Thema: Vorwürfe
Einzelnen Beitrag anzeigen
  #8  
Alt 30.03.2005, 11:18
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Vorwürfe

Liebe Geli,
Na klasse das ist bei dir super schief gelaufen! Vor ähnlicher Frage stehen wohl früher oder später alle Angehörigen, so auch ich. Und ich habe es genauso gemacht wie du. Nur, ich habe glücklicherweise zwei Superchefs und auch Kollegen. Obwohl bei uns die Hölle los ist was das Arbeitspensum betrifft, hat er gesagt ich soll erst mal machen wie ich es brauche und wir sehen dann wie wir Fehlstunden mit Urlaub oder Verschiebung der Arbeitszeit wieder ausgleichen. Auch die Kolleginnen haben z.T. noch Arbeit von mir übernommen, obwohl sie selbst zu kämpfen hatten. Ich muss allerdings sagen, es war gerade zwei Wochen so, ich habe immer versucht es durch Gleitzeit auszugleichen und habe möglichst wenig gefehlt, weil ich dachte vielleicht kommt es ja noch schlimmer, dass ich den guten Willen aller noch nötiger habe, wenn er mehr Pflege bräuchte. Als er dann so durcheinander war habe ich gerade begonnen darüber nachzudenken, mit dem Chef zu sprechen ob ich vorübergehend Halbtags arbeiten kann. Im Zweifelsfall hätte ich auch die Arbeit geschmissen, in ein Heim wollte ich ihn auf keinen Fall geben! Ja – es kam nun alles anders…
Du hast nun so furchtbar viel Zeit … zum grübeln… oder wie versuchst du dich zu beschäftigen? Und deine Tochter so weit weg – ja ich glaube das ist schrecklich! Ja, es laufen viele gefühllose Leute rum und ich habe manchmal die Ahnung, denen geht es besser!? Ich frage mich dann immer: wäre ich bereit ähnlich „gefühllose“ Entscheidungen zu treffen? Wäre ich bereit mit dem resultierenden Gefühl, der Konsequenz dieser Entscheidung zu leben? Wohl nicht, sonst wären wir weniger sozial und fühlen uns letztendlich doch besser damit – oder? Und doch, du hast Recht, der Eindruck entsteht, dass es immer die lieben Menschen erwischt. Warum kriegen nicht Kindesmissbraucher Peniskrebs? Es ist so ungerecht und ich bin sehr sauer auf das Leben, aber es nützt mir nix!

Ich bin schon froh meine Arbeit zu haben und doch, da wir beim Thema „VORWÜRFE“ sind: ich fühle mich schrecklich, wenn alles so „normal“ – wie „vorher“ weiter geht, es geht natürlich nicht genauso weiter – aber es sieht oft so aus! Ich weiß nicht ob ich mich verständlich machen kann. Morgens stehe ich nach einer schlaflosen Nacht auf, angstvoll und kraftlos und möchte eigentlich Keinen („Fremden“) sehen. Dann frage ich mich wieso denn dieser Pflegedienst zum abklemmen der künstl. Ernährung nicht kommt – mein Liebster ist nicht da… Die vergangenen Monate war er, wenn er nicht im Krankenhaus war immer zu Hause bei uns, hat mich mal auf Arbeit angerufen, SMS geschrieben, wenn ich Feierabend hatte mit einem Cappuccino auf mich gewartet. Jetzt mache ich mir „VORWÜRFE“ ihn manchmal wegen Überstunden, die für einem Arztbesuch o.ä. gebraucht habe, warten lassen habe. Er hat mich verstanden, aber er war auch traurig, dass alles so war wie es war und das tut mir so schrecklich weh!

Hier auf Arbeit sind alle sehr nett, sie haben mich mit oberflächlichen Beileidsfloskeln weitestgehend verschont. Die Arbeit ist zu einem großen Berg gewachsen und ich habe wie gesagt das Gefühl einfach „weiterzumachen“. Aber ich muss sagen, irgendwas haben auch diese schlimmen Tage im Krankenhaus mit meinem Gefühl gemacht. Ich funktioniere z.T. einfach – ohne Gefühl – leer und ich habe Angst eine abgestumpfte, verbitterte Person zu werden (zu sein?).

So, das muss es erst mal gewesen sein für heute.
Viele Grüße – bis bald - Petra
Mit Zitat antworten