Thema: Für Michael
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Alt 26.01.2003, 19:17
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Standard Für Michael

Liebe Heike,
erst heute habe ich Deine Seite gelesen, vom Anfang bis zum Schluß.
Laß Dich umarmen und ganz fest drücken.
Bei vielen Deiner Beiträge liefen mir die Tränen, denn ich kann Dich so gut verstehen. Du beschreibst so viele Gedanken, die auch mich beschäftigt, ja, gequält haben und es immer noch tun. Die Fragen nach dem WARUM....auch ich habe sie gestellt.....wir werden niemals eine Antwort erhalten.
Die Frage: "Was hab ich nur getan?", Heike, die hab' ich mir auch gestellt. Es war letztes Jahr im Sommer, als die Ärzte dachten, Heinz würde nicht überleben. Ich habe sogar noch etwas hinzu gefügt: "Selbst der Liebe Gott gönnt ihn mir nicht!". Meine Tochter hatte mich im Arm und war entsetzt darüber. Aber in diesem Moment habe ich einfach so gefühlt und warum ich das gesagt habe, bezieht sich auf unsere "Geschichte" (Heinz und mir). Wir haben solange gebraucht, um uns zu finden und dann......?
Aber.....es geht gar nicht darum, was "wir getan" haben. Wir erzählen von unserem Leid, unserer Trauer, unserem Schmerz, weil wir unsere geliebten Menschen verloren haben. Es geht mir genauso wie Dir und allen anderen, die hier geschrieben haben, ich vermisse ihn.......
Dann sehe ich wieder die Bilder vor mir, wie er gelitten hat, die grausamen Schmerzen, die er ertragen mußte. Er hat sie ertragen, bewundernswert.....
Manchmal denke ich darüber nach, wie ihm zumute war, wenn ich auf Arbeit war und er allein zu Hause......
Er hat fast alles mit sich alleine ausgemacht, wenn ich bei ihm war, hat er mich nie spüren lassen, wie schlimm es eigentlich wirklich für ihn war.....
Er wollte nicht, daß ich traurig bin, er wollte mich lachen sehen und dafür hat er alles getan. Er wollte mich beschützen und schonen.......
Zum Schluß wollte er nicht mehr kämpfen, nicht mehr aushalten.
Ich mußte es akzeptieren.
Genau wie Du, hätte ich gerne noch viel viel länger an seinem Bett gesessen, seine Hand gehalten, ihn in den Arm genommen, mit ihm sprechen wollen, hätte alles dafür getan, um bei ihm sein zu können, so lange wie möglich.
Dann hatte ich ein Gespräch mit dem Pfleger, sehr lange, sehr intensiv und sehr ehrlich. Er bat mich, ihn loszulassen, zeigte mir auf, welche Lebensqualität er denn noch hat, daß es doch alles sehr schlimm für ihn sein muß, mitzuerleben, daß er sich alleine nicht mehr helfen kann, nur noch liegen, fast nur noch schlafen und wenn er mal wach wurde, unerträgliche Schmerzen zu haben, Atemnot, Panikattacken, die Angst zu ersticken.......
Es war einfach grausam.
Er selbst hat mal zu mir gesagt: "Das ist die Strafe dafür, daß ich soviel "Mist" in meinem Leben gebaut habe!"
Selbst wenn.....dies hat niemand "verdient"....
Ich weiß nicht, warum Menschen so leiden müssen, ich weiß nur eins, Deine Mutti, Dein Michael, mein Heinz und alle anderen sind nun von ihren Leiden, Schmerzen und Ängsten erlöst. Es geht ihnen jetzt besser und sie sind bei uns.....
Unser Leben geht weiter, mehr schlecht als recht.
Auch wir leiden, aber anders, wir müssen nicht diese grausamen Schmerzen ertragen "nur" den seelischen Schmerz.
Wer weiß, es kann uns alle treffen, wie würden wir reagieren, wenn wir dasselbe durchmachen müßten......? Vielleicht sehnen wir uns dann auch nach einem bladigen "Ende" und erst dann können wir nachvollziehen, was in unseren Lieben vorgegangen ist.
Würden wir darüber nachdenken, was dann aus unseren Angehörigen wird? Ich glaube nicht.
Heinz war ein fröhlicher, lebenslustiger Mensch, Pausenclown auf der ganzen Linie. Wenn ich zwischendurch mal lache, denke ich sofort an ihn, fühle mich "erwischt", aber der nächste Gedanke ist......er lacht jetzt auch, mit mir.
Er hatte so ein spitzbübiges Lächeln, ich hab' es so sehr geliebt......genau das sehe ich dann vor mir, dann lächele ich auch, aber anders.......

Liebe Heike, das ist jetzt sehr lang geworden, aber ich hoffe, Du verstehst, was ich damit sagen wollte.
Manchmal überkommt einen sowas wie Resignation (habe ich auch sehr oft). Aber nachdem ich alle Beiträge hier gelesen habe, in vielen mich selbst wiedererkannt habe, spüre ich auf einmal wieder so etwas wie Kraft.
Heike, laß uns nicht aufgeben, wir müssen weitermachen, im Sinne userer Lieben, sie wollen es so, wir tragen ihre Liebe in unseren Herzen und die macht uns stark.

Laß Dich nochmals drücken.
Liebe Grüße Gertrud (Mucki)

An alle anderen, die hier geschrieben haben, liebe Grüße und ganz viel Kraft.
Laßt Euch umarmen
Gertrud
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