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Alt 12.06.2015, 19:08
T'Pau T'Pau ist offline
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Standard AW: ATP-TCA Erfahrungen mit Chemosensitivitätstest

Hallo zusammen!

Also ich hatte im Königinnen Thread ja schon vor ein zwei Tagen angekündigt etwas mehr zu unserer jetzigen Geschichte zu schreiben. Ich denke hier ist ein geeigneter Ort, weil das Thema ATP-TCA Tests für uns gerade das Aktuellste und Interessanteste ist.

Ich versuche alles mal so zu formulieren, dass ich möglichst nicht mit den Nutzungsbedingungen des Forums in Konflikt komme und vielleicht interessante Informationen dabei heraus springen.
Also:
Der folgende – leider recht lang gewordene- Text basiert auf einer persönlichen Einzelerfahrung, die sich nicht unbedingt auf andere Fälle und Krankheitsverläufe übertragen lässt. Dazu ist eine Krebserkrankung zu individuell. Die Schilderungen und Überlegungen betreffen eben diesen Einzelfall und ersetzen auf keinen Fall eine kompetente ärztliche Beratung!
Die ganze Story gestaltet sich ziemlich lang. Damit es einfach zu lesen wird scheib ich vielleicht besser Kapitelweise:

Kapitel 1. Die Vorgeschichte:
Meine Partnerin wurde Nov. 2011 mit Ovarialkarzinom FIGO IV Plauraerguss diagnostiziert. Es erfolgt die übliche Therapie aus OP (R2 da inoperable Rippenfellmetastasen) und 6 Zyklen Carboplatin/Taxol.
Vollremission und 2,5 Jahre Ruhe.
Das erste Rezidiv im Feb 2014. Es gab 6 Zyklen Carboplatin/Caelyx/Avastin (Studie) und wieder eine Vollremission. Aber mit Avastin gab es viele Nebenwirkungen und auch ernsthafte Komplikationen außerdem stieg der Tumormarker nach Abschluss Chemo bald wieder an.
2. Rezidiv im Januar 2015. Seit März. Gemcitabine mono. Damit moderat fallender TM bis April dann Stagnation und wieder Anstieg.
Vorgeschlagene neue Therapie: Ab Mitte Juni Topotecan mono.

Kapitel 2. Der erste Kontakt
Wie weiter oben im Thread beschrieben hatten wir im August 2014 unseren behandelnden Arzt auf den Test angesprochen – rein aus theoretischem Interesse, weil wir davon im Journalonko gelesen hatten. Zu dem Zeitpunkt galt ja gerade die Vollremission.

Salopp gesprochen war die Reaktion so, als hätten wir nach transzendental meditativen Kreistänzen gefragt.

Nach der zweiten Rezidiv Diagnose hatten wir aus verschiedensten Gründen das Bedürfnis den behandelnden Arzt und die Klinik zu wechseln.
Bei den Gesprächen mit drei anderen Ärzten wurde dreimal gefragt warum denn jetzt Gemzar mono gegeben würde.

Arzt A. hätte noch einmal Platin plus Gemzar probiert, obwohl andere Ärzte von einer erworbenen Platinresistenz ausgehen.

Ärztin B. hätte Topotecan gegeben. „Aber, wenn sie schon mit Gemzar angefangen haben, geben wir es weiter solange es hilft danach dann Topo“.

Arzt C. meinte er würde Taxol bevorzugen, aber bei den Monotherapien wären die statistischen Unterschiede nicht soo groß und das Ansprechen wäre ja stark individuell geprägt. Auf die Frage nach einem Chemosensitivitätstest kam dann gleich die Antwort. Bei uns können sie den nicht machen, aber sie können ja sich ja mal bei Dr. XYZ beraten lassen.

Wir haben uns dann entschieden die weitere Behandlung bei Ärztin B. zu machen und parallel auch einmal mit Arzt XYZ zu reden.

Kapitel 3. Basisinformationen
Das Gespräch mit Dr. XYZ war ziemlich gut für mich. Er konnte (endlich mal) gut erklären wie es sich mit den Resistenzen verhält –soweit das Problem überhaupt wissenschaftlich verstanden ist. Warum „erworbene Resistenzen“ auch wieder weg gehen können etc.
Solange die momentane Therapie wirkt, hat er von einem Test abgeraten. „Den brauchen sie ja gerade nicht, weil der TM ja fällt. Aber wenn er wieder steigt, können sie den Test bei uns machen lassen.“
Dann hat er dezidiert die Vor- und Nachteile erläutert.
  • Der Test macht eine Momentaufnahme, der Tumor kann sich verändern. Was sich heute als wirksam zeigt kann sich in x Monaten ganz anders präsentieren.
  • Es gibt Tumorarten da ist der Test ganz und gar sinnlos, weil die sich rasant schnell verändern. EK gehöre aber nicht zu denen. Aber ein „Test auf Vorrat“ ist nutzlos, es muss immer zeitnah vor der Therapie sein.
  • Tumorzellen in der Petrischale können sich anders verhalten als Tumoren im Menschen. Der Test kann ein Anhaltspunkt für die Wirksamkeit eines Medikaments sein, ist aber kein endgültiger Beweis.
  • Laut seinen Arbeiten/Studien läge aber die Trefferrate für die Wirksamkeit bei Eierstockkrebs bei 80%
  • Ein Medikament, das die Tumorzellen im Labor nicht am Wachsen hindern kann, wird mit nahezu 100% die Tumore im Menschen auch nicht aufhalten.
  • Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen den Test in der Regel nicht, weil er kein anerkannter wissenschaftlicher Standard ist.
Kapitel 4. Die Entscheidung
Nachdem Gemzar Anfang Mai endgültig versagt hat (richtig eingeschlagen hat es gar nie), haben wir uns die Sache noch einmal genau überlegt und S. hat ihre persönliche Entscheidung getroffen:

Sie hat keine Lust (und vielleicht auch keine Kraft mehr) aus der Kollektion der noch möglichen Monotherapien einfach nur die auszuprobieren, mit der der aktuell behandelnde Arzt/Ärztin die besten Erfahrungen gemacht hat, um dann nach 2-3 Monaten zu sehen ob der Krebs darauf nun resistent ist oder nicht. Sie will zumindest, die Chemos ausschließen, die schon in der Petrischale nicht wirken.

So hat sie es auch ihrer behandelnden Ärztin mitgeteilt.
Diese gab das notwendige Statement: Nicht wissenschaftlich anerkannt, wir raten nicht dazu, teuer und die Krankenkasse zahlt das nicht!
Sagt dann aber auch so etwas wie: Wenn sie diesen Test wollen und ihn wo anders machen lassen, respektieren wir ihren Wunsch und beachten das Ergebnis bei der Therapieauswahl.

Kapitel 5. Das Vorgehen.
Um den ATP-TCA Test zu machen braucht es vitale (lebende) Tumorzellen. Entweder eine frische Gewebeprobe von einer OP, Gewebe von einer Biopsie, eine gewisse Menge einer punktierten Aszites oder eines Pleuraergusses. Dies muss innerhalb von 24 Std. leicht gekühlt im Labor ankommen, um verwertet zu werden.
Bei S. kam eine Biopsie eines befallenen Lymphknotens in Frage. Zunächst wollten wir das bei Dr. XYZ machen lassen. Aber die behandelnde Ärztin hier vor Ort war auch dazu bereit und das war doch bequemer. Das Labor hat uns einen Transportbehälter geschickt und dann einen Kurierdienst mit der Abholung und dem Transport der Probe beauftragt.
7 Tage später war das Ergebnis da.

Kapitel 6. Das Ergebnis:
Inder Petrischale können verschiedene Mittel den Tumorzellen nichts mehr anhaben. Darunter:
Carboplatin (keine Überraschung),
Gemcitabine (weiß ich auch schon)
noch zwei Mittel von denen ich noch nie gehört habe und
Topotecan. Hoppala, genau damit hätte S. jetzt anfangen sollen…

Es gibt ein paar Medies, welche die Zellen in Schach halten können.
Es gibt aber auch noch welche, die zumindest im Labor so richtig gut wirken.

Darunter Taxol und Treosulfan und noch ein paar andere.

Allein das Wissen, dass da noch Pfeile im Köcher stecken, die noch gutes Potential haben können ist sehr, sehr aufbauend!

Wir hatten nun ganz stark mit Taxol weekly gerechnet.

Aber wir kamen gestern zu dem Gespräch mit der Ärztin und wurden empfangen mit dem Worten:

"Wir haben das Ergebnis ihres Tests gestern in der Tumorkonferenz besprochen. Topotecan fällt ja weg, wir schlagen also Treosulfan vor."

Auf die Nachfrage warum war die Antwort. "Weil es die wenigsten Nebenwirkungen hat und sie in den letzten Wochen sowieso schon so gelitten haben. Außerdem haben wir hier damit gute Erfahrungen gemacht."

Taxol und das ganze andere Zeugs ist noch im Rennen für später mal. Zunächst ist S. vom moderaten Nebenwirkungsprofil (kein Brechen, kein Haarausfall, keine Nervenprobleme) und dem hohen Ansprechen im Labor überzeugt.

Kapitel 7. Das Fazit
Kann eigentlich erst in ein paar Monaten gezogen werden, wenn man absehen kann wie die neue Chemo wirkt.
Zunächst einmal hat dieser Test ein Loch in unsere Urlaubskasse gerissen. Aber an große Reisen muss man erst einmal denken können. Wenn ich andererseits bedenke, dass wir 2-3 Monate lang ein Medikament versucht hätten, das nicht einmal ein paar Zellen in der Petrischale etwas anhaben konnte aber natürlich auch seine Nebenwirkungen hat. Da müsste mir erstmal jemand ganz genau und schlüssig erklären wieso es in vivo besser klappen sollte.

Uff, sorry für den langen Erguß aber irgendwie hat mir das Aufschreiben auch gerade gut getan

Grüßles
T'Pau

Geändert von T'Pau (15.06.2015 um 13:54 Uhr)