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Alt 09.01.2006, 15:39
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AndreaS AndreaS ist offline
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Registriert seit: 09.02.2005
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Hallo Shalom,

es mag richtig sein, dass Gerhard und auch wir anderen, die ihren geliebten Partner verloren haben, zuvor ein eigenständiges Leben gehabt haben. Nun hatten wir das große Glück einen Menschen zu finden, dem unsere ganze Liebe und Aufmerksamkeit galt, mit dem wir uns ergänzt haben und irgendwie über die Jahre EINS wurden. Unser Leben war ein WIR und kein ICH mehr und so wollten wir es leben und so liebten wir es zu leben. Mit dem Tod unserer Partner sind auch wir gestorben. Wir fühlen uns tot und leer, antriebslos und ein Sinn ist nicht mehr erkennbar.

Du magst ja in manchen gut gemeinten Ratschlägen Recht haben. Aber sie helfen Gerhard nicht, mit seinem Schmerz umzugehen. Irgendwie - ist jetzt nicht böse gemeint - macht es mich sogar wütend deine "schlauen Sprüche" zu lesen. Es ist ein langer Weg durch die Trauer, bis sich ein "ich" nochmal einigermaßen erträglich anfühlt.

Ich glaube auch, dass es etwas gibt, was wir hier auf Erden noch nicht begreifen. Aber auch ich kann mit diesem Gott, den uns die Kirche seit Ewigkeiten näherbringen möchte, absolut nichts anfangen. Wie kann man in ihm Trost finden, wie aus dem Glauben an ihn Kraft schöpfen? Sollte er tatsächlich die Fäden in der Hand halten, kann man ihn doch wirklich für das Leid, das man alleine hier im Forum nachlesen kann, nur hassen aber bestimmt keine Dankbarkeit empfinden.

Ich bin der festen Überzeugung, dass es nur um die Liebe geht, die zu erfahren und zu verschenken unser Auftrag hier in unserem Leben ist. Und diesen Auftrag, Shalom, haben Gerhard und seine Frau erfüllt. Ihm ist der Mensch begegnet, der aus seinem Ich ein Wir hat werden lassen. Und bestimmt wird es ihm gelingen, diese Liebe weiter in seinem Herzen zu spüren und einen Weg zu finden, mit seiner geliebten Frau im Herzen den Weg alleine weiterzugehen. Vielleicht findet er - ebenso wie ich z.T. - eine Art neuen Sinn u.a. hier im Forum, "neuen Leidensgenossen" die Hand zu reichen und zu versuchen, sie mit ihrem Schmerz nicht alleine zu lassen. Vielleicht, irgendwann...

Aber du irrst, wenn du sagst, dass es jetzt bereits Zeit ist, Lebensenergie - die im übrigen überhaupt noch nicht vorhanden sein kann - in Positives umzuwandeln. Wie soll das denn bitte jetzt schon möglich sein? Es gibt im Augenblick nichts Positives, absolut nichts, nur Trauer, Schmerz, Einsamkeit und Verzweiflung.

Wie gesagt, jedem das seine. Aber irgendwie finde ich es immer ein wenig wie Hohn, Gott als den guten Beschützer darzustellen, vor allem in solche einer Lebenskrise, wie wir Trauernden sie gerade durchleben und als Angehörige, die den Todeskampf ihrer Lieben miterleben mussten.

In einem anderen Thread hatten ein paar von uns einmal beschlossen die "Sprüche die die Welt nicht braucht"zu sammeln. Ich denke wirklich, dass Gerhard im Augenblick offene Ohren und symbolisch geöffnete Arme braucht, die ihn annehmen wie er sich im Augenblick fühlt, die ihm sagen, alles ist ok auf diesem beschissenen Weg. Die hören wollen, was er zu sagen hat, die ihm vielleicht erzählen, wie es sich bei uns angefühlt hat. Traueranleitung gibt es nicht! Aber "Kopf hoch, es wird schon wieder" oder "Das Leben geht weiter" das - ich kann jetzt nur von mir auf andere schließen - muss nicht sein, denn man will alles, nur nicht, dass das Leben ohne den geliebten Menschen einfach weitergeht. Die Welt sollte stehen! Das wäre richtiger.

>>Woher kommt dieser große Zorn ? << diese Frage hast du ja jetzt wohl nicht ernst gemeint....

Nichts für ungut

LG
Andrea
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