Einzelnen Beitrag anzeigen
  #8  
Alt 11.07.2014, 00:04
Bine 60 Bine 60 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 12.03.2013
Ort: Berlin
Beiträge: 41
Standard AW: Trauerverarbeitung

Lieber Ronald,
ich war schon eine lange Zeit nicht mehr im Krebs- Kompass. Und heute finde ich hier deinen Thread. Toll, daß du ihn eröffnet hast.

Ich habe meinen lieben Wolfgang vor über acht Monaten verloren. Die ersten sechs Wochen vergingen wie im Fluge, es war auch so viel zu tun.
Dann kam mein Zusammenbruch, mit Heulattacken, die einfach nicht mehr aufhören wollten. Mit Selbstmordgedanken. Ich mußte etwas tun. Der Arzt hat mich ins Krankenhaus eingewiesen. Stationär wollte ich aber nicht, ich konnte mich von den negativen Gedanken noch distanzieren. Also Tagesklinik für Psychiatrie, obwohl ich da nicht unbedingt richtig war. Aber der Tagesablauf dort hat mir gut getan, das tägliche Mittagessen. ( Ich hab in den ersten drei Monaten 13 Kilo an Gewicht verloren).
Was mir aber am meisten geholfen hat, war eine Trauergruppe. Alle 14 Tage treffen wir uns und reden, manchmal lachen wir auch miteinander. Was aber am wichtigsten ist: wir weinen auch. Jeder einzelne weiß, wie man sich fühlt, wir haben keine Hemmungen, unsere Trauergefühle einfach rauszulassen und den anderen zu erzählen, wie es einem so geht.
Ich erkenne dort, daß meine Gefühle normal sind, daß andere das gleiche erleben.
Der Leiter gibt auch Tipps, wie man seine Trauer eventuell besser verarbeiten kann, indem man ein Trauertagebuch führt. Meines habe ich Mitte Dezember angefangen, am anfang täglich, jetzt eher sporadisch, aber trotzdem fast wöchentlich. Inzwischen schreibe ich auch in Gedichtform.

Auch ich gehe an das Grab meines Mannes, ich rede dort mit ihm und hab am Anfang auch um mich geblickt, um alleine meinen Tränen freien Lauf zu lassen. Das mache ich nicht mehr, ich weine, wenn es nötig ist, egal, wer da ist. Den anderen Menschen auf dem Friedhof geht es doch ähnlich.
Zu Wolfgangs Geburtstag im März habe ich seinen Lieblingskuchen gebacken und zwei Stücke mit auf den Friedhof genommen. Eines habe ich gegessen, daß andere bei ihm eingebuddelt. Es hat ihm sicher geschmeckt.
Sein Enkel ist jetzt sechs Monate alt, er hat ihn also eigentlich nie gesehen, aber ich zeige ihm regelmäßig Bilder von ihm.

Ich rede mit ihm jedesmal wenn ich da bin und bin auch schon mal voller Wut gegen das Grab getreten. Danach ging es mir besser.

Es geht mir etwas besser, auch wenn ich immer noch kein Licht am Ende des Tunnels sehen kann (was für ein blöder Spruch).

Eure Sabine.

PS: Ich wußte nicht, daß trauern so ein Seelenschmerz sein kann, daß er so doll (auch körperlich)wehtun kann.
__________________

mein Mann: nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom // cT2a N2 M1b / Stadium IV //ED: 1.6.2012
Metastasen: linke Schulter und BWK-1 seit Juni 2012
Hautmetastase hinter dem Ohr seit April 2013

austherapiert seit 2.7.2013, seitdem wartend und hoffend

verstorben am 27.10.2013, zu Hause, in meinen Armen
Mit Zitat antworten