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Alt 20.02.2018, 13:35
Clea Clea ist offline
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Standard AW: Ma´s Sonne ist untergegangen

Liebe Nicitzka,

so viel anders ist es gar nicht. Ich hab meiner Ma, wenn sie rauchte, oft auf den Kopf zu gesagt, Mutti, irgendwann bringen die Zigaretten dich um. Und schau, Omis Lungenwaren damals auch von der Raucherei so schlecht, dass sie ihre Lungenentzündung nicht verpackt hat und dran gestorben ist. Sie hat mich immer abblitzen lassen.
Wir waren auch nicht schon immer ein Herz und eine Seele, letztlich ist unser Verhältnis mit der Entfernung nach meinem Auszug besser geworden.
Ich war in der Pubertät rebellisch, faul und ungepflegt, das hat ihr nie gepasst.
Ihr Leben war auch nicht das, was sie sich gewünscht hat.
Ich kam mit 19, sie war doch selbst noch ein Kind.
Dann lernte sie Papa kennen und als mein Bruder kam, ging sie nicht mehr arbeiten.
Da wurde sie einsam und schmachtete nur danach, endlich wieder raus zu kommen.
Sie trank zuviel und rauchte zuviel.
Einmal ist sie beim Straßenfest gefallen und hatte ein blaues Auge und eine blutige Lippe. Ich habe mich sehr geschämt. Alle haben es gesehen.
Und einmal ist sie im Haus die Treppe runter gefallen, sie sagt, weil der Pantoffel verrutscht ist. Aber ich weiß es besser. Da musste mein Vater sich ein paar unangenehme Fragen gefallen lassen.
Das war alles besser geworden. Lediglich das Rauchen...
Vor uns hat sie kaum geraucht, vor ihrem Enkel nie. Aber auf der Arbeit und im Auto und im Bad. Ich habe es immer gehasst. Niemals werde ich Rauchen oder trinken, so sehr hab ich es gehasst.
Aber sie war in den letzten Jahren sehr geerdet, war angesehen in der Familie ihres Chefs, hat für dessen Tochter und die anderen Verwandten viel getan (türkische Großfamilie, mal hier und mal dort, Visa und Tickets besorgen hat sie im Vorbeigehen erledigt).
Sie sind in Urlaub gefahren und haben es immer wieder genossen dort auf Mallorca. Wir waren auch einmal im Jahr dabei, dreimal mit ihr und jetzt einmal ohne sie.
Sie war jetzt im ruhigen Fahrwasser angekommen.
Kurz vor der Diagnose war ich mit ihr im Musical Tabaluga, Anfang Dezember auf einem Schiff auf dem Rhein, mit dem Enkel den Nikolaus besuchen.
Sie mochte Blumen so gern, daher war ich froh, dass die Gartenschau bald in unsere Nähe kommt. Ich wollte sie wieder einladen, wie damals in Oberhausen.
Ich werde trotzdem hingehen und ihr die Blumen dort zeigen, ich bin mir sicher, sie sieht sie auch.
So sieht man irgendwie das Unheil auf sich zu rollen.
Aber wenn es dann so ist, dann haut es einen doch um.
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Meine Ma
17.9.1957-19.2.2017, 59 Jahre, Lungenkrebs mit Hirnmetastasen

Geändert von Clea (20.02.2018 um 13:38 Uhr)
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