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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Letzte große Reise


31.07.2004, 00:42
Mein Vater, 74 wird sich bald auf die letzte große Reise machen.
Bis zum Jahresende ist er immer fit gewesen, geistig und auch körperlich.
Anfang Januar klagte er über etwas Appetitlosigkeit, etwas Bauchweh und ließ sich untersuchen. Nach 2 Wochen war alles klar. Eine ausgedehnte Peritonealcarcinose ohne Primärtumor. Das war der Beginn eines Leidensweges für meinen Vater. Zum Diagnosezeitpunkt leider bereits absolut inoberabel, wurde nach Histologie, Folfox IV (5FU und Oxaliplatin) gegeben. Leider hat es kaum etwas(bis nichts) bewirkt. Später wurde auf Campto Monotherapie und dann nochmals auf Xeloda umgestellt. Hat alles nichts genützt. Nur die Nebenwirkungen die hatte er ordentlich. Irgendwann vor einigen Wochen hatte er ein subakutes Leberversagen und drohte ins Leberkoma abzugleiten. Einmal hat er sich noch hochgerappelt. Aber nun scheint es wirklich zu Ende zu gehen. Die Leberwerte sind schlecht, Bilirubin steigt wieder an und man kann richtig zusehen wie die Lebensenergie jeden Tag weniger wird. Er hat bereits generalisierte Ödeme und einen massiven Ascites. Bald wird er auf seine letzte große Reise gehen. Ich habe in den letzten Monaten täglich mehrmals gesprochen (Wir wohnen einige 100 km weit weg) und bin ihm menschlich so nahe gekommen wie nie zuvor in den vergangenen 45 Jahren. Was wir alles aufgearbeitet haben. Obwohl es in unsere Familie nie üblich war zwischen Männern zärtlich zu sein, umarme ich ihn nun, wenn ich ihn besuche. Zuerst war es ihm unangenehm, aber nun nimmt er es auch an. Er fühlt sich auch sicher wenn ich seine Hand halte und streichle. Er wird nur noch wenige Tage leben, wir sind nun im Reinen miteinander und das ist sehr wichtig für uns beide. Ich habe ihm auch gesagt wie stolz ich auf ihn bin, wie toll er diese ganze Scheiße ertragen hat. Sorry für den Kraftausdruck aber das musste sein. Ich habe ihn aber nun bereits losgelassen und ihm gesagt dass er auf die ganz große Reise gehen darf wann immer er will.
Er wird mir fehlen und ich werde sehr traurig sein und bin es bereits. Er hat soviel Gutes für mich getan, er hat mir soviele Chancen im Leben gegeben. Ich habe ihn im letzten halben Jahr neu kennen und lieben gelernt.

Danke dass jemand meine Zeilen liest. Vielen von euch geht es sicher sehr ähnlich. Irgendwie kann man aus dem gemeinsamen Leid doch auch wieder etwas Trost bekommen.

Friedl

31.07.2004, 14:23
Ich wünsche Dir noch viel Kraft, wenn Dein Vater dann seine letzte grosse Reise antritt.
Wenn so eine schlimme Krankheit nicht oft tödlich enden würde, sehe ich oft sehr viel positives in dieser Zeit. Man rückt enger zusammen, spricht Dinge aus, die man sonst niemals über die Lippen bringen würde. Schön, dass Ihr beide diese Chance genutzt habt. lg Bea

Fantine
31.07.2004, 15:22
Auch mir ging es mit meinem Vater so wie Dir, wir sind zusammen gerückt und haben uns gegenseitig die Liebe gegeben, die wir Jahre lang im Innern gespürt haben, aber nie körperlich gelebt haben.
Wir sind zusammen gewachsen und auch der Tod kann dieses Gefühl nicht zerstören.
Ich bin ihm immer noch nahe und werde ihn so in Erinnerung behalten wie er unter der Krankheit war: herzlich und liebevoll.

01.08.2004, 13:04
Lieber Friedl,

in den letzten Monaten musste ich Ähnliches mit meiner Mama erleben. Auch wir konnten, hauptsächlich durch die Kraft meiner Mama, offen über das Kommende sprechen und unser inniges Verhältnis noch vertiefen. Doch -was ich nicht geglaubt hätte- als es soweit war, musste ich feststellen, dass ich nicht tatsächlich losgelassen hatte. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen, und ich schaffe es kaum, mein Leben wieder zu kitten. Wir wussten alle, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, und trotzdem passierte das Unvermeidliche dann viel zu früh für mich. Sehr, sehr oft denke ich darüber nach, was ich noch hätte sagen wollen/müssen und tun können/müssen. Meine kleine Familie hilft mir zwar immer wieder aus den Tiefs, kann aber nicht verhindern, dass ich auch wieder in das schwarze Loch des Grübelns verfalle.

Ich wünsche Dir, dass Du das besser hinbekommst als ich und alles, alles Gute und die nötige Kraft für Dich und Deinen Vater.

Biggi

04.08.2004, 01:17
Bin wieder 2 Tage bei meinem Vater gewesen. Er hat bereits Halluzinationen und ist schon sehr gelb. Er hat mich aber noch erkannt.
Ein Endzeitgespräch habe ich übrigens mit ihm nie geführt. Er hat es allerdings auch nie gesucht. Es wurde nie ausgesprochen, dass er schon bald sterben wird. Ich glaube auch nicht dass jeder Kranke das so haben will. Er hat immer wieder einen Funken Hoffnung gezeigt.
Heute als ich mich von ihm verabschiedet habe, hat er meine Hand festgehalten und gemeint:"Bitte, bitte hilf mir dass ich wieder gesund werde"
Mir kommen jetzt beim schreiben noch die Tränen.
Ich weiß nicht ob ich ihn nochmals lebend sehen werde.
Er erträgt alles mit einer bewundernswerten Geduld. Ich bewundere ihn und bin sehr stolz auf meinen Vater. Ich wünsche ihm, dass er seine letzte große Reise bald antreten kann. Er hat es sich redlich verdient.

Ciao
Friedl

04.08.2004, 19:42
Lieber Friedl,

da sieht man wieder, jeder Mensch geht individuell mit seinem Schicksal um. Meine Mama sagte, nachdem der Arzt sie und uns informiert hatte, jetzt hat die Quälerei endlich bald ein Ende und ich komme zu Opa (damit meine sie meinen Vater), der wartet doch schon so sehnsüchtig auf mich. Ich bin mit mir und der Welt im Reinen. Laßt mich gehen, ich wünsche mir nur, dass ich in meinen 4 Wänden bleiben kann und nicht ins Hospitz muss. Das haben wir mit viel Organisation auch so hinbekommen. Ich wollte sie zwar nicht verstehen, aber mußte schweren Herzens akzeptieren. Alle meine Information von hier, die ich ihr als Strohhalm reichen wollte, interssierten sie nicht die Bohne. Ich bewundere Dich für die Stärke, die Du im Hinblick auf die letzte große Reise Deines Vaters zeigst. Hoffentlich färbt das ein wenig auf mich ab.

Viel Glück für Euch

Biggi

05.08.2004, 13:46
Hallo Biggi,

ich verstehe den Gedankengang deiner Mutter sehr gut. Besonders wenn ein Partner bereits verstorben ist, findet der zuletzt versterbende sehr viel Trost in der Tatsache dass er nun im Tode wieder vereint ist mit dem geliebten Partner. Bei uns ist es umgekehrt. Meine Mutter hat seit 2 Jahren eine Alzheimerdemenz und mein Vater hat sich rührend und liebevoll um sie gekümmert und das ist es wahrscheinlich, was ihn selbst am Loslassen hindert. Er fühlt sich nach wie vor für sie verantwortlich. Zum Thema sterben und alles rundherum kann ich dir die Bücher von Frau Kübler Ross empfehlen.
Auch wir werden irgendwann "sterben", was auch immer das ist, ich glaube dass Kübler Ross, in "guten Zeiten" gelesen einem auch in "schlechten Zeiten" helfen kann, sich selbst auf das unvermeidliche vorzubereiten.

Einer ihrer Gedanken ist der, dass sterben ja nur wie ein Umzug in ein anderes Haus ist.
Vielleicht wird unsere spirituelle Energie, die Seele auch immer wiedergeboren oder was weiß ich, wir werden es erfahren wenn wir soweit sind.

Irgendeinen Sinn hat der der Kreislauf des Lebens auf jeden Fall.

Mach dir nur ja keine Vorwürfe, dass du etwas versäumt hättest. Du hast deiner Mutter Liebe gegeben bis zum Ende, das hat sie auch gespürt. Was genau man letztendlich sagt ist völlig egal.

Der Schnitt schmerzt
Die Wunde wird Narbe
Unverlierbar ein Schriftzug.

Alles Gute
Friedl

05.08.2004, 19:18
Hallo Friedl,

ich danke Dir für Deine lieben Worte. Es ist schon toll, dass Du in einer Zeit, die sicherlich nicht einfach für Dich ist, auch für andere noch ein offenes Ohr und Feingefühl hast. Werde mich mit Deinem Vorschlag beschäftigen.

Morgen ist meiner erster Geburtstag ohne Eltern, fühle mich doch verwaist. Meine Tochter und mein Mann wollten sich was Tolles überlegen. Hoffentlich verderbe ich den Beiden nicht die Freude.

Nochmals herzlich Dank

Biggi

05.08.2004, 22:35
Alles Gute zum Geburtstag,
deine Mutter hätte sicher gewollt dass du ihn fröhlich feierst.
Also tu es auch.
Geburtstag, das bedeutet ja auch dass du an sie denken sollst.
Aber denke an sie voll Stolz, Freude und Liebe darüber was sie dir nicht alles gegeben hat.
Und beginne ganz langsam wieder an die Menschen zu denken die dich nun brauchen.
Deine Mutter und dein Vater brauchen dich nicht mehr wo/wie/was/wer sie jetzt sind.
In unseren Herzen/Seelen sind unsere Lieben sowieso unsterblich.

Ciao
Friedl

06.08.2004, 10:55
Hallo liebe Friedl,
auch ich habe vor 8 Wochen meine Mama an den Krebs mit nur 51 Jahren verloren. Bei uns kam Ihr Tod überraschend, wenn man das anhand einer solchen Krankheit überhaupt sagen kann. Ich bekam im Urlaub die Nachricht das ich nach Hause kommen sollte, da meine Mama im sterben liegt. Mein einziger Gedanke war nur, lass mich noch rechtzeitig da sein, damit ich mich von Ihr verabschieden kann. Ich war Gott sei dank nur in Österreich und war in 5 Stunden bei Ihr. Ich wollte Ihr noch sovieles sagen, aber als ich dann vor Ihrem Bett stand, Sie so gelb und so abgemagert sah, hatte ich nur noch das Bedürfnis Sie zu drücken und war Ihr dankbar daß Sie auf mich gewartet hatte. Ihr langer Leidensweg dauert noch volle 3 Tage und Sie war in dieser Zeit nicht mehr ansprechbar. Ich hatte nie ein gutes Verhältnis zu meiner Mutter, aber seit Sie im Februar 03 einen Rückfall hatte, änderte sich das alles schlagartig. Wir beide haben in dieser Zeit zueinander gefunden, und noch soviel vorgehabt. Ich fragte mich nach Ihrem Tod immer, warum mußte Sie jetzt sterben, wo ich endlich die Mutter gefunden hatte, die ich mir immer wünschte. Ich stehe heute oft an Ihrem Grab und stelle mir immer wieder die Frage warum. Meine kleine Tochter mit 10 Monaten wird Ihre Oma nie kennen-lernen. Ich kann nur jedem wünschen, der einen geliebten Menschen verliert, die Möglichkeit zu haben, sich verabschieden zu können. Für mich war es unheimlich wichtig. Auch an diesen letzten 3 Tagen einfach bei Ihr zu sitzen und Ihre Hand zu halten, daß kann mir keiner mehr nehmen. Als Sie dann endlich auf Ihre große Reise gehen durfte, war ich leider nicht bei Ihr, sondern nur mein Vater. So wollten Sie es immer haben. Nur Sie beide allein, obwohl das so nicht geplant war.
Ich wüsche Dir sehr viel Kraft für die nächsten Tage und Wochen, und hoffe, du hast gute Freunde, die für mich in dieser Zeit sehr wichtig waren. Es wird lang dauern, bis es einem etwas leichter ums Herz wird, und das erste Jahr, wenn alles zum ersten Mal ohne diesen geliebten Menschen abläuft, wird wahrscheinlich auch das schwierigste werden. Aber du wirst deinen Vater ganz tief im Herzen tragen, sowie ich meine Mama und das macht sie unvergessen.
Alles Liebe und Gute und ganz viel Kraft

06.08.2004, 12:36
Hallo Friedl,

mein Vater ist am 13. Juni eingeschlafen, seine letzten 9 Wochen und ein paar Tage hat er nach der OP mit anschliessenden Komplikationen auf der Intensivstation verbracht. Manchmal war er in dieser Zeit bei Bewusstsein aber meistens nicht. Sprechen konnten wir nicht mehr mitainander, weil er künstlich beatmet wurde. Aber ich konnte ihm körperlich näher kommen als es seit meiner Kindheit der Fall gewesen ist, seine Hand halten, ihn berühren. Wir hatten seitdem ich erwachsen war, kein schlechtes, aber auch kein sehr enges Verhältnis. Körperliche Bekundungen von Zuneigung waren in unserer Familie auch nicht üblich. Schliesslich lernte ich aber doch seine Hand zu halten und einfach bei ihm zu sein, und ich hoffe immer noch verzweifelt dass er oft genug wach war um das mitzubekommen, ebenso wie meine Sorge um ihn und meine Liebe. Diese Gefühle die wir uns nie so gezeigt haben wie man es hätte tun können. Ich würde so vieles anders machen wenn ich jetzt noch könnte. NOCH mehr geben, noch mehr da sein. Zu spät, zu spät. Meine verzweifelte Hoffnung ist, dass er es am Ende gespürt hat.

Ich wünsche Euch viel Kraft. Gib deinem Vater alle Zuneigung die Du hast, in einer Berührung, einer Umarmung. Das ist am Ende alles was zählt.

Kerstin

14.08.2004, 16:16
Am Mittwoch den 11.8. ist mein Vater endlich auf die große letzte Reise geegangen. Ich war war den ganzen Dienstag tagsüber im Krankenhaus bei ihm. Zum Abschied sagte ich "Lebwohl" zu ihm und er soll seine große Reise antreten, wann immer er glaubt, er ist so weit und er braucht nicht auf mich zu warten. Als ich Mittwoch Vormittag ins Krankenhaus kam, ist sein Leben kurz vorher erloschen. Ich bin gleich zu ihm, er war noch weich und warm in seinem Bett im Krankenzimmer. Ich habe seine Hand und seinen Kopf getreichelt. Dann habe mich von ihm verabschiedet. Er ist nun gerne und in Frieden ohne Kampf gegangen. Irgendwie ist er nicht gestorben er hat einfach nur aufgehört zu leben. In seinem Krankenzimmer konnte ich eine sehr friedliche positive Schwingung spüren. Ich weiß, das hört sich irgendwie unwissenschaftlich an, dennoch war es so.
Ich bin sehr traurig, aber froh für ihn dass er es nun geschafft hat. Seither sehe ich immer wieder alle möglichen Szenen aus meinem Leben, wo er dabei war. Am Ende steht allerdings immer die Erkenntnis, dass dies nie wieder sein wird. Ich vermeide es mich zu bemitleiden, denn seine Erlösung von der schweren Krankheit ist viel wertvoller und wichtiger.

Ciao
Friedl

14.08.2004, 16:53
Salut Friedl,

lass dich in den Arm nehmen und dich ganz feste drücken.
Ich finde es bewunderswert wie Du mit der Situation umgegangen bist und auch weiter umgehst. Du kannst stolz auf deinen vater sein und er war es sicher bis zum Schluß auch auf Dich. Du hast so eine behutsame Art von allem zu berichten und deine Worte treffen genau dort hin wo sie hungehören : mitten ins Herz - denn nur mit diesem sieht man gut ! Und ich denke - nein kann es richtig nachvollziehen dass dein Vater dich sehr wohl verstanden hat.
Ganz besonders berühren mich deine Texte weil ich genau vor der selben Situation stehe wie Du gestanden hast : mein vater wird sehr, sehr bald sterben, aber leider zieht er es vor alles mit sich alleine auszumachen und selbst nach - wie bei Dir - 45 jahren bleibt er in diesem Kampf seinem Wesen treu. Er ist unglaublich stark - sein Kopf dirigiert seinen Körper mit knapp 40 KG und er will " das alles so normal läuft wie immer. " Das hat er von anfang an so gewollt - und nun nach fast zwei Jahren hat sich nichts daran geändert.
Ich akzeptiere es so - will mich auch - genau wie du nicht selbst bemitleiden - es kann immer nur um den Betroffenen gehen und auch ich werde die Erlösung als wichtiger empfinden als meinen Schmerz.

Ich hoffe ich habe die richtigen Worte gefunden um Dir zu sagen : ich kann so deutlich nach
empfinden wie es Dir geht - auch wenn ich nicht die Worte nutzen kann : aufrichtiges Beileid - sie sind so leer.

Ich hoffe, du meldest dich nochmal hier - das wäre sehr schön. Sei nochmls umarmt

agil

14.08.2004, 18:03
Hallo Friedl, hallo Agil, hallo alle,

"... , dass sterben ja nur wie ein Umzug in ein anderes Haus ist."

So habe ich es immer für und mit meiner Mutter sehen wollen, die am Montag gestorben ist. Fast zwei Jahre "hat sie einen guten Kampf gekämpft", so formulierte unser Pfarrer es bei der Beerdigung. Mein Vater, meine Schwester und ich konnten es gemeinsam ermöglichen, sie zu Hause zu behalten und ihr somit ihren Wunsch, im eigenen Bett zu sterben, erfüllen.

Ich habe in den zwei Jahren, seit sie ihre Diagnose Darmtumor mit Lebermetastasen erhielt, viele innere Tränen geweint. Sie leben und leiden zu sehen mit dem Wissen um ihre Krankheit, die ihr nicht mehr lange Zeit lassen würde, das fand ich manchmal fast unerträglich.

Ich kann Euch so gut verstehen. Denn auch bei mir überwiegt die Erleichterung, dass sie endlich gehen durfte. Ich kann im Moment nicht weinen, ich weiß sie geborgen und befreit von dem schweren Mantel menschlichen Leids. Ich bin dankbar, dass wir noch Gelegenheit hatten miteinander zu reden. Auch über das Sterben. Ich habe ihr immer und immer gesagt, es ist ein schmerzlicher, aber dennoch nur ein Abschied, ein Abschied auf Zeit. Alle werden wir nachkommen. Und viele warten schon "da oben" auf sie.

Weinen musste ich, als sie mir sagte, welches Kleid sie tragen wollte und welches Hemd sie für Papa für die Beerdigung vorgesehen hatte. Wo sein Anzug hängt. Dass wir ihm bei der farblichen Gestaltung ihres Grabes helfen sollen.

Sie hatte keine Angst mehr vor dem Sterben. Und so konnte ich auch ihre Hände halten, sie streicheln in den letzen Stunden und ihr versichern, dass sie es bald geschafft hat, bald am Ende ihrer großen Reise ankommen würde. Und dass wir alle da sind, dass wir sie bis zum lezten Atemzug begleiten.

Seid herzlich umarmt, Billa

14.08.2004, 18:54
Hallo Billa,

ja Kübler-Ross hat mir mit ihren Metaphern auch sehr geholfen.
Ich selbst bin aber im Zweifel, was wirklich danach ist.
Derzeit glaube ich eher daran dass einfach nichts ist wenn es vorbei ist.

Ich habe während des Verlaufes der Krankheit meines Vaters manchmal im Kreise meiner eigenen Familie (Frau,Kinder) meinen Tränen freien Lauf gelassen. Ich habe oft vor lauter Wut geweint. Wut auf die Ungerechtigkeit des Schicksals, auf die Unbarmherzigkeit der Krankheit. Ich bin selbst Arzt und wusste seit der furchtbaren Diagnose zu Jahresanfang, dass es so kommen musste wie es kam, dass es kein Entrinnen geben würde. Meine Frau und meine Kinder 10 und 13 waren großartig und haben mir die Kraft gegeben die ich für meinen Vater brauchte um Ihm gegenüber stark zu sein und ihm Hoffnung zu geben. Nur einmal habe ich ihm gegenüber die Fassung verloren. Das war als er mir vor 2 Monaten sagte, wenn er irgendwann sterben müsste dann möchte er möchte eingeäschert werden und dass sich seine Asche in der Erde seiner Geburtsstadt in Kärnten am wohlsten fühlen würde. Damals habe ich geweint und er hat mich getröstet und gemeint man muss auch darüber reden. Aber so war er, immer alles rechtzeitig organisieren. Da weine ich heute noch vor lauter Rührung wenn ich an diese Episode denke.

Ich drücke euch ganz fest

Ciao
Friedl

14.08.2004, 19:38
Hallo Friedl,

habe gerade noch einmal Deinen ersten Beitrag gelesen und vieles trifft mein eigenes Empfinden, dass ich gerne noch einmal darauf eingehen möchte:

Ich hatte meiner Mutter gegenüber in ihrer Krankheitszeit ganz oft ein schlechtes Gewissen. Unsere Familie war nie eine, in der ständig umarmt und geküsst wurde. Austausch von Zärtlichkeiten und wie gut das tut, habe ich anderswo kennengelernt. Konnte es aber in den Umgang mit meiner Mama nur ganz schwer einbringen. Ich hatte dabei immer ein Gefühl des Versagens. Und konnte dennoch lange nicht "über meinen Schatten springen". Erst als sie ganz hilfebedüftig war. Da kamen die zärtlichen Gesten und Worte ganz von selbst. Ich habe ihr sogar sagen können "Mama, komm gib mir Deine Hände, bleib ganz dicht bei mir, auch wenn wir zwei früher nicht viel geschmust haben. So waren wir halt und jetzt machen wir es noch einmal anders, holen ein bisschen was nach". Ich hoffe, sie hat mich verstanden. Und ich habe ihr auch gesagt, dass wir alle sie gehen lassen, es ihr von Herzen gönnen, wenn sie dieses Leben loslassen kann.

Fände es schön für Dich, Friedl, wenn Du Dir Deinen Vater auch "auf einer weißen Wolke sitzend" vorstellen könntest. Umgeben von Menschen, die er in seinem Leben kannte und die ihm vorausgegangen sind. Aber ich bin keine fromme Kirchenmaus, die ihren Glauben partout jemandem aufdrängen will.

Ein friedvolles Wochenende Euch allen, Billa

26.08.2004, 18:28
Hallo ihr Alle,

an Billa danke für deine liebe Suggestion von der Wolke. Ich bin aber eher mathematisch-naturwissenschaftlich orientiert, da klappt es leider nicht so ganz mit der Wolke.

Ich glaube dass der ganze Kosmos einfach nur da ist und wir nur ein winziges unbedeutendes Staubkorn in diesem Kosmos sind. Sonst bin ich eher o.B.

Und wenn Leben endet, dann ist das für mich wie wenn nach und nach alle Schaltkreise abgeschaltet werden und sobald der letzte Schaltkreis abgeschaltet ist, ist einfach "Nichts"

Ein weiterleben nach dem Tode gibt es schon, aber das findet in uns Weiterlebenden statt.
Sterben und tot sein ist wahrscheinlich wie traumlos schlafen, mit dem Unterschied dass man nicht mehr aufwacht.
So hat halt jeder seine Hilfskrücken um sich das Unvorstellbare doch irgendwie vorzustellen.

Interessant war, dass mein Vater, ebenfalls o.B. eine Woche vor seinem Tod sagte: "Himmelvater was machst du nur mit mir?" ???

Ich bin derzeit in einer eigenartigen Zwischenphase, die Einäscherung war schon, die Beisetztung der Urne ist erst in einer Woche. Irgendwie habe ich ein Gefühl, dass etwas unerledigt in der Luft hängt.
Ich denke nach der Beisetzung wird sich das auch besser werden.

Ich denke sehr oft an meinen Vater, die Gedanken sind aber nicht schmerzvoll. Es sind meistens Kurzfilme die irgendeine Episode seines Lebens beinhalten und scheinbar wahllos hochkommen.

Ich genieße das richtig, "Ihn zu sehen, wie er war" und bin schon richtig neugierig welche Kurzfilme mein Gedächtnis für das Wochenende für mich bereithält.

Ich wünsche euch allen viel Kraft, um durchzuhalten, um loszulassen um wieder ins Leben zurückzukehren und allen die die letzte große Reise noch vor sich haben, dass sie recht bald beginnt. Denn dann wird alles gut werden.

Seid umarmt
Ciao
Friedl

27.08.2004, 11:34
Hallo Ihr Lieben,

wenn ich Eure Zeilen lese, bin ich sehr betroffen und der schwere Weg meines Vaters kommt wieder hoch. Er hat uns vor einem Jahr verlassen und wird seine Enkeltochter, die in zwei Wochen geboren wird, nicht kennenlernen.

Aber ein Satz hat mich immer getröstet:

"Ich bin nicht tot,
ich geh' nur durch andere Räume.
Ich leb' in Euch
und geh' durch Eure Träume"

Ich weiß, er ist immer bei mir. Immer.

Und Eure lieben werden das auch.

Liebe Grüsse

Janine

14.09.2004, 15:13
Hallo Friedl und alle anderen,
bin noch etwas benommen von Euren Texten und stelle immer wieder fest, dass diese Gedanken, das Mitgefühl und die lieben Worte, die Ihr findet, wahrscheinlich nur von denen formuliert werden können, die selber einmal das alles durchgemacht haben.

Mittlerweile müsste bei Dir, Friedl, auch die Urnenbeisetzung stattgefunden haben und ich hoffe, dass Du so langsam Ruhe findest und nicht mehr so in der Luft hängst.Nach der ganzen aufregenden Zeit nach dem Tod, in der man viele Dinge tun muss, die man -so war mein Empfinden- roboterartig tut, weil sie einfach dazu gehören, kommt man in diese Nachdenk-Phase, das eigene Leben trittt nach langer Zeit mal wieder in den Vordergrund.
Und wenn mit den ersten drei, vier Monaten auch ein ganz kleines Stück Abstand da ist, fragt man sich in der Retrospektive, was für einen Wahnsinn man da eigentlich ausgehalten hat. Ich finde, die Begegnungen mit dem Tod, das Begleiten eines sterbenden Menschen, der einem so nahe steht, ist in Anbetracht ds Wissens, dass man selber "da" bleibt, absoluter Wahnsinn. Diese Hochs und Tiefs, die man angesichts immer neuerer Untersuchungserebnisse, Therapieansätze und Rückschläge erlebt, sind einfach nicht anders zu beschreiben.

Du erzählst, dass Du Deinen Vater immer wieder vor Augen hast - ich hoffe, Du erinnerst Dich an schöne Szenen aus "gesunden" Zeiten, denn die haben ja den Großteil seines Lebens ausgemacht. Und wenn er am "Schluss" zufrieden in seinem Bett lag, kannst Du sicher auch ganz stolz auf Dich sein. Denn ich denke, dass jemand nur dann so aussehen kann, wenn er zufrieden von dieser Welt gegangen ist. Und nach dem, was Du erzählst, wie Ihr Euch in der ganzen letzten Zeit angenähert habt und die Krankheit zusammen durchgestanden habt, muss es für ihn ein ganz schöner Abschied gewesen sein.

Bei uns war dieses Bild am Ende genauso - und das erzähle ich nur, um Dir zu sagen: auch heute, drei Jahre nach diesem traurigen Tag, denke ich zwar oft an die schrecklichen Bilder aus der Krankheit, aber noch viel mehr an die "gsunden" Bilder aus der Zeit davor und auch besonders an das letzte Bild.
Was kann bei der Unausweichlichkeit des Todes schöner sein, als den Sterbenden zufrieden auf dei Reise gehen gelassen zu haben? Mehr kann man nicht tun!

Ich gebe Dir Recht, wenn Du immer wieder zu der Erkenntnis kommst dass man das da Gewesene nie mehr wieder darstellen kann. Auch ich denke heute oft, dass der ganze "Spuk" jetzt endlichmal vorbei sein könnte.
Wenn ich manchmal traurig bin, was ich immer mal aus heiterem Himmel bin, dann denke ich am Ende: Es ist ja nunmal nicht zu ändern...Dabei hilft mir die Vorstellung, dass das Leben auf diesem Planeten für meinen Vater am Ende die absolute Hölle war.
Womit wir bei dem Bild von der weißen Wolke wären...Ich will Dir auch nichts vorschreiben und Männer sind bei sowas sicher etwas pragmatischer als Frauen. Aber vielleicht hilft es Dir, wenn Du mal so traurig bist, dass Du fast verzweifeln könntest.
Ich denke, unsere Väter sind schon noch irgendwo "da oben". Womit ich absolut nicht meine, dass sie da sitzen und uns beobachten oder gar kontrollieren. Nein, ich denke, sie sind einfach da und es geht ihnen gut. Da oben gibt es Sonne, Blumen, keine Schmerzen und die Freiheit, an jedem Ort sein zu können. Diese Vorstellung macht mich glücklich und zufrieden. Vielleicht hilft sie Dir auch eines Tages.

Und vielleicht passieren manchmal auch bei Dir kleine Dinge, die Du Dir erst gar nicht erklären kannst. Ich bin wahrlich nicht jemand, der auf spirituelle Dinge steht (bin Juristin), aber manchmal (selten) passieren solche Dinge. Sie erschrecken einen nicht, sondern geben einem Kraft und die Sicherheit,dass es "da oben" gut geht.

Für die nächste Zeit wünsche ich Dir alles Gute! Sicher wird Dir das Gefühl, alles Erdenkliche für Deinen Vater getan zu haben, helfen, wenn es Dir mal nicht so gut geht. Vielleicht wirst Du Dich selber auch ein wenig verändern- in dem Sine, dass Dich nach diesen Grenzerfahrungen so leicht nichts erschüttern kann und Du manche Dinge aus einer anderen Ecke betrachtest.
Mit Deinem Vater verbindet Dich soviel, dass nur Euch beide verbindet. Möge Dir dieses Wissen Kraft und Größe geben!

Für Euch Alle alles Gute!

15.09.2004, 18:12
Hallo Stephie und alle Anderen,

nun ist auch dieser letzte formale Akt vorbei. Der Tag der Urnenbeisetztung war sein 75.Geburtstag. Es fand statt in Friesach in Kärnten seiner Geburtsstadt, gelebt hatte er in Wien.
Wir hatten wunderschönes Wetter, meine Schwester und ich hatten uns auf einen einfachen familiären Ablauf geeinigt. Und das ist wirklich gelungen. Durch den zeitlichen Abstand waren alle nicht mehr in Trauer versteinert es wurde viel über ihn gesprochen, seine Jugendfreunde waren auch da. Einige hatten alte Fotos mit die wir angeschaut haben. Es war ein sehr schönes Abschiednehmen.

Die virtuellen Bilder die ich von ihm habe sind aus guten Zeiten, aber auch der friedliche Anblick seiner sterblichen Hülle im Krankenhaus ist für mich gottseidank nicht negativ besetzt. Dieser Anblick steht dafür dass mein tüchtiger Vater es endlich geschafft hatte.

Alles Gute Euch Allen.

Ciao
Friedl

01.03.2005, 19:02
Hallo Friedl,

als ich das erste mal im Krebs-Kompass war , bin ich auf Deinen Eintrag gestossen,der mich sehr berührt hat.
Mein Vater ist am 06.02.2005 an Darmkrebs gestorben .
Er starb in seiner Wohnung ,meine Mutter und mein Bruder
waren mit dabei. Ich war einen Tag vorher noch bei ihm.
Er hat sich sehr gequält. Es ist so schlimm,wenn man nichts
machen kann.Aber das war kein Leben mehr.
Dadurch,das wir bis zum Schluß bei ihm waren,kann ich
das Ganze etwas besser verkraften.
Es hört sich vielleicht komisch an , aber wenn man jemanden
bis zum Schluß begleiten kann , ist das sehr positiv.
Ich bin sehr froh darüber , daß er erlöst ist.
Am 26.03. wäre er 79 geworden. Ein schönes Alter!
Alles Gute
Sabine 42