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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Literatur die hilft!


24.04.2001, 12:26
Vor knapp einem Jahr ist mein Vater an Krebs gestorben. Ich habe noch kleinere Geschwister und gerade für die war die Zeit der Krankheit und des Abschied nehmens extrem schwer. Jetzt, da das Leben wieder in 'normalen' Bahnen läuft, habe ich ein Buch entdeckt, daß ich Euch an Herz legen möchte: 'Der lange Abschied' von Maria Köllner (Goldmann-Verlag, 17 DM, ISBN:3442215943). Sie erzählt in Ihrem Buch über das letzte Jahr mit Ihrem Man und Ihren Töchtern, wobei ich nicht nur entsetzlich geheult habe, sondern vor allem neuen Lebensmut geschöpft habe. Die Art und Weise, wie das Buch vom Leben der Familie, dem Abschied und dem Leben mit und nach der Krankheit berichtet, läßt mich nicht nur besser verstehen, sondern hat mich tief berührt. Ich kann Euch das Buch nur nochmals empfehlen und würde mich freuen zu hören, was Ihr davon haltet.
Grüße Hotte

26.06.2001, 18:41
Nein, ich könnte das nicht lesen. Zu tief sitzt das ganz persönliche Leid. Es ist zwar tröstlich zu wissen, daß man trotz dieses Grauens weiterlebt und wieder Freude am Leben hat, aber ich denke es ist einfach zu viel noch so einen schrecklichen Krebstod in allen Einzelheiten zu begleiten...auch wenn es nur als Leser ist! Es hilft darüber zu reden und es hilft sich den Kummer von der Seele zu schreiben...aber mehr als das eigene Schicksal sollte man sich nicht antun. Eines hat mich der Verlust meines Vaters durch Darmkrebs mit Lebermetasthasen gelehrt: Genieße jeden Tag, denn niemand ist vor sowas sicher!Dazu gehört auch, daß man sich in guten Zeiten schönen Dingen widmet (nach der Trauer wohlgemerkt). Mir genügt das Wissen, daß so viele Andere das gleiche Schicksal teilen und wir alle mit einander fühlen und uns Trost spenden. Einzelheiten und Schilderungen sind für mich belanglos und unwichtig.

02.07.2001, 12:57
danke für die antwort clarice, genau das was du sagst:"Eines hat mich der Verlust meines Vaters durch Darmkrebs mit Lebermetasthasen gelehrt: Genieße jeden Tag, denn niemand ist vor sowas sicher!Dazu gehört auch, daß man sich in guten Zeiten schönen Dingen widmet (nach der Trauer wohlgemerkt)." ist das was mir das buch gegeben hat. denn gerade die freude am leben selbst und den kleinen freuden eines jedes tages findet man mit Maria Köllne und ihrer tochter wieder!

21.10.2001, 17:38
Hallo Hotte,
ich habe dieses Buch nun ebenfalls gelesen, und es hat mir relativ gut gefallen, obwohl ich das Verhalten von Johanna etwas erschreckend fand- sie war so fröhlich.
Jedes Kind vermisst doch den Papa wenn er im Krankenhaus und später nicht mehr am Leben ist, oder?
Ansonsten hat mich auch das Verhältnis von Maria + Klaus nachdenklich gestimmt, es ist schlimm, wenn der Partner dicht macht, und mann in einen passive fast unterwürfige Rolle gedrängt wird.
Was gefällt dir so gut an dem Buch?
Sonja

07.02.2002, 02:37
Hallo Hotte und Sonja,
auch ich habe dieses Buch gelesen und auch ich habe sehr viel dabei geweint! Für mich ist der Inhalt dieses Buches im doppelten Sinne wichtig. Zum einen habe ich meinen Vater an einen tückischen Lungen- und Lymphdrüsenkrebs verloren und zum anderen war Klaus Köllner ein Freund von mir! Sein Tod hat mich sehr erschüttert, denn ich "wusste" relativ lange vor ihm, dass er diese Krankheit nicht besiegen würde.

Ich möchte hier nicht richten, aber leider hat Maria sich sehr viel mehr selber bedauert, als ihren kranken Klaus. Ich bin sicher, sie konnte nicht anders, deshalb nehmt mir meine anmaßende Äußerung bitte nicht allzu übel.

Sonja, was Johanna betrifft: Für sie war ihr Papa ihr Ein und Alles, sie hat ihn supersehr geliebt und umgekehrt genauso. Vielleicht war ihre Reaktion (wenn denn alles wirklich so gewesen ist, wie Maria geschrieben hat...) nur zu ihrem Schutz, sie wollte es einfach nicht wahr haben. Niemand in seinem Bekanntenkreis wollte das.

Ich werde nie unsere letzte Begegnung vergessen, als ich ihn auf der Treppe sah und entsetzt sagte: "Mein Gott, Klaus, warst du krank? Du bist so dünn geworden?" Ich biß mir auf die Zunge, schließlich hatte er oft geäußert, im Laufe der Zeit "zu weiche Gesichtszüge" bekommen zu haben - er hätte ja vielleicht auch nur eine Crash-Diät hinter sich haben können.
Aber seine entgleisende Mimik belehrte mich eines Besseren. Ich wünschte, ich hätte ihm damals etwas mehr Trost spenden oder Mut zusprechen können...!

Dieses Buch - um auf das eigentliche Thema zurückzukommen - hat mich an vielen Stellen sehr wütend gemacht, auch traurig, denn ich empfinde es nicht als sehr realitätsnah. Vermutlich jedoch hat Maria es nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben und ich hätte auch nicht gern in ihrer Haut stecken mögen in dieser schweren Zeit.

So, genug für heute. Sorry für diesen superlangen Eintrag.
Jay

07.02.2002, 22:06
lieber(e)? Jay,
das ist ja interessant, du kanntest Köllners?
Ich musste noch sehr lange über Maria und auch Klaus nachdenken, es hat mich sehr beschäftigt!
Wie geht es ihr denn heute?
Hast du damals alles mitbekommen?

Viele Grüße Sonja

11.02.2002, 12:57
Hallo Ihr Lieben,

ich habe viele Bücher über Krebserkrankungen und den Tod gelesen, von Erfahrungsberichten bis hin zu Sachbüchern. Auch "Der lange Abschied" gehörte dazu und ich fand dieses Buch furchtbar.

Ich verstehe nicht, dass Dir dieses Buch neuen Lebensmut vermittelt hat, Hotte und bin völlig erstaunt, wie unterschiedlich man Dinge empfinden und wahrnehmen kann.

Ich fand diese Sprachlosigkeit, die bei den Köllners herrschte, beim Lesen einfach nur deprimierend.

Ich kenne die Köllners nicht, aber mir ging es eher wie Jay. Ich bin zum Teil so wütend auf diese Maria gewesen, dass ich ein paar Mal kurz davor war, das Buch aus der Hand zu legen und nicht zu Ende zu lesen.

Ich habe beim Lesen ausschließlich mit Klaus sympathisiert und mich gefragt, welche emotionalen Verletzungen die Eheleute sich vor der Erkrankung zugefügt haben, dass Klaus so verbittert war und - glaubt man den Ausführungen von Maria - so unfähig Gefühle zuzulassen.

Ich empfand ähnlich wie Jay, diese Frau als selbstmitleidig und egozentrisch und weder bereit noch in der Lage über ihren Schatten zu springen und das Schweigen zu brechen. Anstatt ihre eigenen Gefühle mal zurückzustellen und sich vorsichtig und einfühlsam ihrem erkrankten Mann zuzuwenden, hat sie ihn angeschrien, dass er doch bitte mal darüber nachdenken soll, wie es ihr mit der Erkrankung ginge.

An Klaus Stelle hätte ich mich wahrscheinlich auch in mein Schneckenhaus verkrochen, wenn jemand so unsensibel mit mir umgegangen wäre. Anstatt einfach bei ihm zu bleiben, ihm den Rücken zu stärken, wollte Maria auch immer noch ne etra Einladung und eine Bitte hören.

Klar gehören immer zwei dazu, wenn in einer Beziehung etwas so schief läuft, wie bei den Köllners. Aber Klaus war lebensbedrohlich erkrankt und Maria zu stolz und nicht in der Lage, den ersten Schritt zu machen. Mein Mitleid und Verständnis gelten Klaus und nicht Maria.

Auch konnte ich den Vorwurf von Klaus verstehen, dass Maria ihm Johanna vorenthält. Dass einem achtjährigen Mädchen die Veränderung und der Verfall des Vaters Angst macht und es lieber nicht ins Krankenhaus gehen möchte, finde ich nur allzu verständlich. Umso mehr wäre eine einfühlsame Mutter gefordert gewesen, die zwischen Vater und Tochter vermittelt.

Als Außenstehende sollten wir wohl nicht verurteilen oder richten. Ich kenne die "echten" Köllners nicht, aber als "Romanfigur" hat mir Maria alles andere als gefallen und Lebensmut hat dieses Buch mir gar nicht vermittelt.

Viele Grüße, Josefine