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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Trauma nach Zungen-OP


22.02.2004, 13:25
Mitte Dezember 1999 wurde bei mir Zungenkrebs diagnostiziert. Im KH wurden mir ohne örtliche Betäubung 2 Gewebeproben mit einer Hohlnadel auf rabiate und äußerst schmerzhafte Weise aus der Zunge "gestanzt". Dann, nachdem die Ärzte absolut sicher waren, daß es sich um Krebs handelte, wurde für den 4. Januar 2000 ein Termin für einen Probeschnitt vereinbart. Ich durfte nach 2-3 Tagen bis einen Tag vor der großen OP (10.1.2000) nach Hause.
Also fand ich mich am 9.1. wieder im KH ein, um auf die große OP vorbereitet zu werden.
Ich habe die obigen Zeilen ganz bewußt ohne jegliche emotionale Gefühlsäußerungen geschrieben, denn wworauf es mir ankommt, was ich mir ganz dringend von der Seele schreiben muß, ist das, was ich in den ca. 20 Stunden nach meiner OP erleben und erleiden mußte.
Es war so schlimm, so grauenhaft, daß ich bisher in all den Jahren noch nicht in der Lage war, das Erlebte niederzuschreiben, doch ich muß es jetzt einfach in die Welt hinausschreiben (und -schreien), wie ich als hilflose Patientin und in erster Linie als Mensch, behandelt wurde in einer deutschen Klinik.
Ich kann noch immer, 4 Jahre danach, mit keinem Menschen über meine traumatischen Erlebnisse reden, jeder Ansatz dazu stürzt mich in tiefe Verzweiflung, in einen nicht endenwollenden Tränenausbruch.

So, ich will und muß es jetzt versuchen, auch wenn sich meine Augen bereits wieder mit Tränen füllen.

Am OP-Tag ließ ich mich sehr gefaßt und wohl wissend,
daß es keinen anderen Weg für mich gab, in den OP fahren. Nach den üblichen Vorbereitungen schlief ich ein.
Gegen 11 Uhr vormittags (ich erblickte eine große runde Uhr im Aufwachraum) kam des schreckliche Erwachen. Außer der Uhr war niemand da, jedenfalls konnte ich niemanden sehen. Ich fühlte, daß ich einen Schlauch in der Nase hatte und eine Sauerstoffmaske auf dem Mund. Mich überkam eine schreckliche Übelkeit, und als ich begann mich zu übergeben, kam endlich eine Krankenschwester. Sie sagte, ich solle mich doch etwas beherrschen, da meine frische Wunde andernfalls sehr stark bluten würde. Erwähnen möchte ich noch, daß auch eine beidseitige Neck-Dissection stattgefunden und man mir während der OP einige Zähne gezogen hatte.
Leider konnte ich mich nicht "beherrschen" und so wurde mir der Schlauch aus der Nase gezogen. Von da an hat mich diese entsetzliche Übelkeit für viele Stunden nicht mehr losgelassen.
Mein Zustand war so jämmerlich und elend, denn alles was herauskam war Blut, immer wieder Blut, vermischt mit einem gallebitteren Geschmack. Irgendwann wurde ich in mein Krankenzimmer gefahren und ich bekam eine Infusion, unter anderem mit einem Mittel gegen Übelkeit und es ging mir eine ganz kleines bißchen besser. Man legte mir einige Brechschalen und Tücher auf das Bett, und kündigte die vereinbarte Sitzwache an. Die 1. von insgesamt 3 Sitzwachen kam dann auch und sagte, ich solle doch versuchen, ein wenig zu schlafen, doch da mir wieder sterrbensübel war und ich mich alle paar minuten übergeben mußte -trotz des Antibrechmittels- war daran natürlich nicht zu denken. Die Schwester, die ich bereits aus dem Klinikalltag flüchtig kannte und als relativ freundlich in erinnderung hatte, zeigte mir ganz deutlich, daß sie total genervt war, weil ich ihr nicht die nötige Ruhe zukommen ließ, die eine Sitzwache normalerweise, wie der Begriff auch andeutet, hat. Sie verließ immer wieder mein Zimmer. Ich fühlte mich einsam, verlassen und verzweifelt, da mein Mund inzwischen, auch durch das viele Übergeben, total ausgetrocknet war, meine frisch operierte Zunge noch mehr anschwoll und ich große Probleme beim Atmen hatte. Ich gab ihe dann per Zeichensprsche zu verstehen, daß ich etwas Flüssigkeit brauchte und tatsächlich befeuchtete sie meine Lippen mit etwas Wasser. Immer wieder mußte ich mich übergeben, immer und immer wieder - es war so qualvoll! Die genervte Schwester wurde nach ca. 2 Stunden abgelöst und dann begann mein eigentliches Martyrium, denn genau das war es für mich, eine nicht endenwollende Quälerei, das Ausgeliefertsein an bösartige, offenbar überforderte Schwestern eines großen, bekannten Krankenhauses mit gutem Ruf.
Anmerken möchte ich noch, daß ich als Privatpatientin dort lag in der Hoffnung, zumindest nicht schlechter als andere Patienten behandelt zu werden. "Mein" Arzt war der Chef der HNO-Abt., den ich jedoch in diesen qualvollen Stunden, den ganzen Tag und die ganze Nacht nicht einmal zu Gesicht bekam.
Teil 2 folgt in Kürze, falls das alles nicht den Rahmen dieses Forums sprengt. Danke fürs Lesen!

22.02.2004, 14:05
Hallo weibl. Gast,
sprich Dich nur aus (bzw. schreibe es nieder), es hilft Dir bestimmt. Ich hoffe, dass es Dir heute wieder besser geht und wuensche Dir alles Gute.
Liebe Gruesse - Ute
PS: Beinahe das Selbe erlebt, war Angehoerige. Gleiches Benehmen, und sehr genervt weil sie nicht schlafen konnten (Nachtwache).

22.02.2004, 14:39
Nun folgt Teil 2:
Die 2. Sitzwache, die ich ebenfalls schon kannte, kam herein mit einem dicken Buch unterm Arm, etwas zum Knabbern und einem Getränk. Erst im Nachhinein wurde mir bewußt, wie takt- und gefühllos es doch war, wenn man meinen Zustand bedenkt, in meiner Gegenwart zu essen und vor allem zu trinken. Ich mußte es sehen und hören und meine Verzweiflung wurde noch größer, da mein Durst schier unerträglich war. Warum kümmerte sich kein Arzt um mich? Ist das nach einer solch schweren OP nicht notwendig?

Was dann im Laufe des Nachmittags geschah, war so schlimm, gerade zu menschenverachtend. Die kauende Sitzwache ließ sich mir gegenüber auf einem Stuhl nieder, zog die Schuhe aus und legte ihre Füße auf mein Bett. Sie machte es sich richtig gemütlich mit ihrem Buch und ihren Knabbereien.
Ich lag währenddessen wie ein Häufchen Elend in meinem Bett, war durch das ständige Aufrichten beim noch immer häufigen Übergeben ganz nach unten gerutscht und hatte so eine unglückliche Lage, daß meine Atmung noch mehr behindert wurde und an Schlafen überhaupt nicht nehr zu denken war. Das Schlimmste jedoch war diese Trockenheit in Mund und Hals, die mir das Schlucken fast unmöglich machte.
Da ich nicht sprechen konnte, mußte ich mit Handzeichen versuchen, mich verständlich zu machen. Auf mein Zeichen hin, daß sie mir bitte helfen möchte, reagierte sie nur mit den lapidaren Worten, daß auf meinem Bett schließlich Brechschalen und Papiertücher zum Abputzen des Mundes lägen. Sie hielt es nicht einmal für nötig, mir, einer Frischoperierten, die Brechschale zu haltn oder meinen blutverschmierten Mund abzuwischen, sie dachte nicht einmal daran, mich in eine bequemere Lage zu bringen, sie tat einfach NICHTS!
Als ich andeutet, sie möchte mir die Lippen anfeuchten, reagierte sie zunächst ganz bewußt überhaupt nicht, um dann nach einer ganzen Weile, meinen flehenden Blick ignorierend, betont gehässig zu fragen "wollen Sie was??" Sie meinte, zuviel Feuchtigkeit sei nicht gut für mich, da dadurch der Mund noch trockener würde, ließ sich aber dennoch dazu herab, meinen Mund zu befeuchten.
Als ich immer wieder andeutete, daß ich nicht genug Luft bekam sagte sie, sie würde sich ein wenig zu mir setzen und meine Hand halten. Doch sie setzte sich nicht normal zu mir aufs Bett, sondern legte sich mit ihrem Körper ganz schwer auf die eine Hälfte meines Körpers, nahm meine Hand total fest in die ihre und mir somit noch mehr von meiner kostbaren Luft. Ich hätte schreien mögen, litt fürchterlich, doch das alles schien ihr auf eine perverse Art Genugtuung zu verschaffen. Zum Glück ließ sie nach einer Weile von mir ab, denn sie mußte wieder essen und trinken und forderte mich lediglich auf, doch endlich ein wenig zu schlafen.
Da ich mich wieder und wieder übergeben mußte und auch regelrecht Angst vor dieser Schwester hatte, rutschte ich immer tiefer in mein Bett hinein, wurde imnmer verzweifelter, und dann wurde ich richtig panisch. Immer wieder flehte ich um ein wenig Wasser auf meine Lippen, immer öfter vergebens und die Luft war so knapp....
Ich fragte mich, warum um Himmels willen nicht einmal ein Arzt nach mir sah, warum absolut niemanden inertessierte, wie es mit nach dieser schweren OP ging? Eigentlich schläft man doch nach einer solchen Narkose, dämmert vor sich hin, doch die Angst hielt mich wach!
Am frühen Abend gesellte sich eine zweite Schwester mit einem mir bekannten Gesicht zu der ersten und ich bekam Hoffnung, dachte ich doch, daß nun alles besser, daß diese mir helfen würde. Doch leider war das nicht der Fall, auch sie hatte sich nämlich Proviant in Form von laut krachenden Bonbons in einer raschelnden Tüte und ebenfalls ein leckeres Getränk mitgebracht, außerdem ein Buch. In den folgenden Stunden ging mal die eine, mal die andere hinaus, ansonsten bekam ich in diesen Abendstunden absolut niemanden zu Gesicht, fühlte mich den Damen vollkommen ausgeliefert.
Mein Zustand war unverändert schlecht, ich wurde von Stunde zu Stunde unruhiger, meine Panik nahm zu und ich glaubte, die inzwischen angebrochene Nacht nicht zu überleben.

Ich litt wirklich Höllenqualen, hatte vor allem jedoch eine furchtbare Angst. Immer wenn ich die Augen schloß, glaubten die Schwestern ich sei eingeschlafen. Ich hörte jedoch alles was sie sagten, denn ich war hellwach, hielt mich krampfhaft wach, denn ich glaubte, ansonsten nie mehr aufzuwachen.

22.02.2004, 15:24
Hallo, ich hatte den 3. Teil bereits geschrieben, doch er ist mir leider abgestürzt. Ich wrerde ihn später ins Forum setzen, denn ich brauche jetzt erst mal eine Pause.
Ich halte es jedoch für wichtig, dies nun auch zu Ende zu bringen und bitte um Verständnis!

Viele Grüße und vielen Dank für evtl. Antworten oder Fragen im voraus.

Gast (59 Jahre, weibl.)

26.02.2004, 19:19
Hallo Gast (weiblich),
man kann ja gar nicht glauben, dass es heute noch solch Personal an unseren Kliniken gibt.
Ich wurde im Jahr 92 an der Uni Klinik Leipzig wegen einem Melanom operiert. Da ich meine Mutter ein Jahr vorher an Krebs verloren hatte war ich sehr aufgebracht nach der OP und hab das Personal der Station ganz schön auf Trab gehalten.

Ich habe immer bei jedem piepen der Geräte gedacht es geht mit mir zu Ende und ich muss sterben. Zuerst haben mich die Schwestern sehr lieb betreut aber da ich ja an diesem Tag nicht die einzige war die eine schwere OP (10 Std.) hinter sich hatte wurde dann für die Nacht ein netter Medizinstudent an mein Bett gesetzt.

Er hat mir immer gut zugehört, sich mit mir über alles unterhalten und hat wirklich perfekt davon abgelenkt das ich eigentlich wieder ruhig geworden bin. Auch die Ärzte waren 1a kein böses Wort und die Aufklärung am folge Tag wurden auch sehr schonend und gut geführt.

Ich kann dir nachfühlen ich kenne auch eine Frau, ihr wurde durch einen Tumor die Zunge ganz entfernt. Sie lebt damit ganz gut. Wir treffen uns ab und zu. Durch die künstliche Ernährung ist ihr Tagesablauf sehr eingeschränkt aber sie unternimmt trotzdem mit Ihrer Freundin auch Tagesfahrten, da staune ich jedes mal, wo sie die Kraft hernimmt. Aber sie lässt sich nicht unterkriegen.

Dir wünsche ich, dass Du diese unschöne Situation so schnell wie möglich verarbeiten kannst.

Das dies nicht von heut auf morgen geht ist klar, ich hab andere Probleme gehabt, da mein Melanom im Gesicht war, ist mein Aussehen nicht mehr so aus wie es mal war und habe mir Hilfe bei einen Nervenarzt geholt. Habe auch schon eine Kur deswegen hinter mir.

So richtig hat es zwar nicht geholfen es holt mich immer wieder ein. Da viel Mitmenschen damit nicht umgehen können.
Aber keiner dieser Leute bedenkt dass er auch mal in solch eine Situation kommen kann.
Gabi63

27.02.2004, 08:51
Hallo Gast (weibl.)

Das ist ja furchtbar, du mußt unbedingt darüber reden, ansonsten gehst du daran noch zugrunde. Hast du denn niemand aus dem Bekanntenkreis oder einen Angehörigen gehabt, der auf dich hätte aufpassen können?
Ich werde niemals jemanden, der mir sehr am Herzen liegt, in einem Krankenhaus alleine lassen. Die Schwestern haben meistens keine Zeit und wenn man selbst nicht mehr in der Lage ist sich zu äußern, muß jemand dabei sein der einen klaren Kopf hat.
Ich habe meinen Mann fast 11 Wochen in einem Krankenhaus begleitet (bis er starb) und ich weiß heute, das es gut so war. Wer weiß was sost dabei rausgekommen wäre.

Viel, viel Mut zum Leben wünsche ich Dir und natürlich Kraft dieses Erlebnis zu verarbeiten.

Nancy