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Alt 22.03.2005, 22:06
Gast
 
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Standard Ehe auf dem prüfstand

Der Krebs macht vieles schwierig und auch vieles einfacher. So setzt man sich schneller über noch vor kurzem so hoch scheinende Mauern hinweg und stellt sein Leben in den Mittelpunkt - vielleicht zum ersten Mal im Leben. Dies bedeutet Veränderung, so oder so. Vielleicht war da schon lange das Gefühl, etwas verpasst zu haben, sich selbst nur in dieser einen Rolle gelebt zu haben, nie die Wilde, Verrückte, die Verführerin oder was auch immer gewesen zu sein. Ich glaube, dass nichts Neues, nur einfach verdrängtes auftaucht, in solch einer Situation. Plötzlich spricht man aus, was man so lange schon herunterschluckte. Plötzlich trennt man sich von belastenden Menschen, was einem vorher so unmöglich erschien. Man sagt Unsägliches, man tut unglaubliches. Man erkennt, dass nur man selbst sein eigenes Leben leben kann. Tut man es nicht, so zerplatzt es vielleicht wie eine Seifenblase...
So, genug man, man, man. Ich verstehe den Schmerz des Verlassenen. Ich verstehe die Reue der Frau, die so schnell nach dem neuen Leben griff und nicht richtig vom alten Abschied nahm. Dieses neue Leben hat so viele Facetten. In meinem Fall hat der Krebs unsere lange Beziehung endlich aus alten, starren Rollen befreit und so vieles möglich gemacht, was vorher unerreichbar erschien. Aber eigentlich habe vorallem ich mich befreit von unsichtbaren Grenzen und durch den Krebs meinen Standpunkt endlich auch vertreten mit aller Konsequenz. Ich habe meinem Mann gesagt, dass er niemals wieder dieselbe Frau haben würde. Niemals wieder eine, die so reagieren, agieren würde. Wenn er dies wolle, müsse er mit Suchen beginnen. Er blieb und wir sind glücklicher, befreiter.
Ich bin traurig darüber, dass ich den Krebs dafür benötigte und glücklich darüber, dass ich mir selbst immer mehr auf die Spur komme.
Seid lieb gegrüsst
Barbara
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