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Alt 19.12.2005, 16:04
Barbara 64 Barbara 64 ist offline
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Standard AW: Zwei Jahre danach...

Mittags kam Dein Arzt vorbei und legte die Infusion an, wenn sie durchgelaufen ist, muß man den Schlauch abmachen und die Kanüle verschließen, ganz einfach... Es hat einen Moment gedauert, bis ich verstanden hatte, daß die Erläuterungen für mich bestimmt waren... Ich war gelinde gesagt verunsichert, bei meinen eigenen Spritzen kann ich kaum hinschauen, Blut sehen ist auch nicht ganz so meins, und jetzt sollte ich an Deiner Kanüle...
Ich erinnerte mich an eine Situation mit Papa, damals im Krankenhaus, da hat er an seiner Kanüle und den Infusionsschläuchen herumgemacht, das ganze Bett war voll Blut und ich in großer Angst, er könnte verbluten bis die Schwester kommt... Bei Dir würde ich nicht einmal eine Klingel haben...
Du hast das ganz locker gesehen, das würde ich schon schaffen. Ich war sehr überrascht von dieser Einschätzung, hätte nicht gedacht, daß Du derartiges Vertrauen in mich setzen würdest.
Als der Moment dann gekommen war, ging es ganz gut, Dein Besuch und Du, ihr wart voll Bewunderung für mich, wie locker und gut ich das hingekriegt hätte... Ich war schweißgebadet und hatte das Gefühl, ich würde zittern, doch meine Hand war wohl tatsächlich ziemlich ruhig.

Für den nächsten Tag hatte ich Termine, Krankenkasse, Sanitätshaus,... Eine Freundin hat sich um Dich gekümmert, für ein paar Stunden ging das. Sie hatte Angst, daß sie nicht schaffen würde, Dich zur Toilette und zurück zu bringen, Du hast das wohl gespürt, bist die ganze Zeit auf dem Sofa geblieben, und so hat das hingehauen.
Abends habe ich Dich wieder zum Essen 'genötigt', Du warst ziemlich unzufrieden mit mir... Doch Du hattest wieder Stuhlgang, fühltest Dich auch ein bißchen besser, wir dachten beide, es geht aufwärts... Also, nicht nachgelassen...

Mama, wenn ich gewußt hätte, daß es Deine letzte Mahlzeit war, ich hätte Dich nicht so traktiert...

Später kam dann eine Freundin von mir vorbei, weil ich es nicht mehr geschafft habe, Dich allein nach oben zu bringen.
Du wolltest dann noch am Schlafzimmerfenster eine Zigarette rauchen. Mama, hast Du gewußt, daß es der letzte Blick in Deinen Garten war ? Daß Du nach dieser Nacht nicht mehr aufstehen würdest ?


Ein Traum, ein Traum ist unser Leben
Auf Erden hier.
Wie Schatten auf den Wolken schweben
Und schwinden wir.
Und messen unsre trägen Tritte
Nach Raum und Zeit;
Und sind (und wissen's nicht) in Mitte
Der Ewigkeit...

Johann Gottfried Herder
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