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Alt 18.02.2008, 19:28
Fahrradklingel Fahrradklingel ist offline
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Standard Sammelklage gegen US-Konzern: Chemikalien als Auslöser von Hirntumoren?

Liebe Leute,

schon seit einigen Monaten verfolge ich einen Prozess in den USA, dessen Ausgang auch für Hirntumorpatienten hierzulande hochinteressant sein wird, über den aber in deutschsprachigen Medien noch nichts berichtet wurde. Im folgenden fasse ich für euch den bisherigen Verlauf zusammen, (und denke im übrigen darüber nach, mal den einen oder anderen deutschsprachigen Wissenschaftsjournalisten aufmerksam zu machen, denn Nachrichtenwert hat die Sache allemal. Und man fühlt sich in einigen Details an Erin Brockovich erinnert).

Herzliche Grüße
Fahrradklingel


Bislang ist wenig über die Ursachen von Hirntumoren bekannt. Radioaktive Strahlung gilt als Risikofaktor; und bei manchen Hirntumoren gibt es eine genetische Veranlagung. Ob und inwieweit bestimmte Chemikalien oder eine Kombination von Chemikalien Hirntumoren auslösen können, konnte bisher nicht eindeutig nachgewiesen werden. Im US-Bundesstaat Illinois ist in den letzten Jahren eine auffällige Häufung von Hirntumorfällen, v.a. Glioblastomen und Oligodendrogliomen aufgetreten. Alle Betroffenen haben entweder in Spring House bei dem Agrochemiekonzern Rohm&Haas gearbeitet oder in der kleinen Ortschaft Ringwood am McCullom Lake gelebt - einige Tür an Tür, bzw. auf demselben Büroflur. Im McCullom Lake haben Rohm & Haas sowie Modine, ein weiteres dort ansässiges Unternehmen, seit den 1980er Jahren Chemieabfälle versenkt. Zusätzlich wurden Chemieabfälle auf einer Deponie gelagert, von wo sie über ein seit 1973 bekanntes Leck ins Grundwasser und in die Luft übergehen konnten. Chemikalien, die in Verbindung mit den Tumorfällen gebracht werden sind u.a. Vinylchlorid und Trichlorethylen.
Genauer nachlesen könnt ihr das in einem ausgezeichneten Dossier der Lokalzeitung NorthwestHerald http://www.nwherald.com/articles/200...3733441911.txt

Soweit zu den Fakten. Was zur Zeit dort passiert, ist der übliche, tragische Streit zwischen einem Weltkonzern, der einen Ruf zu verlieren hat und den Betroffenen, die den Glauben an Zufälle verloren haben und wenigstens eine Entschädigung wollen für die Zeit die ihnen noch bleibt. Einen statistisch haltbaren Nachweis über eine eindeutige Verbindung zwischen den Tumorfällen und den Umweltsauereien der Firmen zu führen ist jedoch schwierig, da es um das jahrzehntelange Dumping einer Kombination von Chemikalien geht, deren exakte Mischung niemand genau kennt. Ausgeschlossen ist es aber nicht, dass der Nachweis gelingt - wären da nicht Firmenpolitik und Geschäftsinteressen mit im Spiel.
Rohm & Haas hat bisher zwei Gutachten in Auftrag gegeben. Sie zeigen keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen den Tumorfällen und den Firmen“aktivitäten“ auf. Allerdings mehren sich die Stimmen, die bei den beiden Gutachten feststellen, dass sie wissenschaftlich belastbaren Kriterien nicht standhalten. So seien nicht alle bekannten Tumorfälle einbezogen worden, die statistische Signifikanzprüfung sei unzureichend durchgeführt worden...Zudem .seien die Gutachter alles andere als unabhängig, sondern stünden mit Rohm & Haas in enger Verbindung .Wer hier recht hat, und wer Recht bekommt ist noch offen. Neue Gutachten sind in Arbeit, wie unabhängig sie sind, wird sich herausstellen. Eine Kanzlei für Umweltrecht hat sich des Falles angenommen und führt seit 2006 mehrere Prozesse gegen Rohm&Haas, Modine und weitere Unternehmen. Während das Verfahren anlief, meldeten sich immer mehr Betroffene, mittlerweile werden die Interessen von 22 Personen - von denen einige bereits verstorben sind - vertreten.
Bislang wurde immerhin (wenn auch als zynischer Trost)erstritten, dass die Angestellten der Firma regelmäßige kostenlose MRTs bekommen. Alles andere - die Verantwortlichkeit der Firmen Modine bzw. Rohm & Haas, die Schuldfrage, die Frage der Entschädigung ist bis auf weiteres ein Fall für das rege Gutachterwesen. Das Urteil für die Sammelklage wird im Februar erwartet, für die Individualklagen im Frühsommer.
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