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Alt 06.04.2004, 13:43
Gast
 
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Standard Berufserkrankung - Krebs

Uff, das dauert jetzt aber länger.
1. Die Arbeit der BG bei Bken ist ziemlich komplex und dauert deswegen auch meist etwas länger, weil so vieles zu ermitteln ist. Das nur zur Einleitung.
Zunächst muss eine entsprechende Krankheit vorliegen, entweder nach "Liste" oder auch eine Erkrankung, die "wie eine BK" anerkannt werden könnte. Das sind Erkrankungen, die noch nicht in der Liste stehen, es aber schon Erkenntnisse gibt, dass es einen Ursachenzusammenhang geben könnte und Forschungen in dieser Richtung laufen, also nicht jedwede Erkrankung. Zur eindeutigen Feststellung der Diagnose werden alle behandelnden Ärzte angeschrieben.
Gleichzeitig werden alle beruflichen Tätigkeiten durchleuchtet, ob es da eine Einwirkung gegeben haben kann, die geeignet sein könnte, die Erkrankung zu verursachen. Dazu werden vom Versicherten und wenn es noch möglich ist, vom Arbeitgeber Auskünfte eingeholt. Ist dem so, dann stellt die BG mittels TAD (Technischer Aufsichtsdienst, Teil der BG) die Einwirkung konkret fest. So es den Betrieb noch gibt, fährt der TAD auch vor Ort. Ansonsten kann er eine Gefährdung auch anhand von Kataster und Erfahrung feststellen.
Kann so eine Gefährdung nicht festgestellt werden, weil die Einwirkungen zu komplex sind oder durch die BG nicht feststellbar (weil Pharmakonzerne z.Bsp. nicht gerne mit Einzelbestandteilen der Mittel rausrücken) kann die BG auch einen Arbeitsmediziner zu Rate ziehen. Es gibt wenige, die sich damit intensiv beschäftigen. Chemiker können durchaus beteiligt werden, aber mir persönlich ist das noch nicht untergekommen. Jeder Einzelfall muss wirklich auch einzeln betrachtet werden.
Liegt eine Gefährdung vor, die Erkrankung natürlich auch, dann geht es als nächstes zum Gutachter.
Wenn eines davon nicht festgestellt werden kann, entweder die Erkrankung ist nicht "gelistet" oder eine Gefährdung kann nicht festgestellt werden, dann wird das Ermittlungsverfahren an dieser Stelle ohne Gutachter mit Ablehnungsbescheid beendet, manchmal auch mit einem sogenannten Beratungsschreiben, wenn es offensichtlich ist, dass eine BK nicht in Frage kommt. Allerdings wird immer vor der Entscheidung der Staatliche Gewerbearzt angehört, weil dieser auch die entsprechenden Kenntnisse besitzt, um eventuelle Einwirkungen und Zusammenhänge betrachten zu können.

2. "Wenn nicht auszuschließen..." Das bedeutet in der "Sprache der gesetzlichen Unfallversicherung" es besteht die Möglichkeit!, dass die Krankheit durch den Beruf entstanden ist, aber nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit. Es muss immer mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der Zusammenhang bewiesen werden können, die bloße Möglichkeit reicht nicht aus.
Auch wenn der Stoff nicht in der "Liste" erscheint, ist die Erkrankung, wenn hinreichend wahrscheinlich der Zusammenhang bewiesen werden konnte, anzuerkennen, nämlich dann "wie eine Berufskrankheit". Die Leistungen unterscheiden sich nicht dadurch.
Was meinst Du mit fixen Rentenzahlungen? Wie hoch die sind? Grundlage ist der Jahresarbeitsverdienst (JAV) vor dem Versicherungsfalltag (12 volle Monate). Von diesem 2/3 ist die Höchstrente bei 100 % Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), dann wird vom Gutachter ja festgestellt, zu wieviel % man in der Erwerbsfähigkeit gemindert ist, zum Bsp. 40 %, also dann von der Höchstrente 40 %, dann durch 12, das ist die monatliche Rente.
MdE ist ein anderer Begriff als in RV oder beim Versorgungsamt, man kann diese Sätze nicht vergleichen. MdE bedeutet, zu wieviel % man gehindert ist, alle vorhandenen Arbeitsplätze auf dem Arbeitsmarkt mit seinen Fähigkeiten auszuüben. Bei 40 % MdE sind einem also 40 % aller vorhandenen Arbeitplätze wegen der Erkrankung verschlossen.

3. Grundsätzlich (auch hier gibt es Ausnahmen) ist der Versicherungsfalltag, also mit Deinen Worten der Stichtag des Beginns der Rentenzahlung abhängig von dem Beginn der Erkrankung, der erste Nachweis, dass man daran leidet. Aber das muss nicht gleichzeitig der Tag sein, ab den man Rente erhält, jedoch alle anderen Leistungen wie Heilbehandlung, Medikamente ohne Zuzahlung... Rente wird erst dann gezahlt oder festgestellt, wenn man mindestens 20 % an MdE hat.
Beispiel: Hepatitis wird festgestellt, Nachweis ab 10.01.2000 = Anerkennung der BK, MdE aber erst 10 %, weil noch keine klinische Erkrankung, nur Virennachweis. Nach 2 Jahren verschlimmert sich die Erkrankung, Leberwerte ändern sich, beginnender Leberumbau, ab Nachweis der dauerhaften Verschlimmerung (mindestens 3 Monate) 20 %, dann also Rente.

Dazu kommt, ab wann es der BG bekannt ist, denn sonst kann sie ja nicht tätig werden. Deshalb ist immer auch die Antragsstellung wichtig, wenn ein Verdacht besteht. Meist wird ja gleich vom Arzt die Erkrankung gemeldet, wenn sie auftritt, dann kommt alles allein in Gang. Es gibt aber die Einzelfälle, wo die Versicherten schon lange erkrankt sind, keiner der Beteiligten -Arzt, Patient und andere- kommt auf den Gedanken, dass es eine BK sein könnte und irgendwann hat man eine "Blitzeingebung".

Es wird rückwirkend anerkannt, aber Leistungen sind eben nach 4 Jahren nach dem Kalenderjahr, in dem der Leistungsanspruch entstanden ist, verjährt. Früher war das noch extremer, da galt ab Antragsstellung, wenn nicht innerhalb von 2 Jahren nach Beginn der Erkrankung das Verfahren lief.

4. Dem Antragssteller entstehen im Normalfall etwas Portokosten und wenn er es für notwendig hält, Telefonkosten, falls er mal anrufen will. Ansonsten ist das Feststellungsverfahren und auch das Widerspruchsverfahren kostenlos, es sei denn, man beauftragt einen Rechtsanwalt. Diese Kosten bekommt man nur im Widerspruchsverfahren für dieses (nicht für Feststellungsverfahren) von der BG erstattet, wenn man nach einem negativen Bescheid im Widerspruchsverfahren die Anerkennung bekommt.
Fahrkosten zum Gutachter bekommt man erstattet, ggf. auf Antrag in jedem Fall, falls mal der Sachbearbeiter schläft ;-).
Wichtig, man muss keine Befunde, Röbis etc. selber beschaffen (Kostenfaktor!), man muss nur angeben, wo die sind. Wenn man die natürlich zu Hause hat, mit beifügen.

5. Ja, der behandelnde Arzt ist gesetzlich verpflichtet, eine Erkrankung als Verdacht auf eine Berufskrankheit zu melden. Natürlich nur, wenn er diesen auch hat! Eventuell mal mit dem Arzt darüber sprechen.

Ich hoffe, ich konnte Dir ein kleinen Einblick verschaffen. Was ich noch wichtig finde ist, dass Du als Versicherter jederzeit das Recht auf Akteneinsicht hast. Du darfst sogar darauf bestehen, von den Daten, die Dritte der Bg übermitteln, unterrichtet zu werden.

Mir hat der KK in meiner schlimmen Zeit als Angehörige sehr geholfen durch Lesen und Zuhören, deshalb lese ich in Abständen hier immer wieder vorbei. Falls Fragen offen sind, melde Dich einfach. Ich versuche, so gut es geht, zu helfen.

Liebe Grüße
Astrid
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