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Alt 02.08.2005, 12:45
Gast
 
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Standard Es ging so schnell!

Hallo zusammen!
Auch mein Vater (77) ist am 12.7., 6 Monate nach der Diagnose kleinzelliges BK, gestorben. Ich habe bis zuletzt Hoffnung gehabt, innersten wusste ich aber schon, dass es unumgänglich ist. 2 Wochen vor seinem Tod bin ich zu meinen Eltern gefahren, nachdem mein Vater von einem kurzen KKH Aufenthalt zurückkam und die Ärzte gesagt haben, aufgrund seiner schlechten Blutwerte könne die 5-te Chemo nicht mehr gemacht werden. Aufgrund starker Schmerzen musste er schon Morphin nehmen. Er hat fast nur mehr geschlafen, nichts gegessen , nur getrunken. Er wurde auch unwillig, sauer darüber, dass er so krank war und man konnte den Verfall von Tag zu Tag beobachten. Er hat auch viel fantasiert, er sprach immer von Traummenschen, seine Gastgeber hätten sich schon von ihm verabschiedet, er würde sich jetzt aus dem Staub machen. Dann widerum sprach er von Plänen, was er noch alles vor hat und dass er am nächsten Tag aufsteht und wieder gesund ist.In der Nacht, nachdem ich wieder wegfuhr, ist er nachts im Bad gefallen. Er musste ins KKH wegen einer Gehirnerschütterung. Dort fühlte er sich eingesperrt und ist nachts herumgewandert und hat den Ausgang gesucht. Am 12.7. vormittags war meine Mutter dort, er hat noch ein paar Erdbeeren gegessen, dann wollte er schlafen. Morgends sprach mein Bruder noch mit dem Arzt, und der sagte, es wäre alles in Ordnung. Um 13 Uhr, als der Arzt seinen Blutdruck messen wollte, war er ruhig, für immer eingeschlafen. Mein Vater war ein ewig aktiver Mensch und sehr rational. Dass er bettlägerig geworden war und anfing wirres Zeug zu reden, hat ihm den Rest gegeben, das wollte er nicht mehr ertragen. Trotz aller Trauer bin ich froh darüber, dass er nicht so lange ein unwürdiges Dasein ertragen musste. Ich bin auch froh, dass ich mit meinem Bruder kurz vor seinem Tod noch da war, wir waren sogar noch in seinem Lieblingslokal, wo er etwas Suppe essen konnte und einen Wein getrunken hat. Als er mich um eine Zigarette bat ( es war seine letzte), obwohl er seit der Diagnose nicht mehr geraucht hat, da wusste ich, dass er es auch wusste. Mein Vater hat sonst nie über seine Krankheit gesprochen, er hat gekämpft und war der Meinung, dass ihn nichts umbringen kann.
Die Beerdigung habe ich wie in Trance erlebt. Mein Vater war eine bekannte Persönlichkeit in dem Ort, er hat ein paar Generationen musikalisch geprägt. Bei der Beerdigung haben ca. 60-80 ehemalige Musikschüler gespielt, zum Schluss ein jazziges Stück. Ich stand vor dem offenen Grab, die Tränen liefen und da sah ich ihn: mein Vater sass unter einem Baum, auf der Friedhofsbank, Beine übereinandergeschlagen, ein Bein wippte mit, er rauchte eine Zigarette, lächelte zufrieden. Er sah jung aus. Ich musste dann auch etwas lächeln.
Ich bin überzeugt davon, dass mein Vater irgendwo weiter, anders existiert. Er sagte auch mal ganz zum Schluss, als im Fernsehen etwas über das Weltall lief: da bin ich auch bald.
Das letzte halbe Jahr, seit der Diagnose war hart, das Hoffen, die Verzweiflung, täglich Telefonate mit der Mutter, sie trösten, sich selber trösten etc. Allen, die so etwas hinter sich gebracht haben oder es noch vor sich haben, wünsche ich viel Kraft! Das Leben geht weiter, nur anders.
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