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Alt 26.08.2009, 10:32
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Cee Cee ist offline
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Standard AW: Leben nach dem Krebs

oooha, ziemlich guter Thread

Der Schrecken, den ich mit Diagnose erhielt, verschlimmerte sich durch die nachfolgende Behandlung (OP/Radio-Chemo) um ein vielfaches und er ist bis heute nicht wirklich verschwunden. Dennoch tritt bei mir, jetzt ein Jahr später, diese einen schier mitreissende Angst immer mehr in den Hintergrund. Aber sie bleibt, was sie ist: Die Angst um mein Leben. Und ich teile mit allen anderen an Krebs erkrankten Menschen eines: Die stetige Rückkehr dieser Angst direkt vor dem nächsten Vorsorge-Termin. Dann ist sie wieder da. Frisch und völlig ungehemmt und so intensiv, als wäre sie nie fort gewesen...

Die Angst bestimmt nicht meinen Alltag. Aber sie führt mir quartalsmässig vor Augen, dass dieses erlebte Trauma noch lange nicht überwunden ist. Und jedes Mal ziept und zwickt es überall, so dass klar ist: Da ist was. Das muss was sein. Schliesslich tut es weh und es geht mir schlecht...

Glücklicherweise war bis heute jede Vorsorge ergebnislos.

Ansonsten hat mich die kürzlich beendete Reha körperlich wieder recht fit gemacht; ich fahre mittlerweile mühelos längere Strecken Fahrrad, bewege mich wieder sehr gerne und fühle mich weitestgehend wohl in meiner Haut. Allerdings habe ich noch immer Tage, an denen es nicht so recht will, da sammelt sich gerne auch mal wieder Lymphwasser in der Leiste und den Beinen oder es zwickt und quietscht im Rücken. Meine Lendenwirbel-Schmerzen sind aber auch wieder fast weg; die wachsende Muskulatur übernimmt wieder ihre Arbeit. Manchmal bin ich recht müde, mache zwischendurch auch gerne mal ne Pause. Leider habe ich noch immer wechselweise mit entweder Hitzeschüben (Wechseljahre) oder Migräne zu kämpfen, je nachdem, wie gut meine Hormongegabe eingestellt ist - aber den goldenen Mittelweg habe ich noch nicht gefunden; bin leider anfälliger für Migräne geworden.

Mein Seelenleben schwankt vor sich hin wie ein Segelschiff auf hoher See. Hat wohl auch etwas mit meinem ebenso schwankenden Hormonspiegel zu tun. Manchmal muss ich einfach weinen und bin näher am Wasser gebaut als vor der Diagnose. Die Krankheit hat mir meine Verletzlichkeit aufgezeigt und mich etwas weicher gemacht - aber auch kompromissloser und in gewisser Weise stärker: Ich mache nicht mehr, was mir gegen den Strich geht und wäge sehr genau ab, überlege was mir wichtig ist und handele danach. Einige "Freunde" habe ich aussortiert; negative Lebenseinstellungen und ständiges Nörgeln am Leben anderer Menschen geht mir auf die Nerven. Meine damalige Beziehung habe ich ebenfalls beendet, da sich leider auch während der Krankheit zeigte, dass ich mich auf diesen Mann nicht verlassen konnte. Es hat sich viel verändert. Ich habe viel verändert.

Ich denke nicht mehr ständig ans Sterben und habe mein Leben wieder weitestgehend normalisiert. Mit meinen Freunden bin ich während meiner Erkrankung noch viel näher zusammen gerückt und es tat und tut gut zu wissen und zu spüren, dass sie glücklich darüber sind, dass ich noch da bin - und das momentan gesund. Ich schreibe "momentan", weil es sich immer noch anfühlt wie "geschenkte Zeit" und ich einfach nicht weiss, wie lange sie andauern wird. Aber welcher "gesunde" Mensch weiss das schon?

Am 1.9. beginne ich wieder mit meiner Arbeit, was sicher auch ein Stück Normalität und Stabilität zurück bringt. Und nun freue mich auch darauf; vor 3-4 Monaten konnte ich mir nicht vorstellen, jetzt "schon" wieder zu arbeiten. Ich war einfach noch zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Seit Juni habe ich eine neue Liebe gefunden. Dieser Mann gibt mir sehr viel Halt und Kraft. Und es ist einfach schön zu spüren, dass der wer auf Augenhöhe ist, an dem man sich emotional "reiben" kann. Ich bin sehr glücklich


Mir fällt nichts ein, was ich schon immer machen wollte und nun unbedingt auf eine Liste zu erledigender Dinge muss... Ich habe eigentlich immer getan, was ich wollte, bis auf Dinge, die man sich nicht spontan oder mit ein wenig Sparen leisten kann. Aber was sich wirklich verändert hat: Ich schiebe jetzt überhaupt nichts mehr auf. Die Erfüllung meiner Wünsche und Träume knüpfe ich nicht mehr an Bedingungen "wenn das xxx fertig ist, mache ich endlich xxx...". Sofern ich es mir leisten kann, zeitlich, monetär und emotional, mache ich es einfach - egal, wie andere Leute das finden.

OK eines fällt mir dann doch ein: Ich wollte schon immer mal nach Grönland Und das werde ich auch machen - aber wirklich drängeln tut mich da nichts. Irgendwann werde ich da hin fliegen.

Wenn es mit meiner Liebe so weiter geht, werde ich nächstes Jahr nach Niedersachsen umziehen, mit Pferd, Katzen etc. Allerdings habe ich bereits jetzt das Gefühl, dass ein neuer Lebensabschnitt beginnt.

Der, nach dem Krebs
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Liebe Grüße

Cee


© HUNGER, PIPI, KALT - so sind Mädchen halt!
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