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Alt 26.06.2001, 19:19
Gast
 
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Standard Hilfe für Hinterbliebene

Ich habe am Bett meines sterbenden Sohnes gesessen und es gab absolut keine Chance für ihn. Ich kenne das Gefühl! Ich hatte 5 Tage und Nächte nur Stunden oder Minuten am Bett gedöst und mir die Seele aus dem Leib geheult. Ein Leben ohne ihn konnte ich mir nicht vorstellen! Dann kam der Punkt wo ich aufgestanden bin und mich vor das Bett gestellt habe (ich bin nicht gläubig). Ich habe die Hände auf seinen Kopf gelegt und laut gesagt: "Ich kann nicht mehr, ich bin am Ende. Ich liebe dieses Kind mehr als alles auf der Welt. Er ist mein Lieblingssohn und ich fühle mich schuldig, weil das so ist. Ich gebe auf. Ich weine nicht mehr. Ich akzeptiere jede Entscheidung, aber ich will eine Entscheidung! Nimm dieses Kind oder laß es am Leben. Ich beuge mich dem Schicksal und weiß nun wie klein und machtlos wir alle sind." Dann wurden wir beide ganz ruhig...

Er starb nicht und wurde sehr schnell gesund. Zukunft? Wir hatten gar keine, also werden wir danach nicht fragen. Im Moment ist alles bestens und die Prognosen sind gut!
Die Szene wiederholte sich 6 Monate später am Sterbebett meines Vaters. Diesmal starb ein lieber Mensch. Krebs! Aber ich habe das Gefühl ich habe mir damals in jener Nacht klar gemacht, daß man akzeptieren muß und trauern darf...und daß man weiterlebt und wieder lachen wird.

Das Gespräch mit dem Chefarzt damals hat mir sehr geholfen. Mich marterten Fragen:
Woher kam diese seltene Kinderkrankheit?
Hätte ich es verhindern können?

Warum hat der Arzt die Darmblutungen meines Vaters auf seine Herzmedikamente geschoben?
Würde mein Vater noch leben, wenn damals sofort eine Darmspiegelung gemacht worden wäre?
Haben sich in dieser Abwartezeit die tödlichen Lebermetasthasen gebildet?

Der Chefarzt sagte. Martern sich sich nicht mit der Vergangenheit und den Ursachen. Gehen sie die Zukunft an! Trauern sie, verarbeiten sie...die Vergangenheit kann man nicht ändern, wohl aber die Zukunft beeinflussen. Jeder Mensch hat Schicksalsschläge zu ertragen aber man muß nach vorne schauen!

Ich wünsche Dir, daß Du dieses Erlebniss mit Deinem Neffen verkraften lernst. Es wird immer ein dunkler Punkt bleiben und immer wieder werden mal Tränen kommen. Vielleicht hilft Dir ein fröhliches Bild von ihm oder ein anderes Souvenir. Er war da! Nur das zählt noch!
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