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Alt 24.09.2004, 08:34
Gast
 
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Standard Wie lange darf ich trauern???

Liebes Binchen, liebe Manu!

Habe hin und wieder still bei Euch mitgelesen und möchte heute einfach mal "meinen Senf dazugeben". Ich hoffe, es stört Euch nicht.

Es ist ja wirklich noch nicht lange her, daß Ihr Eure Papa's verloren habt. Da ist es doch ganz normal, wenn die Trauer noch groß ist. Last Euch nicht durch Mitmenschen dazu bringen, wieder so zu tun, als wenn Nichts passiert wäre. Ich weiß nicht, warum so viele denken, daß man nach ein paar Wochen wieder den vorangegangen Trott einschlagen muß. Es geht nicht, es ist eine ganz andere Situation.

Mein Papa ist "schon" 10 Monate nicht mehr hier und auch bei mir kommen immer noch mal traurige Momente hoch, an denen ich weinen muß. Zwar war mein Papa fast 20 Jahre älter als Eure und eigentlich muß man dann damit rechnen, daß ein Leben vorbei ist. Aber wenn man dann mit dem Krebs so konfrontiert wird und mitbekommt, wie es zu Ende geht, fällt man unweigerlich in ein Loch; das Alter spielt da keine Rolle.

Leider habe ich in unserer Familie schon viele Sterbefälle miterlebt, aber keiner hat mich so tief und so lange berührt wie der von meinem Papa. Vielleicht lag es auch daran, daß meine Mutter pflegebedürftig ist und Papa doch sehr lange in der Lage war, den Haushalt und alles drumherum zu erledigen. Meine Mama wohnt jetzt in einem Seniorenheim hier in unserer Nähe. Wir waren also nicht nur mit Beerdigung, dem ganzen Papierkram beschäftigt, sondern noch mit der Wohnungsauflösung und auch mit dem (anfänglichen) Gefühl, sie irgendwie abgeschoben zu haben.

Erst irgendwann im Frühsommer gab sich das und da hatte ich den Eindruck, jetzt kann ich an mich denken, meine Trauer ausleben. Im Urlaub (zu Hause) hab ich mich dann auch im Heim "abgemeldet" und hab die Zeit mit meiner Familie verbracht. Das tat uns allen gut.

Es wird irgendwann (hoffentlich noch lange hin) wohl wieder eintreten, das andere Elternteil hergeben zu müssen. Vielleicht kann man dann aus den Erfahrungen, die man jetzt machen musste, Nutzen ziehen. Habe auch schon mal daran gedacht, ob ich nicht doch hätte schwarz tragen sollen. Bin ich eigentlich nicht ein Freund davon, aber zumindest erkennen dann die anderen, was los ist und nehmen evtl. mehr Rücksicht. Oft ist doch die Rede vom TrauerJAHR, da wird wohl was wahres dran sein, der Mensch braucht eben lange, über den Verlust hinwegzukommen.

Ich wünsche Euch, daß Ihr weiterhin die Chance habt, Eure Traurigkeit zuzulassen, ohne daß Ihr von Eurer Umwelt "belächelt" werdet. Auf den Spruch "die Zeit heilt alle Wunden" habe ich mal gesagt: ja, mag sein, aber die Narbe bleibt und auch Narben können hin und wieder schmerzen.

Werde hier wieder verschwinden, seid aber trotzdem lieb gegrüßt von mir,
Ulrike
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