Thema: Und nun?
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Alt 24.10.2005, 02:09
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Lady Molly Lady Molly ist offline
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Standard AW: Und nun?

Liebe Petra,

den Erdengeburtstag von deinem Mann im Planetarium zu begehen ist bestimmt eine gute Idee. Er wird euch begleiten.

Ja, wir haben uns vom Leben, von der Notwendigkeit etwas antrainieren lassen und immer wenn ich ein klitzekleines bißchen nur an mich denken möchte, habe ich Angst das etwas passiert, das ich an einer wichtigen Stelle versage, mir der Himmel auf den Kopf fällt. Du hast hier geschrieben du willst nicht vergessen, du willst nicht das es dir besser geht. Ich möchte auch das alles so ist wie vor einem Jahr oder auch zweien. Man hat so viel Zeit im gemeinsamen Leben verschwendet, sich gegenseitig weh getan, Kleinigkeiten in den Vordergrund gestellt (bei uns war es nicht immer die perfekte Liebe und Ehe, wir hatten unsere Hoch´s und Tief´s) und nun wäre ich froh wenn ich mich über Ewalds Eigenheiten noch einmal aufregen könnte. Aber ich will auch weiter gehen, das neue Leben schätzen lernen und kann es nicht. Es käme mir wie ein Verrat vor, so als wenn es Ewald nie gegeben hätte. Wenn wir unser Erdenleben hinter uns lassen, was bleibt denn von uns? Ich habe durch die verstorbenen Großeltern nun schon mehrmals Wohnungsauflösungen mitgemacht und jedesmal denke ich dabei an meine paar Sachen an denen ich hänge. werden sie in einer Kiste verschwinden, so wie mein Körper? Ich konnte ziemlich gut und schnell Ewald Sachen ausräumen, aber ich habe ziemlich alles möglichst in seinem Sinne weiter gegeben, vieles natürlich auch selber behalten und Andenken für die Kinder weg gelegt. Manches kann ich bis heute nicht anrühren, manche Speisen nicht essen und ich glaube Weihnachtsplätzchen werde ich in diesem Jahr nicht backen, es würde mir das Herz brechen, denn kein Ewald kommt und futtert sie weg. Ich werde keine Extraplätzchen mit Marmelade nur für ihn backen... Nun habe ich mich verzettelt... Wollte noch was zum Einkaufen sagen, auch das ist furchtbar. Mein Blick fällt auf die Herrensachen und ich prüfe automatisch das Angebot und die Preise bis mir einfällt das ich diese Dinge nicht mehr kaufen brauche, denn mein Mann ist tot. Für mich selber kaufe ich ab und zu etwas und frage mich dann wofür ich das überhaupt gekauft habe, interessiert doch nicht wie ich aussehe, denn der auf den es an kam, strahlt mich nicht mehr an, aber dann denke ich wieder, wenn er mich sehen kann, wäre er sehr enttäuscht von mir, wenn ich mich zu sehr gehen lasse. Vielleicht kannst du es auch ein wenig so sehen und das nächste Mal Schuhe kaufen?

Hallo Blue,

ich wiederhole mich, aber auch über dein Posting freue ich mich. Ich bin traurig über den Grund der uns zusammen führt, aber wirklich froh hier nicht alleine zu sein. Liest sich bestimmt wieder mal recht ungeschickt. Aber ihr, du Blue, versteht schon.

Ich bin mir nicht sicher, wie das nun mit den Kindern ist. Kinder geben vielleicht einen Grund zum weiter machen, trösten schon in einer schwer zu beschreibenden Form. Manche sehen Kinder auch als "in ihnen lebt man weiter" an. Gleichzeitig belastet es unheimlich den Kindern zu sagen das jemand sehr, sehr krank ist, sterben könnte. Sterben wird. Gestorben ist. Der eigene Schmerz, die eigene Trauer sind schlimm und dazu blutet das Herz, weil man die Kinder nicht davor bewahren konnte. Nun steht man alleine da und wenn mir etwas passiert, was wird dann?
Ob Trauer mit oder ohne Kinder, vieles ist gleich und anderes unterscheidet sich. Es ist einfach so.

Das darf ich jetzt!
Den Gedanken kenne ich und was ist das so ungewohnt ohne Ewald alles zu entscheiden. Mir fehlt das Gespräch. Aber ich darf jetzt auch ein wenig rumspinnen, denn ich bin Witwe und die werden manchmal schrullig ;-) Ich darf mir heraus nehmen alleine meinen Weg zu gehen, denn das Schicksal hat es so bestimmt und mit alleine meine ich das ich zwar immer meine Familie berücksichtige, aber sicher nicht die Menschen die erwarten das ich in die Form passe die jeder im Leben übergestülpt bekommen soll. Nein, auch ich denke, trotz der momentanen Probleme mit meiner Tochter, das wir normal sind. Es ist normal zu trauern ohne Zeitmaß, es ist normal sich trotzdem zu streiten, dumme Dinge zu machen, genauso wie zwischendrin mal zu lachen, mal zu vergessen und wenn´s nur ein Minütchen ist wie schwer das Leben sein kann. Wer will sich wagen nachdem was wir erlebt haben uns zu sagen wie wir sein sollen?

Eure Sprüche gefallen mir:
„Mir ist etwas Schlimmes passiert, aber ansteckend bin ich nicht!“
"Ach, so hast du das gemacht als dein Mann starb..."

Ich mag diese Art der Ironie sehr gerne und denke: "Das darf ich jetzt."

Warum auch nicht, habe ich nicht gekämpft, gehofft, begleitet, getröstet, gelernt, geliebt, getrauert? Ihr wisst genau was es bedeutet die Diagnose zu hören und den Weg bis zum Schluß zu gehen. Ich frage mich wie bitte ich das geschafft habe? Wie konnte ich so offen damit umgehen, auf dieses Ende mit Ewald zusteuern ohne den Verstand zu verlieren? Manchmal wollte ich weg laufen, nichts mehr sehen, nichts mehr hören. Aber ich habe es geschafft, ich war bei meinem geliebten Mann und muß mir nichts vorwerfen, also soll doch bitte die Allgemeinheit, die sicher nicht mit uns am Sterbebett gesessen hat und sehen musste, hilflos, was geschieht, die nicht mit uns bis zum letzten Moment auf DAS Wunder gehofft hat, uns nicht sagen was wir zu empfinden haben und sich unser schnell entledigen mit dem Rat wir sollen uns Profihilfe holen. Ich lehne diese Art der Hilfe nicht generell ab, denke aber nicht jedem kann auf diesem Weg geholfen werden (leider) und zu schnell wird erwartet das alles wieder gut ist. Wir sollen uns doch nur Hilfe holen damit wir die anderen nicht belasten, sie nicht daran erinnern wie schnell es jeden treffen kann und einfach nur in unsere Gesellschaft, in der man normal sein muss, jung und gesund, fröhlich und attraktiv sein muß, wieder rein passen. Wie können wir auch so anders sein? Täglich sterben doch Menschen und wir tun so als wenn unser Schicksal die Welt anhalten müsste... Unsere Welt hat aber angehalten, müssten die anderen das nicht merken?

Liebes Julchen,

nordisch hat dir den Weg zu uns gezeigt. Das ist gut. Du hast eine feine Tochter, ich erlaube mir mal das Urteil, auch wenn ich sie nur aus dem Forum hier kenne.

Deine Worte sind unsere Worte, unsere Empfindungen. Ich verstehe dich sehr gut, nicht immer steht man in der Trauer und der Verarbeitung auf der gleichen Stufe, aber doch kennen wir wohl alle alle Varianten, alle Gedanken, alle Tiefs.

Wie du siehst bin ich eine alte Quasseltante, zumindest, wenn ich erst mal angefangen habe. Es tut wirklich gut, einmal weil man verstanden wird und auch weil man nicht alleine ist (so traurig wie das ist). Ich habe hier mal geschrieben das ich mit weiteren Witwen versucht habe zu reden, Bekannte im "realen" Leben. Es hat nicht gepasst, warum auch immer. Hier fühle ich mich immer noch gut aufgehoben und wenn ich mit meinem Tippen fertig bin, bedaure ich manchmal die Leser und frage mich selber wo bitte diese Gedanken genau herkommen, fühle mich dafür meist besser.

Ich hoffe du hast die Möglichkeit regelmässig bei uns vorbei zu schauen und auch dir wird es ein bißchen helfen. Danke das du dich gemeldet hast.

Nun hoffe ich nur das ihr alle schon gut schlaft, denn das werde ich nun auch versuchen, morgen, äh, nachher ist Tag 1 der Jobsuche.

Liebe Grüsse,
Susanne
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