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Alt 10.06.2010, 14:33
benny82 benny82 ist offline
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Standard AW: Hochdosischemo bei Ewing Sarkom

Hallo zusammen.
Zuerst möchte ich mein tiefes Beileid aussprechen, das letzte mal als ich den Beitrag im Winter gelesen habe war ich noch nicht in der Lage was zu schreiben.
Ich bin seit Nov. 09 mit der Diagnose Ewing konfrontiert und war zu Anfangs sehr durch die Forenbeiträge verunsichert, bzw. es ging mir noch schlechter als ohnehin schon durch die ersten VIDE Blöcke. Dennoch möchte ich von meinen Erfahrungen berichten, auch um zukünftigen Betroffenen möglicherweise etwas Angst nehmen zu können. Ich befinde mich gerade am Anfang der postoperativen Chemo aber ich fange mal ganz von vorne an zu berichten.
Mit meinen 28 Jahren gehöre ich wohl schon zu den älteren Ewing-Patienten aber höchstwahrscheinlich fing das Übel bei mir im Herbst 2005 an. Ich war gerade mitten in meinem ersten Studium und bekam plötzlich die Diagnose Gicht im vierten Mittelfußknochen. Für mich Damals schlimm aber verglichen mit heute lächerlich. Jedenfalls hatte ich durchaus typische erste Anzeichen für ein Ewing im Fuß, doch mein Hausarzt erkannte dies als Gicht da die Harnsäurewerte erhöht waren, auch wenn die Symptome atypisch im Mittelfuß lagen statt wie normal bei Gicht im großen Zeh. So weit so gut. Jahrelang hatte ich immer wieder starke Schmerzen beim Skifahren bzw. vor allem beim Liften aber auch leichtere Schmerzen bei anderen Aktivitäten die den Fuß stärker als normal beanspruchten. Ich schob alles immer auf die Diagnose Gicht. Fatalerweise handelte ich erst spät, meine Freundin mahnte mich bereits im Frühjahr 09 wegen eines kleinen Knubbels auf dem besagten vierten Mittelfußknochen zum Arzt zu gehen. Ich dachte die ganze Zeit es sei ein Gichtknoten oder Ganglion jedenfalls handelte ich erst als dieser anfing wahnsinnig schnell zu wachsen. Als ich endlich den MRT Termin hatte saß bereits ein halber Tischtennisball auf meinem Fuß und ein Zweiter fing gerade an zu wuchern. Der Radiologe sprach von " das ist sicher nichts banales",von "mottenfraßartig" war die Rede, ich wusste ich hatte Krebs. Zweit Tage später beim Chefarzt der Uniklinik hieß es: "Machen Sie sich keine Sorgen wird wohl ein Riesenzelltumor der Sehnscheide sein, machen wir Ihnen schnell nächste Woche raus". Pustekuchen, als man bei der OP die dorsalen bzw. oberen Teile des Tumors bereits entfernt hatte brach man ab, dummerweise eröffnete sich der Tumor dabei noch, jedoch sollte dies bis jetzt wohl nur von geringem Nachteil gewesen sein. Aber das schlimme ist, ich lag 2 Wochen in der Othopädie und dachte ich hätte es geschafft, ehe man mir mitteilte man hätte die OP abgebrochen und ich hätte ein Ewing/PNET.
Ich hoffe ich schreib hier nicht zuviel, aber ich kürze es mal etwas ab und sag noch was zur Chemo.
Die ersten 6 VIDE Blöcke waren sehr anstrengend, ich kann es aber nicht genau bewerten ob ich es nun gut oder schlecht vertragen habe. Jedenfalls habe ich alle fristgemäß in voller Dosis durchgezogen. Neben den allgemeinen Nebenwirkungen wie Schleimhautreizungen im Mund und beim Stuhlgang, Fatigue-Syndrom, Adynamie hab ich noch eine leichte reaktive Depression. Außerdem Pleuraerguß (halb so wild) ebenso wie bilaterale Konjunktivitis (is auch kein Problem). Nur einmal hatte ich über 40 Grad Fieber in der Neutropenie sprich neutropenes Fieber und bin nicht gleich in KH sondern erst paar Stunden später was mir ziemlich viel Anschiss vom Arzt eingebracht hat. Das war die einzig lebensgefährliche Nebenwirkung die ich bisher hatte.
In der Uni wollten sie mir nun den Vorfuss komplett amputieren bis ins Chopart oder Lisfranc Gelenk, was man mir so beiläufig im 5 Minuten Gespräch darlegte und was wörtlich "alles wird gut, das wird super" hieß. Ich bin mir sicher das es psychologisch nicht von Vorteil ist mit diesen Antworten bis nach der Chemo zu warten, man könnte sich anders langfristig drauf einstellen. Ich war bisweilen davon ausgegangen, das man einen Teil vom Knochen entfernt und bissl was verbaut, aber das ist am Fuß leider unmöglich. Mir bringt es zwar nichts mehr, aber anderen vielleicht wenn sie einfach früher Klarheit über die Konsequenzen haben, denn solange sich der Tumor nicht vergrößert, ist für eine Operation bzw. das für Ausmaß einer Resektion in den meißten Körperteilen der Ursprungsbefund bzw. die ursprüngliche Ausdehnung des Tumors von relevanter Bedeutung und sonst nichts, egal wie schön der Tumor zurückgegangen ist. Mir war das im Vorfeld nicht klar, auch nicht das der Sicherheitsabstand so radikal durchgezogen wird, bei mir R0 Resektion.
Ich habe mich dann in einem anderen Krankenhaus für eine Operation entschieden, auch nach Rücksprache mit der Studienleitung in Münster und einer Referenzhistologie in Kiel, die vorher nicht durchgeführt wurde.
Jetzt hab ich meinen großen Zeh und einen kleinen behalten können, daneben einen freien ALT-Lappen aus dem Oberschenkel als, auf gut deutsch gesagt, Verschluss unten drauf bekommen. Dies hat mich psychologisch wieder etwas aufgebaut und nach einer kleinen Reha-Behandlung bin ich nun davon überzeugt in Zukuft wieder normal laufen zu können, und ebenfalls in normalem Schuhwerk, mit entsprechender prothetischer Versorgung.
Nach der OP dauerte es etwas länger mit dem VAI Standard BLock aufgrund der Lappenplastik. Circa 5 Wochen nach der OP und damit ungefähr 7 Wochen nach dem letzten Zyklus. Wie einer der Vorredner hier im Beitrag, empfand ich diesen eher als Peanut im Vergleich zu VIDE. Meine Haare, vorallem auch um die Augen herum waren in diesen 7 Wochen bereits wieder am wachsen. Stärker als je zuvor, und tiefschwarz statt dunkelblond kamen nun überall feine Haare zum Vorschein. Jedoch führt auch der vermeintlich harmlose VAI
Block bei mir seit einigen Tagen wieder zu Haarausfall, was vorher mehr auf das Etoposid geschoben wurde. Naja das is das geringste Problem.
Was ich noch nicht erwähnt habe mein Tumor war ungefähr 8x5x5cm groß und wurde bis auf die bereits resizierten dorsalen Anteile komplett von der Chemo gefressen. Es waren keine Tumorzellen am Resektionsrand feststellbar und im gesamten amputierten Kompartement (3 Zehen inkl. Mittelfussknochen) nur noch winzige tote Reste. Des Weiteren habe ich bisher keine Metastasen, ein Re-Staging folgt beim 9. Zyklus.
NAch dieser Nachricht hat sich mein psychischer Zustand massiv gebessert, und ich bin hungrig auf mein weiters Leben nach der Chemo, auch endlich wieder laufen zu können.
Aktuell mache ich nach 5 Wochen postoperativen KH-Aufenthalt und einer kleinen Anschlussheilbehandlung den 8. Zyklus, wieder VAI, und kann danach nach über 8 Wochen endlich mal wieder nach Hause.
Noch kurz warum ich weiter VAI mache. Ich werde nicht innerhalb der Studie sondern nur in strenger Anlehnung an das Euro-Ewing-99 Protokoll behandelt.
Nach mehrmaliger Rücksprache mit Münster habe ich mich so entschieden. Die Langzeittoxizität bzw. Genotoxizität sei geringer als im VAC Block, für mich vor allem auch im Hinblick auf die Fertilität, da ich dort immer noch Hoffnung habe.
Allerdings habe ich Spermien vorher einfrieren lassen und kann dies jedem nur raten.
Ich hoffe ihr seid nicht zu schlapp und vor allem traurig bei den vielen bewegenden Beiträgen in diesem Thread, meinen Zwischenbericht noch zu lesen.
Ich möchte damit vor allem denjenigen Mut machen, die das was viele hier durchmachen mussten und müssen und was ich gerade durchmache, auch vergleichsweise positiv verlaufen kann, wie bei mir zur Zeit.
Ich drücke euch allen die Daumen das wir die Bestie endgültig besiegen können. Ganz liebe Grüße an alle.
Benny
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