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Alt 16.02.2011, 15:18
tischlerin tischlerin ist offline
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Standard AW: Müssen wir akzeptieren, was wir nicht begreifen wollen?

Liebe Weltuhr!
Ganz ehrlich, ich weiß es nicht, wie ich es geschafft habe, nicht daran zu zerbrechen, bzw wie ich es jetzt schaffe, nicht daran zu zerbrechen. Von der Diagnose bis zu seinem Tod sind 22 Monate vergangen, 21 Monate waren so sehr von Hoffnung geprägt, dass diese Hoffnung mein großer Halt war. Das letzte Monat, als meinem Bruder aus humanmedizinischen Gründen jede kurative Behandlung verweigert wurde und er nur mehr palliativ behandelt wurde, entwickelte ich von irgendwoher solche Kräfte, dass ich das alles irgendwie durchgestanden habe. Aber eben nur irgendwie! Mein Bruder war ein Kämpfer bis zuletzt, erst vier Tage vor seinem Tod habe ich plötzlich das Gefühl gehabt, jetzt ist es aus, jetzt hat er aufgegeben. Und so war es auch.
Von außen geholfen hat mir der Psychologe der Palliativstation, der immer für mich und meinen Bruder und meine anderen Familienangehörigen da war. Auch meine anderen Geschwister, wir haben uns gegenseitig Halt gegeben. Aber liebe Weltuhr - bitte versteh mich nicht falsch, ich möchte Dich nicht noch weiter runterziehen, ich sage Dir das, damit Du die Zeit mit Deinem Papa noch gut nützt - der Hammer kam erst, als mein Bruder gestorben ist. Denn als er krank war, hatten wir uns noch, zwar krank, zwar leidend, zwar schwach, aber er war da. Obwohl ich es immer wieder gehört und immer wieder gesagt habe, dass mein Bruder sterben wird, ist es nie bis in mein Bewußtsein durchgedrungen, erst als ich neben seinem toten Körper saß, wußte ich es, ist es in mein Bewußtsein vorgedrungen, dass diese schreckliche Krankheit ihn getötet hat. Die Zeit danach ist für mich noch viel schlimmer, denn je länger es dauert, dass ich ihn nicht mehr gesehen habe, desto mehr vermisse ich ihn. Und der Alltag läuft weiter, ich will das manchmal gar nicht, ich möchte die Zeit zurückdrehen und wieder einen lebenden, gesunden Bruder haben. Aber ich weiß, dass das nicht möglich ist, und das macht mich unendlich traurig und manchmal auch wütend.

Was ich Dir raten kann:
1. Nimm Dir soviel Zeit wie möglich für Deinen Papa. Besprich, was noch zu besprechen ist, erfülle ihm Wünsche, die er hat, gib dem Zusammensein zwischen Dir und Deinem Papa einen hohen Stellenwert. Du wirst Dich für ewig an diese Zeiten erinnern und sie werden Dich trösten. Was Du jetzt nicht mit ihm machst oder sprichst, kannst Du nie mehr nachholen. Jetzt ist er noch da, jetzt kannst Du noch bei ihm sein!
2. Hol Dir Hilfe von einem Psychologen, der auf Krebserkrankungen spezialisiert ist. Sei es im Hospiz, sei es bei der Krebshilfe oder sei es auf der Palliativstation. Das hat mir immer gut geholfen, dort sitzen weinen, alles erzählen und einfach verzweifelt sein dürfen und einmal nicht funktionieren müssen.
3. Ich habe sehr viel aufgeschrieben, was in der Zeit seiner Krankheit passiert ist , ich habe alle seine Mails aufgehoben, es tröstet mich, darin zu lesen, was er noch gesagt und geschrieben hat.

Diese drei Ratschläge klingen sehr phrasenhaft, aber es waren die einzigen Dinge, die ich tun konnte und die mir damals eingefallen sind, mehr kann ich Dir leider nicht sagen. Die Traurigkeit, die Verzweiflung, die Wut kann ich Dir, kann Dir keiner nehmen!

Aber was mir gut tat, muß nicht für jeden anderen zutreffen, höre auf Dich und was Dich im Augenblick tröstet.

Darf ich fragen, in welchem Stadium von BSDK Dein Papa ist?

Ich schicke Dir soviele Kräfte, wie nur möglich!

Geändert von tischlerin (16.02.2011 um 16:56 Uhr)
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