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Alt 18.03.2014, 20:17
The Witch The Witch ist offline
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Standard AW: Spätfolgen der Bestrahlung

Ich versuche mich mal an der Beantwortung von zwei, drei Fragen.

Als erstes: Eine Strahlentherapie hat nichts mit Radioaktivität zu tun. Von Radioaktivität spricht man ausschließlich, wenn sich Atomkerne in andere Atomkerne umwandeln und dabei Strahlung aussenden.

Diese Strahlung kann aus unterschiedlichen Teilchen bestehen, all diese Teilchen haben aber von sich aus - auch ohne irgendein zugrunde liegendes Atom - die Eigenschaft, aus den Hüllen von Atomen oder Molekülen Elektronen herauszu"schlagen", sofern sie genügend Energie haben. (Elektronen können eigenständig existieren, sind aber außerdem - sofern in Atomen gebunden - sozusagen die "Andockstellen" für andere Atome/Moleküle.) Nun sind Atome und folgerichtig auch Moleküle (= aus mehreren Atomen zusammengesetzt) von Haus aus elektrisch neutral. Da Elektronen negativ geladen sind, entsteht bei Entfernung/Zufügung eins oder mehrerer Elektronen ein elektrisch positiv/negativ geladenes Rest-Atom bzw. -Molekül, das man "Ion" nennt. Von daher bezeichnet man diese Arten von Strahlung als "ionisierende Strahlung".

In der Strahlentherapie erzeugt man nun einige dieser Teilchen künstlich, im wesentlichen Photonen (keine Ladung), Elektronen (negative Ladung) und Protonen (positive Ladung). Ihre Energie erhalten all diese Teilchen dadurch, dass sie beschleunigt werden und so auf Gewebe treffen. Die erzielten/erzielbaren Energien sind je nach Teilchen unterschiedlich. Ihre Wirkung beruht unmittelbar zunächst einmal darauf, dass sie aus dem Gewebe, auf das sie treffen, wiederum Elektronen herauslösen - die dann wiederum weitere Elektronen losschlagen, die dann ... es entstehen massenhaft Ionen.

Diese drei Strahlungsarten erreichen bei unterschiedlicher Eindringtiefe ihre maximale Wirkung und klingen auch unterschiedlich schnell wieder ab. Photonen mit relativ niedriger Energie erreichen ihre maximale Wirkung ziemlich dicht unter der Hautoberfläche und klingen ziemlich langsam ab; bei größerer Energiedichte liegt das Wirkungsmaximum tiefer im Gewebe, das Abklingsverhalten ist genauso langgezogen. Das heißt, es wird Gewebe auf einer recht großen Strecke gefährdet.

Elektronen dagegen erreichen die Maximalwirkung in wenigen Zentimetern Tiefe - und die Wirkung sinkt dann ganz schnell auf Null. Die Nicht-Wirkung auf das Herz liegt also bei der Bestrahlung der Brust nicht darin, dass der Muskel dazwischenliegt, sondern einfach darin, dass das Herz tiefer im Körper liegt. (Protonen folgen einer ähnlichen Kurve wie Elektronen, nur versetzt - d. h. ihr Wirkungsmaximum liegt tiefer im Körper.)

Vor dem Wirkungsmaximum findet natürlich (bei allen drei Formen) auch Wirkung statt - nur eben nicht so stark. Deshalb kann man die Schädigung der Haut auch nicht vermeiden.

Nun zu den "freien Radikalen": Der korrekte Begriff ist zunächst einmal schlicht und einfach "Radikal". Das ist ein Begriff aus der Chemie, der ein Atom oder Molekül bezeichnet, das (mindestens) ein ungepaartes Elektron enthält. Das einfachste existierende Radikal ist ein Wasserstoffatom, da es von Haus aus nur ein Elektron hat. Bei der Ionisierung können Radikale entstehen, wenn Elektronenbindungen aufgebrochen werden. Radikale haben mit Ionen gemeinsam, dass beide in den meisten Fällen ohne Ansehen des potentiellen Partners besonders reaktionsfreudig sind - die einen, um die Ladungsneutralität wiederherzustellen; die anderen, um wieder "vollständig" im chemischen Sinne zu werden. Durch dieses Verhalten schädigen sie die Krebszellen, indem sie beispielsweise mit deren DNA reagieren. Es wäre also höchst kontraproduktiv, die abtransportieren zu wollen. Die gesunde Zelle hat dagegen Reparaturmechanismen, um das aushalten zu können. (Mal ganz abgesehen davon, dass es keinerlei Belege gibt, dass Tees, Vitamine etc. Radikale "abtransportieren" könnten. Das tun sie nur in der Werbung.)

Und ein Wort noch zum "Strahlenkater": Den gibt es eigentlich nur bei sehr großflächigen Bestrahlungen mit entsprechenden großflächigen Strahlenschäden.
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