Einzelnen Beitrag anzeigen
  #1  
Alt 04.08.2016, 14:50
Depri Depri ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 04.08.2016
Beiträge: 1
Standard Wütend auf Krebskranke

Hi an alle!

Ich bin neu hier und schreibe über meine Schwiegermutter (70).
Ich denke Wut über die Kranken ist ein ziemliches Tabu-Thema, aber vielleicht lässt es sich mit Fremden leichter besprechen, als mit Bekannten.
Kurzfassung der Geschichte:
Schwiegermutter bekam Anfang des Jahres Diagnose Leberkrebs - im Prinzip Endstadium. Es folgten zwei/drei Palliativ-Chemos, die natürlich alles nur schlimmer gemacht haben.
Seit 3/4 Wochen keine Chemo mehr, zwei Wochen Palliativstation zum "aufpäppeln" und seit knapp zwei Wochen zuhause.
Es kommt täglich eine Person vom Palliativ-Team zum Anlegen der Infusion für Nahrung. Dennoch - seit sie aus dem Krankenhaus ist - haben die drei Kinder (34, 42, 45, berufstätig und mit Anhang oder Familie) jetzt immer wieder rotiert, dass jemand da ist (den ganzen Tag) und in der ersten Woche war sie auch in den meisten Nächten nicht allein, weil immer ein Kind da geschlafen hat.
Ich bin wütend, weil die Krebskranke ihr ganzes Leben versäumt hat sich ein eigenständiges Leben aufzubauen und nur für ihre Kinder/mit ihren Kindern gelebt hat. Etwas erleben und unternehmen wollte sie auch nicht, wo sie noch einigermaßen die Kraft gehabt hätte.
Jetzt fühlen sich die Kinder total verpflichtet sie nicht alleine zu lassen und alle drehen am Rad vor lauter Stress.
Mich ärgert, dass die Schwiegermutter nicht aktiv ihren Kindern mehr "frei gibt". Im selben Haus wohnen zwei mal Schwager und Schwägerin. Man kann jederzeit das Palliativ-Team anrufen und genug Kraft hat sie um mehr als ne halbe Schachtel Kippen am Tag wegzurauchen. In der ersten Woche habe ich die intensive Betreuung noch verstanden, weil man sich nach zwei Wochen Krankenhaus erst mal wieder gewöhnen muss, aber jetzt finde ich sollte es möglich sein mit kurzen Besuchen täglich klar zu kommen.
Ich selber habe seit 13 Jahren das erste Mal meine Anti-Depressiva ausschleichen lassen und seit der Krebs-Diagnose meine Bedürfnisse komplett hinten angestellt. Aber jetzt ohne Tabletten und mit Kleinkind (15 Monate) habe auch ich meine Grenzen.
Ich fühle mich ekelhaft auf sie wütend zu sein, weil ich manchmal auch denke, es sollte einfach schnell vorbei sein bei ihr. Sie sagt es ja schon selbst, dass sie gar keine Lust mehr hat. Aber warum dann den anderen alles noch so schwer machen? Es ist ja nicht so als ob die jetzt noch wahnsinnig viel Spass mit ihrer Mutter hätten Stichwort die wenige Zeit noch nutzen, die man hat...
Habt ihr solche Gefühle auch? Klar ist es was anderes, dass es meine Schwiegermutter ist und nicht meine eigene. Aber ich bin grundsätzlich pragmatischer bei älteren Menschen. Ich denke mir oft, wenn ich selber alt bin, will ich zum einen Menschen nicht zur Last fallen, zum anderen will ich auch nicht lange Leben, wenn ich körperlich oder seelisch nicht mehr dazu in der Lage bin.
Keine Ahnung, wie seht ihr das? Wie wohlwollend muss man im Angesicht des Todes sein? Wie viel Verständnis muss man haben?
Mit Zitat antworten