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Alt 15.03.2005, 13:54
Gast
 
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Standard Meine Mutter hat krebs

Hallo Thomas,
gerade lese ich zufällig Deine/Eure Krankheitsgeschichte und falle wieder in ein ganz tiefes Loch: bei meiner Mutter hatten sie auch nach Darmkrebs Lebermetastasen festgestellt und mir ging es so wie Dir: ich habe alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die "ideale" Therapie für meine so geliebte Mutti zu finden und bin auch vom Kleinstadtkrankenhaus in eine namhafte Onkologie in der Großstadt gefahren. Ich organisierte einen termin bei einem sehr namhafter Professor und er sprach zu Beginn auch von 1-3 Jahren, die man rausholen könnte. Eine OP schloss er aus, obwohl zu Beginn nur 2 kleinere Herde vorhanden waren. Lt. seinen Aussagen ist die OP sehr schwer für den Patienten und die Wahrscheinlichkeit, dass die Metastasen innerhalb kürzester Zeit zurückkommen extrem groß. Zusammen mit meinem Vater haben wir dann - gegen den Willen meiner Mutti - die Empfehlung des Onkologen durchgesetzt und sie zu Chemo überredet: zuerst Tablettenchemo mit Xeloda auf ihren Wunsch hin, dann Port-OP und Irinotecan. Auch meine Mutter hat sich bei der Diagnose und noch Monate später kerngesund gefühlt. Doch 3 Monate nach der Diagnose ging es schlagartig bergab, immer schrittchenweise: Verschlechterung, dann für ein paar Wochen Verbleib auf dem Niveau und dann die nächste Stufe abwärts. Bald traten dann auch Lungen- und Knochenmetastasen auf - es war wie eine Lawine, die da unaufhaltsam über sie (und uns) hinwegging. Vor knapp zwei Wochen ist sie dann gestorben - zu Hause bei uns - wir hatten entgegen des Arztes ihrem Wunsch in den letzten 4 Wochen entsprochen und keine Chemo mehr gemacht, da sie auch danach nur schwächer und schwächer wurde: nur 7 Monate nach der Erstdiagnose von Lebermetastasen, die zu Beginn so winzig waren und erstmals im Rahmen einer Nachsorgeuntersuchung entdeckt wurden! Mein Vater und ich machen uns jetzt Vorwürfe, weil wir meine Mutter gegen ihren Willen umgestimmt haben, ja jegliche Chemo-Behandlung zu wählen - in unserem Fall hat die Chemo nicht das Leben, sondern die Leidenszeit für sie verlängert, denn ohne Chemo hätte sie bei unwesentlich veränderter Lebenserwartung noch sie ersten chemofreien Monate gut leben können.
Ich bin seither in einem tiefen Loch, denn trotz aller Aktivitäten hatten wir keine Chance, meiner Mutti auch nur ein paar Monate mehr zu geben. Immerhin war sie am Ende bei uns und nicht in irgendeinem Krankenhauszimmer. Ich will damit nur sagen, hört bitte in Eure Mutter hinein und versucht sie so wenig wie möglich zu überreden. Wenn es ihr jetzt noch gut geht, dann genießt miteinander die Zeit, die Ihr noch habt, anstelle dauernd nur die Krankheitsakte gemeinsam zu wälzen. Ich weiß, dass unser Krankheitsverlauf nicht die Regel ist und will auch nicht zu sehr schwarz malen, aber ich will nur aus Erfahrung darauf hinweisen, dass man in allem Aktionismus unbedingt den Wunsch des Betroffenen respektieren sollte...
Ich wünsche Euch viel Kraft für die vor Euch liegende Zeit und mehr Glück, als wir hatten...
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