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14.02.2004, 18:23
Von Diagnose bis zum Tod meines Mannes waren es keine fünf Monate. Letzlich hat sich unser Leben auf 90 Minuten konzentriert.


Jetzt stirbst Du tatsächlich….

Sonntag, 29. Juni 2003, Nachmittag, die Sonne schein seit Wochen und das Einzelzimmer des Klinikums gibt nur einen kleinen Winkel des Himmels frei. Ich hätte Dir für Deine letzten Tage und Wochen einen schöneren Anblick gewünscht, als die kalten Wände der Metallverschalung des gegenüberliegenden Gebäudeteils, mehr Leben, mehr Natur oder einfach nur Weite für Deinen Blick. Du liegest im Bett, Dein Augen sind geschlossen, Du schläfst. Schläfst Du?

Ich sitze auf Deinem Bett und spüre Dich, Du bist schon so weit weg und trotzdem so nah. Deine Hände liegen entspannt auf dem Bett, Du atmest kraftlos, aber gleichmäßig und ruhig. Ein Bild das Endlosigkeit, Ruhe und Frieden vermittelt.

Dann, gegen fünf, spüre ich Deine aufsteigende Unruhe und Angst erfüllt den Raum. Trotz der Menge an Schlafmitteln wirst Du wach und siehst mich mit Deinen matten Augen an. Die Töne aus Deiner Kehle sind gleichmäßig und im verschossenen Mund erstickt. Mein erster Gedanke – Du weinst, warum?, Schmerzen, Durst, Unbehagen, Angst, sag mir was los ist. Ich bin hilflos, bekomme Angst. Du bist so kalt und ich decke Dich in dem Wissen zu, dass es Dich nicht wärmen wird. Ich nehme Dich in die Arme, halte Dich fest und versuche Dich mit meinem Körper zu wärmen. Wenn mir das auch nicht gelingt, so sollst Du mich wenigstens nah bei Dir wissen. Ich spüre Deine Angst, Deine Verzweiflung und die Gewissheit über die Unabänderlichkeit des nun Bevorstehenden. Deine Kiefer sind fest aufeinander gepresst. Während ich mit Dir spreche, Dich beruhige und versuche, Dir in meinen Armen Schutz zu gewähren, ziehen Dich die Medikamente zurück in den Nebel. Du bist wieder eingeschlafen. Es ist kurz vor halb sechs. Warum kann ich Dir nicht einfach folgen.

Ein sinnloses Telefonat mit einem Arzt. Unsicherheit, Angst, Fassungslosigkeit und Du liegst da, zugedeckt, schlafend, ruhig, sterbend. Während mein Verstand verzweifelt versucht die Situation zu erfassen, zu ordnen und zu führen, ist mein Herz erstarrt vor Angst. Ein längeres Telefonat, in welchem alle erdenklichen Ursachen Deiner Unruhe erörtert werden, endet mit meiner entscheidenden Frage an den Arzt: oder stirbt er jetzt ganz einfach. Schweigen – das war ihm zu direkt, er weicht mir aus, weiß es nicht, kann es nicht aussprechen. Als ich zurück in Dein Zimmer gehe, Dich auf dem Bett liegen sehe, ist die Antwort nicht mehr wichtig, sie liegt vor mir, die Antwort erfüllt den ganzen Raum. Ich bin bei Dir, ich werde Dich halten und ich werde Dich begleiten. Du liegt neben mir und Dein Atem ist schleppend, aber gleichmäßig und ruhig. Ich kann keinen Moment den Blick von Dir wenden, bin erwartend, angespannt und konzentriert.

Ein klares Wort des Arztes oder zumindest die Eröffnung der Möglichkeit, hätte mir Zeit gegeben, mich vorzubereiten. Kann man sich auf etwas vorbereiten, wie das Sterben eines Menschen. Nicht irgendein Mensch, nein, Du, meinen Mann, meinen Freund und meine Liebe. Seit Wochen versuche ich mich einzufinden, wie der Moment sein wird und alle meine Gedanken enden in der Unvorstellbarkeit, enden im Nichts, im Schmerz und in der Angst, letztlich zu versagen, nicht genug Kraft zu haben, die Situation nicht zu erkennen, falsch einzuschätzen, panisch zu werden oder einfach nicht da zu sein. Jeder Versuch, mir vorzustellen wie es sein wird, endet im emotionalen Desaster.

Die Gedanken rasen durch meinen Kopf, unkoordiniert, irrational, nicht in der Lage sich sinnvoll aneinander zu reihen. Ich berühre Dich, streichle Dein Gesicht, Deine Wangen, Du bist so kalt. Es ist die Kälte die von innen nach außen geht. Es kommt mir vor, als wäre Deine Haut wärmer als Dein Blut. Wie sehr muss Dir kalt sein. Ich sehe auf die Uhr, sechs. Ich denke an die Geburt meiner Söhne. Warten, aber auf was, auf den Tod?

Du wachst wieder auf, versuchst Dich zu bewegen, es fehlt die Kraft. Ich beuge ich über Dich, halte Dich fest in meinen Armen, sage Dir, dass ich bei Dir bin, dass es jetzt soweit ist. Du versuchst zu sprechen, Dein Mund geht nicht auf. Der Kiefer ist noch immer fest aufeinander gepresst. Ich muss auf die Toilette und traue mich nicht zu gehen, Dich alleine zu lassen, auch nur einen Moment nicht ganz nah bei Dir zu sein. Du versuchst Deinen Arm zu bewegen und Mucki erkennt endlich was Du willst. Sie nimmt Deinen Arm und legt ihn um mich. Dein knöcherner Arm liegt auf meinem Rücken, die Kälte geht durch mein Shirt und Du hältst mich. Dein Arm ist so dünn und hart und trotzdem spüre ich all Deine Liebe und Wärme in dieser Umarmung. Du nimmst mich zum Abschied in den Arm, hältst mich fest und wir klammern uns hilfesuchend aneinander. Ich antworte Dir, ohne Dich zu hören. Deine Worte werden nicht mal Gedanken in meinem Kopf. Ich spüre sie. Muckel, schick mir ein Lächeln damit ich weiß, dass es Dir gut geht. In meinem Kopf ist vollkommen still und ich bin ein Teil von Dir. Ich kann nicht mehr unterscheiden, wer von uns beiden was fühlt. Meine Arme sind fest um Dich gelegt und ich spüre wie Du innerlich bebst. Ich spüre nur noch die Liebe und weiß, Du kommst zu mir. Eine Träne läuft aus Deinem rechten Auge und ich spüre Deine Traurigkeit. Dann kann sich Dein Arm nicht mehr halten, ich lege ihn auf Deine Brust, halte sie fest, spreche jetzt unaufhörlich mit Dir. Du bist soweit und ich will Dich nicht verlieren, halte an Dir fest. Dennoch, wenn ich spüre das Du zögerst, bestärke ich Dich zu gehen, Du hast Angst, ich bin bei Dir, begleite und beschütze Dich und ich schenke Dir zum Abschied all meine Liebe. Dein Atmen wird langsamer, schwerer und kraftloser. Mein Gesicht ist über Deinem und ich atme Dich ein. Mein Blick wird abgelenkt, es geht von Deinen Knien nach oben und ich spüre wie ich Dich verliere. Meine Augen können sich dem nicht entziehen. Langsam geht es über Deine Schenkel und Bauch nach oben. Ich sehe, wie das Leben aus Dir weicht und kann es nicht verhindern. Alles in mir schreit und niemand kann es hören. Auf Deiner Brust verliert sich mein Blick. Ich bin wieder ganz bei Dir und Du, Du bist jetzt vollkommen ruhig, liegst wie ein sattes Baby in meinen Armen, Deine Augen sind geöffnet, aber Dein Blick geht ins Leere. Was siehst Du? Eine Ärztin kommt rein und setzt sich auf die andere Seite des Bettes. Ich liege nah bei Dir, über Dich gebeugt, Deine Hand haltend. Sie sucht Deinen Puls und sieht mich an. Sie spricht mit mir, dringt aber nicht durch. Meine Liebe begleitet Dich. Ich nehme Deinen Arm und finde Deinen Herzschlag, schwach, tief in drin in Deinem Handgelenk, kaum spürbar. Dein Atem ist schwer. Er erreicht kaum noch Deine Kehle. Ein Atemstoß. Stille. Ich sehe in Dein Gesicht, spüre Dich in meinen Armen. Noch ein Atemzug. Eine Träne läuft aus Deinen leeren Augen, Du weißt, dass Du jetzt gehen musst. Wieder Stille, dann noch Atemzug und nach endloser Zeit Dein Letzter. Als Du ausgeatmet hast, spüre ich, wie Du in meinen Armen leichter wirst und mich überkommt schlagartig Fassungslosigkeit… jetzt stirbt er tatsächlich. Warum weiß ich das? Warum warte ich nicht auf einen weiteren Atemzug von Dir? Du wirst leicht in meinem Arm und kalte Angst kommt in mir hoch. Du liegst in meinem Arm und ich spüre Dich nicht mehr. Das in meinem Arm bist Du nicht mehr. Warum habe ich Angst vor Dir? Ich darf doch keine Angst vor Dir haben, Du bist mein Mann, Du warst mir nahe wie niemand zuvor. Ich sehe die Ärztin an, sehe Dich an und dann wieder zu ihr. Ich schüttle fragend den Kopf und sie tut es mir gleich. Ich bin allein und Du bist ohne mich gegangen.

Es ist Sonntag, 29. Juni 2003, 18:40 Uhr und Du hast Dein Leben vollendet.

Ich bin vollkommen erstarrt, dann, einige Sekunden später, bricht alles in mir zusammen. Keiner kann es sehen. Die Kraft weicht aus mir, ein Teil von mir stirbt mit Dir und macht Platz für den Teil von Dir, der zu mir kommt. Ich will mit Dir alleine sein. Ich halte Dich noch immer, Tränen laufen ton- und gefühllos über mein Gesicht und wieder versucht mein Kopf zu verstehen, zu ordnen und zu führen. Du liegst tot in meinen Armen, Deine Augen sind geöffnet, aber sie sind trüb und sehen mich nicht mehr. Deine Gesicht hat die Farbe von hellgelbem Wachs, die Haut spannt über Deinem ausgezehrten Knochen. Ich lege mich an Deine Schulter, sie ist hart und kalt. Es ist absolut ruhig im Zimmer und ich kann meinen Herzschlag hören. Deins schlägt nicht mehr. Ich will weg, bin gelähmt, halte Dich fest, warte und weiß nicht auf was. Was fühle ich? Was denke ich? Ich schwebe losgelöst von allem im freien Raum. Muckel, hilf mir!

So langsam bekomme ich wieder ein Gefühl für meinem Körper und meine Umwelt. Ich muss auf Toilette, dringend, ich richte mich auf, mir ist schwindelig und schlecht. Mein Arm liegt noch immer unter Deinem Kopf und ich halte noch immer Deine kalte, leblose Hand. Ich versuche vorsichtig meinen Arm unter Deinem Kopf herauszuziehen, er ist so schwer und ich muss ihn mit der anderen Hand heben. Meine Uhr bleibt an Deinem Hals hängen. Ich schrecke zurück, dass tut Dir weh, nein, dass kann dir nicht mehr weh tun. Dann sitze ich neben Dir, sehe Dich an und kann nicht gehen, kann Dich nicht allein lassen. Ich suche Dich in Deinem Gesicht, aber finde Dich nicht. Du bist nicht mehr da. Deine Augen sind leer, trüb, ohne Leben und starr an die Decke gerichtet. Ich kann den Anblick fast nicht ertragen und werfe die Decke über Dein Gesicht. Dann ziehe ich sie sofort wieder weg, Du bekommst so keine Luft.

Alles ist anderes. Das Zimmer, in dem ich 26 Tage und Nächte mit Dir gelebt habe, die Schwestern, die uns betreut haben und die Menschen um mich rum. Ich habe den Eindruck, dass ich weder auf meinen Körper, noch auf meine Gedanken oder Gefühle Einfluss habe oder diese in einen Bezug zueinander stehen. Ich gehe ins Schwesternzimmer, zünde mir automatisch eine Zigarette an und sehe aus dem Fenster. Die Schwester kommt, legt den Arm um mich, spricht zu mir und ich höre sie nicht, ich spüre sie nicht. Gedanken rauschen wie Schnellzüge durch meinen Kopf, Bestützung, Erleichterung, Hilflosigkeit, Liebe, Angst, Dankbarkeit und die Gefühle laufen vollkommen unabhängig und nicht auf die Gedanken koordiniert. Ich bin taub, will hier weg, will zurückkommen, Dich in Deinem Bett finden, Dich berühren können und ich will, dass es die letzten zwei Stunden nicht gegeben hat.

Ich gehe zurück in Zimmer. Es ist wirklich passiert, es ist vorbei. Du liegt noch genauso auf Deinem Bett. Die Geräte pumpen noch immer die Medikamente in Deinen toten Körper. Ich schalte sie ab. Warum ich? Meine Schwiegermutter ist mit meiner Schwägerin da, beide nehmen mich in den Arm, sagen mir, dass es gut und richtig ist, dass Du gegangen bist und ich kann sie nicht hören. Ich lege meine Hand auf Deine Augen, halte sie mit meinen Fingern und schließe sie für immer.

„Du musst ihm den Mund zubinden…“ – wie … den Mund zubinden..? Die Stimme meiner Schwiegermutter kommt wie durch Watte und ich verstehe nicht, was sie von mir will. Ich kann Dir doch nicht den Mund zubinden, ich muss hier raus, ich kann nicht mehr. Was wollen alle von mir? Ich gehe raus, lass Deine Familie mit Dir allein. Im Schwesternzimmer treffe ich auf die Ärztin, sie sitzt zusammengesunken auf einem Stuhl und ist den Tränen nahe. Ich setzt mich vor sie, nehme ihre Hand und sehe, wie jung sie noch ist. Sie erzählt mir, dass es sie sehr betroffen gemacht hat, bei Deinem Tod so nah dabei gewesen zu sein. Sie habe so viel Liebe zwischen uns gespürt und Deinen Tod als Grausamkeit entfunden, ungerecht. Ich beobachte mich, wie ich vor ihr knie, sie tröste und ihr danke, für ihren Beistand. Ich brauche Trost! Dann sehe ich Gerd. Er kommt auf mich zu und fühle erneut meine Kräfte schwinden. Schweigend nimmt er mich in die Arme und hält mich fest. Meine Knie zittern und wir gehen zusammen in Dein Zimmer.

Du musst zwei Stunden auf dem Zimmer bleiben und dann? Die Schwester und der Pfleger kommen rein, Dein weißes Leichenhemd über dem Arm und schicken uns raus. Sie müssen Dich jetzt fertig machen. Wofür? Gerd nimmt mich in den Arm und wir gehen alle in den Flur, rauchen, reden, trauern und versuche zu verstehen und zu ordnen.

Nach einiger Zeit gehe ich mit Gerd zurück zu Dir. Als ich vor Deiner geschlossenen Türe stehe, kann ich nur daran denken, dass ich Dich jetzt zum letzten Mal ansehen werde, Dich berühren und Dir körperlich nahe sein kann. Als ich alleine die Türe öffne, fällt mein Blick auf das weiße Tuch über Deinem Körper. Es ist ganz flach, so als wärst Du nicht darunter. Ich ringe mit mir, habe Angst das Tuch zu heben und Dich anzusehen. Mir wird bewusst, dass ich das Bild für immer in mein Gedächtnis eingebrannt haben werde. Ich wäge ab, mein Herz schlägt bis zum Hals als ich ans Bett trete und nach dem Laken greife. Ich zögere noch immer und weiß, dass ich es tun muss, ich muss Dich noch mal sehen, ich muss sehen, dass es wirklich Du bist, der da liegt, dass Du wirklich tot bist. Als ich das Laken zurückschlage, bin ich wie vor den Kopf geschlagen, es ist unfassbar für mich, Du lächelst mich mit geschlossenen Augen an. Die Träne an Deinem Auge ist getrocknet und hat ein weißen Rand hinterlassen. Du siehst so entspannt aus, so friedvoll und so glücklich. In diesem Moment ging ein Gefühl von Wärme in mein Herz, es tut unglaublich weh, aber die erlösenden Tränen wollten noch immer nicht kommen. Ich will Dich berühren, Deine Wärme spüren, Dich schütteln, aber ich stehe einfach nur da und sehe Dich an. Wenn ich Dich jetzt nicht berühre, werde ich es nie wieder tun können, aber Du bist mir so fremd, so kalt und tot. Ich habe Angst davor Dich anzufassen und komme nur widerwillig näher zu Dir. Als ich über Dein Gesicht streichle spüre ich nur diese Kälte, dann weicht mein Blick von diesem Lächeln und ich sehe die gelbliche Farbe Deiner Haut, Dein abgemagertes Gesicht und Deinen kleinen Kopf. Etwas sagt mir, ich muss Dich noch einmal küssen, aber ich kann nicht. Alles in mir wehrt sich dagegen und trotzdem beuge ich mich über Dich küsse Deine Wangen, spüre diese kalte Haut und sehe auf Dein Lächeln. Ich muss jetzt von Dir gehen, muss Dich zurück lassen und kann nicht mehr zu Dir zurückkehren. Es fällt mir so unendlich schwer das Tuch über Dein Gesicht zu legen. Als ich von Deinem Bett zurücktrete, sieht alles so kalt und leblos aus. Ich lege die Rose, die Dir Renate morgens gebracht hat, auf´s Bett und weiß wieder nicht ob ich gehen soll oder bleiben. Noch nie habe ich mich so alleine gefühlt, wie in diesem Moment und noch nie habe ich Schmerz so körperlich gespürt und dabei nichts empfunden. Alles ist taub. Warum kann ich nicht weinen? Gerd kommt rein und ich lass ihn mit Dir alleine. Ich stehe wie betäubt vor der Türe. Menschen laufen an mir vorbei, sehen mich mitfühlend an und versuchen mich zu trösten. Ob sie wissen, dass ich sie nicht hören kann? Ich bin wirklich erleichtert als Gerd zurückkommt. Ich frage ihn, ob er das Lächeln gesehen hat und er meint erstaunt, ja und er hätte Dich seit vielen Wochen nicht mehr so entspannt gesehen. Er legt den Arm um mich und sagt nur, dass wir jetzt gehen. Mir ist so kalt.

Wie oft habe ich mir vorgestellt, was es für ein Gefühl sein wird, das letzte Mal über diesen Gang zu gehen und vom Klinikgelände zu fahren. Unsere Schritte hallen von den Wänden, es ist halb neun, Gerd hält mich im Arm und wir sprechen kein Wort. Ich versuche zu fühlen und es gelingt mir nicht.

Als er mir die Türe öffnet, schlägt mir die warme Sommerluft entgegen. Mir ist noch immer kalt und ich denke daran, wie sehr Du die Wärme und Sonne gemocht hast. Jetzt schieben sie Dich in einen Kühlschrank, ohne Licht, ohne mich, auf harten, kaltem Metall. Die Gedanken daran sind mir unerträglich.

Als ich das letzte Mal beim Duschen und Umziehen war, habe ich daran gedacht, dass Du tot sein wirst, wenn zurück in unsere Wohnung kommen werde. Jetzt stehe ich vor der Wohnungstüre und bekomme den Schlüssel nicht ins Schloss. Ich versuche mich zu fühlen und es gelingt mir nicht.

Wir sitzen gedankenverloren auf der Couch und Gerd sagt zu mir, “Das hast Du gut gemacht und Du warst ihm eine brave Ehefrau“. Diese ehrlichen und anerkennenden Worte lösen meinen Schmerz und lassen die Tränen aus dem Herzen. Wir halten uns fest und weinen beide um Dich.

Irgendwann kamen dann keine Tränen mehr und ein körperlicher und geistiger Erschöpfungszustand brach über mich herein. Gerd brachte mich ins Bett, legte sich zu mir und ich spürte mich in seine Armen. Die von ihm ausgehende Wärme und Kraft zeigte mir, dass Du jetzt wirklich tot warst. Dann schlief ich ein.

Als ich aufwachte, schien die Sonne ins Schlafzimmer und der erste Tag ohne Dich fing an.

14.02.2004, 20:45
Liebe Nicole,

es fällt mir schwer, weil es mich so sehr erinnert und mitreisst.
Nur eins: Danke! Danke, daß Du in Worte gefasst hast, was soviele Menschen Tag für Tag miterleben müssen und Danke dafür, daß Deine Worte einen Teil des Schmerzes, den wir in uns tragen, auflösen...wenn auch in vielen Tränen...

Liebe Grüsse,
Sandra

14.02.2004, 21:06
liebe nicole,

als ich das gelesen habe, mußte ich weinen, weil mich das an meinen papa erinnert hat.
ich kann mich nur den worten von sandra anschließen.

liebe grüße
tina

15.02.2004, 02:10
Liebe Nicole,
danke für deine Zeilen.Ich mußte auch weinen, denn auch ich habe meinen Mann bis zum Schluß begleitet.Er starb am 17.November 03 um 18.40 Uhr.Du schreibst alles so hautnah, sodaß man das Gefühl hat alles nochmal zu erleben, nur daß ich es nicht so in Worte fassen kann.
Danke dafür und ich wünsche dir viel Kraft für das jetzige Leben, daß auch ohne unsere Männer weitergehen muß.Liebe Grüße Petra S.

15.02.2004, 14:49
Nicole,es war alles so nah,als ich las,was Du erlebt und erlitten hast.Mein Schwiegevater starb am 24.11.2003 um 6.53 Uhr.Er war zuvor 9 Jahre schwerstpflege Fall und starb dann innerhalb von 4 Tagen.Wir waren alle bei ihm,haben ihm gesagt,das er jetzt nach Hause gehen wird.Er konnte nicht mehr aktiv reagiere,jedoch am zweiten Sterbetag blickte er uns ständig an,bis er irgendwann sein Kreuz,rechts von ihm nicht mehr aus den Augen ließ.Er starb am frühen Morgen,nachdem seine Frau wieder an seinem Bett war,Du machst alles wieder ganz nah und verstehst Dich sehr gur darauf,das auszudrücken ,was wir alle hier irgendwie durchlebt haben.Ich wünsche Dir von ganzem Herzen,viel Wärme und einen blinkenden,hellen Stern am Abendhimmel,Susanne

15.02.2004, 19:13
Liebe Nicole,

mein papa ist am 8.12.03 um 16.48 gestorben. ich war auch bis zum schluß bei ihm. mir kommt das alles bis heute so unwirklich vor. ich habe mich auch so erschrocken, als die schwestern am morgen seines todestages gesagt hat, er hätte eine körpertemp. von 34 grad. alles war so merkwürdig an diesem morgen. und dann sein letzter atemzug. ich habe seinen kopf in den arm genommen und geweint. dann kam eine ärtzin schaute uns an, nahm seinen arm und sagte nur "mein beileid". ich dachte nur die spinnt, was will sie, aber sein blick ging ins leere.
ich hatte aber auch den eindruck, sein gesicht sieht entspannter aus und er ist jetzt bei meiner mama. sie ist seit 27 jahren tot, auch krebs. mein vater hat uns alleine großgezogen, aber er war nicht alleine, als er ging. wir waren alle bei ihm.

ich wünsche dir alles liebe
anja.w

15.02.2004, 19:20
Liebe Nicole,
deine Worte erinnern mich so sehr an meinen Paps, der im September letzten Jahres gestorben ist. Ich muss weinen.Habe vieles so erlebt wie du es schreibst. Ich danke dir für diese Worte, so können viele verstehen was und wie wir fühlen. Sei ganz lieb umarmt.

faith

15.02.2004, 22:29
Es ist so unglaublich, unvorstellbar, unfassbar, bis heute... Es tut so weh und es tröstet immer noch nicht, so nah bei ihm gewesen zu sein, ihn nicht allein gelassen zu haben... Vielen Dank für die sehr schön in Worte gefassten Erfahrungen, die ein jeder hier so oder so ähnlich mit sich herumträgt.

claudi

16.02.2004, 22:52
Liebe Nicole

ich habe während des Lesens nur geweint, so sehr haben mich deine Worte berührt.Mir erging es so ähnlich und alles kam wieder hoch. Ich danke dir für deine Worte,ich konnte es leider nicht. Mein Mann (53) starb am 2.11.03 um 1 Uhr 55 zu Hause in meinen Armen.Sei umarmt und denk daran, du bist nicht allein. Kornelia

18.02.2004, 20:38
selbst...Danke....nicht betroffen..erlebe ich das im moment bei guten freunden.Es hat mich sehr berührt.

19.02.2004, 14:50
An Alle die meine Zeilen lesen und besonders an die, welche mir geschrieben haben.

Danke ....... für die lieben Worte; für das Gefühl, normal und angemessen reagiert, gefühlt und gedacht zu haben; nicht allein damit zu sein und dafür, dass ihr meine Zweifel ausgeräumt habt, diese Zeilen ins Netz zu stellen. Ungeachtet der Individualität der Situation, wie ich sie erlebt habe, konntet Ihr scheinbar Parallelen finden.

Heute, acht Monate nach dem Tod meines Mannes, überwiegt das Gefühl der Dankbarkeit, dass ich diese Zeit so intensiv mit ihm habe teilen können und mir die Möglichkeit zuteil wurde, bis zuletzt an seiner Seite gewesen zu sein. Der Teil meines Herzens, der mit ihm starb, füllt sich mit seinem Wesen, seiner Liebe und den Werten, für die er einstand und ich beginne mich wieder vollständig zu fühlen.

Wenn ich die Erkenntnisse, welche mir durch seinem Tod zuteil wurden, in meinem zukünftigen Leben verinnerliche, war der Preis zwar noch immer zu hoch, aber nicht umsonst.

Ich möchte jedem Mut machen, das Wertvolle hinter dem unermeßlichen Schmerz zu suchen und mit offenem Herzen anzunehmen. Zu keiner Zeit in meinem Leben, habe ich mich so vollkommen und bedingungslos auf einem Menschen eingelassen, reiner geliebt und die Seele als Kern des Wesens erkannt. Ihn so essenziell zu spüren, war sein größtes Geschenke an mich und ich bewahre es in meinem Herzen.

Ungeachtet Allem, wird er bei mir sein und mich an Hand nehmen, wenn meine Zeit gekommen ist.

Nochmals Danke für Euren Zuspruch

Nicole
(mucsek1@yahoo.de)

03.03.2004, 21:55
Liebe Nicole,


danke du hast mir aus der Seele gesprochen, mein Dad starb am 25.01.04 an LK...es war ein Sonntag...ich habe viele Tränen vergossen was ich hier gelesen habe...es ging meiner Mum genauso wie dir...mein Dad war ein Familien Mensch die ganze Familie war zusammen, als er zu Hause starb, dass war sein letzter Wunsch...wenn ich dran denke dann habe ich das Gefühl es wäre gestern gewesen....

Ich wünsche allen Menschen ganz viel Kraft die sowas durcherleben...

LG

05.03.2004, 15:35
Liebe Nicole,
danke das du so ehrlich geschrieben hast. Als ich einen Eintrag gelesen habe sind mir sofort die Tränen gekommen. Ich habe daran gedacht wie der letze Tag im Leben meines Mannes war. Ich kann dich sehr gut verstehen und beneide dich um deine innere Ausgeglichenheit. Mein Mann starb vor 7 Monaten, unglaublich wieviel Zeit inzwischen vergangen ist.
Zwischenzeitlich hatte ich mich ganz gut abgefunden und versucht aus seinem Tod etwas positives für mich zu ziehen. Aber jetzt fühle ich mich wieder furchtbar allein. Ich lebe, aber es fühlt sich nicht wie Leben an. Ich fühle mich wie in einer "Zwischenzeit", die Zeit mit meinem Mann war wunderbar, zum Glück war er viele Jahre gesund. Und jetzt bin ich in einer Zeit der Leere, ich liebe nicht, es gibt nichts wirklich wichtiges in meinem Leben. Ich warte das etwas passiert. Es ist noch viel zu früh dafür, trotzdem denke ich oft darüber nach ob ich nochmal jemanden finde den ich so sehr lieben kann. Ich habe Angst davor alleine zu bleiben, schließlich bin ich erst 33.
Am schlimmsten ist es Abends, allein im Bett, dann kommen immer die Gedanken, die Bilder....
Gestern dachte ich, das ich schon vergesse wie seine Stimme geklungen hat.
Ich wünschte ich könnte die Zeit zurückdrehen, es ist unmöglich für mich zu akzeptieren, das er nicht mehr wieder kommt. Das Leben ist so verdammt ungerecht.
Heike

05.03.2004, 19:33
Liebe Heike!
Ich kann dich so gut verstehen! Man will es nicht wahrhaben und denkt so gerne und so schmerzhaft an die schönen Zeiten zurück, auch wenn es verdammt weh tut, tut es auch gut. Ich denke, wir brauchen einfach Zeit. Zeit es zu begreifen und zu verstehen, um vielleicht dann irgendwann auch mal wieder die Energie und Lebensfreude zu haben, die das Leben lebenswert macht.
Mein Mann ist jetzt seit 6 Monaten nicht mehr bei mir, ich werde jetzt 37 Jahre. Und ich habe keine richtige Angst davor allein zu bleiben, weil ich es für mich jetzt sehr wichtig finde, auch die Zeit zu haben, um um meinen geliebten Mann trauern zu dürfen. Somit würde ich einem neuen Partner im Moment nicht gerecht werden - und meinen Bedürfnissen damit auch nicht. Ich denke, es ist wichtig, erst mal wieder zu sich selbst zu finden, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Denn diese Zeit der Leere soll kein andauernder Zustand bleiben. Das kann nicht der Sinn sein.
Auch ich habe gelegentlich das Gefühl, dass etwas passieren muss, und ich warte darauf. Aber ich glaube, dass hat etwas damit zu tun, dass wir es immer noch nicht wahrhaben wollen. Und das ist auch okay so.

Alles braucht seine Zeit - Ich denke etwa so:

"Man muss den Dingen
die eigene, stille, ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen herkommt
und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann.

Wenn man die Frage lebt,
lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antwort hinein."

(Rainer-Maria Rilke)

Allen alles Gute.
Claudi

08.03.2004, 09:47
Liebe Heike,

die von Dir angesprochene Ausgeglichenheit ist an jeden Tag ein neues Stück Arbeit. Wie Claudi versuche ich die Leere als Stille zu erleben.
Dieses von Dir beschriebene Zeitvakuum erlebe ich auch. Die Vergangenheit ist noch so real und ich soll sie loslassen, die Zukunft noch so weit weg und noch in keiner Weise greifbar und in der Gegenwart findet kein bewußtes Erleben statt. In der Zeit, die ich heute als mein Wachkoma (die ersten vier Monate) bezeichne, habe ich mich diesem Gefühl ausgeliefert gefühlt und wie Du gewartet, dass etwas passiert was die Situation ändert. Aber von alleine passiert nichts! Es liegt in Dir und aus Deinen Worten spricht die Sehnsucht danach. Das Du Dich nicht mehr an seine Stimme erinnern kannst, ist die Aufforderung dazu, die Vergangenheit loszulassen und ins Leben zurück zu finden. Als mein Mann starb, ist ein Stück von mir mit ihm gegangen und in den letzten Monaten habe ich diesen Teil mit seinem Wesen und seiner Liebe aufgefüllt. Ich beginne mich wieder vollständig zu fühlen und damit wieder lebendig. Dennoch habe ich das Gefühl, dass meine Umwelt von mir erwartet, dass alles wieder ist wie vorher. Ich bin 36, habe einen anspruchsvollen und erfüllenden Job, keine Kinder, bin finanziell unabhängig und dass, was landläufig als „jung, dynamisch und attraktiv“ bezeichnet wird. Es ist ein Fluch! Meine Umwelt erklärt mir, dass es zwar traurig ist, dass ich meinen Mann verloren habe, aber sonst wäre ja alles in Ordnung in meinem Leben. In meinem Leben ist nichts mehr wie vorher! Ich nicht, meine Einstellungen nicht und mein Leben als Ganzes auch nicht. Für die Frauen unseres bisher gemeinsamen Freundeskreises bin ich auf einmal zur Konkurrenz geworden, viele der Männer betrachten mich als „nun zu haben“ und bei den gemeinsamen Unternehmungen fühle ich mich als fünftes Rad am Wagen. Es gibt für mich noch viele Dinge zu ordnen, aber seit ich keine Angst mehr vor dem Tod habe, ist auch meine Angst vor dem Leben weg.
Ich hoffe, dass Du im Glauben an Dich die Kraft findest, nicht mehr mit dem Schicksal zu hadern, die Aufgabe darin entdeckst und aus den Freuden des Lebens die Energie ziehen, die Dich wieder lebendig macht. Dein altes Leben kannst Du nicht wieder haben, aber es wartet ein Neues, eins das Du jetzt selbst gestalten kannst, auf Dich. Veränderung ist der Fluß des Lebens und mit ihm schwimmen bringt weiter vorwärts und Du siehst wo´s hingeht, dagegen paddeln kostet sinnlos Kraft und Du hast das Leben und den Weg im Rücken.

Ich umarme Dich und wenn Du möchtest, dann schreib mir: mucssek1@yahoo.de

Liebe Grüße
Nicole

09.03.2004, 13:07
Ich weiß im Grunde überhaupt nicht, wie ich das, was mein Herz zerreißt, in Worte fassen soll. Mein geliebter Bruder - mein bester Freund, teil meiner Seele, meines Herzens, meines Lebens ist vor 3 Wochen und vier Tagen gegangen. Er ist Inhalt eines jeden Gedanken, den ich seitdem fasse und während das Karussel nicht aufhört sich zu drehen, klingt seine Stimme noch in meinen Ohren, fühle ich noch immer seine kalten Hände, streichel seinen Kopf und bedecke seine Stirn mit meinen Küssen. Immer wollte ich ihm helfen, doch übermächtig sehe ich mich vor seinem Bett stehen, in Tränen aufgelöst, die unabwendbare Wahrheit nicht anzunehmen bereit. Die Gedanken springen völlig konfus durch den Kopf. Ich kann doch nicht vor ihm weinen, kann es so einen übermächtigen Gegner geben? Das Leben liebend und tapfer haben wir alle mit ihm gekämpft, ihn all unsere Liebe spüren lassen, ihn voller Angst, Hoffnung und Wärme zu Hause gepflegt - monatelang im Taumel zwischen Kraftlosigkeit und Zuversicht, hielten jeden Strohhalm fest und nun bin ich die erste an diesem Tag in der Klinik. Ich parke das Auto und laufe voller Sehnsucht betend für ein Wunder auf sein Zimmer zu. Die Tür zu öffnen kommt einem Abenteuer gleich, was wird mich erwarten, warum verdammt noch mal kann ich nichts tun, ich will ihn erlösen, ihm helfen, ihn halten, ihn retten. Mein geliebter Bruder, ich bin immer bei Dir - ich lasse Dich nicht allein. Ich blicke Dich an, will nicht wahrnehmen, was ich sehe - wie ein Kleinkind stehe ich wie im Nebel vor Deinem Bett, verzweifelt, kann gar nicht fassen, was passiert. Du sprichst nicht mehr, röchelst nach Luft. Es geht Dir seit einer halben Stunde so, die Schwester hat Dir einen CD-Player mit sanfter Musik in Dein Zimmer gestellt. Ich streichel Deinen Kopf. Ach könnte ich Dir nur beim Atmen helfen. Dein Gesicht ist so knöchernd, Du bist so zerbrechlich, ich liebe Dich! Weinend greife ich Deine Hand, Du kannst Dich nicht mehr bewegen, Du kannst nichts mehr sagen, nicht mehr schlucken. Deine Augen blicken mich ab und zu an. Ich kann Dir keine Antwort geben, ich würde es so gerne. Ich halte Dich fest, streichel zärtlich Deinen Kopf, Du siehst so zart und ängstlich aus. Mit zitternder Stimme sage ich Dir, dass Du einfach schlafen sollst, wenn Du müde bist. Ich will Dich nicht verlieren, komm her - lass uns aufstehen und nach Hause gehen. Warum nur? Unsere Mama kommt und ich sehe die Welt in ihr zusammenbrechen. Zitternd verlasse ich kurzzeitig Dein Zimmer, ich habe Angst zu spät zurückzusein. Ich greife zur Zigarette und rufe unseren Bruder an, Deinen besten Freund, Deine Frau... Ob sie es rechtzeitig zu Dir schaffen wird? Jetzt sind wir alle bei Dir, wir haben es Dir versprochen. Ich kann meinen Blick nicht von Dir wenden, sehe wie die Metastasen aus Deinem Bauch gucken - unglaublich, Du wirst diesen Kampf wirklich verlieren. Wirst Du? Tu das nicht, Du bist mein bester Freund, mein Lehrer, mein Bruder, wie ein Vater! Alle verlassen das Zimmer, die Krankenschwester will lüften. Ich zögere und gerade so rechtzeitig bin ich zurück bei Dir. Wir beide sind nun ganz alleine... Dein Mund schnappt beim Atmen auf und zu, das röcheln ist so laut, ich möchte Dir so gerne helfen, glaub mir doch! Du hebst die Arme über den Kopf. Nein, nein, nein, bitte nicht, nein, ich schüttel meinen Kopf. Du streckst Dich, holst tief Luft und einen Moment denke ich Du wachst gleich auf. Aber nein, das tust Du nicht. Einmal sollst Du noch tief luftholen, dann wird Dein Blick starr, ich schüttel den Kopf. Über den Flur kommen alle angerannt, zu spät. Du hast jetzt keine Schmerzen mehr, Du bist jetzt ein Engel. Bist Du doch oder? Natürlich bist Du das! Ich kann nicht sprechen, mein Herz ist zerrissen, ein Teil von mir bei Dir. Ich trage Dich auf Händen in meiner Erinnerung. Bist Du jetzt tod? Kann ich Dich jetzt nicht mehr besuchen, für Dich da sein, Dich drücken und abkitzeln, mit Dir reden und spazieren gehen, mit Dir weinen und lachen? Unsere Mama, unser Bruder, Dein bester Freund, ich sehe die Gesichter aber stehe wie im Nebel, kann und will meinen Blick nicht von Dir wenden, es wird das letzte Mal sein, dass ich Deine kalte Hand gehalten hab, das letzte Mal, dass ich Dich geküsst habe, dass letzte Mal, dass ich Dir gesagt habe, dass ich Dich liebe und niemals vergessen werde, dass ich Dich immer in meinem Herzen tragen werde - auf Händen und die Stirn mit Küssen bedeckt...

Wenn Du doch bloß hier bei mir wärst! Du hast mein Leben komplett gemacht, dafür danke ich Dir! Darf ich Dich morgen wieder besuchen, mit Dir kuscheln, fernsehen, gemütlich zusammensitzen? Ich möchte so gerne bei Dir sein. Das ist doch unglaublich, das kann nicht sein. Meine Gedanken stehen nie still, Du - Teil meines Lebens, voller Liebe blicke ich in die Vergangenheit. Warum konnte ich Dir nicht helfen? Warum bin ich so machtlos, warum konnte ich Dir Deine Schmerzen nicht nehmen, Dir Gesundheit und ein langes Leben geben? Nun bist Du eine Woche und vier Tage nach Deinem 35. Geburtstag nicht mehr da. Ich spüre Dich bei jedem Gedanken und jedem Windstoß. Nun wird der Frühling kommen und Du fehlst mir so. So viele Schmerzen. Ich liebe Dich!

09.03.2004, 16:15
Sunny,
Danke! Ich umarme Dich.
Nicole

09.03.2004, 17:14
Hallo Sunny

ja, ich glaube ganz fest daran, das dein Bruder jetzt ein Engel ist. So wie meine Schwester auch. Habe schon lange nicht mehr so viele Tränen geweint, wie jetzt gerade. Deine Worte, ich erlebe sie gerade wieder. Sie war auch erst 38 Jahre.
Aber sie ist immer bei mir - irgendwie. Ich spüre es wirklich. Kann auch mit ihr reden. Und ich weiß, das es ihr dort, wo sie jetzt ist, sehr sehr gut geht. Sie hat mich einmal mitgenommen in ihr Reich - im Traum. Sie wollte mir zeigen, das es ihr gut geht. Denn ich konnte es nicht glauben und konnte sie nicht gehen lassen, sie wirklich loslassen , obwohl sie schon ein paar Monate nicht mehr da gewesen ist. Dieser Traum hat mir geholfen, sie loszulassen. Und ich glaube fest daran, das sie es gewesen ist - die mir damit helfen wollte endlich wieder zu leben.

Aber es zeigt mir noch etwas ganz wichtiges Sunny. Denn ich weiß jetzt wieder, wie es ist - um einen Menschen Angst zu haben. Traurig zu sein, so machtlos daneben zu stehen. Und mein kleiner Bruder hat mächtig Angst um mich. Man kann es sehen, an seinen Augen. Auch wenn er nicht weinen mag, wenn es wieder einmal schlechte Nachrichten gibt. Er ist mein kleiner Bruder, ich seine große Schwester und ein wenig seine Ersatz-Mutter, denn seine richtige Mutter hat er sehr früh durch Krebs verloren. Das Verhältnis mag so sein, wie Deines zu Deinem Bruder.
Ich weiß jetzt, das ich wieder mehr mit ihm reden muß, ihm auch zu helfen, mal das weinen zu zu lassen. Und trotzdem den Glauben und die Hoffnung nicht zu verlieren.

Danke für Deinen Eintrag.

Ich wünsche Dir so sehr, das Dein Bruder einen Weg finden wird, Dir zu zeigen - das er immer da ist, und es ihm dort jetzt wirklich gut geht, egal - wo das dort jetzt ist.
Ich glaube, das meine Schwester und einige andere sehr wichtige Leute in meinem Leben im Regenbogenland leben, und wir uns dort alle wiedertreffen werden.

Wünsche Dir alles Gute

viele Grüße
elisabeth

10.03.2004, 07:38
Liebe Elisabeth,

danke, dass Du geschrieben hast. Deine Worte bringen einen Sonnenstrahl mit Hoffnung zu mir, auch wenn ich sehr viel geweint habe, als ich sie gelesen habe. So wie Du über Deine Geschwister sprichst, genau so ist es auch bei uns. Ein Gedanke gibt soviel Nähe und Geborgenheit, dass es mich beinahe um den Verstand bringt, zu erkennen, dass wir den Kampf endgültig verloren haben. Es gibt kein Zurück, mein Bruder hat alles versucht, er hat nichts ausgelassen und das tut so wahnsinnig weh. Dass man diesen Gegner niemals hätte besiegen können. Niemals. Dieses Wort macht mir große Angst, denn Hoffnung gibt einem soviel Lebensmut, doch wenn man weiß, es ist vorbei, es gibt kein Zurück, steht man ohnmächtig daneben und kann nichts dagegen tun. Er war noch nicht so weit. Immernoch klingen seine Worte in meinen Ohren, als er zu unserer Mama sagte: "Mutti, Du kannst mich doch nicht zu den fremden Leuten schicken, ich kenne doch dort niemanden. Ich will wieder zurück in mein altes Leben" Es tut so unendlich weh, mitzuerleben, wie jeden Tag ein bisschen mehr Leben aus ihm ging, wo er doch so lebensfroh und mutig war, so kraftvoll und doch zerbrechlich.

Es fällt mir so schwer, die Tage zu überstehen. Jeder Tag erscheint mir wie eine unendliche Last, denn immer weiter rückt die Zeit mit ihm in die Vergangenheit. Ich wünschte, ich hätte ihm helfen können. Ich wünschte, ich könnte bei ihm sein und ihn ganz fest drücken und in seine Augen sehen!

Liebe Grüße
Sunny

10.03.2004, 07:44
Liebe Nicole,

danke für Deine Umarmung. Sie gibt mir Kraft auch den nächsten Tag zu überstehen und sie zeigt mir, dass ich nicht alleine bin. Erst durch Deinen Beitrag habe ich den Mut gefunden, meine Gedanken aufzuschreiben. Auch wenn es mir sehr schwer fällt, hilft es gleichzeitig ein bisschen, die unabänderbare Wahrheit hinzunehmen...

Vielen Dank.
...und liebe Grüße
Sunny

10.03.2004, 14:47
Liebe Nicole, liebe Sunny,
ich habe diese Berichte heute Vormittag gelesen und ich habe nur geweint. Man geht alles noch einmal durch. Jede einzelne Sekunde die ihr so ausführlich mit Euren Worten beschrieben habt. Es ist so schrcklich traurig für uns und doch so schön für unsere Lieben, die uns viel zu früh verlassen haben.
Ich habe keine Angst mehr vor dem Tod, nachdem mein Mann mit nur 30 Jahren verstorben ist. Ich weiß er wartet dort oben auf mich, doch ich habe hier noch einiges zu erledigen. Unsere kleine Tochter von 6 Jahren muß groß gezogen werden und unser Haus will ich noch so einrichten, wie wir es uns vorgestellt haben.
Man hat auf einmal keine Träume und Wünsche mehr, nur noch Verpflichtungen. Man funktioniert nur noch wie ein Roboter. Ich lebe noch, aber nicht wie sonst.

Liebe Grüße

Nancy

11.03.2004, 10:35
Liebe Nancy,

ich habe seit gestern ein paar mal angefangen Dir zu antworten, aber irgendwie fehlen mir die richtigen Worte, um Dir zu schreiben, was ich fühle.

*Man funktioniert nur noch wie ein Roboter*

Genauso fühle ich mich auch. Mir fällt es auch unheimlich schwer, über den Tod meines Bruders zu sprechen, ich finde keine Worte für den Schmerz. Nur das Schreiben hilft irgendwie, auch wenn ich dann immer weinen muss, weil ich ihn vor mir sehe, sein Lächeln, seine Wärme, sein hoffnungsvoller Blick.

Irgendwie - ich glaube es war hier im Forum - habe ich etwas gelesen, das mich froh macht und mir die Angst vor'm Tod nimmt. Nämlich, dass eintausend Jahre auf der Erde, wie eine Sekunde im Regenbogenland sind. Dann muss mein Bruder gar nicht auf mich warten, dann bin ich ja gleich bei ihm und sehe ihn bald wieder.

Seit dem 13. Februar steht meine Welt still. Auch ich habe keine Träume und Wünsche mehr, bin froh, wenn ein Tag vorüber ist, aber habe gleichzeitig Angst, denn nachts ist es am schlimmsten, wenn ich die Augen schließen... Dann sehe ich die letzten Stunden mit ihm zusammen, dann durchlebe ich alles aufs neue - jede Nacht.

Er ist der einzige Mensch, der mich immer versteht, diese Innigkeit habe ich noch nie erlebt. Ein Blick genügt und wir wissen, was der andere denkt und fühlt. Ohne ihn ist alles so sinnlos und leer, das Leben nicht mehr lebenswert. Meine Mama ertränkt ihren Kummer mit Alkohol, alles bricht zusammen, seit dem Ralfi fort ist.

Ich finde keine Ruhe ohne meinen größten Schatz, so allein gelassen.

Ich habe ihm vor einem Jahr zu Weihnachten eine kuschelige Strickjacke geschenkt, die hatte er in der Klinik immer an. Sie riecht noch nach ihm, sie ist so leer ohne ihn und doch ist sie das letzte, was ich von ihm hab.

Liebe Nancy, ich denke an Dich, auch wenn ich Dir nicht helfen kann. Ich finde nicht die richtigen Worte um Dir Mut zu machen, Dir Kraft zu geben, denn alles was ich fühle ist Einsamkeit und unendlicher Schmerz. In Deiner Tochter wird Dein Mann weiterleben, sie ist ein Teil von ihm!

Ich drücke Dich
Sunny

12.03.2004, 08:44
Liebe Sunny,
meine Schwägerin hat auch noch ganz schön zu tun, um mit dem Schmerz und der Trauer richtig umzugehen. Keiner redet mit Ihr über ihren Lieblingsbruder der doch schon so früh gehen mußte. Ich rufe ab und an bei ihr an und wir reden dann sehr viel über ihn.
Jeder muß seinen Weg finden um mit dem Schmerz richtig umzugehen. Deshalb heißt es bei mir viel, viel Reden. Und das hilft mir sehr. Wir sehen unsere Lieben irgendwann wieder in einem schöneren Leben, umgeben nur von Schönheit und Liebe, ohne Trauer.

Bis dahin
Nancy

12.03.2004, 19:49
Ich bin so froh, dass ich euch gefunden habe!
Meine Mam ist am 4.2.2004 gestorben und ich fühle mich so unendlich einsam. Bin zwar schon 34 aber was sagt dass schon? Mein Vater frisst alles in sich hinein und mein Freund hat mich verlassen weil ihm alles zu viel wurde. Ich bin selbst nämlich auch erkrankt(kein krebs).

Meine Mutter war 2Jahre krank und vorher immer fit und fidel. Ich kann es nicht fassen-sie war immer mein Fels in der Brandung.

Zuerst dachte ich dass ich die Situation nicht ertragen könnte bei ihr zu sein wenn es soweit ist. Aber dann war ich doch dort und habe ihre Hand gehalten und dass erfüllt mich mit viel Trost.

Die beziehungen zur außenwelt habe ich bis auf die arbeit gekappt-ich kann niemand mehr sehen.

schön dass es euch gibt

ich wünsche mir viel kraft für uns alle

eure claudia

12.03.2004, 22:57
Hallo Claudia, mein herzliches Beileid .
Ja, hier findest du bestimmt Leute mit denen du dich austauschen kannst.
Es gibt hier viele Töchter die ihre Mutter entweder schon verloren haben oder andere deren Mutter erkrankt sind.
Ich wünsche dir auch viel Kraft und kapsele dich nicht zu sehr ab.
ganz liebe Grüße , Amy .

13.03.2004, 14:36
Hallo Amy!

deanke für deine Antwort!

Ich bin jetzt auf das forum von jungen Frauen die ihr e Mütter verloren haben gewechselt.
Treibst du dich auchrum ?
alles gute
Claudia

13.03.2004, 14:36
Hallo Amy!

deanke für deine Antwort!

Ich bin jetzt auf das forum von jungen Frauen die ihr e Mütter verloren haben gewechselt.
Treibst du dich auchrum ?
alles gute
Claudia

13.03.2004, 21:15
Hallo Claudia , ich versuch überall mal ein wenig reinzuschaun, habe aber nicht immer so viel Kraft auch alles zu verarbeiten.
Wünsche dir viel Glück und Kraft .
In dem Thread findest du immer Gleichgesinnte.
Gruß Amy.

15.03.2004, 13:55
Hallo an alle hier!

es fällt mir unsagbar schwer auszudrücken was ich empfinde wenn ich Eure Beträge lese. Einerseits ist es gut zu sehen das man nicht alleine ist, dennoch kann es mich nicht wirklich trösten. Andererseits bin auch ich, wenn ich diese Zeilen lese nur am Weinen, denn es tut immer noch so sehr weh. Mein geliebter großer Bruder ist im August an seinem Hirntumor verstorben. Es waren furchtbare Monate die er, aber auch wir erleben mussten. Er konnte seid ca. einem Jahr nicht mehr spechen, was für mich das Schlimmste war. Es fehlten einfach so viele Gespräche. Ab März letzten Jahres ging es dann rapide bergab. Er sollte nach der Chemo bestrahlt werden, aber es half einfach nichts mehr. Innerhalb 2-3 Wochen kontte er lediglich seinen Kopf und den linken Arm bewegen. Alles andere war gelähmt. Er trug Windeln und Kathedar, es war einfach ein so schrecklicher Anblick. Mein geliebter Bruder, 2 m groß, immer sportlich aktiv, gerade mal 35 Jahre alt und dann das. Er hat so gelitten, ich konnte es kaum ertragen ihn so zu sehen. Und nie konnte er sich uns mitteilen. Mein Mann und ich wollten dann unsere, für den 02. August 03 geplante, Hochzeit ausfallen lassen. Doch mein Bruder bedeutete mir das er mich unbedingt als Braut sehen wollte. Also planten wir die Hochzeit so gut es eben mit dem Gedanken an den Tod geht. Eine Woche vor der Hochzeit fing es ann meinem Bruder immer schlechter zu gehen. Am Montag vor der Hochzeit war ich schon früh bei ihm und fragte ihn, wie schon so oft ob er denn wirklich wollte das wir die Hochzeit so durchziehen. Er sah mir tief in die Augen, hielt meinen Arm fest und brachte ein wirklich ein JA zu Ausdruck. Drei Stunden später hat mein Bruder zum letzten Mal in seinem Leben Nahrung zu sich genommen. Ich fütterte ihn wieder mal mit Melone, die liebte er. Und plötzlich beim dritten Stück konnte er nicht mehr schlucken. Ich bettelte und flehte ihn an doch zu schlucken, oder aber es wieder aus zu spucken. Aber er war so weit weg. Er hatte die Augen zwar noch offen aber er war einfach nicht mehr da. Am Mittwoch schließlich lag er nur noch mit geschlossenen Augen da, als ich ihm von den Hochzeitsvorbereitungen erzählte sah er mich plötzlich mit riesigen Augen an. Es war als wollte er nir etwas sagen. Mittwoch Abend haben mein Mann und ich beschlossen die ganze Hochzeit abzusagen. Mein 2. Bruder machte mir die Hölle heiß das ich aus Pietätsgründen doch in solch einer Situation nicht heiraten könne. Doch meine Schwägerin schimpfte mit uns und meinte wir hätten es meinem Bruder schließlich versprochen. Also wollten wir es doch wagen. Am 2. August wurden wir nun denn getraut. Es war eine merkwürdige Hochzeit. Teils wurde aus Freude geweint, aber größten Teils doch aus trauer. Nach der Trauung fuhren meine Schwägerin, meine 2. Bruder und ich dann ins Hospiz. Ich wollte meinem Bruder unbedingt meinen Brautstrauß ans Bett stellen. Doch als ich in sein Zimmre kam tarf es mich wie ein Schlag. Mein Bruder hatte nun auch noch Wasser in der Lunge. Nie werde ich dieses merkwürdige Gurgeln vergessen können. Und obwohl mein Bruder seit nunmehr drei Tagen kein Auge mehr geöffnet hatte, wusste ich das er mich sieht. es dauerte lange bis ich mich wieder etwas beruhigt hatte, denn dieser Anblick sitzt noch heute sehr, sehr tief. Meine Schwägerin blieb bei meinem Bruder und obwohl ich auch lieber bei ihm geblieben wäre, schickte sie mich zurück zu unseren Hochzeitsgästen. Ich war wie erstarrt, was sollte ich denn nur machen? Kann ich jetzt einfach so meine Hochzeit feiern? Ich konnte nicht, aber ich musste. Mein Mann war bei unseren Gästen geblieben, sah mir aber sofort an wie es um meinen Bruder stand. Aber wir schlugen uns tapfer durch diesen Abend. Um 0.30 Uhr sah ich meinen Mann plötzlich mit dem Handy am Ohr und wusste genau was los ist. Mein Neffe fuhr meinen Mann, meinen anderen Bruder und mich so schenll er konnte ins Hospiz. Um 1.20 Uhr stürzten wir aus dem Fahrstuhl wo uns bereits eine Schwester empfing. Mein Bruder ist um 1.15 Uhr für immer eingeschlafen. Wir waren zu spät gekommen. Mein anderer Bruder brach total zusammen, konnte es nicht begreifen das wir zu spät da waren. Ich fühlte mich unendlich schuldig deswegen. Hätten wir doch nur nicht geheiratet, dann wären wir vielleicht bei ihm gewesen. Denn auch meine Schwägerin war kurz nach Hause gefahren um sich um ihre Tochter zu kümmern. Und, als ob er darauf gewartet hat, ist mein geliebter Bruder genau in dem Moment von uns gegangen wo er alleine war. Ich ging in sein Zimmer und nun brach auch ich endlich zusammen. Ich konnte die Tränen nicht mehr halten. Ich weiß nicht wie lange ich mich an der Brust meines Bruders ausgeweint habe, irgendwann kam dann auch meine Schwägerin und ich ließ sie mit ihrem Mann allein. Am nächsten Morgen hatten dann die Schwestern meinem Bruder seinen Lieblingsanzug angezogen. Wie er so da lag, in seinem nunmehr viel zu großem Anzug, meinen Brautstrauß auf der Brust und den Anstecker meines Mannes am Kragen konnte ich mich wieder nicht halten und weinte, weinte, weinte. Ich wollte einfach nicht geheh. Die Vorstellung, wenn ich dieses Zimmer verlasse ihn dann nie wieder zu sehen zerriß mich schier. Ich weiß heute nicht mehr wie lange ich bei meinem Bruder war und auch nicht wie ich den Rest des Tages überstanden habe. Aber ich weiß wenigstens habe ich meinem Bruder einen seiner letzten Wünsche erfüllt, nämlich mich als Braut und somit in guten Händen zu wissen. Auch wenn ich für den Rest meines Lebens meinen Hochzeitstsag immer in trauriger Erinnerung haben werde, weiß ich mein Bruder hat für mich so lange tapfer durchgehalten.

MEIN BRUDER

Es braucht nicht vieler Worte und er weiß wie es um mich steht.

Er hilft mir jederzeit und weiß worum es mir geht.

Es ist ein unsichtbares Band aus Liebe die wir uns gegenseitig geben, auch wenn wir wenig Zeit haben uns zu sehen in unser beider Leben.

Was auch geschieht, niemals lass ich Dich allein.

Wir werden immer durch dieses Band verbunden sein.

Ich liebe Dich Stephan

Deine kleine Schwester

Danke an alle hier für Eure Beiträge.

Silke

15.03.2004, 20:35
Liebe Silke,

man weiß nicht was man sagen soll, warum müssen die Menschen so leiden?
Das eigene Leben wird nie wieder so unbeschwert wie früher sein können, die tage sind voller Gedanken an die furchtbare Zeit voller Schuldgefühle und voller Vorwürfe-hätte ich dies und das, warum kann ich ihm/ihr nicht helfen....

Ich versuche immer so zu denken und zu handeln wie meine Mutter es jetzt wollen würde-aber das geht natürlich nicht immer.Ich lebe jeden Tag ab und warte dass es am nächsten Tag besser wird.

Du hast eine große Familie die dich stützen kann, dafür kannst du froh und dankbar sein!

Mir grauts vor diesem Sommer:der Garten ohne Mama.Wie soll man das ertragen?

Elfie

07.04.2004, 12:10
Hallo Nicole,
ich habe deinen Eintrag gerade gefunden. Sonst war ich immer in den anderen Foren, in denen mein Freund auch geschrieben hat. Doch jetzt, nach fast 2 Monaten nach seinem Tod muss ich wohl akzeptieren, dass ich eine "Hinterbliebene" bin...

Als ich deinen Bericht gelesen habe, habe ich so geweint, wie ich das seit dem Tag seines Sterbens nicht mehr gemacht habe. Ich habe mich in deiner Situation wieder gefunden und die Minuten seines Gehens noch einmal erlebt. Ich liebe ihn so sehr. Er war mein erster richtiger Freund und wir hatten unser ganzes Leben noch vor uns. Ich stehe jetzt vor dem Nichts. Auch wenn ich mir nach außen hin nichts anmerken lasse und mich alle bewundern mit welcher "Stärke" ich den Verlust ertrage, fühle ich mich innerlich so leer und weiss nicht wie ich meiner Trauer Ausdruck verleihen kann.
Ich bin ihm so dankbar, dass ich mit ihm so wunderschöne vier Jahre verbringen durfte, kann aber gleichzeitig nicht begreifen, dass das nun alles für immer vorbei sein soll.
Wie ist es dir ergangen? Konntest du die Hilfe deiner Freunde annehmen, oder warst du lieber alleine?

Liebe Grüße
Petra

07.04.2004, 13:05
Hallo Silke

habe gerade Deinen Eintrag gelesen.... und ich glaube ganz fest daran, das Du Deinem Bruder das schönste Geschenk gemacht hast, welches Du ihm geben konntest.
ER wollte seine kleine Schwester in guten Händen wissen und er wollte noch dabei sein :-)

Beides hast Du ihm gegeben. Jetzt ist er im Regenbogenland - und wird Dich weiterbegleiten. Er wäre arg traurig gewesen, wenn Du wegen ihm die Hochzeit abgesagt hättest.

Und ich glaube, er wollte einfach alleine sterben. Denn er war ja nicht alleine - es war nur niemand von Euch im Zimmer. Genauso, wie er an Eurer Hochzeit teilgenommen hat - ohne dabei zusein, hat er seine letzte Reise angetreten, ohne alleine zu sein.

Ich wünsche Dir sehr, das Du Deinen Hochzeitstag irgendwann doch als schönen Tag feiern kannst.
Ich selber habe schon viele Menschen ( u.a. 2 Geschwister - beide recht jung mit 21 und 38 Jahren und eine sehr, sehr gute Freundin) verloren. Als meine Freundin vor über 2 Jahren starb, mit 40 Jahren - war ich so traurig wie noch nie vorher in meinem Leben.
Ein Jahr nach ihrem Tod stand ich hier und überlegt mir, ob es ihr dort - wo sie jetzt ist ( ich nenne es Regenbogenland - und dort sind wir auch verabredet, wenn ich dann mal meine Reise antreten werde) besser geht. Sie hat so sehr gelitten ihr Leben - so daß es im Regenbogenland ganz sicher alles einfach besser ist. Also habe ich mich entschlossen, an jedem ihrer "Todestage" ihren Geburtstag im Regenbogenland zu feiern. Sie ist jetzt schon 2 Jahre dort - und ich freue mich für sie.

Dieser Tag ist jetzt ein schöner Tag - auch wenn trotzdem sicherlich ab und dann einmal eine Träne fließt, weil ich mich hier sehr alleine fühle.

Ich wünsche Dir und allen anderen hier, das ihr das Leben nicht vergeßt. Eure Angehörigen hätten es gewollt. Acuh wenn das Leben ganz sicher anders ist, als vorher.

viele Grüße
elisabeth

08.04.2004, 10:11
Liebe Nicole,
desöfteren lese ich immer und immer wieder deine Zeilen. Sie reden mir aus der Seele. Ich kann es leider nicht so gut beschreiben wie es bei meinem Mann war. Aber du kannst es, es war bei mir (besser bei meinem Mann) fast genauso. Es hilft unwahrscheinlich diesen Tag nocheinmal durchzugehen. Ich verarbeite es einfach besser, immer wieder daran zu denken. Ich weiß jetzt das es ihm besser geht. Und wenn man diese Einsicht erst einmal gewonnen hat, dann kann man allmählich wieder anfangen zu leben.
Ich danke Dir nochmals für diese Zeilen.

Liebe Petra,
in Dir erkenne ich mich wieder. Ich war mit meinem Mann (30 Jahre) 11 Jahre zusammen, davon 1 1/2 Jahre verheiratet. Er starb so qualvoll. Ich sage mir auch immer, daß ich froh bin mit ihm eine Partnerschaft aufgebaut zu haben. Und das möchte ich niemals missen.
Alles Liebe auch an Dich.

Ich wünsche Euch allen trotz allem ein FROHES OSERHASENFEST.

Bis dann.

Nancy

Nicole10
29.06.2005, 10:27
zwei Jahre und was bleibt........ Fassunglosigkeit und unendliche Liebe

Nicole

AndreaS
29.06.2005, 15:57
Liebe Nicole,

ich danke dir für deine Zeilen, die du hier im Forum hinterlassen hast. Jedes einzelne Gefühl hast du auf den Punkt gebracht, auch die Veränderung des Schmerzes im Laufe der Zeit (bei mir werden es 9 Monate, dass mein geliebter Mann gestorben ist)

Beim Lesen deiner Zeilen habe ich erstmals wirklich empfunden, dass das Wort "mitfühlen" nicht nur ein leeres Wort ist...

Ich bin in Gedanken bei dir

LG
Andrea

Gaby
29.06.2005, 21:07
Liebe Nicole,

auch wenn der Anlass, diesen Thread wieder nach oben zu holen, für Dich ein sehr trauriger ist, so bin ich Dir um so dankbarer dafür. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, Deinen Beitrag heute sehr intensiv zu lesen.
Ich habe vor gut 6 Wochen sehr ähnliches durchlebt mit meinem Partner, wir waren auf dem Weg in den Urlaub und dann musste er innerhalb einer Stunde ins Krankenhaus und auf die Intensivstation - er hatte keine Chance mehr.
Auch wenn wir 8 Monate lang mit der Krankheit -so gutes ging - gelebt haben, kam das Ende dann doch sehr plötzlich und auch überraschend, wenige Tage vorher waren alle Untersuchungsergebnisse die besten seit der Diagnose und wir konnten endlich mal wieder durchatmen und wollten uns ein paar schöne Tage gönnen.
Auch wenn ich mir sehr sicher war, in den 16 Stunden des Abschiednehmens alles richtig gemacht zu haben, so fühle ich mich heute nach dem Lesen Deiner sehr einfühlsamen Schilderung nochmal bestätigt. Wenn ich irgendwo in meinem Unterbewusstsein noch Zweifel hatte, dann hast Du sie mir genommen.
Ich danke Dir von ganzem Herzen dafür und ich bin in Gedanken bei Dir und wünsche Dir alles Gute für die kommende Zeit.
Gaby

chipsy2008
10.12.2010, 10:09
Hallo Nicole,
Deine Erlebnisse mit dem Sterben Deines Mannes haben mich sehr an meine eigenen Erlebnisse mit meinem Lebensgefährten erinnert. Er ist in diesem Jahr (2010) in meinen Armen im Krankenhaus gestorben, auf die selbe Art und Weise wie Dein Mann. Es hätten meine Worte sein können, die Du gewählt hast. Ich wollte Dich anschreiben, aber leider ist Deine Emailadresse nicht gültig. Ich würde mich sehr freuen, wenn Du Dich bei mir auf meiner Emailadresse melden würdest. Ich glaube bei Dir jetzt einen Menschen gefunden zu haben, der mich vollkommen versteht. Leider liegt Deine Erzählung schon ein wenige zurück sodass ich nicht weiss ob Du noch hier in diesem Chat bist.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Du Dich bei mir melden würdest. Meine Emailadresse lautet: schneider.petra2008@yahoo.de. Bis bald?

Kamuffel
10.12.2010, 11:24
Durch Zufall bin ich heute auf diese Zeilen gekommen und habe sie wie hypnotisiert gelesen, mein Mann ist am 14.8.2010 genau so gestorben wie du es beschrieben hast, ich sass nur eine Nacht von Angesicht zu Angesicht im Krankenhaus, habe sein Atmen beobachtet, ihn selbst und wußte vor lauter Angst, was ich richtig oder falsch mache. Ich habe lange nicht mehr so geweint wie jetzt, als ich in deinen Zeilen gelsen hast was du empfandst. Ich fühle mich jetzt so elend und ich vermissen ihn so arg und schmerzlich, ich weiß gar nicht wie ich mich ausdrücken soll-----
Ganz liebe Grüße an Euch alle, die auch zugestoßen sind.

Dir selbst Petra, Gaby, Andrea und ihr anderen, alles Liebe, die Wunden und der Schmerz werden genau so frisch sein, wie bei mir. Bestimmt hörst du/ihr auch die Worte, lass dir Zeit zum Trauern, das wird schon wieder......... .... und man lächelt zu diesen Worten und sagt entweder gar nichts oder sagt tapfer mit unterdrückten Tränen" Ja, ja"
Gruß Ilonka

chipsy2008
10.12.2010, 13:27
Hallo
stimmt diese Worte kenn ich sehr genau...aber die Zeit dauert für mich Ewigkeiten. Jetzt komm ich gleich nach Hause und in die leere Wohnung und bekomme wieder einen meiner Heulkrämpfe. ER fehlt mich so sehr und dann die Einsamkeit, ich habe niemanden, keine Verwandten mehr, die sind alle gestorben, unter anderem auch an Krebs. Wenn ich an die einsamen Abenden denke wird mir wieder ganz anders. Ich komme nicht klar mit dem Ganzen. Ich schmore in meinem eigenen"Saft" und mein Leben kommt mir im Augenblick so leer und sinnlos vor. Meine Freundschaften haben Familie oder Schichtarbeit und ansonsten habe ich niemanden, leider auch keine Kinder. Mir graut es...:weinen:

Kerstin N.
10.12.2010, 15:00
Liebe Chipsy,

deine Worte machen mich sehr betroffen. Es tut mir sehr leid, was du jetzt durchmachen mußt.

Du hast an Nicole geschrieben. Die wird dir aber wohl nicht antworten, denn es ist schon ein paar Jahre her, daß sie das letzte Mal hier im Forum war.

Hast du vielleicht schon einmal daran gedacht in eine Selbsthilfegruppe für Trauerbegleitung zu gehen? Du solltest nicht alleine bleiben mit deinem Kummer, das ist nicht gut.

Ich schicke dir - und auch Ilonka - eine herzliche Umarmung und viele Grüße

Kerstin