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Alt 02.02.2010, 08:43
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McBabbel McBabbel ist offline
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Standard AW: Heaven can wait...

Die Zeit bis zur ersten Nachsorgeuntersuchung:

Am 30.08.2009 wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Die zweite Chemo ging ohne Nebenwirkungen über die Bühne, während die Auswirkungen der Bestrahlungen mich enorm beutelten. Sechs Wochen später stand der erste Nachsorgetermin (12.10.2009) mittels eines MRTs im DKFZ an.

Eine körperlich sehr anstrengende und schmerzhafte Zeit, die ich zum Nachdenken und zum intensiven Gedankenaustausch mit meiner Frau nutzte. Wie konnte es zu dieser Erkrankung kommen? Bin ich selbst „schuld“? Was hätte ich/wir anders machen können/sollen, um einer solchen Krankheit vorzubeugen? Ist es erforderlich, mein/unser Leben zu verändern? Fragen über Fragen...

Zu meiner Person: Ich bin Jahrgang 1957, war also zum Zeitpunkt der Krebsdiagnose 52 Jahre alt, bin glücklich verheiratet, ohne eigene Kinder, habe aber einen zauberhaften Enkel im Alter von fünf Jahren, ein lebhafter Sonnenschein, der uns die schönsten Glücksgefühle beschert. Beruflich bin ich selbständig, keine Schulden, finanziell trotz Finanzkrise bestens abgesichert und arbeite seit einigen Jahren nur noch aus Spaß an der Freude. Unangenehme Kunden habe ich stets ausgelistet. Ein sorgenfreies Leben, da kann man doch keinen Krebs bekommen, dachte ich...

Von Seiten der Eltern war ich jedoch vorbelastet. Mein Vater starb im Alter von 48 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs und meine Mutter bekam im Alter von 60 Jahren Darmkrebs, den sie mittels einer erfolgreichen Operation besiegte. Aufgrund dieser familiären Vorbelastung unterzog ich mich regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen, Magen- und Darmspiegelungen, Prostata, usw. das ganze Programm eben...immer ohne Befunde...

...Warum es mich trotzdem erwischt hat?...Für mich und die Ärzte gab es rückblickend keine Erklärung...Bringt auch nix...Was soll’s?...Shit happens...

Als realistischer Optimist ging ich die Krankheit offensiv an. Ich redete viel darüber und war bereit, die vorgeschlagenen Therapien nach gründlicher Hinterfragung ohne Wenn und Aber zum Wohle meiner Gesundheit in Angriff zu nehmen. Beruflich hatte ich alles im Griff. Während meiner beiden stationären einwöchigen Krankenhausaufenthalte managte meine Frau den Laden. Zwischen den beiden Chemointervallen arbeitete ich während den drei Wochen ambulanter Bestrahlung ohne Probleme voll durch. Ich fuhr Auto und konnte trotz körperlicher Beanspruchung wie immer arbeiten. Die Ärzte befürworteten sogar meine Arbeit, zum einen weil sie vom Grübeln ablenkte und zum anderen weil sie der Meinung waren, einen totalen Umbruch der bisherigen Lebensgewohnheiten nicht zu abrupt durchzuziehen. Hierzu wäre ein späterer Zeitpunkt, falls von mir und meiner Frau beabsichtigt, eventuell sinnvoller. Meine Kunden und Lieferanten hatte ich in meine Krankheit eingeweiht. Einige konnten mit meiner Erkrankung gut umgehen und redeten mit mir offen über deren Verlauf. Andere taten sich schwer und schwiegen das Thema einfach tot.

Meine schlimmste und schmerzhafteste Zeit begann nach der Entlassung aus dem Krankenhaus und gleichzeitigem Abschluss der fünfwöchigen Radio-Chemo-Therapie. Nix ging mehr. Vor Schmerzen konnte ich weder gehen noch sitzen. Dauerhaftes Betthüten mit Hochlagerung des Hodensacks war angesagt. Mein Onkologe stellte zusätzlich eine bakterielle Entzündung im Genitalbereich fest. Er verschrieb ein Antibiotikum und verordnete einen ambulanten Pflegedienst, der morgens und abends meine offenen Wunden versorgte. Meine Frau wäre mit der Wundversorgung überfordert gewesen. Ich hatte trotz hoher Dosierung des Schmerzpflasters Schmerzen ohne Ende. Solange der Pflegedienst mich behandelte mimte ich den starken Maxe, biss innerlich vor Schmerzen auf ein geistiges Beissholz. Kaum war der Pflegedienst aus dem Hause, brach ich vor Schmerzen regelrecht zusammen, ich rang um Fassung. Meine Frau tröstete mich und versorgte mich aufopfernd rund um die Uhr. Eine sehr große seelische Belastung auch für sie. Trotz aller Schmerzen und Ungewissheit wie es weitergeht hatte ich auch zwei positive Begleitumstände: Mein Appetit war unverändert gut und schlafen konnte ich auf Abruf wie ein Bär. Dies trug nicht unerheblich zu meiner schnelleren Genesung bei. Außer meinem Hausarzt und Onkologen kümmerte sich mein begleitender Radiologe des DKFZs fast schon fürsorglich um mich. Er rief mich bis zum Nachsorgetermin zwei Mal pro Woche an, erkundigte sich nach meinem Befinden und gab mir nützliche Tipps. Nach einer Woche trat Besserung ein. Die verbrannte Haut wurde fachmännisch vom Pflegedienst entfernt und neue Haut bildete sich langsam nach. Beim erneuten Besuch des Urologen wurde festgestellt, dass auch die Genitalien sichtbar abschwellten. Nach bereits 14 Tage intensiver Pflege war die Wundbehandlung von Erfolg gekrönt und der ambulante Pflegedienst konnte sich verabschieden. Die wöchentlichen Blutuntersuchungsergebnisse waren anfangs nicht berauschend, die Entzündungswerte waren hoch. Mein Hausarzt gab mir jeden zweiten Tag Infusionen, die das Immunsystem aufbauten. Von Woche zu Woche wurden die Blutwerte besser, sehr zur Freude meiner Frau und mir, dem Onkologen und dem Radiologen.

Nach 14 Tagen nahm ich wieder meine Arbeit auf. Körperlich war ich jedoch enorm geschwächt. Ich fühlte mich schnell schlapp und schlief sehr viel. Laut den Ärzten war diese Abgeschlagenheit eine normale Folge der Therapie und der dreiwöchigen Bettlägrigkeit im Krankenhaus und zu Hause. Vier Wochen nach dem Krankenhausaufenthalt hatte ich nach und nach das Schmerzpflaster herabgesetzt und war danach absolut schmerzfrei. Mühsamer Konditionsaufbau war angesagt. Von anfänglich maximal fünf Minuten Spazierengehens wurde mit viel Geduld und den aufmunternden Worten meiner Frau das tägliche Pensum gesteigert und auf eine Stunde ausgebaut. Eine zusätzliche Motivation, mich konditionell zu verbessern, brachte der Urlaubsaufenthalt unseres fünfjährigen Enkels mit sich. Einem „Auf geht’s, Opi, wir spielen Fußball!“, oder ähnlichen Aufforderungen konnte und wollte ich mich nicht verweigern. Auch bei meiner Arbeit hielt er mich mit Sätzen „Ich bin Opis bester Helfer!“ und “Omi, weißt Du, Opi braucht mich wirklich!“ stets bei guter Laune. Unser Sonnenschein hielt mich auf Trab und abends schnorchelte ich vor Erschöpfung meistens vor meinem Enkel. Meine Frau, mein Enkel, die Arbeit und viele Gespräche ließen die Zeit bis zum ersten Nachsorgetermin wie im Flug vergehen. Am 12.10.2009 war es dann soweit. MRT im DKFZ in Heidelberg und anschließende Besprechung mit dem Radiologen.

...Fortsetzung folgt...