Einzelnen Beitrag anzeigen
  #963  
Alt 09.04.2014, 08:53
Grisu62 Grisu62 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 21.04.2013
Ort: Rhein-Main-Gebiet
Beiträge: 220
Standard AW: Unsere Zukunft löst sich gerade auf

Guten Morgen Ihr Lieben,

Phoenix, deinen Spruch über "besondere" Tage merke ich mir ... der trifft den Nagel auf den Kopf, ohne dass man ausfällig werden müsste...

Was meinen Mann angeht, habe ich im Moment eine große Sanduhr vor Augen...langsam, leise, aber ganz beständig läuft sie ab - am Anfang beinahe unbemerkt, aber mit scheinbar zunehmender Geschwindigkeit wird der verbleibende Sand weniger...

Er liegt den ganzen Tag auf dem (Bett-)Sofa und döst bzw schläft. Wenn es dann notwendig wird, nimmt er seine ganze Konzentration und Kraft für eine halbe Stunde zusammen, so wie gestern, und fährt mit dem Taxi zum Arzt, um dort ein Blutbild machen zu lassen. Wieder zuhause angekommen, schreibt er mir eine SMS, dass er jetzt mit dem Roller in die Stadt kommt, um mit mir einen Kaffee zu trinken... um dann wieder einzuschlafen. Er wirkt meist völlig desorientiert in Zeit und Raum. Heute morgen habe ich ihm seine Tabletten gegeben - er fragte nach der Uhrzeit und beschwerte sich, dass ich ihn so früh wecke "wie soll ich denn da mal ausschlafen?" - sprachs und schlief weiter. Wenn es nicht so traurig wäre, müsste/könnte man darüber lachen... Unsere Ärztin wollte ihn gestern eigentlich selbst in Augenschein nehmen, aber nach den Worten der Helferinnen "war er plötzlich weg" - hatte auch sein Rezept vergessen, das ich abends dann noch holen musste. Ich bin am Freitag bei ihr und muss unbedingt mal mit ihr reden, ob ich ihn überhaupt noch tagsüber allein lassen kann.

Ich merke übrigens in den letzten Tagen, dass es mir immer schwerer fällt, in meinem direkten Umfeld über die Situation zu sprechen. Das ist neu - bisher habe ich gerade am Arbeitsplatz mit sehr offenen Karten gespielt, um meine Kollegen darauf vorzubereiten, dass ich möglicherweise auch kurzfristig ausfalle, aber jetzt mag ich gar nicht mehr darüber reden...es ist wohl so, dass ich - solange ich nur "wusste", dass mein Mann sterben wird, genug Distanz hatte. Jetzt, wo es spürbar wird, ertrage ich es fast nicht...

Mädels, ich denk an euch und drück euch auch mal ganz feste, auch meine Daumen geb ich gern her, nur mit Kraft abgeben hapert's - die reicht derzeit gerade mal so für mich ...

Liebe Grüße
Grisu
__________________
"Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewißheit, dass etwas einen Sinn hat, egal wie es ausgeht." (Vaclav Havel)
Mit Zitat antworten