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Alt 21.12.2005, 19:52
Delia1 Delia1 ist offline
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Standard AW: Die Liebe meines Lebens

Mein lieber Schatz,

nun sind wir also wieder da aus England. Es war wieder so herrliches Wetter. Nur an einem Tag mußten wir die dickeren Pullover tragen, weil der Wind so eisig war aber sonst wieder nur dünne Sachen und den ganzen Tag wolkenloser blauer Himmel. In der Zeitung stand dort ein langer Bericht, warum alles noch grün ist und blüht.

Auch das Theater war fantastisch. Es ist faszinierend, wie ein Mann die Bühne so beherrschen kann und immer zwei Personen gleichzeitig spielt. Das Stück ist nun wirklich nicht leicht und doch waren jede Menge Kinder in der Vorstellung und sie alle waren die zwei Stunden mucksmäuschenstill und gebannt. Nach der Vorstellung waren wir noch am Bühnenausgang und haben uns ein Autogramm geholt. Auch dort, ungeschminckt, konnte man die Fasziniation von Patrick Steward spüren. Er sah einem direkt in die Augen und war für eine Sekunde nur für diesen einen Menschen da. Ich finde es zeigt immer das Interesse und den Respekt vor seinem Publikum, wenn sich der Künstler nach der Aufführung die Zeit nimmt um wirklich jedem ein Autogramm zu geben, der gewartet hat. Es war eine schöne Zeit in England und nun, wie beim letzten Mal, zurück in Kälte und Schnee bereiten wir uns auf Weihnachten vor.

RÜCKBLICK auf 2004

Der 17. Dezember sollte eigentlich der erste Urlaubstag von Carina und mir sein. Wir wollten nach Bad Tölz fahren. Du warst schon seit über einer Woche ziemlich gelb im Gesicht und den Augen. Aber du wolltest nicht zum Arzt gehen, denn schließlich warst du ja erst bei der Krebsnachsorgeuntersuchung und alles war OK. Als du am morgen ohne Aktenkoffer das Haus verlassen hattest, habe ich mich gewundert, aber du meintest nur: "Den brauche ich heute nicht." Gerade als wir aufbrechen wollten hast du angerufen und mir erzählt, daß du beim Betriebsarzt warst und der gemeint hat, du müßtest sofort ins Krankenhaus wegen der Gelbsucht und dich untersuchen lassen. Du hast mich gebeten nicht wegzufahren und da wußte ich, daß du schreckliche Angst hast. Normalerweise hättest du uns fahren lassen, weil du uns den schönen Tag gegönnt hättest und wärest allein zum Arzt gegangen. Aber du hattest schon so eine Ahnung, daß es dir nicht so gut geht. Später hast du mir erzählt, daß schon seit Tagen dein Urin so komisch aussah und dann noch die gelbe Farbe. Wir sind dann ins Krankenhaus und waren von 10 Uhr bis 14 Uhr dort. Wir sind von einer Untersuchung zur nächsten und dann das Warten. Man sitzt dort und wartet auf ein Wunder, man hofft auf eine gute Nachricht und wird doch vertröstet. Und dann kamst du zum letzten mal aus dem Zimmer und meintest, es wäre vielleicht was auf der Bauchspeicheldrüse und du müßtest ins Rechts der Isar zur genauen Untersuchung. Ich war so erschrocken, wich einen Schritt zurück und stammelte: " Nein, das bitte nicht." Wir haben zuhause die Tasche gepackt und sind los. Während du in der Notaufnahme warst, habe ich draußen gewartet. Diese schreckliche Zeit, wenn man da sitzt und wartet und sich die schrecklichsten und auch wieder hoffnungsvollsten Gedanken macht. Du kamst heraus und meintest, ich solle nachhause gehen, weil du dableiben müßtest und erst morgen auf die Station kommen würdest. Ich bin nachhause und mit Carina noch einige Stunden bei uns gesessen und wir haben geredet und geweint.

18. Dezember. Als ich dich besuchen kam, hattest du schon deine Endoskopie bekommen und warst bester Dinge. Der Stent den du bekommen hast, sollte die Galle abfließen lassen und du solltest endlich deine gelbe Farbe verlieren. Du bist dauernd rumgelaufen und mit mir zum Essen ins Restaurant. Dann kam die Ärztin und meinte, daß man bei der Untersuchung nichts gesehen hätte und sie würde am Montag wiederholt.

20. Dezember. Gottseidank hat die Sonographie geklappt und es mußte nicht die Leber punktiert werden. Aber leider hat man gesehen, daß der Tumor schon auf den Gallengang drückt und deine Blutwerte sehr schlecht sind. Ich hatte solche Angst um dich.

21. Dezember. Man hat dir versprochen, daß du über Weihnachten heim gehen kannst und erst am 27. wieder rein mußt. Du hast dich so gefreut und wir uns auch.

Nun ist das alles schon ein Jahr her und ich kann es kaum glauben, es scheint erst gestern gewesen zu sein.

Ich liebe dich
Delia
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