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Alt 23.12.2013, 22:19
Stoerchin Stoerchin ist offline
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Standard AW: Trauern um verstorbene erwachsene Geschwister

Ihr Lieben,

mein Tannenbaum steht und ich erwarte morgen meine Familie bzw. das, was davon noch übrig geblieben ist. Mein Freund ist schon vorgefahren zu seinen Eltern, wo ich ihn übermorgen wiedertreffe. Ich genieße es ein wenig, mal den ganzen Tag ungestört weinen zu können, wenn mir danach zu Mute ist. Gestern habe ich Freunde vom Abi wiedergetroffen, die ich seit Ewigkeiten nicht gesehen habe. Ihnen habe ich dann, weil die Situation passte, von meinen OPs erzählt (ich habe mir wie Angelina Jolie prophylaktisch das Brustdrüsengewebe entfernen lassen, allerdings ein Jahr vor ihr) und sie waren mitfühlend und geschockt-interessiert. Ich kann es ihnen nicht verübeln, dass sie nicht viel nach meinem Bruder gefragt haben, bestimmt wussten sie nicht, ob ich über ihn reden wollte. Ich wollte die ganze Zeit schreien "hey, diese ganze Geschichte ist nichts gegen den Tod meines lieben, lieben Bruders".

Heute habe ich wieder festgestellt, dass mein Onkel, festes Mitglied meiner engsten Familie, sein Herz abgeschottet hat. Er sagte etwas in der Richtung "ja, das wird Weihnachten nicht so leicht, aber so ist es nun mal und wir können es nicht ändern." Fertig. Ich würde so gerne gemeinsam an ihn denken, z. B. möchte ich daran erinnern, wie er einmal als Kind seine Indianerschmuck-Federn in die Weihnachtsgans im Ofen steckte, weil sie ihm so nackt vorkam. Mein lieber, lieber Bruder.

Chrisi, ich finde diesen Satz
Zitat:
Viele Tränen liefen am Hl. Abend und an den darauffolgenden Weihnachtstagen, meine tiefe Trauer, die vielen Tränen waren aber letztendlich nur eines - die tiefe Liebe, die ich für meinen Bruder empfand.
so wunderschön und passend und ich danke Dir, dass Du Dich für uns noch einmal in Euer erstes Weihnachtsfest nach seinem Tod hineinversetzt hast. Zur tiefen Liebe: Mir fällt gerade ein, wie der Bettnachbar meines Bruders vor 10 Jahren im Krankenhaus einmal gesagt hat, dass man meine Liebe zu ihm merken würde.

Liebe Mel, Dein Satz
Zitat:
mein Leben ist von ständigem Denken an den Tod begleitet, das Gefühl ist schrecklich.
spricht mir leider auch so sehr aus der Seele. Ich bekomme einfach nicht zusammen, dass der Tod das ist, was wir hier alle am allermeisten fürchten und dann aber wieder geht es unseren Angehörigen jetzt so gut - ist ein langes Leben also erstrebenswert? Bis jetzt hatte ich mich damit getröstet, dass mittlerweile (leider) auch schon Elternteile von Bekannten und Freunden gestorben sind und dass es der Lauf der Dinge ist, dass man ohne seine Eltern auf der Erde zurückbleibt, aber unsere Geschwister - die hätten uns "normalerweise" bis zum Ende des Lebens begleitet. Heute bei Weihnachseinkauf dachte ich "Ihr Idioten, Ihr schiebt hier Eure Wagen durch die Gegend, auf einem Planeten, von dem Ihr nicht wegkönnt, Ihr Materien aus Zellen und Atomen, Ihr Spielbälle des Schicksals".

Aber nun schiebe ich diese ganz düsteren Gedanken mal zur Seite. Ich freue mich durchaus auf Weihnachten. Man lernt die verbliebenen Familienmitglieder und gute Freunde noch mehr zu schätzen als vorher. Und Mel: ich habe meine Schlafstörungen überwunden. Sie waren so schlimm, dass ich teilweise mit nur 2 Stunden Schlaf oder so auf der Arbeit erschienen bin. Ich hatte festgestellt, dass mir z. B. das Angucken von Fotos von ihm direkt vor dem Schlafen gar nicht guttat. Mittlerweile schlafe ich wieder wie vorher, nur morgens ist der Schreck wieder da.

Sagt mal, kommt jemand von Euch zufällig aus Hannover? Ich würde so gerne eine Trauergruppe für jüngere Trauernde gründen.

Nun wünsche ich Euch allen und Euren Familien ein schönes Weihnachtsfest, auf dass der Frieden und der Zauber der Weihnacht die Schmerzen ein klein wenig verdrängen und Ihr etwas Freude empfinden könnt.

Herzliche Grüße von
Störchin
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