Thema: Stammtisch
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Alt 16.03.2007, 09:50
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AndreaS AndreaS ist offline
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Registriert seit: 09.02.2005
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Standard AW: Stammtisch

Hallo Christina,

es freut mich, dass du den Weg zu uns gefunden hast, dich nicht abschrecken lässt, dass halt auch hier einmal passiert, was menschlich ist. Ich hoffe sehr, dass du durch den Austausch ein wenig das Gefühl hast, aufgefangen, verstanden zu werden.

Ich kann verstehen, dass man das Gefühl bekommen kann, da "komm ich nicht mehr rein". Im April wird es ein Jahr, dass wir hier schreiben. Klar ist viel passiert in der Zeit, gibt viel nachzulesen, dazu hat man nicht immer die Muße. Aber vielleicht wird auch gerade hier am Stammtisch klar, dass sich für uns alle das Leben derart verändert hat mit dem endgültigen Abschied, dass auch ein Weiterleben nicht möglich ist, ohne Innehalten, ohne Verzweiflung, ohne Rückschläge. Hier sollte - das möchte ich nochmals ausdrücklich betonen - immer möglich sein, von vorne zu beginnen, mit dem Schmerz, mit den Zweifeln, mit den Ängsten und der Hoffnung. Ein Schritt vor, zwei zurück, so sieht für mich seit über zwei Jahren der Alltag aus. Und die zwei Schritte zurück, hier werden sie verstanden. Und der eine Schritt vor, hier freut man sich mit mir. So sollte es sein.

Die letzten Postings haben mir sehr viel bedeutet. Habe tatsächlich begonnen, an mir zu zweifeln, mich gefragt, warum ist dir der Stammtisch noch immer so wichtig? Dass es euch doch auch so geht, lässt mich hoffen, dass ich nicht doch total bekloppt bin.

Auch heute wieder, ein schmerzlicher Tag. Der Todestag meines Bruders, der 41. Gleichzeitig auch der Tag, an dem Claus mich an der Aufzugstüre des Krankenhauses erwartet hat, den Daumen nach unten. Ja, es schien, die OP war gut überstanden. Ja, er war sogar wieder zu Kräften gekommen, erstaunlich schnell. Aber, ja das aber: Die Metastasen um die Aorta, nein, keine Hand ist so ruhig, um das Risiko einzugehen.

Ich glaube an diesem Tag habe ich das letzte mal mit Gott gesprochen. Auf der Heimfahrt vom Krankenhaus, zurück zu unseren Kindern. Tränen, die mir das ungeliebte Autofahren noch schwerer machten. Ich habe ihn angefleht, mir das nicht noch einmal anzutun. Er hat mich nicht gehört, hat mir eine neue Lektion im Leben auferlegt. Wieder musste ich lernen, ohne den Menschen zu leben, den ich am meisten geliebt habe.

Nein, seither habe ich nie wieder mit ihm gesprochen. Hatte ihn auch während der folgenden Zeit nicht um ein Wunder angefleht, hatte auf eines gehofft, ja, aber irgendwie war ich sauer auf ihn, denn immerhin hatte ich mich während des gesamten Lebens mit meinem Mann bei ihm bedankt, regelmäßig. Ja DANKE hab ich immer wieder gesagt für mein wunderbares Leben.

Und nun? Wer hat mir nun den Menschen im neuen Leben geschickt? Wird noch eine Lektion auf mich warten? Irgendwie scheint es, dass ich die Fähigkeit verloren habe, den Augenblick zu genießen. Die Angst und die Zweifel, momentan noch die Gefühle, die überhand haben. Ich bin nicht mehr sauer auf ihn, und wer mir den neuen Menschen geschickt hat? Nun, zu dem, von dem ich es heute annehme, wünsche ich es mir, würde zu seinem Lebensplan passen, mich und die Kinder glücklich zu sehen. Nein, ich bin nicht mehr böse auf Gott, habe ihm nur nichts mehr zu sagen. Vielleicht, so es ihn denn gibt, erklärt er mir einmal? (Alexis Zorbas lässt grüßen...)

Nun muss ich los. Vielleicht auch eine Chance? Wer weiß. Jedenfalls ein Anfang in mein Leben nach der DUMMKUH.

Kommt gut durch den Tag und ... ihr wisst ja Bescheid!

LG
Andrea
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και δεν επέστρεψες
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