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Alt 09.01.2019, 11:07
Erzsi Erzsi ist offline
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Standard AW: Diagnose - Brustkrebs - Sterbeangst - Sterbevorbereitung

Liebe Catarry,

Ich kann Dich gut verstehen: ich habe damals meinen Arzt angebettelt, mir zu sagen, welche Überlebenswahrscheinlichkeit ich habe. Ich dachte, wenn er sagt, dass die bei 80 Prozent oder mehr liegt, dann wird alles gut. Falsch. Mein Arzt hat mir erklärt, dass man natürlich eine Prognoserechnung anstellen kann. Aber wenn die ergibt, dass die Wahrscheinlichkeit bei 90% liegt, nützt es nichts. Denn wenn ich bei den anderen 10% bin, habe ich Pech gehabt. Klingt brutal, stimmt aber.
Ich habe Wochen damit zugebracht, Überlebensraten zu googeln. Habe ich eine "gute" gefunden, war ich tagelang glücklich. Habe ich eine weniger gute gefunden, war ich fix und fertig und habe mich sterben gesehen.

Der Rat, alle Fragen zu notieren und den Arzt zu befragen, ist der beste, den es gibt. Nur er kann Deine Fragen seriös beantworten, weil er Deinen Krankenakt kennt und mit seinen Kollegen im Tumorboard diskutiert hat. Und es ist sein Job.
Mir hat damals sehr geholfen, dass ich eine zweite Meinung eingeholt habe. Ich bin mit meinen Befunden zu einer anderen Onkologin spaziert. Die hat mir im Prinzip das gleiche gesagt wie mein anderer Arzt und ich war sehr beruhigt.

Zur Chemo: Mein Arzt sagte mir damals, man müsse heute nicht mehr leiden wie im Kino. Es gibt gute Begleitmedikamente. Ich kann Dir versichern: ich hatte Todesangst vor der Chemo. Und es war unnötig. Die Chemo ist kein Kinderspiel und ich weiß, dass es vielen Menschen schlechter geht als mir. Aber: Du bist jung und sonst gesund. Das ist schon mal ein Vorteil - besser als jemand, der noch andere gesundheitliche Probleme hat. Mir war während der Chemo nur ein paar Mal schlecht (und ich war gelegentlich selbst schuld wegen meiner Ernährung...). Ja, Haare weg (im Nachhinein war das sehr praktisch), ich habe ausgesehen wie ein Michelinmännchen, alles hat irgendwie fad, metallisch, komisch geschmeckt. Gelegentlich war mir übel, ich habe gefroren, hatte Wasseransammlungen im Körper, Polyneuropathie.... Aber es war nach 6 Monaten vorbei - und weit weniger schlimm als ich befürchtet habe.

Natürlich kann man an einer Chemo sterben. Du hast keine Abwehrkräfte, Dein Immunsystem liegt am Boden. Aber Dein Arzt wird Dich genau aufklären, was Du während der Chemo besser nicht machst - große Menschenansammlungen zB. Halte Dich daran und meide die Gefahrenquellen. Ich war zB während der Chemo zwar ständig erkältet, war aber sonst nicht krank. (Und ich habe es oft sehr übertrieben....) Und wenn Du Dich nicht gut fühlst, geh zum Arzt. Du bist während der Chemo ohnedies ständig unter Kontrolle. Aber wenn Du Dich dazwischen schlecht fühlst oder fragen hast, geh zum Arzt, ruf ihn an. Er ist dafür da!

Wichtig ist: sofern Du Dich dazu in der Lage fühlst, regelmäßig Bewegung zu machen. Das tut Dir gut und die Prognosen sind für Patientinnen, die regelmäßig Sport machen, besser. Warum konnte mir keiner erklären, aber es gibt Studien dazu. Und mir hat es sehr geholfen: ich war nicht so müde und ich hatte jedes Mal das Gefühl, dass ich beim Sport aktiv gegen den Krebs kämpfe.

Wenn Du noch etwas aus der Statistik hören willst: die weitaus meisten Menschen, die eine Chemo machen, überleben diese. Ich alleine kenne genug - auch Menschen, die im hohen Alter eine Chemotherapie gemacht haben und dann noch jahrelang bei hoher Lebensqualität gelebt haben.

Alles Gute!
Erzsi
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