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16.04.2004, 12:16
Ärzte Zeitung, 16.04.2004

" Beratungsinstitut statt eigener Praxis

Zwei Ärztinnen schufen "Patient CONSULT" / Patienten werden durch Gesundheitswesen geführt

HEIDELBERG. Zwei Heidelberger Ärztinnen mit jahrzehntelanger Klinikerfahrung kehrten dem
Krankenhaus den Rücken und beschritten vor drei Jahren Neuland: Sie gründeten Patient CONSULT - ein
Beratungsinstitut für Patienten.

Von Ingeborg Bördlein

Zeit sehen die beiden Medizinerinnen als ihr größtes Kapital an. Sie bieten keine Diagnostik an und machen
keine Therapie. Ihr Schwerpunkt liegt auf der ärztlichen Information und Beratung mit besonderer
Berücksichtigung der Alltagsbewältigung ihrer Patienten. Dafür haben sie die Kompetenz als erfahrene
Ärztinnen. Ihre Leistungen stellen sie den Patienten in Rechnung gleich einem Anwalt, der von seinen
Mandanten für seine Dienste bezahlt wird.

Dr. Silke Frohmüller, 49 Jahre alt und Mutter von drei Kindern, arbeitete 15 Jahre in der Chirurgischen Uniklinik
in Heidelberg, davon lange Zeit im onkologischen Bereich. Dr. Brigitte Schmitt-Bantel, 46 Jahre alt und ebenfalls
dreifache Mutter, war als Neurologin und Psychiaterin im Suchtbereich tätig. Beide Medizinerinnen beschäftigte
immer wieder die Frage, wie Patienten mit einer chronischen oder einer Suchterkrankung in ihrem Alltag bei
möglichst optimaler Behandlung eine gute Lebensqualität erreichen.

Viele Ärzte belächelten anfangs die Kolleginnen

Als Ärztinnen im Klinik-Betrieb hatten sie keine Zeit, sich dieses Problems anzunehmen. Außerdem vermißten
sie die Koordination der stationären und ambulanten Behandler untereinander, um den Patienten die
Integration der Krankheit in ihrem Alltag zu erleichtern. Nach ihrer Meinung könne man auch als Hausarzt nicht
die Zeit für eine aufwendige ganzheitliche Beratung aufbringen, wobei sämtliche Lebensumstände der
Patienten einbezogen werden. So entschlossen sie sich, eine Idee in die Tat umzusetzen, für die sie von vielen
Kollegen anfangs belächelt worden sind.

Sie mieteten eine große Wohnung im Erdgeschoß eines Geschäftshauses in einer belebten Straße Heidelbergs,
renovierten die Räume, sorgten dafür, daß ihr Beratungsinstitut juristisch auf sicheren Füßen steht und
entwickelten ein Beratungsangebot für Menschen, die sich und ihren Alltag aufgrund von
Gesundheitsproblemen neu organisieren müssen oder wollen.

Die Anfangsinvestitionen summierten sich auf 50 000 Euro. Die Werbung für das Institut läuft vorrangig über
die Homepage, durch Zeitungsannoncen in der Lokalpresse und durch öffentliche Veranstaltungen wie zum
Thema Brustkrebs in der Heidelberger Stadtbibliothek.

Idealerweise wenden sich die Patienten bereits bei Diagnosestellung eines chronischen Leidens an Patient
CONSULT. Nach einem kostenfreien, meist telefonischem Erstgespräch, in dem die Fragen und Wünsche der
Ratsuchenden eruiert werden, wird ein schriftliches Leistungsangebot vorgelegt, in dem auch die Kosten
aufgelistet werden. Willigt der Patient in den Beratungsvertrag ein, wird ein ausführliches persönliches
Gespräch anberaumt.

Schwerpunkte sind die medizinische Anamnese, der bisherige Verlauf der Erkrankung und die individuelle
Lebenssituation mit den Anforderungen des Alltags. Bereits vorhandene Befunde werden eingeholt, weitere
diagnostische und/oder therapeutische Optionen vorgeschlagen. Gemeinsam wird dann ein individuelles
Konzept im Umgang mit der Krankheit erarbeitet. Wünscht dies der Patient, so übernimmt die Beraterin das
Krankheitsmanagement - also Organisation und Koordination von Diagnostik und Behandlung.

Ein aufgeklärter Patient kommt in die Praxis zurück

Das Plus der beiden Ärztinnen ist es, daß sie vielen Kollegen durch ihre langjährige Klinik-Tätigkeit schon
bekannt sind. Berührungsängste gibt es also kaum: " Wir nehmen den Ärzten ja auch nichts weg, denn wir
machen weder Diagnostik, noch Therapie", betont Frohmüller: "Unsere Kollegen bekommen einen aufgeklärten
Patienten, der einfacher zu führen ist, weil er entscheidungsfreudiger ist, als ein unwissender, ängstlicher
Patient."

Was die Patienten nach den Erfahrungen der Ärztinnen am meisten schätzen: "Wir stehen an der Seite
unserer Patienten und bleiben da." Für diese Leistung sind diese bereit, in die eigene Tasche zu greifen.

So kostet eine telefonische Beratung über allgemeine Fragen der Erkrankung und Therapieverfahren, die
keinerlei individuelle ärztliche Beratung ist und auch nicht sein darf, 25 Euro. Ein ausführliches persönliches
ärztliches Beratungsgespräch ohne Zeitbeschränkung wird mit 140 Euro veranschlagt, und eine begleitende
ärztliche Beratung über einen längeren Zeitraum zwischen 80 und 200 Euro im Monat - je nach zeitlichem
Aufwand.

Auch für Ärzte werden Seminare angeboten

Unterstützung im Krankheitsmanagement inklusive Recherchen nach Therapiemöglichkeiten oder
spezialisierten Zentren, Terminvereinbarungen, Behandlungskoordination, Absprache mit den behandelnden
Ärzten, Erklärung der ärztlichen Befunde und ihre Relevanz für den Alltag kosten je nach Aufwand ab 100 Euro
im Monat.

Ihre Patientenklientel ist keineswegs das klassische Privatpatientenspektrum. Die Dienste nehmen
Handwerker ebenso in Anspruch wie leitende Angestellte. Gemeinsam ist den Nutzern des Instituts eine aktive
Haltung im Umgang mir ihrer Krankheit: "Es sind Leute, die Verantwortung für sich übernehmen und Fragen
stellen", sagt Schmitt-Bantel. Daß sie für die Leistung etwas zahlen müssen, sei ihnen dabei klar.

Die Ärztinnen decken mit ihrem Beratungsangebot die ganze Palette der chronischen Erkrankungen ab, vom
Alkoholproblem über den Diabetes oder Krebsleiden. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit sind
Kleingruppenseminare über Gesundheitsprobleme im Alltag etwa zum Thema Depression, Rückenschmerzen,
Blasenschwäche beziehungsweise großangelegte Aufklärungsveranstaltungen in Zusammenarbeit mit der
Stadt Heidelberg zu gesundheitspolitisch relevanten Themen wie Brustkrebs.

Durch die Unterstützung von Pharma-Unternehmen können die Preise für solche Veranstaltungen sehr niedrig
gehalten werden. Seminare werden auch für Hausärzte, Pflegedienste und Sozialarbeiter angeboten."

Das Institut im Internet: www.patientconsult.de

http://www.aerztezeitung.de/docs/2004/04/16/070a1201.asp?nproductid=3350&narticleid=304968&cat=/politik/gesundheitssystem_uns&bPrint=1