens als solchen mildernd zu beschleunigen, dann sollte eben dieser Wunsch, Berücksichtigung finden.

Mein Großvater starb ´97 an den Folgen seiner Prostatakrebserkrankung. Er litt. In der Trauerbegleitung "lernte" ich, dass sich seither viel getan hat, in der Schmerzbehandlung. "Heute muss niemand mehr so leiden!", hörte ich. Nun gut, selbst wenn dem so ist - ich denke so oder so hätte mein Großvater ab einem Zeitpunkt x sein Leben als solches nicht mehr als lebenswert empfunden.

Wenn ich heute so an mich denke, toi toi toi, soweit gesund, und die "automatisierte Krebsangst" durchspinne, dann weiß ich nur eines - ich möchte nicht leiden müssen. Ich möcht aber auch nicht meinen Kindern oder meinen Angehörigen zumuten, dass sie eine Entscheidung zu fällen haben, mit der sie Zeit ihres Lebens evtl. hadern, an der sie knabbern. Man muss es so regeln können, dass jeder Mensch (wie viele Menschen gibt es, die keine Angehörigen haben?!) per Verfügung dererlei Entscheidungen für sich fällen kann und selbige muss im Notfall dann greifen und respektiert werden. Wunschdenken ist das, ich weiß. Aber das wäre mein Beitrag für heute, das, was ich mir wünschen würde.

Liebe Grüße Euch allen

Annika

Stefans
05.04.2010, 13:40
Jedoch sind die medizinischen Mittel bereits so weit, dass Betroffenen die Qualen und Schmerzen recht gut genommen werden.
Wer jemanden schonmal unter hohen Morphium-Gaben langsam und qualvoll hat sterben sehen, ist da vielleicht anderer Meinung.

Davon abgesehen geht es bei dem Thema nicht nur um Schmerzen. Sondern um _Würde_.

Viele Grüße,
Stefan

HelmutL
15.04.2010, 01:56
Hallo Stefan,

du hast recht, wenn du sagst, der/die Überlebende muss mit seinem Gewissen fertig werden. Er MUSS, der oder die Verstorbene nicht. Der oder die ist fein raus. Hört sich jetzt grass an, ist aber de fakto so. Eine absolut nüchterne Feststellung, sonst nichts.

Für mich als Angehörigen ist das ein ganz wichtiger Fakt. Ich selbst bin inzwischen sowohl Vollmachtgeber als auch Bevollmächtigter. Die Dringlichkeit einer Patientenverfügung wurde mit und durch den Tod meiner Frau ganz deutlich. Wir haben sie umgesetzt. Dazu waren auch Gespräche mit den Menschen nötig, welche z.B. für mich später irgendwann vielleicht die Verantwortung übernehmen müssen oder sollen. Intensive Gespräche, denn auch die Bevollmächtigten müssen sich im klaren sein, was da auf sie zukommen kann. Sie müssen sich im klaren sein, ob sie das auch durchhalten können und welche Verantwortung auf sie zu kommt. Zumindest zu dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.

Die Patientenverfügung, auch wenn sie keine spezielle Person zur Durchführung der eigenen Interessen und Wünsche benennt, ist ein Vertrag. Zu einem Vertrag gehören IMMER Zwei. In diesem Fall eben ein Vertrag mit der Gesellschaft im allgemeinen. Die Rahmenbedingungen werden/sind gesetzlich geregelt.

Erkläre ich verbindlich einfach meine Wünsche, ohne jemand spezielles als Bevollmächtigten einzusetzen, dann ist die Gesellschaft angesprochen. Die gesetzlichen Bedingungen für die Erfüllung dieser Wünsche sind gegeben und es besteht eine gewisse Rechtssicherheit für die ausführenden Personen. In diesem Falle stehen die Angehörigen, falls vorhanden, ganz klar aussen vor. Als Verfasser einer Patientenverfügung hab ich also einen gesicherten Rahmen, in welchem ich mich als Vollmachtgeber bewegen kann, ohne von irgendjemandem etwas zu verlangen, was ungesetzlich wäre. Wobei der Vertrag hinfällig wäre, wiederspräche er dem Gesetz.

Setze ich eine andere Verfügung auf, in der ich jemand ganz persönlich als Bevollmächtigten einsetze, so verhält sich das grundlegend anders. Das kann man nicht machen, ohne dessen Einverständniss. Es ist ein Vertrag, auch der Bevollmächtigte muss damit einverstanden sein. Andersrum läuft das nicht. Der Bevollmächtigte muss sich also zu diesem Zeitpunkt sehr genau überlegen, ob er solch einen Vertrag annimmt. Wie immer der auch aussehen mag. Die beiden Extreme hab ich bereits angesprochen.

Per Gesetz hat der Vollmachgeber zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit, diesen Vertrag zu ändern. Das ist auch gut so. Auf der anderen Seite muss ich dann aber auch dem Bevollmächtigten zugestehen, seine Auffassung zum Vertrag zu überdenken und jederzeit ändern zu können. Er kann seine Vollmacht jederzeit abgeben. Dieses Recht muss ihm zustehen, genauso wie o.a. Recht des Vollmachtgebers. Auch diese Art der Patientenverfügung ist keine einseitige Angelegenheit.


Das gesellschaftliche Gewissen ist ihr Gesetzeswerk. Oberste Instanz für mich ist mein Gewissen. Nicht immer und überall muss es mit dem jeweilig gerade gültigen Gesetz übereinstimmen. Wenn sich also in bestimmten Situationen mein Handeln mit meinem Gewissen vereinbart, so tu ich das "reinen Gewissens". Welche gesellschaftlichen Konsequenzen das eventuell nach sich zieht, ist mir in dem Moment völlig egal und ist eine völlig andere Geschichte.

Im Gegensatz zum Sterbenden kann ich, in der Regel, als Bevollmächtigter oder auch als Nichtbevollmächtigter bis zur letzten Sekunde meine Entscheidungen vor meinem Gewissen überdenken. Ich kann(!) den Vertrag erfüllen, ihn abändern, ablehnen oder eben ignorieren. Wie gesagt: vor meinem Gewissen und in meinem Verständnis FÜR UND IM SINNE des Sterbenden.

Auch du hast nicht anders gehandelt und würdest es jederzeit wieder tun, in allen Varianten, die du bereits angesprochen hast.

Es kann jedoch nicht sein, dass da Verträge aufgesetzt werden, die absolut egoistischer Art sind, ohne auch nur im geringsten zu überlegen, welche Konsequenzen dieser Vertrag für andere haben könnte. Zumal diese Verträge ja im Vollbesitz der geistigen Fähigkeiten aufgesetzt werden. Was wiederum bedeutet: nicht nur Rechte sondern auch Pflichten!

Ich habe versucht, diesen Beitrag so nüchtern wie möglich zu schreiben, ohne Emotionen. Soweit das überhaupt geht. Ich hoffe, dass jetzt klar ist, was ich mit dem, zugegeben, provokanten "oder ...... ich gehe!" ausdrücken wollte. Selbstverständliche werde ich mit allen Mitteln versuchen, diesen Vertrag zu erfüllen. Ginge jedoch die Erfüllung des Vertrages, auch Teile davon, in der dann bestehenden Situation gegen mein Gewissen, so müsste ich mich entscheiden. Wie, brauche ich wohl nicht zu erläutern und mein Gewissen brauche ich nicht auf dieser Welt zu verantworten. Dafür gibt es eine höhere Instanz.


Einen schönen Tag wünsch ich euch

Helmut

corkono
18.04.2010, 19:10
Wer jemanden schonmal unter hohen Morphium-Gaben langsam und qualvoll hat sterben sehen, ist da vielleicht anderer Meinung.

Davon abgesehen geht es bei dem Thema nicht nur um Schmerzen. Sondern um _Würde_.

Viele Grüße,
Stefan

Ich möchte mich zu diesem Thema einmal kurz einschalten mit einer delikaten Frage:

Mein Vater liegt in einem Dreibettzimmer und uns wurde mitgeteilt, dass er nun im Sterben liegt. Nach meiner Nachfrage bzgl. eines Sterbezimmers gab es nur ein müdes Lächeln, "tut uns leid, aber Sterbezimmer haben wir nicht und die anderen Zimmer sind alle belegt". Außerdem ist heute ja Sonntag und die Verwaltung nicht besetzt (nach meiner Bitte ein Einzelzimmer auf eigene Kosten zu beziehen). Tja, der Tod kennt aber keinen Sonntag ...

Nachdem ich nirgends weiterkam mit meinem Anliegen, zückte ich mein Handy mit den Worten "Okay, dann rufe jetzt die B...Zeitung an, vielleicht können die mir ja ein Einzelzimmer für meinen sterbenden Vater organsieren."

10 Minuten später hat er sein Einzelzimmer bekommen ... aber nur bis morgen früh! Morgen ist ja Montag und dann kann ich ein Einzelzimmer beantragen.

Ist das so üblich in Krankenhäusern? Ich empfinde es als unwürdig zwischen anderen Patienten, die laut telefonieren, Radio hören und viel Besuch empfangen (was auch völlig in Ordnung ist unter "normalen" Umständen) zu sterben.

Für die anderen ist es natürlich auch sehr heftig neben einem Sterbenden mit großen Schmerzen zu liegen.

So, jetzt fahre ich wieder ins Krankenhaus (wechsel mich mit meiner Mutter ab). Natürlich sollte ich eigentlich ganz andere Sorgen haben, als hier diese Frage im Forum zu stellen, aber ich bin immer noch konsterniert und frage mich: was ist morgen?!? Dann geht der Kampf um ein würdiges Sterben im Einzelzimmer weiter.

Sind Eure Angehörigen auch in Mehrbettzimmern gestorben oder habe ich einfach nur zu hohe Ansprüche?

Liebe Grüße

Corinna

suze2
18.04.2010, 19:28
liebe corkono, ich kenne es von beiden seiten. mein vater starb in einem mehrbettzimmer (pflegeheim). ist allerdings schon 34 jahre her. ich war damals schlicht zu jung und dumm, um zu begreifen geschweige denn um etwas dagegen zu unternehmen.
als ich 2005 operiert wurde, verschlechterte sich der zustand meiner bettnachbarin. sie wurde SOFORT in ein einzelzimmer verlegt. mich hat das damals beruhigt, denn ich dachte, dass das heutzutage so "mitmenschlich" gehandhabt wird. auch bei einem kollegen war es so - einzelzimmer - gar keine frage. wie ich nun bei dir lese, ist dies aber eben nicht immer so...

ich kann dir keinen rat geben, zumal ich aus Ö bin und mich nicht auskenne, was es in D für möglichkeiten gibt. ich wünsche dir alles gute und deinem vater ein sterben in würde und ohne schmerzen. hat denn das KH eine palliativstation?

tut mir leid, für dich, für euch ...
alles liebe
suzie

Kampfgeist
18.04.2010, 19:30
Liebe Corinna,

was ist das für ein KH ,und was sind das für abscheuliche Menschen die dort arbeiten .

In Würde gehen, dazu bedarf es doch keiner Zuschauer.Dort sollten wirklich nur die Angehörigen beisein. Du hast richtig gehandelt,sofort mit der Zeitung zu Drohen.
Kannst du deinen Vater eventuell noch in ein Hospiz verlegen lassen ?
Wenn nicht , bestehe auch weiterhin auf ein Einzelzimmer.

Ich möchte dich einfach mal nur in den Arm nehmen und dir viel Kraft wünschen für das alles.

Dagmar

corkono
18.04.2010, 23:52
Liebe Suzie und Dagmar,

ich möchte mich bei Euch für Euren Zuspruch bedanken.

Mir wurde heute abend zugesichert, dass mein Vater nicht mehr in ein Mehrbettzimmer verlegt wird. Das könnte ich auch nicht ertragen.

Ich bin total aufgewühlt und von meinen Gefühlen übermannt.

Es tat ihm gut, dass seit heute ganz extrem gegen die Schmerzen gespritzt wurde. Er hatte die letzten Tage so gewimmert und konnte die Schmerzen nur noch schwer ertragen. Heute konnten wir ihn noch mal ohne Schmerzen sehen und das tat gut. Wenn er noch mal die Augen aufmacht, dann lächelt er und drückt meine Hand. Ich habe kürzlich etwas gelesen, was sehr gut zu dieser Situation passt.

Das Sterben eines Menschen bleibt als wichtige Erinnerung zurück bei denen, die weiterleben. Was immer in den letzten Stunden geschieht, kann viele Wunden heilen, aber auch in unerträglicher Erinnerung bleiben ...

... ja, ich bin froh, dass ich es geschafft habe, ein Einzelzimmer für meinen Vater erkämpft zu haben. Alles andere wäre unerträglich für uns alle.

Morgen um 7.00 Uhr bin ich wieder bei ihm.

Liebe Grüße

Corinna

Anna74
19.04.2010, 06:53
Hallo corkono
Viel Gedult musst du aufbringen und viel Kraft!Sei einfach da fuer ihn.:pftroest:

Stefans
19.04.2010, 17:44
Hallo Corinna,

Sind Eure Angehörigen auch in Mehrbettzimmern gestorben oder habe ich einfach nur zu hohe Ansprüche?
Ja, du hast zu hohe Ansprüche. Du kannst jederzeit ein Einzelzimmer buchen. Kostet halt nur viel extra. Oder du bist Privatpatient, da ist das im Preis drin. Aber "beschweren" kann man sich über ein Mehrbettzimmer andererseits auch kaum... in vielen europäischen Ländern wären die Patienten froh, wenn sie so eine gute medizinische Versorgung bekommen würden wie bei uns. Du willst nicht wissen, wie lange man in Portugal oder Mazedonien auf einen CT-Termin warten muss... In D dauert das maximal 3 Tage. In manchen Ländern dauert das locker 3 Monante...Insofern geht's uns in D noch richtig gut, auch wenn drei Leute im Zimmer liegen und das ziemlich störend ist...

Was du schriebst, erinnert mit an meine Frau. Die wusste, dass sie sterben muss, ein Vierteljahr vor ihrem Tod (dass es ein Vierteljahr war und nicht 1 oder 12 Monate, dass wusste vorher natürlich niemand). Und sie wollte unbedingt Zuhause sterben, was wir zum Glück auch hinbekommen haben. Sie lag im Mehrbettzimmer, und sie sagte immer nur: holt mich hier raus! Ich will "Zuhause", ich will "Alltag" und "Normalität". Und sie wollte eben nicht, dass morgens um 6 die Putzkolonne kommt und sie weckt, und nicht alle 30 Min. Störungen durch Schwestern, Ärzte, Besuch, usw. usf. Und wenn ich die Augen aufmache, will ich nicht Linoleum auf dem Boden und weiß gekalkte Wände angucken, sondern will mein Wohnzimmer sehen, wo ich Zuhause bin. Sie wollte Heimat, Normalität, Ruhe und Frieden. Ihr Zuhause nochmal sehen, Hund, Katze, Garten, Freunde, Familie, Ehemann (und zwar Zuhause, nicht für eine Stunde in der Klinik).

Aber das ist, was fast alle Menschen möchten: Zuhause sterben. Möchte ich auch, wenn es bei mir mal soweit ist. Was denn sonst! Geht aber halt nicht immer, leider :-(

Viele Grüße,
Stefan

suze2
19.04.2010, 18:39
nur zur sicherheit, die menschen, die ich kannte, die ein einzelzimmer bekamen, waren keine privatpatientInnen, weder meine bettnachbarin bei meiner OP, noch mein kollege. ich denke, dass es aufs spital ankommt - auf die fähigkeit des personals, aber wohl auch auf die ressourcen.
corkono, ich schicke dir noch einen herzlichen gruß und auch an alle anderen, die hier lesen und schreiben.
suzie

Wasser13
19.04.2010, 19:04
Liebe Corinna, nein, nicht zu hohe Ansprüche, wirklich nicht .... Ich bin eher fassungslos, dass man sich a) als Angehöriger sowas seitens eines Krankenhauses sagen lassen muss (kein Einzelzimmer machbar), b) einem Sterbenden solche Szenarien (Bettnachbarn und deren Besucher) nicht erspart bleiben und des gleichen c) die Bettnachbarn in eine sehr persönliche Situation hineingezogen werden (wenn der letzte Schritt der Sterbebegleitung in einer Klinik stattfindet / stattfinden muss - nicht jeder ist in der Lage, einen Sterbenden Zuhause zu begleiten - stehen vielleicht auch noch ungesagte/persönliche Dinge im Raum, Worte, die man mit auf die Reise geben möchte – und dabei haben meines Erachtens „fremde Ohren“ nichts zu suchen).

Liebe Corinna, ich hatte das Glück, meinen Mann in Frieden Zuhause verabschieden zu können, und wünsche Dir/Deiner Familie, dass auch Ihr in einem würdevollen Rahmen „auf Wiedersehen“ sagen könnt und viel Kraft für das Kommende.

Mein Mitgefühl für Dich und stille Grüße … Andrea

Boxerhund1
20.04.2010, 00:50
Ja, du hast zu hohe Ansprüche. Du kannst jederzeit ein Einzelzimmer buchen. Kostet halt nur viel extra. Oder du bist Privatpatient, da ist das im Preis drin. Aber "beschweren" kann man sich über ein Mehrbettzimmer andererseits auch kaum... in vielen europäischen Ländern wären die Patienten froh, wenn sie so eine gute medizinische Versorgung bekommen würden wie bei uns. Du willst nicht wissen, wie lange man in Portugal oder Mazedonien auf einen CT-Termin warten muss... In D dauert das maximal 3 Tage. In manchen Ländern dauert das locker 3 Monante...Insofern geht's uns in D noch richtig gut, auch wenn drei Leute im Zimmer liegen und das ziemlich störend ist...

hallo StefanS,

hier muß ich jetzt aber heftig widersprechen!
Nein... sie hat keine zu hohen Ansprüche, sie fordert einfach nur die Selbstverständlichkeit. Und zwar die Selbstverständlichkeit einem Sterbenden gegenüber - egal ob Kasse oder privat.

Selbstverständlich kann man sich in so einer Situation über ein Mehrbettzimmer beschweren. Das ist eine Zumutung, das Einzelzimmer nicht automatisch und ohne jede Anforderung zur Verfügung zu stellen. :mad: Sowas geht gar nicht!

Es ist mir sowas von egal, was in Portugal oder Mazedonien oder sonst wo auf der Welt "normal" ist. Wir sind hier in Deutschland - und hier gelten unsere Standards und nicht die von Portugal oder Mazedonien.

Daß man einen Sterbenden entweder in ein Einzelzimmer verlegt - oder aber die anderen Patienten in ein anderes Zimmer bringt - wenn es schon im Krankenhaus passieren muß - das sollte wirklich selbstverständlich sein und nicht erst gefordert werden müssen.
Was für eine Art von Menschen arbeiten in einem Krankenhaus, wo das nicht klappt? :mad: Was für eine Berufsaufassung haben diese Menschen, die dort arbeiten? :mad:

Als meine Mutter auf der Onkologie lag, hatte sie auch nur ein Zweibettzimmer - und nebenan lag eine Sterbende. Mama hat es nicht so mitgekriegt, weil sie nicht mehr so gut sehen konnte und außerdem mit ihrer eigenen Geschichte beschäftigt war. Aber ich hab's gesehen, daß die Frau schon im Leberversagen war - und immer mehr ins Multiorganversagen gerutscht ist.
Nach 3 Tagen wurde meine Mutter dann in ein anderes Zimmer verlegt, weil abzusehen war, daß die andere Frau nun endgültig ihren letzten Weg ging. Und sie sollte das im Kreis ihrer Familie alleine hinter sich bringen können - und meine Mutter mit diesem Sterben nicht auch noch konfrontiert werden.
Da haben sie an beide gedacht... an die Sterbende und an die Schwerkranke.
So muß das sein! So und nicht anders. So ist es menschlich in Ordnung.
Alles andere ist absolut inakzeptabel! :boese:

Meine Mutter kam dann ein paar Tage später heim und starb 6 Tage später. Aber wäre sie dort gestorben, die Ärzte und Schwestern hätten auch dafür gesorgt, daß wir/ich mit ihr dort dann nicht von "Bettnachbarn" samt Besucher gestört worden wären. Ich hätte mich SEHR gewundert - und mit Sicherheit auch gewaltig Stunk gemacht - wäre das dann anders gewesen.

Nein... das sind keine ZU HOHEN Ansprüche - das ist eine Selbstverständlichkeit. Jedenfalls in meinen Augen.

anignu
20.04.2010, 01:59
Was für eine Art von Menschen arbeiten in einem Krankenhaus, wo das nicht klappt? :mad: Was für eine Berufsaufassung haben diese Menschen, die dort arbeiten? :mad:

Ist schon sehr anmaßend, oder? Ich finds daneben solche Äußerungen loszulassen! Als ob es Absicht wäre.

Sind Eure Angehörigen auch in Mehrbettzimmern gestorben oder habe ich einfach nur zu hohe Ansprüche?

In der Regel wird man sich bemühen ein Einzelzimmer für einen Sterbenden zu finden. Wobei man sich teilweise wundert wie lange vermeintlich Sterbende noch leben können. Ich hab bisher fast immer Schwestern erlebt die für den letzten Tag noch irgendwo ein Einzelzimmer aufgetrieben haben.

Eines sollte aber klar sein: es gibt auch gute Gründe warum nicht jeder ein Einzelzimmer bekommt. Anders könnte sich das aktuelle Gesundheitssystem nicht finanzieren.

corkono
20.04.2010, 08:43
In der Regel wird man sich bemühen ein Einzelzimmer für einen Sterbenden zu finden. Wobei man sich teilweise wundert wie lange vermeintlich Sterbende noch leben können. Ich hab bisher fast immer Schwestern erlebt die für den letzten Tag noch irgendwo ein Einzelzimmer aufgetrieben haben.

Eines sollte aber klar sein: es gibt auch gute Gründe warum nicht jeder ein Einzelzimmer bekommt. Anders könnte sich das aktuelle Gesundheitssystem nicht finanzieren.

Guten Tag anignu, (ich finde es mit Anrede einfach höflicher und soviel Zeit sollte sein)

das hat man mir gestern auch erzählt. Es fehlt noch ein Zusatz. Die Ärzte sehen einen Toten als Verlust. Das erzählte mir die Pflegeleitung.

Bevor ich zur aktuellen Lage komme, möchte ich noch erzählen, dass wir für meinen Vater alles zu Hause haben (Pflegebett, Sauerstoffgerät, Dekubitusmatratze) und ihn hier auch gepflegt haben mit Unterstützung eines Pflegedienstes. Unser Wunsch und auch der Wunsch meines Vaters war es, zu Hause zu sterben. Wir wollten die Edelklinik mit 1.509 Betten auch nicht mit dem Sterben meines Vaters belästigen. Der häusl. Pflegedienst hatte einen Krankentransport bestellt, weil mein Vater eine sehr große Einblutung im Bein hatte. Leider wurde er wieder in dieses Krankenhaus gefahren, wo wir schon vor Wochen ganz schlimme Erfahrungen machen mussten. Dort wurde sein Bein gekühlt. Ich habe von Anfang an darauf gedrängt, dass wir ihn so schnell wie möglich nach Hause haben möchten.

Daran wurde ich gestern erinnert. Ich sitze hier total ratlos. Er soll verlegt werden. Entweder nach Hause oder in eine Pflegeeinrichtung. Bei uns im Hause wurde er durch das Treppenhaus immer mit einem "Tuch" transportiert. Das geht ja nun nicht. Er ist in der finalen Phase, aber da das "Rasseln" noch nicht begonnen hat, kann er doch noch entlassen werden. Merkwürdig nur, dass es letzte Woche noch hieß "aber nein, er kann nicht nach Hause mit diesem Bein. Das können wir nicht verantworten. Er ist doch gar nicht transportfähig." Das Bein ist nach wie vor nicht besser geworden, aber durch die finale Phase scheint er nun doch transportfähig zu sein? Ich finde das unerträglich. Das Problem scheint hier die Verwaltung zu sein. Die Ärzte und Krankenschwestern stehen ganz auf meiner Seite. Natürlich nur inoffiziell.

Ach ja, liebe(r) anignu,

mich würde mal Deine persönliche Meinung interessieren. Findest Du es denn nicht merkwürdig, dass ein so großes Krankenhaus u.a. mit einer Onkologie kein freies Zimmer hat, dass ich sonst noch notfalls bezahlen würde und dass mir zwei Ärzte gesagt haben, dass ich bei der Klinikleitung doch mal den Verbesserungsvorschlag machen sollte, dass Sterbezimmer eingerichtet werden? Das nützt nur meinem Vater nichts mehr.

Mich würde noch eine Sache interessieren. Was hat Dich veranlasst, dass Du Dich in einem Krebsforum anmeldest? Bist Du krebskrank oder Angehöriger? Na ja, freut mich auf jeden Fall, dass Du gleich nach Deiner Registrierung auf diesen Thread gestoßen bist, nachdem Du zwei fachlich fundierte und sehr gute Beiträge geschrieben hast.

Freundliche Grüße

Corinna

Kampfgeist
20.04.2010, 13:20
Hallo

du lieber Gott was ist hier denn los ? Einer fängt an , und schon fühlen sich wieder andere mit angesprochen.

Stop !

Wir sind alle hier weil wir irgendwie Hilfe brauchen, oder Hilfe weitergeben möchten.

Ich teile auch nicht mit jedem seine Meinung, aber ich halte sie wenigstens für mich.

Dagmar

Dirk-Gütersloh
20.04.2010, 23:24
Zitat von Boxerhund1
Was für eine Art von Menschen arbeiten in einem Krankenhaus, wo das nicht klappt? Was für eine Berufsaufassung haben diese Menschen, die dort arbeiten?

Ist schon sehr anmaßend, oder? Ich finds daneben solche Äußerungen loszulassen! Als ob es Absicht wäre.

Zitat von corkono
Sind Eure Angehörigen auch in Mehrbettzimmern gestorben oder habe ich einfach nur zu hohe Ansprüche?

In der Regel wird man sich bemühen ein Einzelzimmer für einen Sterbenden zu finden. Wobei man sich teilweise wundert wie lange vermeintlich Sterbende noch leben können. Ich hab bisher fast immer Schwestern erlebt die für den letzten Tag noch irgendwo ein Einzelzimmer aufgetrieben haben.

Eines sollte aber klar sein: es gibt auch gute Gründe warum nicht jeder ein Einzelzimmer bekommt. Anders könnte sich das aktuelle Gesundheitssystem nicht finanzieren.

Ich finde die Aussagen sehr angemessen. Es geht hier nicht darum, das nicht "Jeder" ein Einzelzimmer kriegen kann. Es geht hier um eine sterbende Person. Johannes Rau hat einmal gesagt: "Eine Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit ihren Alten und Sterbenden umgeht.“ Und das gilt umso mehr für die Teile unserer Gesellschaft, die sich um uns kümmern sollen, wenn es ernst wird. Die Ärzte, Pfleger und Schwestern wissen, dass in ihrem Beritt gestorben wird. Wenn Du liebe Anignu dann schreibst, "Ich hab bisher fast immer Schwestern erlebt die für den letzten Tag noch irgendwo ein Einzelzimmer aufgetrieben haben", dann passt da doch was nicht. Wieso muss die Schwester erst eines auftreiben? Warum ist das nicht da? Da passt dann wirklich was mit der Berufsauffassung nicht. Auch wenn sich nicht die einfache Schwester und der Arzt im Praktikum angesprochen fühlen sollte. Aber die Leitung, die sollte jetzt rote Ohren bekommen.

Ich habe das auch mit meinem Vater so erlebt. Zunächst wurde er vom normalen Zimmer ins Stationsbadezimmer verlegt, bis er dann auf ein Einzelzimmer kam. Noch heute bin ich dem Personal dankbar, dass sie ein Einzelzimmer "gefunden" haben. Nur warum gibt es in einem großen Krankenhaus mit großer Leichenhalle nicht auch ausreichende Zimmer für einen Abschied in Würde?

Darum geht es doch!

Und wenn ich dann lese, dass zwei Ärzte gesagt haben, dass Corcono bei der Klinikleitung doch mal den Verbesserungsvorschlag machen sollte, dass Sterbezimmer eingerichtet werden, dann frage ich mich in der Tat nach der Berufsauffassung! Wenn ich sehe, dass ich unserem Betrieb wichtige Dinge völlig aus dem Ruder laufen, dann gehe ich schnellstens zu meinen Chef.

LG Dirk

Boxerhund1
20.04.2010, 23:37
Ist schon sehr anmaßend, oder? Ich finds daneben solche Äußerungen loszulassen! Als ob es Absicht wäre.


hallo anignu,

ob Absicht, Faulheit oder pure Gedankenlosigkeit - ich finde es mehr als schlimm! :mad:
Ich finde es daneben, so mit Sterbenden und ihren Angehörigen umzugehen - es ist unmenschlich. :mad:

jakobi
21.04.2010, 13:34
Wer jemanden schonmal unter hohen Morphium-Gaben langsam und qualvoll hat sterben sehen, ist da vielleicht anderer Meinung.

Davon abgesehen geht es bei dem Thema nicht nur um Schmerzen. Sondern um _Würde_.

Viele Grüße,
Stefan

Beides würde ich ebenso bestätigen.
In den öffentlichen Diskussionen zum Thema Sterbehilfe wird einerseits immer wieder betont, daß die Palliativmedizin schon weit sei, es aber andererseits zu wenig Plätze gäbe.

Ich habe zwei meiner nächsten Angehörigen im Abstand von 25 Jahren durch Krebs verloren, und würde eigentlich beschwören, daß sich an dem oben geschilderten Stand der Diskussion in diesen 25 Jahren nicht sehr viel verändert hat, d.h. es gibt heute immer noch keine ausreichende Palliativversorgung für alle Patienten.

Meines Erachtens wird auch der Eindruck erweckt, als sei es mit Hilfe der Palliativmedizin "relativ unkompliziert" möglich, die starken Beschwerden zu lindern, sodaß quasi ein relativ normales Leben bis zum finalen Stadium möglich wäre.
Es wird sicher von Fall zu Fall unterschiedlich sein (können), aber bei Krebskranken sieht es häufig anders aus, und auch bei uns sah es vollkommen anders aus.

Es wird eben Schmerz mit hohen Gaben bekämpft (an der Stelle hat sich mE in den letzten Jahren wirklich etwas geändert- es wird heute viel schneller mit höheren Dosen gearbeitet), die Nebenwirkungen werden mit einem weiteren Mittel bekämpft, woraus sich weitere Nebenwirkungen ergeben, die usw. usw.

Ich habe das Gefühl, es könnte für Sterbende (bzw. um den baldigen Tod Wissende) einfach auch schon erleichternd sein, zu wissen, daß sie selbst entscheiden können, wann es genug für sie selbst ist.

Ich würde Stefans absolut zustimmen, es geht um den Sterbenden und das, was für diesen das Richtige ist.
Als Angehöriger ist man auf völlig andere Weise betroffen, und egal, welche Entscheidung (zu gehen, zu versuchen zu helfen, zu begleiten) man trifft, man ist nicht unbeteiligt; aber weshalb muß ein Sterbender davon abhängig sein, daß es noch Angehörige gibt?

Wann ein Betroffener seine eigene Situation nicht mehr lebenswert findet und sich vielleicht wünscht, dann etwas tun zu können, wird vollkommen unterschiedlich sein. Manchmal wäre es sicher wünschenswert genau in dem Moment jemanden finden zu können, der einem hilft, wenn man es gerade selbst nicht mehr tun kann- aber eben auch erst dann.

Selbstverständlich kann ich alle Bedenken nachvollziehen, und sehe auch keine einfache Universallösung, aber die Vorstellung, als Betroffener frei entscheiden zu können, hat etwas tröstliches.

Gruß

anignu
21.04.2010, 19:22
Warum ist das nicht da? Da passt dann wirklich was mit der Berufsauffassung nicht. Auch wenn sich nicht die einfache Schwester und der Arzt im Praktikum angesprochen fühlen sollte. Aber die Leitung, die sollte jetzt rote Ohren bekommen.

Um was es mir geht, wie auch schon von Dirk angedeutet: es sind nicht die Schwestern oder Ärzte schuld daran, wenn es keine Einzelzimmer gibt.
Die Schwestern und Ärzte haben die Krankenhäuser nicht gebaut. Dass sie in in einer unmenschlichen Umgebung arbeiten sollte man ihnen nicht vorwerfen! Die Alternative wäre, dass alle Schwestern/Ärzte einfach mal komplett die Arbeit niederlegen. Doch damit wäre auch niemandem geholfen. Und wenn die Ärzte schon sagen, dass Corcono den Verbesserungsvorschlag bei der Klinikleitung machen soll dann haben sich die Ärzte schonmal mit einer Verbesserung auseinandergesetzt aber selbst diese nicht erreichen können...

mich würde mal Deine persönliche Meinung interessieren. Findest Du es denn nicht merkwürdig, dass ein so großes Krankenhaus u.a. mit einer Onkologie kein freies Zimmer hat, dass ich sonst noch notfalls bezahlen würde und dass mir zwei Ärzte gesagt haben, dass ich bei der Klinikleitung doch mal den Verbesserungsvorschlag machen sollte, dass Sterbezimmer eingerichtet werden? Das nützt nur meinem Vater nichts mehr.

Nein ich finde es nicht merkwürdig dass alle Zimmer maximal ausgelastet sind. Das ist bei öffentlichen Häusern "normal". In Akutkrankenhäusern werden Patienten teilweise auch auf den Gang ausgelagert. Ja das ist unmenschlich, aber die Alternative wäre die kranken Menschen rauszuschmeißen. Und das sind alles nur die Angaben aus Sicht der Patienten, wie es den Schwestern und Ärzten mit der Überbelastung geht ist ein anderes Thema.
Dass die Ärzte dann sagen, dass man bei der Klinikleitung einen Verbesserungsvorschlag machen soll ist auch "normal". Die Ärzte oder Schwestern würden das nicht erreichen. Wirkliche Verbesserungen in dieser Hinsicht werden nur durch Druck von außen erreicht. Vielleicht nicht mehr für deinen Vater aber für die Nächsten.

danja
28.04.2010, 01:45
Und sie wollte unbedingt Zuhause sterben, was wir zum Glück auch hinbekommen haben.

Gut gemacht!!!

Mein Mann wollte auch nach Hause, was wir - dank eines fürsorglichen Arztes - ebenfalls hinbekommen haben.

Ansonsten hatte ich eher das Gefühl, daß Patientenverfügungen in Krankenhäusern nicht so sehr ernstgenommen werden. - Übrigens werde ich meine morgen ändern lassen, und ich hoffe, mein Anwalt ist bereit, sich benennen zu lassen, denn "einfache" Angehörige, die keinen "Druck machen" können, finden hierzulande trotz Verfügung kaum Gehör.

Viele Grüße
danja


P.S. Und ja, Stefan, Deine Signatur ist vollkommen zutreffend.

Stefans
03.05.2010, 13:15
Hallo,

Was für eine Art von Menschen arbeiten in einem Krankenhaus, wo das nicht klappt? :mad: Was für eine Berufsaufassung haben diese Menschen, die dort arbeiten? :mad:
Die Menschen, die dort auf der Station mit den Kranken arbeiten, sind sicher in den allermeisten Fällen gutwillig und tun, was sie können. Die haben ganz andere Probleme: die arbeiten immer mehr und unter immer schlimmeren Bedingungen, wobei ihnen gleichzeitig das Gehalt ständig gekürzt wird. Von Tarifverträgen im öffentlichen Dienst, wie es sie vor 10-20 Jahren gab, träumt das Personal heute nicht mal mehr :eek:

Das Pflegepersonal kann nichts daran ändern, dass Kliniken heutzutage privatwirtschaftlich organisiert sind und Profit erwirtschaften müssen. Das sagen die "Controller" in der Klinikverwaltung, und das sagen die Aktionäre der Klinik AG. Und zur Gewinnmaximierung ist eine maximale Bettenauslastung unbedingt erforderlich. Da gibt es mitunter einfach nichts zu "schieben" und hier mal ein Einzelzimmer freizuschaufeln. Der Patient kann froh sein, wenn er nicht auf dem Flur stirbt, weil kein Zimmer frei ist, und wo jede Minute 2 Leute vorbei laufen und ihn angaffen.

Viele Grüße,
Stefan

danja
03.05.2010, 23:14
Das Pflegepersonal kann nichts daran ändern, dass Kliniken heutzutage privatwirtschaftlich organisiert sind und Profit erwirtschaften müssen.

Das ist die Realität.

Und - wie Stefan schon schrieb - in diesen Gewinn-orientierten Kliniken kann man (weil sie eben versuchen müssen, Gewinne zu erwirtschaften) Einzelzimmer buchen. Hier auf dem Land kostet das etwa 60 Euro am Tag. Na und? Ein Urlaub weniger eben ...

Gleichzeitig mit der Patientenverfügung sollte man meiner Meinung nach auch dem Ehegatten und/oder einer anderen Vertrauensperson eine Vorsorgevollmacht erteilen. Sollten sich diese Bevollmächtigten möglicherweise nicht ausreichend durchsetzen können, steht es ihnen jederzeit frei, ihren Anwalt bzw. Notar um Unterstützung zu bitten.

Die Urkunden können beim Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registriert werden. Klinikmitarbeiter können diese Kammer um Auskunft bitten, ob eine Vorsorgevollmacht für einen Patienten vorliegt, falls ihnen keine Angehörigen bekannt sind.

Über diese Patientenverfügung plus Vorsorgevollmacht hinaus gibt es in Deutschland - jedenfalls nach meinem Wissensstand - keine weiteren Möglichkeiten, aber immerhin ...

Liebe Grüße
Angelika

danja
03.05.2010, 23:43
... Es wird eben Schmerz mit hohen Gaben bekämpft (an der Stelle hat sich mE in den letzten Jahren wirklich etwas geändert- es wird heute viel schneller mit höheren Dosen gearbeitet) ...

... aber weshalb muß ein Sterbender davon abhängig sein, daß es noch Angehörige gibt?

... Manchmal wäre es sicher wünschenswert genau in dem Moment jemanden finden zu können, der einem hilft, wenn man es gerade selbst nicht mehr tun kann- aber eben auch erst dann.

... aber die Vorstellung, als Betroffener frei entscheiden zu können, hat etwas tröstliches.


Du hast das Problem meiner Meinung nach genau erkannt. Der Schmerz wird GsD viel schneller mit höheren Dosen bekämpft, aber das bedeutet im Umkehrschluß nichts anderes, als daß der Betroffene so "zugedröhnt" ist, daß er genau deshalb von Angehörigen abhängig ist.

Liebe Grüße
Angelika

Stefans
04.05.2010, 13:22
Meines Erachtens wird auch der Eindruck erweckt, als sei es mit Hilfe der Palliativmedizin "relativ unkompliziert" möglich, die starken Beschwerden zu lindern, sodaß quasi ein relativ normales Leben bis zum finalen Stadium möglich wäre.
Es wird sicher von Fall zu Fall unterschiedlich sein (können), aber bei Krebskranken sieht es häufig anders aus, und auch bei uns sah es vollkommen anders aus.

Es wird eben Schmerz mit hohen Gaben bekämpft (an der Stelle hat sich mE in den letzten Jahren wirklich etwas geändert- es wird heute viel schneller mit höheren Dosen gearbeitet), die Nebenwirkungen werden mit einem weiteren Mittel bekämpft, woraus sich weitere Nebenwirkungen ergeben, die usw. usw.
Sehe ich ganz genauso. Sicher, Morphium ist ein Segen, und v.a. die mobilen Pumpen per Port, bei denen kontinuierlich Grundlevel und bei Bedarf Extradosen gegen akuten Schmerz (durch den Patienten selbst) gegeben werden können. Aber: wer so eine Behandlung nicht kennt, denkt bei Opiaten vielleicht an einen schönen Drogenrausch. So ist das halt nicht.

Dauerhaft Morphium in hohen Dosen gibt Abhängigkeit, ständige Dosissteigerung durch Gewöhnung, chronische Übelkeit und Erbrechen, selbst wenn der Patient nichts mehr essen kann, chronische Verstopfung mit Abführmitteln und alle paar Tage Klistier (eh' unangenehm, für bettlägerige Patienten aber eine echte Qual), Harnverhaltung und Blasenkatheter, Gedächtnisverlust, Verlust des Zeitgefühls, Verlust des Sprachvermögens (die Worte werden nicht mehr richtig gefunden), jenseits der 500 mg/d dann irgendwann Halluzinationen, Alpträume und mehr unangenehmes. Und 500 mg/d sind für einen Patienten mit starken Tumorschmerzen nicht so sehr viel, das kann auch über 1.000 mg/d gehen.

Ich habe das Gefühl, es könnte für Sterbende (bzw. um den baldigen Tod Wissende) einfach auch schon erleichternd sein, zu wissen, daß sie selbst entscheiden können, wann es genug für sie selbst ist.Dieses selbst entscheiden geht aber praktisch nur Zuhause und mit Hilfe von Angehörigen. In der Klinik kannst du selbst entscheiden, dass du keine Behandlung mehr willst. Davon stirbt man aber meist nicht schneller, wenn der Krebs eh unheilbar ist. Sondern nur unter mehr Schmerzen. Sterbehilfe werden die dort nicht unterstützen, auch nicht passiv (definiere passiv - viel schwieriger, als es auf den ersten BLick scheint). Dürfen die gar nicht (jaja, die Patientenverfügung, ich weiss - graue Theorie).

Meine Frau und ich haben über Sterbehilfe gesprochen, als es ihr noch recht gut ging. ** gelöscht **. Sie wusste nicht, ob sie das jemals tun wird oder von mir verlangen wird, ich wusste nicht, ob ich das für sie tun werde, wenn sie es verlangt. Wer will das vorher beurteilen. Zum Glück war das auch nicht notwendig. Aber die Erleichterung des "gut zu wissen..." war wirklich da, so wie du schreibt.

Viele Grüße,
Stefan

Norma
05.05.2010, 03:32
Hallo, ihr Diskutierer,

ich gehe mal davon aus, dass hier bisher kein medizinisch versiertes Personal (Ärzte, Krankenschwestern/pfleger, Hospizangestellte etc) geschrieben hat.

Hier schreiben LAIEN; jeder hat seine Sichtweise über Sterbehilfe, ok.
Der Ein oder Andere hat schon Angehörige verloren, wie ich auch.

Aber so langsam dürfte sich bei Außenstehenden der Eindruck entwickeln, als ob alle Sterbenden sich im Bett windend, nach Luft ringend, vor Schmerzen laut schreiend... und das alles natürlich bei vollem Bewusssein und auch noch in Mehrbettzimmern eines Krankenhauses... von der Erde verabschieden würden.

Meine Güte, ihr zeichnet hier ein Horrorszenarium auf, welches in der Realität SO NICHT vorzufinden ist.

Vielleicht wäre es besser, wenn man mal Kontakt zum oben genannten Personenkreis aufnehmen würde, um einen Eindruck über das Sterben, wie es tagtäglich in gewissen Einrichtungen geschieht, zu bekommen.

Man darf doch einfach nicht vergessen, dass, bevor überhaupt der Tod eintritt, ein Multi-Organ-Versagen auftritt. Soll heißen: Leber und Nieren stellen ihre Tätigkeit ein; alleine dadurch fällt der Sterbende schon in einen komatösen Schlaf (Ausnahmen gibt es natürlich, sind aber selten). Die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn wird nach und nach weniger, weil die Lungen es nicht mehr schaffen, ausreichend Sauerstoff zu transportieren.
Der Blutkreislauf gerät ins Stocken und das Herz hört auf zu schlagen.

Dieser Vorgang dauert in der Regel nicht länger als 6 bis 12 Stunden... und da wird, einfach um wirklich alle Möglichkeiten der Schmerzempfindung auszuschließen, Morphium verabreicht.

Vielleicht liege ich jetzt ja falsch und ihr meint eigentlich nicht die reine Sterbehilfe, sondern eine Hilfe, um den Krankheitsprozess VOR dem eigentlichen Sterbevorgang abzukürzen; so nach dem Motto: erst gar nicht in den Sterbevorgang kommen lassen sondern vorher schon den Tod herbeiführen: wer von euch hat denn schon real so eine "Hilfe" bei jemanden durchgeführt?

War es nicht tatsächlich SO, dass das Sterben eurer Angehörigen völlig ruhig abgelaufen ist (aus oben ausgeführten Gründen)?
Und dass ihr eigentlich nur EUCH SELBST bemitleidet und nur nicht den normalen Sterbevorgang miterleben wollt?

Wem wollt ihr also helfen? Einem Kranken, einem Sterbenden oder... euch selbst?

MfG
Norma
Diagnose Brustkrebs Nov. 2001
Diagnose Darmkrebs Juni 2007 bei meinem Mann

sanne2
05.05.2010, 15:21
Hallo Norma,
du sprichst mir aus der Seele!
Seit 28 Jahren arbeite ich als Krankenschwester und das was ich hier lesen muss ist mir absolut fremd.
Es mag sein, dass einiges vor 25 Jahren so in etwa ablief wie hier beschrieben, habe es aber dennoch nie erlebt, oder ich hatte einfach das Glück immer auf den richtigen Stationen zu arbeiten.

Bei uns erhält ein sterbender Patient und deren Angehörige IMMER die Möglichkeit, alleine und in Würde Abschied zu nehmen.
Es gibt ein Einzelzimmer OHNE Preisaufschlag und zwar immer, obwohl uns nur drei Einzelzimmer zur Verfügung stehen.
Obwohl wir eine ganz normale operative Station sind und kein Hospiz, erhalten auch die nächsten Angehörigen die Möglichkeit, bei ihrem sterbenden Angehörigen im Zimmer zu übernachten. Sie können rund um die Uhr bleiben , so wie es sich gehört, sofern die Angehörigen es auch möchten.

Patientenverfügungen werden IMMER umgesetzt, ohne Ausnahme.

Niemand muss Schmerzen erleiden. Ich habe noch niemals einen Menschen vor Schmerzen schreien hören. Es gibt bei uns Schmerztherapeuten, die ihre Medikamente gut dosiert einsetzen.
So könnte ich beliebig weiter schreiben.
Viele Grüße

Stefans
06.05.2010, 13:40
Hier schreiben LAIEN; jeder hat seine Sichtweise über Sterbehilfe, ok.
(...)
Meine Güte, ihr zeichnet hier ein Horrorszenarium auf, welches in der Realität SO NICHT vorzufinden ist.
Wenn nicht 'so', wie denn dann? Hier haben einige Leute von ihren Erfahrungen gesprochen. Wohlgemerkt: persönliche Erfahrungen, mit (an Krebs) Sterbenden, ob in der Klinik oder Zuhause. Nicht vom Hörensagen, nicht aus zweiter Hand, nicht aus der Theorie. Sondern aus eigenem Erleben. Das _ist_ Realität. Oder willst du die Leute hier der Lüge bezichtigen ("Horrorszenarium", das es in der Realität "so" nicht gibt)?

Ob diese Beispiele nun repräsentativ sind - sicher nicht, in einem Krebsforum. Aber deswegen sind sie trotzdem wahr. Und in den letzten Beiträgen ging es weniger um Sterbehilfe, sondern um Sterbebegleitung und humanes Sterben.

Dieser Vorgang dauert in der Regel nicht länger als 6 bis 12 Stunden... und da wird, einfach um wirklich alle Möglichkeiten der Schmerzempfindung auszuschließen, Morphium verabreicht.
Zu diesem "Szenarium" sage ich jetzt besser mal nichts. Ausser, dass viele Krebs-Todkranke glücklich wären, wenn es so wäre. Und dass die Erfahrungen hier offensichtlich andere sind. Muss aber, wie immer im Leben, niemand wissen wollen.

Viele Grüße,
Stefan

Heikeaml
06.05.2010, 18:01
Hallo Norma
genau was du beschrieben hast was eigendlich nicht sein soll das sterbende in ein mehrbett ihren letzten atemzug tun hab ich hautnah erlebt meine zimmernachbarin (litt an der selben erkrankung wie ich ) blieb bis auf die letzten 5minuten in unseren geminsamen zimmer !!! ihre kinder baten darum ein anderes zimmer zubekommen nis geschah ich bat darum in ein anderes zimmer zukommen und was geschah ? aus wurde eine trennwand auf gestellt so mußte ich hautnah mit erleben wie man an leukämie sterben kann !!!! war wirklich ne ganz tolle erfahrung auch der angehörigen taten mir sehr leid sie waren hilflos sicher iss das nicht die norm aber es hat statt gefunden und ich werde es nie vergessen !!!! genausowenig wie gefühlskalt manche krankenschwester sein können
LGHeike

Norma
06.05.2010, 18:35
Danke sanne2,

dass du dich als "Fachfrau" zu Wort gemeldet hast.
Damit hast du einige grundsätzliche Dinge wieder gerade gerückt und das war auch mein Bestreben.

Mein Mann und ich werden in ein Hospiz gehen; das ist mit den Kindern so abgestimmt.

MfG
Norma
Diagnose Brustkrebs Nov. 2001
Diagnose Darmkrebs Juni 2007 bei meinem Mann

Kerstin N.
06.05.2010, 18:49
Hallo,

so, wie Norma die letzten Stunden eines Sterbenden beschreibt, durften wir bei meiner Mutter erfahren.

Dafür bin ich sehr dankbar - besonders den Ärzten und dem sehr einfühlsamen Pflegepersonal in dem Krankenhaus, in dem meine Mutter lag.

Daß, das aber auch ganz anders sein kann, wie auch von den anderen Mit-Diskutierer hier dargelegt wurde, mußte ich unlängst bei einer Bekannten erleben. Einfach furchtbar und unwürdig.

Stefans
06.05.2010, 19:58
Danke sanne2,

dass du dich als "Fachfrau" zu Wort gemeldet hast.
Damit hast du einige grundsätzliche Dinge wieder gerade gerückt und das war auch mein Bestreben.
Ach so... "vom Fach" ist, wer beruflich mit Tod zu tun hat und deine Meinung teilt ?!?! Nix gegen den Bestreben, dein persönliches Weltbild von "Experten" bestätigt zu sehen. Aber das ist nicht gleichbedeutend mit Realität.

Mein Mann und ich werden in ein Hospiz gehen; das ist mit den Kindern so abgestimmt.Ich fürchte, du hast einen großen Bedarf am "gerade rücken" deines Weltbildes. Hast du schonmal länger erlebt, wie es in einem Hospiz zugeht? Klar, alles ganz menschlich, super lieb, Einzelzimmer, die Verwandten dürfen im selben Zimmer übernachten. Und natürlich gibt es Morphium nur die letzten 12 Stunden, und niemand schreit vor Schmerz. Und Würde steht über alles. Und wenn du tot bist, wird vor deinem Zimmer sogar eine Kerze auf dem Flur angezündet. Was heisst: immer hell erleuchtet, der Flur, aber jeder stirbt für sich allein.

Wenn du das willst... meine Frau hat vor ihrem Tod Mit-Krebs-Patientinnen auf der Hospiz-Station sterben sehen. Und das war eine gute Hospizstation, im anthroposophischen Klinikum. Aber meine Frau wollte auch deshalb niemals da hin, weil sie das miterlebt hat; sondern zum Sterben nach Hause. Setzt natürlich voraus, dass Zuhause jemand ist, der einen pflegt und einen beim Sterben begleitet. Bei eben den "Horrorszenarien", die es für dich "in der Realität" ja gar nicht gibt - noch nicht, für dich, und hoffentlich für dich nie. Deine Kinder sind zumindest sicher froh, dass du und dein Mann das Hospiz wählt. Da fallt ihr ihnen wenigstens nicht zur Last, wenn's drauf ankommt.

Viele Grüße,
Stefan

Dirk1973
06.05.2010, 23:16
Wir drehen uns hier im Kreis, was mir sagt, dass wohl alles zum Thema gesagt sein sollte.

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