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Alt 27.08.2001, 23:35
Gast
 
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Standard Bräuchte Eure Hilfe...

Hallo Ihr Lieben – ich bräuchte mal Euren Rat!

Wir hatten doch neulich schon mal drüber diskutiert, dass unsere Väter sich völlig anders benehmen und geradezu fit sind, wenn sie Besuch bekommen. Sei es aus Scham, aus Stolz, weil Männer halt stark sind oder was auch immer. Ihr habt mich ja erst darauf gebracht, und ich habe versucht, meinem Vater diesbezüglich jetzt einfach zu nehmen wie er ist.

Gestern war jetzt aber folgende Situation und ich hatte so einen Haß auf diese Scheißkrankheit, auf das, was sie unserer Familie antut, und ja, ich hatte in dem Moment auch einen Haß auf meinen Vater (bitte no comment hierzu, ich bin selbst erschrocken und schäme mich...) – ich seh’ nur immer wieder meine Mutter weinend dasitzen, fragend „warum IMMER die Familie?“

Im Moment kann mein Vater leider kein Auto fahren, und da meine Mutter keinen Führerschein hat, fällt ihnen natürlich die Decke auf den Kopf. Papi wird noch abundzu von Freunden zu einer Tour abgeholt (und wie gesagt, dabei geht’s im meistens so gut, dass er sogar vergisst, Tropfen zu nehmen), aber Mami geht da eigentlich nie mit, weil es alte Jugendfreunde aus seinem Heimatort sind und nur über alte Schulzeiten geredet wird, bei denen sie nicht mitreden kann und sich ausgegrenzt fühlt.

Also habe ich vorgeschlagen, wir könnten ja mal gemeinsam etwas unternehmen, wir schnappen uns am Wochenende mein Auto und den Hund und fahren einfach los. Beide haben sich auch sehr darüber gefreut.

Als ich aber am Wochenende zu ihnen kam, ging es Papi nicht gut. Er saß im Sessel und meinte immer nur „lasst uns noch einen Moment warten“, schließlich, nach einer halben Stunde, ging er hoch, um seine Tropfen zu nehmen. – Und in dem Moment brach meine Mutter in Tränen aus und fragte verzweifelt „warum immer nur die Familie? – wenn jetzt sein Freund gekommen wäre...“ – Und ich bekam eine solche Wut!!! Er hat ihr in dem Moment so weh getan!

Ja, Ihr habt ja Recht, nach außen ist man immer stärker, will auch kein Mitleid und so weiter – aber muß es meine Mutter denn immer abbekommen? Sie hatte sich so darauf gefreut! Ihr gegenüber lässt er sich noch viel mehr fallen; wenn ich da bin, ist es noch gar nicht mal ganz so schlimm!

Sie tut alles für ihn und hat, neben Putzen Waschen Kochen, natürlich viele Sachen übernommen, die er früher gemacht hat. Sie geht einkaufen, zum Arzt für ihn, zur Apotheke, da mal zur Post, dann zum Bäcker, dreimal am Tag mit dem Hund, zweimal am Tag kocht sie für ihn, bringt ihm zu Trinken, schmiert ihm Brote, hält ihn im Arm und tröstet ihn – und kriegt alles ab und wird von ihm behandelt wie ein Fußabtreter! Ja, er hat sein Recht auf Egoismus, mehr denn je – aber hat sie denn keine Rechte? Wer tröstet sie denn? Er kann es nicht. Jeder fragt sie immer nur „wie geht es ihm“, kaum einer fragt, wie es ihr geht!

Sie weiß, dass sie IMMER zu mir kommen kann, mich anrufen kann, zum Einkaufen, wenn sie sich ausheulen will oder wenn ich kommen soll – aber wie soll sie das denn tun? Sie kann mich ja nicht in seiner Gegenwart anrufen! Und wenn sie mich besuchen wollte, wollte er natürlich mit, da kann sie ja nicht nein sagen. Sie muß immer auf Gelegenheiten warten, wenn er mal nicht da ist, das setzt sie auch unter Druck.

Ich sehe immer noch das kleine Häuflein vor mir, sie wiegt nur noch 45 kg (sie ist gesundheitlich auch nicht topfit), und ich habe auch solche Angst um sie, ich könnte gerade jetzt fast wieder heulen. Wenn ihr jetzt auch noch was passiert... Sie ist Alkoholikerin, aber jetzt seit über 20 Jahren trocken – aber, was, wenn in dieser Situation... ich mag es gar nicht aussprechen! Sie sagt, ich bräuchte mir darüber keine Sorgen machen – leichter gesagt, als getan. Ich bin mit dieser Angst um sie aufgewachsen und habe mich mein Leben lang für sie irgendwie verantwortlich gefühlt, das kann man nicht so einfach ausknipsen!

Was meint ihr – sollte ich doch mal mit ihm sprechen? Aber wie soll ich’s ihm sagen? Oder bin ich doch immer noch zu verständnislos ihm gegenüber? Es ist so verdammt schwer, das alles richtig einzuschätzen. Mein Vater war sein Leben lang ein kleiner Hypochonder, und jetzt, wo er wirklich schwer krank ist und um sein Leben kämpft, kann keiner so richtig mit ihm umgehen.

Könnt Ihr mir nicht irgendwie helfen? Im Moment weiss ich einfach nicht weiter. Ich will beiden helfen, für beide da sein, aber ich habe immer das Gefühl, wenn ich versuche, Papi und sein Verhalten zu 100% zu akzeptieren, falle ich Mami in den Rücken und spiele ihre Nöte runter und nehme sie nicht ernst, und umgekehrt. Habt Ihr nicht einen Rat?!

Eure Janka
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