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Alt 16.12.2003, 11:23
Gast
 
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Standard mein papa ,ein tapferer mensch

Hallo zusammen!

Darf ich mich bei Euch "einklinken"? Habe viele Eurer Einträge gelesen und fühle mich davon angesprochen. Denn irgendwie hab ich das Bedürfnis, dass ich meine vielen Gedanken irgendwo loswerden muss.

Bisher (seit etwa Mitto Oktober) habe ich nur gelesen hier im Forum, weil ich auf der Suche nach "Krebs im Endstadium" war und da bin ich halt auf den Seiten des Krebs-Kompass gelandet.

Eigentlich wollte ich schon viel früher schreiben, als mein Papa noch lebte. Aber da hatte ich noch mehr um die Ohren als jetzt. Vier Wochen ist es her, dass Papa eingeschlafen ist. Ich habe immer gedacht, dass ich besser mit seinem Verlust fertig werden würde, weil er schon 88 Jahre alt war. In diesem Alter muss man eben damit rechnen, dass es irgendwann zu Ende ist. Aber wenn man dann vor dieser Tatsache steht, fällt man doch in das "Loch".

Im Sommer 99 wurde die Diagnose Prostatakrebs gestellt. Er wurde operiert und es ging ihm danach wieder gut bis Anfang dieses Jahres. Da war der Krebs wieder gewachsen und zu dieser Zeit hatte Papa mir das erste Mal gesagt, dass er Krebs hat. Vielleicht gehörte er zu der Generation, die dieses Thema tabuisieren oder er wollte nicht, dass wir uns Sorgen um ihn machen. Wir, das sind meine Mama, meine Schwester (7 Jahre älter) und ich.
Auch nach der OP im Januar ging's ihm wieder gut, abgesehen von den "Wehwehchen", die man so in diesem Alter hat.
Aber Mitte Oktober wurde sein Zustand rapide schlechter. Ich war einige Tage bei meiner Schwester im Rheinland zu Besuch und als ich zurückkam und meine Eltern besuchte, habe ich mich richtig erschrocken. Das Wochenende drauf kam meine Schwester, sie meinte, man weiß ja nie, ob's das letzte Mal ist. Papa war schwach, hat oft gelegen und geschlafen oder vor sich hingedöst. Er sagte mir, dass er für den 30.10. eine Einweisung ins Krankenhaus hat von seinem Urologen. Mit dem habe ich mich noch unterhalten; er sagte mir, daß es mit Papa ganz schlecht aussieht. Vielleicht hat er noch drei Wochen, es können aber auch noch drei Monate sein.

An dem Abend, bevor er ins Krankenhaus sollte, brach er zusammen. Er hatte einen Schlaganfall erlitten und war rechtsseitig gelähmt. Als wenn er nicht schon genug gestraft war, jetzt auch das noch. Gott sei Dank war ich an diesem Tag bei meinen Eltern, denn meine Mama hätte nicht gewusst, was sie tun sollte. Mama leidet an Altersdemenz und Papa war eigentlich derjenige, der zu Hause "den Haushalt geschmissen" hat.

Also war Papa jetzt im Krankenhaus und Mama habe ich mit zu uns genommen. Meine Familie, bin lange (glücklich) verheiratet und habe zwei Kinder (16 u. 17 Jahre), sagte auch, dass wir Mama nicht alleine lassen können.

Anfang Nov. kam meine Schwester ein verlängertes Wochenende zu uns. An diesem Wochenende stand es um Papa sehr schlecht und wir haben zusammen mit meinem Neffen eine Nacht im Krankenhaus verbracht, weil wir nicht wollten, dass Papa alleine von dieser Welt geht. Aber er hat sich doch noch mal für einige Tage aufgerappelt. Für meine Eltern hatten wir ein ganz tolles Pflegeheim gefunden; dass sie nicht mehr in die alte Wohnung zurück konnten, war klar; Gott sei Dank auch ihnen. Papa hatte zwei Tage vor seinem Tod mich noch gefragt, wo kommen wir denn jetzt hin und er war zufrieden, als ich es ihm sagte. Den Tag drauf habe ich ihn zweimal besucht, vormittags mit Mama und abends war ich noch mal alleine lange bei ihm. Er war so unruhig gewesen und ich habe sein Hand gehalten und ihm die Wangen gestreichelt.

Als ich am nächsten Tag mittags nach Feierabend aus der Wohnung meiner Eltern noch Unterlagen holte, musste ich plötzlich fürchterlich weinen. Das war zu der Zeit, als er (doch alleine) im Krankenhaus eingeschlafen war. Als ich zu Hause ankam, erreichte mich der Anruf aus der Klinik. Mit meiner Mama habe ich dann noch bei ihm Abschied genommen. Wir haben noch drei rote Rosen von "seinen 3 Frauen" mitgenommen.

Weil Papa früher mich mal gefragt hatte, ob vielleicht Medizinstudenten noch etwas mit ihm "etwas anfangen" könnten, wenn er nicht mehr ist, habe ich in eine Obduktion eingewilligt. Ich denke, dass es in seinem Sinne war, wenn daraus noch andere etwas lernen können. Die Stationsärztin sagte, dass sie gerne eine Bestätigung möchten, ob ihre Vermutungen zutreffend waren. Sie waren es: der eigentliche Prostatakrebs hatte erheblich die Blase vereinnahmt, daher auch das ständige Blut im Urin. Außerdem war der Knochenbau befallen, wie aus den CT-Aufnahmen ersichtlich, die Lymphknoten im Bauchraum und die Lunge war befallen. Zu allem kam noch ein schwacher Herzinfarkt wenige Tage vorher. Armer Papa, mußte das alles sein?

Ich danke Euch erstmal für Euer offenes Ohr und drück Euch alle, denn ich glaube, dass es jetzt eine Zeit ist, in der wir alle unheimlich die vermissen, die uns jetzt von irgendwo sehen, wo wir noch nicht sind.

Liebe Grüße
Ulrike
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